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Ostermontag, 5.4.99, 11.Tag

Geweckt werden wir vom Zwitschern der Vögel in den Bäumen vor der Villa; helles Sonnenlicht flutet in die Räume. Klar, daß wir den ungewohnten Luxus der Badezimmer mit heißem Duschwasser ausgiebig ausnutzen. Leo hat sich gestern unsere weiteren Wanderpläne angehört. Er hat vorgeschlagen, mit einem Großraum-Taxi hoch nach Bova zu fahren. Zu Fuß sei das zu weit (die Karte bestätigt uns das: 14 Kilometer, dazu noch hoch auf 820 Meter!); Busse fahren am heutigen Ostermontag nur sehr wenige - und teuer sei das Ganze auch nicht, da das Taxi seinem Freund gehöre. Nach den bisherigen, guten Erfahrungen, nehmen wir dieses Angebot gerne an.

Allerdings haben wir inzwischen ein anderes Problem: es mangelt uns am nötigen Bargeld! Wir hatten ja nicht mit den Kosten für die Unterkunft gerechnet; für eine Person zwar nicht viel; insgesamt aber 300.000 Lire (einschl. Getränke) - und so viel haben wir nicht mehr in der Gruppenkasse flüssig. Und ab Bova werden wir bestimmt keinen Bancomat mehr finden. Für Leo kein Problem: er fährt uns mit seinem Wagen nach Bova Marina zur dortigen Bank. Dummerweise hat die aber nur einen Automat für heimische Karten. Also geht es auf zum nächsten großen Ort; Melito, 15 Kilometer entfernt.

Eine spannende Fahrt! Der Tacho am Mercedes zeigt zwar nichts an; die vorbeiflitzenden Bäume lassen aber auch so die Geschwindigkeit ahnen. Unterwegs mehrere Carabinieri-Kontrollen, die Leo aber mit lässigen Gruß durchfährt - man scheint seinen Wagen zu kennen. In Melito ist der erste Bancomat defekt; am nächsten sind wir dann zum Glück erfolgreicher und heben sicherheitshalber gleich mit zwei Karten nacheinander Geld ab. Das wird jetzt bis zum Ende der Fahrt reichen!

Abschied vom Agriturismo La Spina Santa und den gastfreundlichen und hilfsbereiten Besitzern

Inzwischen haben die anderen schon gepackt; wir verabschieden uns von den drei Brüdern und Lal; sie erwar-ten heute jede Menge Tagesgäste - Ostermontag ist traditionell ein Ausflugstag mit Picknicks. Wir kennen das ja schon von Sardinien und Sizilien. Ein alter Mann sitzt vor dem Haus und spielt auf dem Akkordeon. Nino zeigt uns noch stolz seinen Pizza-Ofen; dann kommt auch schon Leos Freund mit einem VW-Bulli. Fünf Mark will er gerade mal von jedem für die Fahrt haben.

Wir verladen unser Gepäck im Bulli und auf geht`s hinauf ins Landesinnere nach Bova. Unser Fahrer spricht gut deutsch; er hat lange Zeit in Karlsruhe gearbeitet. In vielen Serpentinen zieht sich das Sträßlein hinauf; es wäre Wahnsinn gewesen, wenn wir diese Strecke gelaufen wären! Oben bringt uns da Taxi bis direkt zur Haupt-Piazza des Dorfes; wir bedanken uns und sind nun gespannt auf die im Reiseführer beschriebene Attraktion des Ortes.

Mit einem Großraum-Taxi geht es hoch nach Bova

"Auf der Piazza von Bova verwundert die große schwarze Schnellzuglokomotive, die 1989 nach dem Willen des damaligen, 1992 von der Mafia ermordeten Bürgermeisters mit dem Tieflader hochgebracht wurde, um die Verbindung Bovas mit der Welt zu zeigen."

Nachdem wir uns gegenüber einer Bar häuslich niedergelassen haben, genießen wir einen kleinen Ostermontag-Frühschoppen auf den sonnengewärmten Parkbänken. Die überall wachsenden Hecken sind teilweise zu merkwürdigen Gebilden zurechtgestutzt: unter anderem ist ein kleiner Hubschrauber samt Rotorblättern zu bewundern.

Von der Piazza ist es nur ein Katzensprung um die Ecke bis zur schon erwähnten Lokomotive. Und die ist nun wirklich sehenswert! Wir fragen uns, wie dieses Monstrum über die enge Straße hierher gebracht worden ist.

Eine Schnellzug-Lok mitten in einem Gebirgsdorf!

Da wir nirgendwo ein Verbotsschild entdecken, wird der Koloß natürlich umgehend bestiegen. Und recht schnell muß die Lokomotive nun als Kulisse für eine kleine improvisierte Videosequenz herhalten, in der kein Geringerer als James Bond höchstpersönlich mit bösen Schurken abrechnet. Wir haben viel Spaß dabei!

So etwas regt natürlich unsere Phantasie an...

Unseren Damen ist das allerdings zu langweilig; sie ziehen die Siesta in der Sonne vor. Nachdem die Herren ihren Spieltrieb ausgelebt haben, wandern wir hoch zur über Bova thronenden Burg. Die Normannen haben sie hier im 11. Jahrhundert erbaut; 1075 wurde sie erfolglos von den Sarazenen belagert. Von oben haben wir einen weiten Blick über die grandiose Landschaft am südlichsten Zipfel des italienischen Festlandes.

Das am Südhang des Aspromonte liegende Bova war schon in prähistorischer Zeit besiedelt. Irgendwann ka-men dann Einwanderer aus Griechenland. Und so befinden wir uns hier zwar offiziell in Italien; gleichzeitig aber im Zentrum eines - inzwischen sehr kleinen Gebietes - das eigentlich eher griechisch ist. Viele Menschen sprechen hier noch griechisch als ihre Muttersprache. Wir befinden uns hier in der Welt der "Grecani", der "Italo-Griechen".

"In diesen Dörfern des Aspromonte hielt sich das Griechische, weil sie so abgelegen und arm waren (und sind), daß sich nicht einmal die Steuereintreiber für sie interessierten. Fast alle geographischen Namen sind noch griechisch; mit dem Kontakt zur Außenwelt verschwand die Sprache aber immer mehr. Bova liegt großartig. Man sieht so richtig, wie Italien zu Ende geht; wie sich der Stiefel mit leichter Krümmung ins Meer schiebt. Bei klarer Sicht sieht man in der Ferne den Etna rauchen.

Ein Gang durch die Gassen und Treppenstraßen um die Piazza bis hoch zur verfallenen Rocca zeigt den heutigen Exodus. Mehr als die Hälfte aller Häuser sind verlassen; viel nur noch Ruine; darunter auch die Kirchen im oberen Ortsteil."


Davon können wir uns nun beim Aufsteig zur Burg unser eigenes Bild machen. Aber trotz des überall sichtbaren Zerfalls: Stadt und vor allem Rocca sind schon sehenswert. Dazu eine tolle Aussicht von der Burg herab!

Nach einem weiteren Sonnenbad auf den Mauern der Rocca machen wir uns wieder auf den Abstieg in den belebteren Teil des Ortes. Hier ist inzwischen der Bär los: viele junge Italiener bevölkern die Piazza; Autos drängen sich dicht an dicht - es scheint ein beliebtes Ausflugsziel zu sein.

Unsere Bar ist ebenfalls brechend voll; eigentlich wollten wir hier Trinkwasser fassen; wir kommen aber gar nicht durch. Also füllen wir unsere Flaschen am Dorfbrunnen, ehe wir der Hauptstraße leicht bergab folgen. Unterwegs stoßen wir dann doch noch auf einen am Ostermontag geöffneten Alimentari; klar, daß hier noch einmal eine Pause fällig ist. Auch frisches Brot kaufen wir hier nach. Wir haben nämlich den weiteren Streckenverlauf im Reiseführer aufmerksam studiert:

"Die Verbindungsstraße, die weiter in den Aspromonte zu den 1951 durch Erdrutsche zerstörten Dörfern Casalnuovo und Africo führt, steigt bis zur Häusergruppe Tefani, die unterhalb einer scharfen Rechtskurve liegt. Hier zweigen neben der Feldstraße hinunter nach Amendolea zwei kaum noch begangene Fußwege ab. Wir folgen dem Fahrweg, der am Hang zu den Ruinen von Amendolea Vecchia und weiter zur kleinen Häusergruppe des neuen Amendolea hinunterführt. Er gibt großartige Einblicke in das Tal mit seinem breiten Schotterbett. Amendolea Vecchia ist verlassen; das Dorf und die Burg wurden jüngst renoviert; ein Rundweg führt hindurch."

In dieser verlassenen Einöde wollen wir heute abend irgendwo zelten; jetzt ist also die letzte Einkaufsgelegenheit. Schwer bepackt machen wir uns dann am frühen Nachmittag auf den Weiterweg. Bova entschwindet schnell unseren Blicken; nur die Rocca bleibt noch längere Zeit sichtbar.

Wir lassen die Zivilisation hinter uns

Der Wanderweg ist wirklich schön! In Tefani zweigen wir ab und folgen einer unglaublich steilen Piste hinun-ter. Raubvögel kreisen über uns; Bergziegen tummeln sich in den Felsen. Die Aussicht von hier oben ist grandios. Jetzt lernen wir also doch noch den "Parco Nazionale dell`Aspromonte" kennen. Und es lohnt sich!!

Der Aspromonte - ein extrem menschenleeres Gebirge

Die Landschaft ist aber nicht nur schön, sondern auch extrem einsam und menschenleer. Gut, daß wir ein-schließlich ausreichendem Trinkwasser alles dabei haben! Der Weg führt beständig abwärts. An einem verfallenen Haus legen wir eine längere Pause inmitten einer unglaublich farbenfrohen Blumenwiese ein. Von hier oben aus können wir sehr gut den gewundenen Lauf der Fiumara sehen; auch die Ruinen von Amendolea Vecchia sind schon sichtbar.

Dafür gibt`s umso mehr an Pflanzen-Vielfalt

Also müssen wir heute gar nicht mehr weit. Als ein Feldweg vom Hauptweg abzweigt, folgen wir ihm, klettern über ein Gatter und erreichen einen kleinen Sattel; ebenfalls mit einer dichten Blumenwiese. Da die Abendsonne schon lange Schatten wirft, beschließen wir, hier zu bleiben. Schnell sind die Zelte aufgebaut; das größte Problem ist dabei, daß wir keine kleinen Teile wie z.B. Häringe ins hohe Gras legen dürfen - die würden wir nie wiederfinden.

Anschließend klettern wir auf einen benachbarten Hügel und beobachten von dort den Sonnenuntergang. Wir sind uns nicht sicher, ob der im Gegenlicht weit entfernt liegende Bergriese der Etna ist.

Dienstag, 6.4.99, 12.Tag

Wir hatten eine ruhige, ungestörte Nacht. Bei bestem Wetter sind wir schon bei Sonnenaufgang wieder auf den Beinen. Nach einem Frühstück inmitten der Blumenwiese und etlichen Cappuccinos packen wir zusammen und machen uns wieder auf zurück zum Hauptweg. Hier geht es weiter abwärts; und bald taucht vor uns das alte Amendolea auf. Sieht von weitem wirklich sehr alt und verfallen aus!

Im Anmarsch auf das verfallene Amendolea

Kurz vor der Ruine kommen wir an einem verfallenen Turm vorbei; das ist der Rest, der an die ehemalige "Chiesa Santa Caterina" aus dem 12. Jahrhundert erinnert. Bald darauf erreichen wir ein großes, geöffnetes Eisentor - von hier aus steigt ein Pfad hoch zur Ruine. Wir folgen dem Weg bis zur nächsten Biegung und lassen hier unsere Rucksäcke zurück. Wozu das Gewicht bis oben hin mitschleppen?

Eine Holztafel, die laut Datum vom "Campo di Lavoro", also von den Renovierungsarbeiten stammt, weist uns darauf hin, daß wir jetzt Boden betreten, der weit über tausend Jahre Heimat der griechischen Kultur in Kalabrien war. Wir werden um Respekt gebeten.

Das fällt unseren jungen Leuten in solchen Ruinen naturgemäß schwer; die vielen Mauern und halbzerfallenen Bauwerke reizen natürlich zum Klettern. Wir erkunden ausgiebig das weitläufige Gelände und dokumentieren es auf Dias und Videoband.

Blick über die Ruinen Amendoleas

Anschließend ist es hinunter zum neuen Örtchen Amendolea nicht mehr weit; wir kommen gegen Mittag dort an und finden einen geöffneten Alimentari. Für Clara Gasparone, die Besitzerin des Alimentari, ist unser Besuch ein unerwartetes und auch außergewöhnliches Ereignis. Bald hat sich ihre ganze Familie um uns herum versammelt. Wir erzählen bereitwillig von unseren bisherigen Reiseerlebnissen. Alle sind beeindruckt. Ganz plötzlich eine große Aufregung: eine etwa 15 cm lange, silbrige Schlange windet sich in schnellen Bewegungen über den Asphalt auf uns zu. "Pericoloso!" ruft Clara - und gibt uns unmißverständlich zu verstehen, daß es sich um eine giftige Viper handelt, die wir töten sollen. Martin erledigt das bravourös; erst mit dem Trekkingstab; dann mit dem Wanderstiefel. Die anderen sehen das nicht gerade als Heldentat an! Auf diesen Schreck müssen wir nun erst einmal etwas trinken; danach machen wir ein Gruppenfoto samt Familie und notieren die Adresse.

Gastfreundlicher Empfang im neuen Amendolea

Vom neuen Amendolea aus sind wir nun bald unten am Fluß; jetzt erkennen wir erst so richtig das gewaltige Ausmaß des Flußbettes! Der Fluß selbst ist nur ein kleines Rinnsal, das sich zwischen den großen und kleinen Felsbrocken seinen Weg sucht. Wir können aber erahnen, mit welcher Kraft das Wasser hier nach der Schneeschmelze vorbeischießen muß. Die Hochwassermauern am Rande des Flußbettes deuten ebenfalls darauf hin. Merkwürdig nur, daß schon jetzt, Anfang April, hier kaum noch Wasser vorhanden ist. Schließlich liegt am Montalto ja noch genug Schnee. Der Montalto ist übrigens von hier aus gar nicht weit entfernt; Luftlinie vielleicht zehn, fünfzehn Kilometer.

Auf einem Feldweg hinter der Schutzmauer finden wir einen geeigneten Lagerplatz für diesen Abend. Wir können uns Zeit lassen; eine weitere Zwischenübernachtung ist morgen auch noch einmal erforderlich, da wir erst am Donnerstagabend in Reggio sein müssen.

Wir nutzen die Zeit - und das sonnige Wetter - um im Fiumara herumzuplantschen und Wäsche zu waschen. Die trocknet bei der Wärme und dem leichten Wind schnell wieder. Dann begeben wir uns an eine größere Aufgabe: Dämme müssen gebaut werden; das Wasser wird dazu umgeleitet. Kleine Seen entstehen, in die man wunderbar große Kiesel werfen kann. Wenn es dann noch so weit spritzt, daß die anderen, falls sie nicht aufgepaßt haben, schön naß werden, ist die Freude groß!

Wir haben uns diese Spielerei als Ausgleich für die anstrengenden Wanderungen aber auch redlich verdient! Vor den Zelten sitzend, bereiten wir bei Sonnenuntergang unser Abendessen zu. Dabei bekommen wir Besuch: Giovanni Saulagio kommt mit seinem Motorroller vorbei, um mal zu schauen, wer auf seinem Gelände zeltet. Janine hat es ihm besonders angetan (was allerdings nicht auf Gegenseitigkeit beruht). Es reicht für ein Foto!

Kurze Zeit später; Giovanni hat sich gerade verabschiedet und ist mit dem Roller davongebraust (Janine ist erleichtert); kommt neuer Besuch. Diesmal ist es ein Mann, der hinter der Mauer seine Gärten hat, und nun Wasser vom Fluß durch einen Kanal hinleiten möchte. Klar, das ist eine echte Aufgabe für uns! Sieht man vom Töten der Schlange mal ab, haben wir heute ja noch keine gute Tat als Pfadfinder getan.

Umleitung eines Flusses...

Jetzt wird unter Anleitung des Gartenbesitzers gebuddelt, was das Zeug hält. Und siehe da: bald schon bewegt sich ein Großteil des Flußwassers auf die seitliche Mauer zu. Aber wie soll das Wasser über die hohe Mauer kommen? Gar nicht! Unser schlauer Mann hat nämlich unten in die Mauer ein Loch gebrochen, durch die das Flußwasser nun seinen Weg hinüber in das weitläufige Gartengelände findet. Und der Mann ist uns für unsere Hilfe wirklich dankbar! Alleine hätte er dafür wesentlich mehr Zeit gebraucht.

Der große Moment: der neue Kanal wird angestochen

Zum Dank gibt es frisch aus dem Garten ein Bund Frühlingszwiebeln. Die werden wir morgen beim Essen mit verwenden. Tja, so haben wir uns mit unserer Hände Arbeit das Essen verdient! Stolz betrachten wir unser Werk!

Die beiden Florians und Christoph sind zwischendurch übrigens zu einer Kneipe verschwunden; welche Geschichten sich da abgespielt haben, wird nie jemand wohl richtig erfahren. Die Aussagen der drei dazu sind hinterher widersprüchlich. Valle kann sich aber in die Vorgänge hineinversetzen und spielt uns Szenen aus der Bar anschaulich vor.

So haben wir auch unsere Abendunterhaltung. Die drei Jungen kommen erst nach Einbruch der Dunkelheit zurück; bald darauf geht es in die Zelte. Man merkt, daß wir fast auf Meeresniveau sind - die Nächte sind spürbar milder.


Mittwoch, 7.4.99, 13.Tag

Wieder ein sonniger Tagesbeginn; kein Wölkchen befindet sich am Himmel. Der strahlt in einem so makellosen Blau, wie wir uns das zu Hause eigentlich für Kalabrien auch vorgestellt haben. Schade nur, daß inzwischen unerbittlich der Countdown zum Ferienende läuft.

Im Morgenlicht haben wir noch einmal einen schönen Rückblick auf die Bergkette, über die wir gestern erst herab ins Flußtal abgestiegen sind. Unsere heutige Wegstrecke nimmt sich dagegen äußerst bescheiden aus! Wir müssen nur noch den kleinen Badeort Condofuri Marina erreichen; das sind von hier vielleicht noch acht Kilometer am Flußlauf entlang. Unterwegs ist noch ein kleines Dörfchen mit dem klangvollen Namen " San Carlo-Passomasseria"; dort hoffen wir auf eine Frühstücksmöglichkeit.

Kinder, die spielen, sind gesund...

Unterwegs auf Schotterpisten treffen wir zunächst auf einen Autofriedhof; der wiederum zu verschiedenen Ak-tionen einlädt. Schließlich erreichen wir die kleine Teerstraße von Amendolea nach Condofuri; hier können wir noch ein Stück im Schatten weiterlaufen, ehe wir uns wieder der heiß herabbrennenden Sonne stellen müssen. Zwischendurch noch ein heftiger Schreck: neben uns bewegt sich plötzlich eine mindestens ein Meter lange schwarze Schlange an der Straßenmauer hinauf und verschwindet dann unter einem Steinhäufchen; auf solchen Steinhaufen pflegen wir normalerweise bei einer Rast gemütlich zu sitzen!

Gut, daß uns das erst jetzt passiert ist - sonst hätten wir in der Nacht sicher nicht so ruhig geschlafen! Hier scheinen wohl eine ganze Menge solcher Biester herumzukriechen! Wir folgen der linken Talseite bis zu einer Steinbrücke. Hier wechseln wir auf die rechte Flußseite hinüber. Ab hier könnten wir mit einem Bus bis runter nach Condofuri Marina fahren; aber wer weiß, wann überhaupt einer kommt.

Spätes Frühstück unterwegs

In dem kleinen Zwischenort werden wir tatsächlich fündig: genau die richtige Zeit für ein ausgiebiges Frühstück. Wir sitzen in der Sonne oder im Schatten; je nach Naturell, und beobachten das spärliche Dorfleben rings um uns herum. Wir kommen mit dem Ladenbesitzer ins Gespräch; er führt uns in seinen Vorratskeller und zeigt

uns eine alte Weinpresse und seine Wurst- und Fleischvorräte. Natürlich gibt es auch eine Kostprobe! An-schließend geht es auf der Straße weiter, bis wir die ersten Häuser von Condofuri Marina erreichen. Hier biegen wir in ein verwildertes Gelände am Fluß ab und machen schon am frühen Nachmittag Schluß; im Meer baden können wir auch morgen noch.

Die Zelte wollen wir aber auch noch nicht aufbauen; dazu kommen doch immer wieder mal Leute auf dem benachbarten Pfad vorbei. Wir liegen im Schatten unter den Bäumen, faulenzen und kochen in aller Ruhe ein leckeres Ratatouille. Dabei gehen unsere letzten Lebensmittelvorräte drauf; übrig bleiben nur zwei Nudelsaucenmischungen, die wir für Notfälle eingepackt hatten. Bei einbrechender Dunkelheit ziehen wir dann die Zelte hoch.


Donnerstag, 8.4.99, 14.Tag

Die Zelte sind schnell abgebaut; die letzten paar hundert Meter bis zur Küstenstraße ebenfalls in kurzer Zeit zurückgelegt. Man merkt den Unterschied zwischen dem einsamen Bergland und diesem Badeort an der Hauptstraße!

In einem Supermarkt kaufen wir kalabresische Spezialitäten; natürlich den Ciro; aber auch scharfe Salami und Käse. Das sind schon die Mitbringsel für zu Hause. Denn unsere Fahrt ist vorbei; wenngleich auch noch der Aufenthalt in Rom bevorsteht. Das aber, was wir uns für diese Ferien vorgenommen hatten, das Wandern in der einsamen Bergwelt Kalabriens, ist jetzt nur noch Erinnerung.

Was haben wir vor einem Monat schon mit Namen wie "Serre" oder "Aspromonte" anfangen können? Jetzt wissen wir, worum es dabei geht. Kilometer um Kilometer haben wir uns zumindest kleine Stücke dieser Berglandschaften erwandert; teils recht mühsam mit dem schweren Gepäck auf dem Rücken. Dennoch sind wir uns einig: es hat Spaß gemacht! Dazu die vielen, vielen Menschen, mit denen wir hier in Kalabrien in Kontakt gekommen sind.

Die Großstadt Rom wird ganz anders sein! Ein letztes Mal wollen wir heute zum Meer; vorher erkundigen wir uns am Bahnhof aber nach einem Zug in Richtung Reggio. Dann geht es durch eine Unterführung hinunter zum Strand. Leider ist das Wetter heute sehr windig, ziemlich kühl und leider auch nicht mehr sonnig - so wird es nichts mit einem letzten Bad.

Noch einmal setzen wir nun unser Sparpreis-Ticket für die Fahrt bis Reggio ein - dann hat es (für die Hinfahrt) redlich ausgedient. In Reggio verkürzen wir uns die Zeit bis zur Abfahrt des Nachtzuges im Umfeld des Bahnhofes; weit können wir mit unseren Rucksäcken ja nicht laufen. Dann finden wir in der Nähe einen Park; hier lassen wir uns häuslich nieder; gruppenweise können wir so einen größeren Umkreis erkunden, während die anderen auf das Gepäck aufpassen. Hier im Park kochen wir auch; die beiden letzten Saucen müssen jetzt dran glauben; mit nach Hause wollen wir sie nicht transportieren!

Der Nachtzug steht schon frühzeitig bereit; wir richten uns in Ruhe in unseren beiden Abteilen ein; andere Übernachtungsgäste kommen auch nicht hinzu. Mit einiger Verspätung rollt der Zug dann aus dem Bahnhof. Wir stehen an den offenen Abteilfenstern, schauen etwas wehmutsvoll hinaus und können einen letzten Blick auf die Meerenge von Messina genießen. Die vielen Lichter auf der anderen Seite gehören schon zu Sizilien. Ciao, Calabria! Es hat sich gelohnt - und wir sind sicher, daß wir wieder einmal herkommen werden. Darauf erheben wir unsere Weinbecher und prosten uns zu.


Freitag, 9.4.99, 15.Tag

Da sind wir also am Vormittag schon wieder in Rom - von der nächtlichen Zugfahrt haben wir nichts mitbe-kommen; unser Schlaf war tief und fest. Was läßt sich über den Romaufenthalt berichten? Zuerst einmal müssen wir zur vorgebuchten Jugendherberge; dazu aber erst einmal den richtigen Bus finden. Wir jedenfalls landen im falschen Bus; an der Endstation steigen wir aus und stehen ziemlich ratlos herum. Nach langem Suchen erkennen wir die große Hauptstraße, die an der Jugendherberge vorbeiführt. Dort wie gewohnt getrennte Etagen für Männlein und Weiblein; das Ganze in einem ehemaligen Gefängnis. Aber besser als nichts!

Unser erster Weg in die Stadt (inzwischen haben wir wieder das Prinzip mit den Buslinien durchschaut) führt uns nicht etwa zum Petersdom, sondern zum Colosseum. Natürlich wollen uns die Jungs dort für ein gut bezahltes Foto in einen Kampf verwickeln; das können wir aber auch ohne Waffen selbst (preisgünstiger) inszenieren.

Am Colosseum will jeder seine Lira verdienen

So eine Sauerei! Jetzt nimmt man hier schon einen gesalzenen Eintritt; und das für eine Ruine! Wir beschließen Konsumverzicht und mischen uns lieber unter eine Demo, die die Roten hier gerade durchführen. So ganz genau bekommen wir aber gar nicht mit, worum es hier eigentlich geht.

Nach einer Mittagspause auf dem Rasen vor dem Colosseum bummeln wir dann über das Forum zurück in die Innenstadt; wir bewundern pflichtschuldig die Trümmer und Säulen, ehe es von dort noch schnell zum Petersdom geht. Das alles auf Wegen, die wir anläßlich unserer Leiterfahrt 1997 schon ausgiebig gelaufen sind. Auch am Petersdom dann eine böse Überraschung: die gesamte Fassade ist bis hinauf zur Kuppel wegen Reno-vierungsarbeiten eingerüstet; na, egal, ein Gruppenfoto müssen wir auf jeden Fall vor dieser Kulisse haben!

Schon bei Dunkelheit geht es zurück zur Jugendherberge. Hier eine langweilige Nacht ohne Besonderheiten!


Samstag, 10.4.99, 16.Tag

Nach dem Frühstück unten im Keller der Jugendherberge (der Umfang der Mahlzeit ist sehr mäßig!) räumen wir bis zehn Uhr unsere Zimmer. Beim Manager haben wir die Genehmigung erhalten, unsere Rucksäcke bis zum Nachmittag im Gepäckraum einschließen zu dürfen.

So können wir ohne hinderliches Gepäck zu einer zweiten Besichtigungsrunde durch Rom aufbrechen. Im Vordergrund steht dabei natürlich die Innenstadt. Trevi-Brunnen usw., halt alles, was Neulinge in Rom mal sehen wollen. Besonderen Spaß haben wir allerdings auf der spanischen Treppe. Hier müht sich ein genervter Uniformierter um Sauberkeit und Ordnung. Das bedeutet für ihn im Klartext: niemand darf hier etwas essen! Er pflaumt eine italienische Kindergruppe an und meint, wir wären die Leiter der Gruppe. Wir lassen ihn erst einmal ein wenig toben, bis wir uns als harmlose "Tedesci" zu erkennen geben. Danach wirft er uns bei seinen weiteren Routinerunden giftige Blicke zu. Wir grinsen freundlich zurück. Ach ja, McDonalds steht auch noch auf unserem Besichtigungsprogramm; aber nur wegen der kostenlosen Toiletten - die auch schon mal sauberer gewesen sind! Rom, wie hast du dich verändert!

Aufziehendes Gewitter über Rom

Für die Mädchen ist Shopping angesagt; dafür muß noch einmal die Kreditkarte herhalten. Während wir auf der Piazza Populo auf die beiden Mädchen warten, zieht sich über uns ein gewaltiges Unwetter zusammen. Ein würdiger Abschluß unserer Italien-Fahrt! Nun, unsere Mädchen haben bekommen, was sie gesucht haben!

Das Gewitter erwischt uns dann doch noch; wir drücken uns unter Markisen und Arkaden durch; suchen unsere Bushaltestelle und fahren dann zur Jugendherberge zurück. Mit den Rucksäcken geht es wieder per Bus zur Statione Termini; hier steht auch schon unsere Nachtzug nach Deutschland bereit. Abschied von Italien!

Ein letzter Gruß!


Sonntag, 11.4.99, letzter Tag!

Die Rückfahrt per Bahn verläuft reibungslos - sieht man einmal von einer kurzfristig brenzligen Situation in Basel ab. Unser Nachtzug aus Rom hat leider Verspätung; wir haben nur wenige Minuten zum Umsteigen. Und die Fußgängertraverse kennen wir ja schon von der Hinfahrt! Dummerweise steigt Marianne auf der falschen Zugseite aus; sie steht auf dem Gepäckbahnsteig, während wir anderen schon die Treppen hochhetzen und das richtige Gleis suchen. Der Zug steht schon abfahrtbereit da; nur Marianne ist nirgends zu sehen. Wir wissen auch nicht, ob sie die genaue Abfahrtzeit und die Zugnummer kennt. In letzter Minute kommt sie seelenruhig die Treppe herunter. Das erinnert uns doch sehr an einen denkwürdigen Florenzaufenthalt im Jahr 1993....

Das Wetter in Deutschland ist so, wie wir es auch gar nicht anders erwartet haben: kalt, grau, regnerisch. Einziger Lichtblick ist der Empfang am Freienohler Bahnhof! Morgen beginnt schon wieder die Schule bzw. die Arbeit. In Gedanken sind wir noch halb in Kalabrien.


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