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Mittwoch, 5.4.95, 6.Tag

Wie immer sind wir früh auf; das Zelt wird zuerst flachgelegt, ehe wir uns dem Frühstück widmen - jetzt kann uns keiner mehr was wegen wild campen oder so. Das Frühstück gestaltet sich etwas zäh - wir haben dummerweise keine Butter gekauft! So kommen unsere letzten Salamischeiben zwischen das weiche Toastbrot; hinuntergespült mit den letzten Trinkwasservorräten aus den fast schon leeren Flaschen.

Das Zurückbringen der Taschen und Räder über Böschung und Zaun hinauf auf die Straße gestaltet sich etwas schwieriger als gestern Abend. Schließlich ist alles wieder oben und wir können die Räder abfahrtbereit machen. Nach wenigen Serpentinenkurven erreichen wir die Zufahrt zu einem Bauernhof; hier wollen wir erst einmal neues Trinkwasser holen. Heute beherrscht uns nur ein Gedanke: der Paß liegt vor uns - der Paß an der höchsten Stelle des Gennargentu - laut Karte bei etwa 1000 Metern!

Von diesem Gedanken werden wir aber schnell abgelenkt, als wir uns dem Bauernhof nähern - Hunde über Hunde; einige niedlich klein, andere schon etwas gefährlicher aussehend. Nun, es geht alles gut, und mit vollen Flaschen machen wir uns auf den Weiterweg - stetig bergan. Immer wieder überholen/begegnen uns Carabinieri-Wagen - gut, daß die uns gestern Abend nicht gesehen haben!!

Dann plötzlich völlig überraschend eine steingefaßte Wasserstelle - ein willkommener Platz für die Morgentoilette. Während wir uns noch ausgiebig waschen, zieht auf der Straße eine große Schafherde mit zwei Hirtenjungen vorbei, deren Interesse vornehmlich Sarah und Marianne gilt.

Nach einigen weiteren mühsamen Kilometern bergauf - also immer wieder schieben - erreichen wir eine fast parkähnliche Hochfläche mit lichten Korkeichenwäldern und Wiesen: das Weideland von Pratobello. Hier sollte vor Jahren ein riesiges Nato-Übungsgebiet entstehen. Natürlich wären dadurch die ganzen Sommerweiden der sardischen Hirten in dieser Region verloren gewesen. Durch massiven Widerstand der Bevölkerung wurde schließlich auf dieses Projekt verzichtet.

Wir fahren nun über diese friedliche Hochfläche und genießen die warme Sonne. Und laut Reiseführer soll sich hier auch mitten in der Einöde eine Albergo befinden - ah, allein schon der Gedanke an kühle Getränke bringt Kraft in die Waden - bis wir die Herberge erreichen: chuiso! Auf deutsch: sch...., geschlossen!

An den Schafen käme man leicht vorbei - das Problem sind die sardischen Hirtenhunde

Nach kurzer Zeit treffen wir dann auf ein Hindernis: vor uns bewegt sich unsere Schafherde mit ihren zwei Hirtenjungen über die Landstraße; wie die so schnell hierher gekommen ist, stellt uns vor ein Rätsel. Die Herde muß irgendwo eine Abkürzung genommen haben. Das Vorbeifahren gestaltet sich nun etwas schwierig; weniger der vielen Schafe wegen - die machen uns bereitwillig Platz. Schlimmer sind da schon die Hirtenhunde, die sich kläffend an uns heranmachen. Mit gezückter Luftpumpe passieren wir schließlich die Herde. Danach geht es zügig weiter; leider schon wieder mit Tendenz nach unten, wo wir doch jetzt jeden Höhenmeter mühsam erkämpft haben.

In Mamoiada treffen wir auf die von Nuoro kommende Schnellstraße, die uns nun in ca. 5 Kilometern hinauf zum Paß führen wird. Die Straße ist wohl erst vor kurzem fertiggestellt worden - schnurgerade zieht sie sich bergauf; allerdings nur mit mäßiger Steigung. Mißtrauisch beginnen wir mit dem Anstieg; aus leidvoller Erfahrung vermuten wir, daß das dicke Ende, nämlich der Steilanstieg mit mühseliger Schieberei, auf den letzten Kilometern noch kommen wird. Umso größer die Überraschung, als wir plötzlich vor uns einen Tunneleingang auftauchen sehen!!

Die beschwerliche Strecke über den Passo di Caravai mit 1118 m und dann den Arcu Correboi mit immerhin 1246 m scheint selbst den Sarden auf Dauer wohl zu viel geworden zu sein: das auf unserer Karte noch gestrichelt gezeichnete Verbindungsstück mit dem neuen Tunnel ist bereits fertig!

Das ist natürlich eine unerwartete Freude, zumal sich am Tunneleingang noch eine frischsprudelnde Quelle befindet. Wir nutzen diese Wassergelegenheit natürlich ausgiebig zum Waschen. Daraus entwickelt sich schnell eine kleine Miniwasserschlacht, die bei dieser Hitze sehr erfrischend ist. Immer wieder anhaltende Sarden füllen hier an der Quelle jede Menge Wasserkanister - das scheint hier gutes Trinkwasser zu sein.

Willkommene Abkühlung an der Quelle vor dem Tunnel

Dann geht es hinein in den Tunnel. Geblendet vom grellen Tageslicht draußen haben wir Mühe, auf der Fahrbahn zu bleiben. Unsere trüben Scheinwerfer helfen nicht weiter. So fahren wir mit steter Sorge, plötzlich mit dem Vorderrad in ein unerwartetes Schlagloch zu knallen. Zum Glück schaffen wir die Tunneldurchquerung aber ohne Schwierigkeiten; nach 1800 Metern erreichen wir das andere Tunnelende und tauchen wieder ein in das helle Tageslicht und die nach der Kühle des Tunnels nun doppelt spürbare Hitze.

Hoch über uns windet sich die alte Paßstraße am Berghang entlang - wir sind froh, daß uns das erspart worden ist! Über die gut ausgebaute Straße geht es nun zügig weiter; immer bergab; bis die Neubaustrecke schließlich endet und auf die alte Straße zurückführt. Nein, so kann man das nicht sagen - die neue Straße führt ja noch weiter; sogar noch in besserem Zustand! Sie ist nur noch nicht für den allgemeinen Verkehr freigegeben: große Sperrtafeln hindern an der Weiterfahrt. Allerdings kann man die neue Trasse mit kühner Brückenführung ziemlich weit verfolgen.

Wir vertagen die Entscheidung, welche Strecke wir wählen sollen, auf die Zeit nach dem Mittagessen. Wir machen es uns am Straßenrand gemütlich und beschließen, heute bereits tagsüber zu kochen. Das liegt auch daran, daß die Straße vor uns mal wieder steil bergan führt. Dazu haben wir im Moment wirklich keine Lust. Also kochen wir Reis und dazu ein leckeres Gulasch.

Viele vorbeifahrende Autofahrer grüßen uns hupend. Plötzlich hält ein Wagen neben uns an; eine Frau steigt aus und bringt uns freundlich lachend eine handvoll Apfelsinen! Mal wieder ein Beweis dafür, daß man als Radurlauber mit den Einheimischen schnell in Kontakt kommt.

Mit Apfelsinen sind wir nun reichlich eingedeckt

Nach dem Mittagessen machen wir es uns also bei Cappuccino und Apfelsinen zum Nachtisch gemütlich. Danach können wir der Entscheidung nicht länger ausweichen: alte Bergstraße oder die schöne, ebene Neubaustrecke. Martins düstere Warnungen vor einem plötzlichen Ende der Straße finden kein Gehör; selbst nicht der Hinweis auf die neue Autobahn in Haren im Emsland, wo wir vor Jahren schon mal vor dem gleichen Problem gestanden haben.

Man sollte doch besser den Hinweisschildern glauben...

Also vorsichtig um die Warntafeln herum (Achtung: Sackgasse) und dann haben wir freie Fahrt! Übermütig nutzen wir die gesamte Straßenbreite für schwungvolle Bögen und das sonst nicht mögliche Nebeneinanderfahren. Wie das auf dem neuen Straßenbelag rollt! Zwar geht der Blick immer wieder ein wenig mißtrauisch nach vorn - allerdings gibt es keinen Grund zur Panik: die Straße ist wirklich Kilometer für Kilometer fertig! Manchmal kann man zwei, drei Täler voraus die Straße über neue Brücken führen sehen.

Doch dann schlägt das Schicksal zu: Straßenende! Der Asphalt geht in eine Schotterstrecke über. Nun gut, wo eine Straßentrasse ist, kann uns jetzt auch nichts mehr aufhalten! Die Piste wird immer schlechter. Zwischendurch müssen wir die Räder um tiefe Pfützen, fast schon kleine Seen, im Gelände herumschieben. Alles aber besser, als die gesamte Strecke wieder zurück zu müssen!

Dann wird es noch schlimmer: die künftige Straße deutet sich nur noch als gerölliger Durchbruch in einem Hügel an; vor uns vielleicht 500 Meter weiter, werden wir auf die alte Straße treffen. Wir lassen die Räder stehen und erkunden den Weiterweg erst einmal zu Fuß. Und dann der Schock: diese letzten 500 Meter sind für uns unüberwindlich! Dazwischen liegt ein tief eingeschnittenes Tal, in dem ein munteres Flüßchen rauscht. Und mitten im Fluß wird an neuen Brückenpfeilern gearbeitet - nur die Fahrbahn - die fehlt eben noch! Hier gibt es für uns endgültig kein Weiterkommen.

Aber wenn sich vor uns schon die alte Strecke befindet - dann müßte es ja auch möglich sein, nach links abzuschwenken, und sich quer durchs Gelände die paar Meter dorthin durchzuquälen. Wir ackern uns mit den Rädern mühsam die immer wieder nachrutschende Böschung hoch, um dort dann festzustellen, daß es mit dieser Idee wohl auch nichts wird: zwischen uns liegt immer noch der Fluß - da ist absolut nichts mehr zu machen. Es hilft nichts - wir müssen den gesamten Weg wieder zurück. Schön wäre es gewesen! Die Lernerfahrungen auf dieser Tour scheinen nicht abzureißen und vorzugsweise an Nachmittagen aufzutreten.

Also bleibt uns der Anstieg über die alte Bergstrecke so gegen 17 Uhr doch nicht erspart! Nach einer Stunde erreichen wir den kleinen Ort Villanova. Mit einem Einkauf für den Abend wird es mal wieder nichts - alle Alimentaris fest verschlossen! Trotzdem machen wir in diesem Ort eine längere Pause - eine Bar liefert wenigstens die erforderlichen Getränke. Da es innen brechend voll ist, lassen wir uns draußen auf den Stufen nieder; immer wieder werden unsere hochbepackten Räder bestaunt. Sarah und Marianne kümmern sich an diesem Abend ums Füllen der Wasserflaschen an einem Haus am Ortsausgang.

Von Villanova aus fahren wir nur noch wenige Kilometer, ehe wir von der Hauptstraße hinunter in eine weite Hochfläche abbiegen. Nach einer kleinen Flußdurchquerung finden wir im Schutz eines kleinen Wäldchens um 19:30 Uhr einen schönen Lagerplatz. Da wir uns immer noch auf etwa 800 m Höhe befinden, ist es mit dem Untergang der Sonne spürbar kälter geworden. Nach dem Zeltaufbau, der mal wieder fast schon bei Dunkelheit erfolgt, leisten wir uns daher noch eine heiße Frühlingssuppe zum Aufwärmen, ehe wir uns mit einem letzten Blick auf den Sternenhimmel in die warmen Schlafsäcke begeben. Die letzten Tätigkeiten wie Sattel abdecken und Tachos entfernen sind inzwischen schon zur Routine geworden.

55 Tageskilometer liegen hinter uns; trotz des Gebirges immerhin noch mit einem Schnitt von 10,74! Wir waren etwas über 5 Stunden im Sattel; Max 44,5.


Donnerstag, 6.4.95, 7.Tag

In dieser Nacht hat es bis auf Jan mit seinem Dakota-Schlafsack alle sozusagen auf kaltem Fuß erwischt! Und wen nachts zwischendurch noch ein dringendes Bedürfnis geplagt hat, ist schon ein wenig auf die Extremtemperatur vorbereitet worden - da half auch der Anblick des hellstrahlenden Sternenhimmels nicht zum Aufwärmen.

Draußen auf dem Außenzelt knistert überall das Eis; reibt man mit dem Fingernagel über den Zeltstoff, wird überall der Eispanzer sichtbar. Ein Blick auf das Außenthermometer zeigt es dann unbestechlich: minus acht Grad Celsius - und das immer noch um 7 Uhr am Morgen! Wie kalt mag es dann erst nachts gegen drei, vier Uhr gewesen sein?

Trotzdem stehen wir bald schon draußen um den dampfenden Wasserkessel herum - diesmal allerdings in langen Hosen und warmen Polartec-Pullovern! Der erste heiße Cappuccino des Tages tut gut und vertreibt die letzten Gedanken an die eisige Nacht und die kalten Füße. Zum Frühstück gibt`s dazu zwei Kitkat-Riegel; dann wird gepackt. Zwischenzeitlich kommt die Schmalspurbahn auf dem Weg von Arbatax nach Cagliari an uns vorbei - mit ihr wollen wir morgen früh von Arbatax aus starten, um das gewaltige Inlandsgebirge abzukürzen. Morgen werden wir unseren Lagerplatz also vom Zug aus fotografieren können. Aber bis dahin sind noch lange 24 Stunden, die sicher noch mit viel Aufregung und Erlebnissen ausgefüllt sein werden.

Flußdurchquerung auf sardisch

Uns steht jetzt die erste Aufregung des Tages bevor: wir müssen wieder durch die Furt hindurch zur Straße. Und weil das schöne Videoaufnahmen geben soll, muß Marianne wie alle anderen auch mit Anlauf und viel Schwung die Furt fahrend durchqueren; gestern Abend schob sie das Rad noch; dabei von Stein zu Stein balancierend. Sie meistert diese Durchquerung - wenn auch erst nach einigem Zureden - dann auch gekonnt und wir haben leider keine außergewöhnlichen Aufnahmen auf dem Videoband.

Die Straße verläuft gleich zu Anfang etwas abfallend, was natürlich die Lust am Fahren steigert. Wir kommen an zwei winzigen Bahnstationen vorbei. An einer können wir halbverfallene Schmalspurbahn-Güterwagen bewundern. Und weil das Bahnwärterhaus beim nächsten Bahnübergang noch zerfallener und augenscheinlich verlassen ist, wird die Rückseite gleich zur Toilette umfunktioniert.

Kurz darauf erreichen wir die "Bivio Carmine"; also eine wichtige Straßenkreuzung. Von hier aus haben wir erstmals einen wunderbaren Blick tief hinab in die Ebene um Arbatax am Meer. Auf halber Höhe unter uns liegt Lanusei am Hang. Von Arbatax sieht man aber nur den Felsen am Meer aus der weißen Nebelschicht hervorragen. Nun; heute Abend werden wir dort unten sein.

Das Tagespensum hält aber erst noch einige Überraschungen für uns bereit! Wir wollen über Gairo, Ulassai und Jerzu hinunter nach Arbatax fahren; von unserer Kreuzung jetzt aus gesehen sicher ein Umweg von mehr als 30 Kilometern; wir möchten aber unbedingt der Höhle von Ulassai, die "Grotta su Marmuri", einen Besuch abstatten. Nachdem Martin dort 1989 keine Videoaufnahmen machen konnte, weil ihm kurz zuvor die Videocamera geklaut worden war, will er das heute nachholen. Und die anderen wollen natürlich auch mal die Höhle, von der Martin ihnen so viel vorgeschwärmt hat, von innen sehen.

Allen ist klar, daß die Götter dafür zuvor den Schweiß gesetzt haben! Die Höhle liegt inmitten einer felsenreichen Region, die an Arizona erinnert. Zuerst aber gilt es, die erste Strecke mit Doppelpfeil zu schaffen: hinauf zur Cantoniera Sarcerei auf immerhin 964m. Am frühen Morgen sind die Kräfte zum Glück noch vorhanden; schon bald haben wir die Cantoniera erreicht und stehen jetzt vor einem fast noch größeren Problem; einem, von dem wir uns vorher nicht vorgestellt hatten, daß es überhaupt ein Problem sein könnte: wir haben nun auf wenigen Kilometern eine kurvenreiche Serpentinenstrecke bis hinunter auf 461m vor uns - und schon nach den ersten hundert Metern wird uns klar, daß jetzt der Helm auf den Kopf muß! Und bloß nicht zu schnell rollen - bei unserem Radgewicht würden sonst unweigerlich die Bremsen entweder heißlaufen oder sehr schnell verschleißen.

Dennoch wird es eine Abfahrt, deren Tempo einem die Tränen in die Augen treibt - schade, daß man dabei so konzentriert auf die vor einem liegende Fahrbahn achten muß - vom an der linken Seite befindlichen Berghang liegen ab und zu schon mal mehr oder weniger große Steinschlagüberreste auf der Fahrbahn, sogar bis auf unsere Seite. Und auf unserer Seite trennt uns oft nur ein kniehohes Mäuerchen; häufig schon durchbrochen, vom Abgrund.

Auf halbem Weg nach unten rauschen wir nach Gairo hinein - es wird allgemein gebremst, weil jetzt, um 10:30, eine ausgezeichnete Zeit für`s Frühstück ist. Ein Alimentari ist schnell gefunden; zu den frischen Brötchen leisten wir uns sardische Salami, die wir in kleinen Scheibchen genießen; dazu noch die letzten Orangen vom Vortag. Eine volle Stunde gönnen wir uns für das opulente Mahl - man weiß ja nie, wann es wieder was gibt.... Gegen die inzwischen schon wieder starke Hitze schützt uns ein alter Baum vor dem Alimentari. Hier sitzen wir, gegen den Stamm gelehnt, und genießen das beschauliche Leben rings um uns herum.

Die Pausen sind immer eine willkommene Abwechslung zur Fahrerei

Aber - die Höhle wartet. Genauer gesagt: der Berg ruft! Denn die weitere Strecke ist gnadenlos sichtbar! Was Peter Bartnik schon 1989 bewundert (und dementsprechend oft fotografiert) hat, wird für uns nun zur Realität: nach der Abfahrt bis auf 461 m Höhe wartet am gegenüberliegenden Hang schon wieder der Gegenanstieg! Ulassai liegt bereits schon wieder auf 775 m; die Höhle selbst noch einmal ca. 200 m höher - also geht`s gleich wieder an die Tausender-Grenze. Nun, erschrecken kann man bei der vor uns liegenden Bergstrecke schon - klagen nicht: wir haben uns die Route ja vorher selbst ausgesucht!

Und dann rollen wir weiter talwärts; nach zwei weiteren Kurven durch ein gespenstisches Geisterstädtchen: Gairo Vecchio - das alte Gairo. Hier setzte sich vor 40 Jahren der ganze Hang bei einem Erdrutsch in Bewegung; das Dorf wurde unbewohnbar. Dennoch - fast alle Häuser stehen noch, wenn auch ziemlich baufällig aussehend. Ein eigenartiges Gefühl, da so hindurchzufahren!

Schneller als uns lieb ist, sind wir am tiefsten Punkt der Strecke angekommen; Zeit, sich kurze Hosen und T-Shirts anzuziehen. Und dann geht`s bergauf. Und siehe da - so schlimm, wie es von oben ausgesehen hat, ist die Steigung gar nicht. Den größten Teil der Strecke können wir fahrend zurücklegen. In Osini machen wir vor dem Dorfbrunnen Rast; hier hat sich ein namenloser Künstler an den Bäumen vergangen und ihre Stämme in allen möglichen Pastellfarben eingefärbt.

Zwar keine Murales - aber doch erkennbar Kunst!

Kurz darauf ist Ulassai erreicht. Am Dorfausgang befindet sich der Abzweig hinauf zur Höhle. Jetzt kommen wir ums Schieben nicht mehr herum! Durch enge Gassen geht es immer höher hinauf. Am Dorfausgang erbarmt sich ein alter Mann und beginnt unaufgefordert, Mariannes Rad zusätzlich von hinten zu schieben. Wir anderen müssen es leider aus eigener Kraft schaffen.

Dann haben wir den Parkplatz vor der Höhle erreicht - viel hat sich in den letzten 6 Jahren hier nicht verändert! Nur das Bretter-Cafe ist etwas größer geworden. Hier wird gerade auch renoviert. Wir bitten die Leute, auf unsere Räder aufzupassen und kommen mit ihrer Hilfe auch mal zu einem Gruppenfoto, auf dem alle drauf sind. Für die Höhle ziehen wir uns wieder warme Sachen an - wir wollen so weit wie möglich in sie vordringen.

Und das sind "unter Tage" etwa 1,5 Kilometer. Ohne unsere mitgebrachten Taschenlampen wäre das gar nicht möglich. Wo man in Deutschland um jede winzige Tropfsteinhöhle schon einen Aufstand macht, geschieht in Sardinien bei einer der schönsten Höhlen der Insel mit mächtigen Tropfsteinen, Wasserläufen und Seen touristisch so gut wie nichts. Glücklicherweise vielleicht - sonst wäre hier alles überlaufen. So machen wir uns ganz allein auf, bzw. hinab ins finstere Reich der Stalagmiten und Stalagtiten. Nach wenigen hundert Metern ist das vom Höhlenschlund einfallende Tageslicht bereits erloschen - nur noch unsere Maglites weisen uns den Weg. Teilweise müssen wir durch flache Seen waten; teilweise ist ein Holzlaufsteg vorhanden.

Verlaufen kann man sich aber nicht, denn zur Not braucht man nur dem zum Eingang zurückführenden Kabel an der Decke zu folgen. Nur eins darf nicht geschehen: die Maglites dürfen nicht streiken. Und das - so haben wir das Gefühl - tun sie unmerklich! Also machen wir vorsichtshalber einige erst einmal aus, um Strom zu sparen. Mit einem Videoschwenk wird es in diesem Jahr leider wieder nichts, da wir dafür mehr Licht benötigen würden. Dafür erreichen wir aber planmäßig das Ende der Höhle; zumindest den für uns begehbaren Teil. Wir sind damit zufrieden und kehren auf dem gleichen Weg zum Eingang zurück.

Es ist immer noch ziemlich heiß; also ziehen wir uns nochmals die kurzen Sachen an, ehe wir talabwärts starten. Der Rückweg nach Ulassai geht nun natürlich ungleich schneller. Hier biegen wir nach Süden ab; über eine steile Serpentinenstrecke hinunter nach Jerzu; schon wieder auf 420 m gelegen. Heute haben wir es aber auch mit dem steten Auf und Ab! In Jerzu müssen wir natürlich den berühmten "Cannonau" besorgen. Er wird der Einfachheit halber unter den Augen der auf der Piazza herumsitzenden alten Männer direkt in unsere Trinkflaschen für den alsbaldigen Verzehr abgefüllt.

Jetzt ist aber langsam Eile geboten! 18 Uhr - bis Arbatax sind es laut Karte noch knapp 40 Kilometer. Und wer weiß, wann der Campingplatz seinen Empfang schließt? Glücklicherweise haben wir kaum noch Höhenmeter vor uns, dafür aber noch gut 400 m Gefälle zu fahren. Es rollt prächtig bergab, zumal wir auch noch mittreten. Schnell ist die Kreuzung mit dem kleinen Cafe erreicht, an der 1991 die erste Radtour zur Höhle angesichts der von dort aus gut einsichtbaren Steigung abgebrochen wurde.

Immer weiter geht es zur Küste hinunter, bis wir in Bari Sardo schon auf 50 m angekommen sind. Kurz danach wird Martin von einem PKW von der Straße in den sandigen Seitenstreifen abgedrängt. Es kommt zu einem zwar nur sehr kurzen, dafür aber ziemlich lautstarken und in der Wortwahl eindeutigen Wortwechsel, von beiden Beteiligten in ihrer Landessprache geführt. Wir müssen uns diesbezüglich demnächst besser sprachlich vorbereiten.

Dann ist Tortoli erreicht; wir lassen es links liegen und ziehen auf Nebenstraßen gleich durch, hinaus zur vorgelagerten Halbinsel Arbatax und hier zielstrebig zum Campingplatz, den wir ebenfalls von `91 her gut kennen. An der Dienststelle des Amtsarztes machen wir ein kurzes Gedächtnisfoto für Sebastian Post, der seinerzeit hier wegen seiner Ohrenschmerzen behandelt wurde.

Bei bereits einbrechender Dunkelheit rollen wir schließlich auf den Platz, erledigen schnell die Formalitäten und bauen unser Zelt an der gewohnten Stelle auf. Bald darauf garen Makkaroni mit Käsesauce im Topf. Die beiden Damen nutzen schnell die Gelegenheit für eine Dusche. Morgen früh werden wir dafür nur wenig Zeit haben. Laut Aussage des Camping-Wartes soll die Schmalspurbahn um 7 Uhr in Arbatax starten.

Die heutige Berg-Etappe unseres „Giro di Sardegna“ war beindruckende 71,5 Km lang, brachte auf der Strecke nach Gairo hinunter einen Max von 50,8 und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 13 Km/h.


Freitag, 7.4.95, 8.Tag

Diesmal ist die Nacht wirklich früh für uns zu Ende; d.h., in Wirklichkeit ist sie noch gar nicht vorbei - wir stehen noch bei Dunkelheit auf und packen unsere Sachen zusammen. Noch schnell eine letzte (kalte) Dusche, dann verlassen wir bei Tagesanbruch das Gelände. Durch die noch schlafenden Vororte geht es über den Berg hinüber zum Hafen. Viertel vor sieben sind wir pünktlich am Bahnhof und machen gleich darauf lange Gesichter: es wird nichts mit der Zugfahrt! Der Zug hat nur zwei Waggons, und es soll kein Platz für unsere Räder vorhanden sein, da unterwegs noch viele Schüler zusteigen würden. Nach längerer Diskussion vertröstet der Bahnhofsvorsteher uns auf den nächsten Tag - bis dahin will er eine zusätzliche "carrozza" mit Möglichkeit zum Radtransport angefordert haben - wenn alles gut geht.

Uns bleibt nichts anderes übrig, als diesen Worten Glauben zu schenken. Andere Alternativen gibt es nicht, es sei denn, wir würden den ganzen Weg zurück bis zur Höhle fahren (bergauf!). Aber das wäre nur der Anfang: von der Höhle bis nach Mandas würde eine abenteuerliche Gebirgsfahrt vor uns liegen, die uns mindestens drei bis vier Tage kosten würde. Und damit käme natürlich unsere gesamte zeitliche Planung ins Wanken. Und der Umweg über den Süden wäre noch zeitraubender.

Im nahegelegenen Bahnhofscafe gönnen wir uns erst einmal einen Cappuccino und süße Teilchen auf diesen Schreck. Dabei beschließen wir, den heutigen Tag einfach als Ruhetag zu genießen und es morgen früh eben nochmals zu probieren. Das Wetter ist schön, warum also die gute Laune verlieren.

Die Felsen von Arbatax - klar, daß man hier vorbeischauen muß

So haben wir genügend Zeit, endlich einmal die berühmten roten Felsen von Arbatax in der Morgensonne zu bestaunen, ehe wir zum Campingplatz zurückkehren.

Es ist schon ein beeindruckender Anblick, wenn die Morgensonne das rote Porphyr-Gestein so aufleuchten läßt! Natürlich suchen wir uns für zu Hause ein (kleines) Stückchen Stein, daß den Umrissen der Felsen etwas entspricht.

Danach haben wir Zeit und Lust, uns ein wenig im Hafen umzuschauen: dies ist kein Touristenhafen, sondern noch ein echter Fischereihafen mit allem was dazugehört. Die Wandmalereien an der Hafenmauer finden wir so interessant, daß wir von jedem ein Foto machen; je nach Temperament und Geschmack.

Zurück am Lagerplatz können wir noch etwas bestaunen: unseren Häringsbeutel, den Sarah beim Einpacken auf dem Mäuerchen liegengelassen hat - mein Gott, was hätten wir heute Abend irgendwo in der Einöde geflucht!

So hat alles eben auch seine guten Seiten. Nach einem ausgedehnten Stadtbummel der Damen durch Tortoli (Jan und Martin sitzen derweilen lieber auf einer Parkbank und treiben Studien...) geht es gemeinsam in den nächsten Supermarkt, um für ein umfangreiches Mittagessen einzukaufen. Martin muß ständig gebremst werden, als er die vielen Sonderangebote sieht. "3 für 2" lautet hier das Zauberwort. Beim Bier wird es sogar noch interessanter! Und dann die vielen Riesenostereier! So etwas gibt es in Deutschland nicht. Ein wenig irritierend ist nur die noch überall hängende Weihnachtsdekoration mit Schnee und Nikoläusen.

Zurück im Camp geht alles beschaulich weiter. Wir liegen in der Sonne auf den Isomatten und schauen einem Arbeiter zu, der sich den ganzen Tag beim Mauern an einem winzigen Stromanschlußhäuschen Spaß macht.

Zwischendurch bereitet Marianne als Vorspeise einen frischen Salat zu; später gibt es dann Gnoccis mit Gulasch. Danach ist wieder entspannende Siesta angesagt. Das gute Essen kann uns aber nicht davon abhalten, am Abend nochmals nach Arbatax in eine Pizzeria zu fahren, um nochmals ausgiebig zu speisen, z.B. eine Pizza „Vesuvio“. Als Nachtisch zwängen wir uns noch ein Eis hinein, serviert in Zitronen- oder Kokosnußschalen. Im benachbarten Alimentari wird schnell noch für einen kleinen abendlichen Strandumtrunk eingekauft; kurz darauf sitzen wir unter unserem Zelt am Strand, lauschen dem Plätschern der Wellen und schlürfen bedächtig aus unseren Thermobechern. Auch mal ein schöner Tag, wenn man so wenig fahren muß und sich ganz den lukullischen Genüssen hingeben kann. Na, morgen werden wir das wieder abtrainieren können! Und trotz des Müßigganges sind es doch weitere 24 Km auf dem Tacho.


Samstag, 8.4.95, 9.Tag

Wieder heißt es früh aufstehen, bei Dunkelheit abbauen und diesmal alles einschließlich der Häringe einpacken. An der Rezeption ist zu dieser frühen Stunde noch niemand; also müssen wir den Platz ohne Abschied verlassen. Dann die gewohnte Fahrt durch die Vororte zum Bahnhof am Hafen.

Dort die freudige Überraschung: es sind größere Wagen für diesen Tag vorgesehen; wir bekommen problemlos die Tickets. Mit dem Einladen ist es etwas schwierig; eine Schmalspurbahn ist halt nicht so schön breit wie eine "normale" Eisenbahn. Wir verstauen die Räder so gut es eben geht. Marianne ist noch mal "kurz weg" - alle, einschließlich Schaffner, warten ungeduldig auf ihre Rückkehr.

Dann rumpelt der nur aus wenigen Wagen bestehende Zug, gezogen von einer kleinen Diesel-Lok, vom einzigen Gleis des Kopfbahnhofes los. Wir sind mehr oder weniger die einzigen Fahrgäste.

Das ändert sich aber schlagartig in Tortoli: eine wilde Horde Schulkinder stürmt die Wagen und macht sich kaugummikauend und walkmanhörend überall breit. Ihr Ziel ist sicher die Schule in Lanusei oben am Berg. Aber bis dahin muß sich der Zug erst einmal hoch quälen. Für uns als Touristen ein toller Panoramablick.

Ab Lanusei sind wir dann wieder allein und packen unsere Frühstücksutensilien aus. Dies bringt nun freilich Probleme mit sich. Der Zug schwankt so heftig hin und her, daß sich ein guter Teil des Thunfischöls auf dem Boden breit macht. Auch das Verzehren von eingelegten Oliven mit Hilfe eines Taschenmessers aus einem engen Celophanbeutel läßt bei dem Gerüttel einiges danebengehen. Dazu kommen noch die Brötchenkrümel und so nach und nach versauen wir völlig unbeabsichtigt den Wagen.

Gleichzeitig verpassen wir aber natürlich nicht die Aussicht auf die Landschaft, die draußen an uns vorbeigleitet. Schon bald erscheint "unser" Bahnwärterhäuschen und dann wird unser Lagerplatz im Gebirge sichtbar.

Immer tiefer zwängt sich der Zug auf einer abenteuerlich gewundenen Trasse in das tief eingeschnittene Bergland hinein. Kühne Brückenkonstruktionen überspannen Täler und Schluchten; dann geht es schon wieder in einen der zahlreichen Tunnel. Manchmal sehen wir unter uns die Gleise, auf denen wir gerade noch gefahren sind. Um die Höhenunterschiede bewältigen zu können, mußte eine sehr verschlungene Linienführung gewählt werden mit vielen Wendeschleifen. In den engen Kurven kann man manchmal die vorne fahrende Lok trotz der wenigen Waggons schon nicht mehr sehen.

Der Bau der Bahn geht auf die Jahrhundertwende zurück und ermöglichte zum ersten Mal eine Erschließung des bis dahin völlig abgelegenen Berglandes. Noch heute, wo inzwischen gut ausgebaute Straßen ganz Sardinien durchziehen, ist diese Bahn ein wichtiges Bindeglied - berührt sie doch mit ihren Haltepunkten ansonsten völlig abgelegene Bergregionen.

Dann in Seui ein Stop: der Schaffner macht uns klar, daß wir hier aussteigen müssen und auf den Gegenzug warten sollen - unser Zug fährt wieder zurück nach Arbatax. Inzwischen haben sich auch die ersten Touristen auf dem Bahnsteig eingefunden, die hinunter ans Meer wollen.

Wir müssen also alles ausladen und stehen auf einem winzigen Bahnsteig voller Erwartung, was jetzt wieder auf uns zukommen wird - denn ob der neue Zug Platz für unsere Räder hat - wer kann das schon sagen? Am Bahnhofsgebäude eine merkwürdige Uhr mit seltsamen römischen Ziffern, die z.B. eine 4 nicht als IV sondern als IIII darstellt.

Dann rollt unser Zug ein, von Mandas her kommend. Es ist ein etwas modernerer Triebwagen, der natürlich, wie könnte es auch anders sein - kein eigenes Gepäckabteil besitzt. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Fahrräder einzeln an allen möglichen Stellen zwischen zu quetschen; zur Not auch entlang des Mittelganges. Die Gepäcktaschen füllen dazu noch einige Sitze. Zum Glück gibt es diesbezüglich keine Probleme mit dem Zugbegleiter - er nimmt das ganz gelassen! Allerdings fahren auch hier nicht allzu viele andere Fahrgäste mit.

Die Fahrt geht weiter durch das Bergland; einmal kommen wir auch an einem großen Stausee vorbei. Allmählich flacht die Landschaft ab und wir erreichen das Hügelland um Mandas, wo um die Mittagszeit unsere Reise endet. Während noch die anderen Fahrgäste in Mandas aus- und einsteigen, beladen wir schon wieder unsere Räder und richten die Außenspiegel. In der Bahnhofsbar, von 1989 her noch bekannt, gönnen wir uns einen verspäteten Frühschoppen. Draußen macht sich eine alte Dampflok des "Treno Verde" fertig; im Sommer ist das eine Touristenaktion, mit dem alten Dampfzug die Strecke nach Arbatax abzufahren.

Unser nächstes Ziel ist nun die berühmte Nuraghen-Siedlung "Su Nuraxi" bei Barumini. Dies ist die größte Nuraghenfestung auf Sardinien; 1500 Jahre vor Christus erbaut, dann 400 Jahre vor Christus von den Phöniziern erobert und zerstört - und danach in Vergessenheit geraten. Erst 1949 wurde ein Teil des Mauerwerks nach langen Regengüssen durch einen Erdrutsch zufällig ein wenig freigelegt; danach begannen systematische Ausgrabungen. Wichtiger als die freigelegten Steinmassen waren zur Erforschung der früheren Lebensweise die vielen Funde an Werkzeugen und Hausgeräten - kaum verschieden von den Dingen des alltäglichen Gebrauchs, wie sie heute noch genauso in den abgelegeneren Teilen der Insel verwendet werden.

Für uns entwickelt sich die Fahrt dorthin zu einem Kampf gegen den Wind. Zudem hat sich das Wetter grundlegend verändert: der Himmel ist grau, die Temperatur nicht mehr "sardisch" warm. Wir müssen uns lange Sachen und die warmen Windjacken anziehen.

An der Nuraghenfestung ist nicht viel los; wir klettern pflichtschuldig auf und in den Anlagen herum, tragen uns ins Gästebuch ein und steigen bald wieder auf die Räder: alles in allem ein recht trostloser Anblick hier.

Bei der Weiterfahrt erwischt uns der Gegenwind jetzt erst richtig: trotz nur leicht welliger Strecke fahren wir gerade mal um die 10 Km/h; jeder Meter kostet Kraft. In Tuili biegen wir von der Hauptstraße nach Norden ab; ab hier beginnt sozusagen der Rückweg! An einer geöffneten Marcelleria versuchen wir Speck für unsere abendliche Erbsensuppe zu bekommen - vergeblich - die Bedienung versteht nicht, was wir mit "porco" meinen, auch nicht als Martin auf seinen eigenen Speck deutet.

Durch winzige Dörfer, die am Berghang nacheinander in kurzen Abständen aufgereiht sind, fahren wir weiter in Richtung Norden: Setzu - Genuri - Sini - Gonnosco - die Namen klingen fremd in unseren Ohren. Dafür hat Gonnosco einen schönen Supermarkt, in dem wir uns ausgiebig eindecken - und hier gibt es auch verpackten Speck im Kühlregal!

Irgendwie scheint es heute Nachmittag gar nicht mehr richtig hell werden zu wollen. Wir fahren weiter durch diesiges Wetter; es ist kalt und zu allem Überfluß beginnt die Strecke nun langsam aber sicher anzusteigen. Lag Gonnosco noch auf 195 m, so müssen wir zum nächsten Ort, genannt Usellus, schon kräftig in die Pedalen treten, um 100 Höhenmeter zu überwinden.

Den ersten Eindruck von Usellius erhalten wir durch seinen Friedhof. Im Dorf lassen wir uns müde auf einer Parkbank nieder um frische Kräfte für den nächsten Aufstieg zu mobilisieren. Auf der Karte ist zwar keine besondere Höhe eingezeichnet, wir sehen aber auf der Karte einen Pfeil auf der Straße entgegenkommen. Und das bedeutet nichts Gutes! So wird der Name des Dorfes, obwohl daran völlig unschuldig, ziemlich schnell in "Unseliges" umgewandelt. Als Marianne und Sarah dann noch vom Wasserholen bei einem Haus am Dorfeingang erschüttert ob der katastrophalen hygienischen Verhältnisse drinnen zurückkehren, langt es uns - schnell weg hier!

Langsam dunkelt es bereits - nun bereitet die Suche nach einem geschützten Schlafplätzchen Sorge: links und rechts relativ weiteinsichtiges, freies Land, ab und zu Bauernhäuser dazwischen. Was noch schlimmer ist: die gesamte Strecke entlang der Straße ist auf beiden Seiten durch hohe Zäune abgesperrt. Kilometer um Kilometer müssen wir so weiterfahren, ohne eine Möglichkeit zu finden, von unserer Straße abzuzweigen.

Endlich sind wir auf der Kuppe angelangt, und hier zweigt ein Feldweg links ab. Scheint alles unbewohnt zu sein. Viel Auswahl werden wir heute nicht mehr bekommen. Also erkunden wir schnell zu Fuß das Terrain und finden nicht weit von der Straße entfernt eine zwar etwas schräge, dafür sehr einsame Wiese.

Die Entscheidung ist schnell getroffen: dies wird unser Nachtquartier! Bei bereits einsetzender Dunkelheit wird das Zelt hochgezogen und eingerichtet und Abendessen gekocht.

An diesem "halben" Fahrttag sind wir immerhin beachtliche 50 Kilometer gefahren; trotz des kräftigen Gegenwindes noch mit einem Schnitt von 10,95 (Max 49,3). Zufrieden schlafen wir ein.



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