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Per Rad 730 Km auf Sardinien unterwegs: Süd-Ostküste und durch`s sardische Inland



-Reisetagebuch-
22.3.96 - 12.4.96


Freitag, 22.3.96, 1. Tag

An diesem Morgen sind wohl alle schon früh auf - der letzte Schul- bzw. Arbeitstag; gleichzeitig unser Starttermin nach Sardinien. Gegen 14:30 Uhr treffen Jan und Sarah in Kückelheim ein; letzte gute Ratschläge, als der Reiseproviant verstaut ist, und auf geht`s. Nicht ohne Probleme: zuerst fällt Svenja ein, daß sie ihren Helm vergessen hat; also fahren wir über Eslohe, um ihn zu holen. Und kurz vor Cobbenrode merkt dann Marianne, daß sie ihre Sympatex-Jacke zwar eingepackt hat, die warme Innenjacke aber noch in Kückelheim liegt. Also wieder zurück. Ein Foto mit Selbstauslöser dokumentiert dann die 2. Abfahrt um 16.00 Uhr.

Wie immer Tankstop in Elspe; dann die ermüdende Fahrt zur Autobahn nach Olpe; von dort auf der Sauerlandlinie in Richtung Frankfurt. In der Nähe von Gießen ein erster schwerer Unfall; schlechtes Wetter zieht auf. Um Frankfurt herum erfreulicherweise nicht allzu starker Verkehr. Inzwischen fährt Marianne, und Martin versucht hinten ein wenig Schlaf zu finden. Bei einbrechender Dunkelheit erneut Fahrerwechsel. Basel wird problemlos erreicht; danach durch die nächtliche Schweiz; glücklicherweise bei noch stabiler Wetterlage - kein Regen; vor allem aber (noch) kein Schnee. Nach dem Vierwaldstädter See wird`s ernst: der Anstieg zum Gotthardt beginnt. Kilometer um Kilometer geht es höher hinauf; bald wird sich zeigen, ob wir wieder ohne Schnee bis zum Tunnel kommen.

Glück gehabt - planmäßig wird um Mitternacht der Tunnel erreicht und durchfahren. Nach 20 Kilometern dann der inzwischen langersehnte Rastplatz; unser Schlafplatz für den Rest der Nacht. Draußen ist es empfindlich frisch; wir beeilen uns, die Räder hinten von der Ladefläche herunterzuholen und vorne am Transit anzuketten. Nun ist hinten Platz für drei Isomatten; zwei weitere "Betten" sind auf der Fahrer- bzw. Rückbank. Damit man dort nicht herunterfällt, wird der Fußraum mit Satteltaschen u.ä. ausgepolstert. Nun bleibt auch noch Zeit, den hellen Kometen am Nachthimmel zu bewundern. "Il cometa", werden wir bald dem Bauern auf Sardinien erläutern. Gegenüber, hoch oben am Hang, ein kleines, beleuchtetes Kapellchen; inzwischen ein alter Bekannter. Bald darauf schläft alles fest.

Samstag, 23.3.96, 2. Tag

So gegen 6 Uhr wird es ungemütlich kalt im Wagen und nach und nach erwachen wir. Vor dem "Rasthaus", an einem offenen Brunnen, eine eiskalte Morgenwäsche. Neben uns ist eine deutsche Jugendgruppe, wohl ebenfalls auf dem Weg nach Italien, aufgekreuzt und veranstaltet ein Heidenspektakel. Deren "Guten-Morgen-Riten" scheinen Marianne zu gefallen und sie probiert sie gleich an Martin aus.

Nach einem Kaffee werden die Räder wieder verladen, und auf geht`s in Richtung Italien; bei bestem Wetter, kurz vor Sonnenaufgang. Die Sonne läßt sich auch nicht lange bitten und vergoldet bald die ersten Bergspitzen. Ein schöner Tagesanfang. Irgendwann kommt im Wagen die Idee auf, vielleicht nicht die gesamte Zeit über die Autobahn, sondern direkt am Lago Maggiore entlang zu fahren. Gesagt, getan - am Nordufer des Sees, bei Locarno, fahren wir von der Autobahn ab - auch mit dem Hintergedanken, dabei einige Autobahngebühren einzusparen.

Rast an der Uferpromenade von Locarno

Im Stadtzentrum von Locarno machen wir direkt an der Uferpromenade Rast. Bei herrlicher Morgensonne schlendern wir die Promenade entlang und schauen hinaus auf den noch nebelverhangenen See. Leider müssen wir auf der nun folgenden Uferstrecke; in engen, schwer einsehbaren Kurven, die tolle Aussicht mit einer äußerst geringen Reisegeschwindigkeit bezahlen. Zu allem Überfluß verfahren wir uns in einem kleinen Städtchen auch noch. Wir sind froh, endlich wieder ein Hinweisschild auf die Autobahn zu sehen!

Und hier geht es wirklich schneller voran! Es gibt kaum Verkehr; der Transit rauscht mit 120 Km/h die schnurgerade Autostrada durch die Po-Ebene entlang. Einziger Wermutstropfen: vorn auf der Ablage liegt ein unscheinbarer Magnetstreifen, den wir am Beginn der Autobahn ziehen mußten. Wir wissen, was das bedeutet: irgendwo wird demnächst eine Mautstation auftauchen und uns zur Kasse für das Vergnügen der freien, schnellen Fahrt bitten.

An der ersten Raststätte fahren wir ran und gönnen uns den ersten italienischen Cappuccino; dazu ein leckeres, belegtes Brötchen. Wir müssen uns erst wieder daran gewöhnen, an der Kasse zunächst zu zahlen und dann mit dem Bon zum Tresen zurückzukehren um dort etwas auszuwählen. Ganz schön kompliziert! Draußen müssen wir betrübt feststellen, daß Mariannes Fotoapparat den Geist aufgegeben hat - scheinbar Batterieschaden, obwohl vor Fahrtantritt noch eine neue Batterie eingesetzt worden ist. Martin versucht, den innen befindlichen Film herauszuholen - und löscht dabei alle bisherigen Bilder, u.a. das von der zweiten Abfahrt. Von nun an muß Martins Kamera die Aufgabe der Dokumentation übernehmen.

Nach der Po-Ebene geht es gleich wieder hinein ins See-Gebirge. Über eine steil abfallende Autobahn fahren wir dann durch unzählige Tunnels und kühne Brückenkonstruktionen hinab ans Mittelmeer. Genua liegt sozusagen in greifbarer Nähe.

Zuerst aber müssen wir uns durch den immer stärker werdenden Großstadtverkehr hindurchkämpfen. An der Mautstelle reihen wir uns fachmännisch an der Schnellabfertigung mit "Viacard" ein - leider falsch! So müssen wir uns peinlicherweise langsam zurücktasten und quer über alle Fahrspuren zum Barzahlungsschalter vorarbeiten. Und wie bereits 1989, so verfehlen wir auch in diesem Jahr die richtige Abfahrt von der höher gelegenen Stadtautobahn und machen einen unfreiwilligen Rundkurs durch den Hafen. Zum Glück haben wir genügend Zeit eingeplant!

Um halb eins haben wir dann aber endlich das Abfertigungsgebäude der Tirrenia erreicht; hier haben sich auch schon etliche andere Autos gesammelt; darunter viele Deutsche. Niemand weiß aber so recht, ob wir wirklich am richtigen Kai stehen. Nebenan haben sich viele Motorradfahrer und exotische Allzweckfahrzeuge versammelt; es scheint unzweifelhaft der Beginn einer Afrikaexpedition zu sein. Wir parken unser Auto mitten zwischen den anderen und öffnen erstmals unsere rote Kiste: Dosenbier, Würstchen und Gulaschsuppe sind nach der fast 24stündigen Reise angesagt.

Danach heißt es "auf in die Kneipen", zumindest aber zu einem ersten Rundgang durchs Hafenviertel. Wir landen schließlich, wie könnte es auch anders sein, in einem Straßencafe; lassen den Verkehr an uns vorbeiziehen und genießen, je nach Gusto, Cola, Campari oder unseren ersten "rosso".

Verkürzung der Wartezeit im Fährhafen Genua

Zurück am Fahrzeug - wir haben vorsichtshalber unseren Nachbarn gebeten, ein wenig auf unseren Transit aufzupassen - haben wir noch sehr viel Zeit. Da Sarah und Svenja lieber beim Wagen bleiben wollen (letzte Gelegenheit Musik zu hören); ziehen die anderen nochmals los, um durch die Altstadtgassen zu bummeln. Auf dem Rückweg können sie an einem Fähranleger beobachten, wie der italienische Zoll mit Spürhunden einen Bus durchsucht und einen der Passagiere festnimmt. Wir verfolgen, wie ein kleines weißes Päckchen weggeworfen und vom Hund aufgeschnüffelt wird. Interessant!

Inzwischen ist unser Schiff eingelaufen und die langsame Prozedur der Einschiffung beginnt. Aus uns unerfindlichen Gründen sind wir mal wieder bei den Letzten, die den Wagen aufs Schiff fahren dürfen. Dort dann die Enttäuschung, als wir unsere Vierbettkabine begutachten: unter der Wasserlinie, eng, heiß und sicher mit lauten Maschinengeräuschen. Da eigentlich die 5.Person auf dem Boden schlafen sollte, verzichtet Sarah auf die Kabine und macht es sich mit dem Schlafsack in dem nebenan befindlichen Pullmansessel mehr oder weniger bequem.

Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um das Schiff aus dem Hafen auslaufen zu sehen. Die ersten Lichter sind entlang der Bucht aufgeflammt und zeigen Genua von einer schöneren Seite, als wir es zumindest beim Bummel kennengelernt haben.

Nach kurzem Bummel übers Schiff lockt dann doch das Kabinenbett. Die Anstrengungen der langen Anfahrt machen halt müde.


Sonntag, 24.3.96, 3. Tag

Wir sind früh auf - das schöne Wetter und der erste Anblick Sardiniens lockt. Schon bald tauchen auf der rechten Seite (steuerbord??) die ersten Vorinseln auf - oder vielleicht auch schon echte Inselausläufer. Von Korsika ist schon nichts mehr zu sehen; daran müssen wir in der Nacht vorbeigefahren sein.

Am Hafenbecken von Porto Torres herrscht sonntägliche Morgenstimmung: lediglich ein paar Angler vertreiben sich die Zeit. Es dauert eine Zeit, bis der Schiffskoloß fest vertäut ist. Nun haben wir die besseren Karten: wir dürfen als einer der Ersten von Bord.

Von nun an heißt es in nostalgischen Erinnerungen schwärmen: "weißt du noch, als wir letztes Jahr hier mit dem Rad....." Denn nun fahren wir bis zum Bauern in Monti die gleiche Strecke, die wir im Vorjahr per Rad zurückgelegt haben (damals allerdings in vier Tagen, wofür wir heute einen Vormittag brauchen). Es fliegt alles nur so vorbei: Supermarkt in Porto Torres - der Platz der wilden Hundejagd - das Rondell am Sandstrand(Mafia?). Wir sind enttäuscht, daß die alte Frau uns in dem kleinen Lebensmittelgeschäft anscheinend nicht wiedererkennt. Wir können uns mit unseren geringen Italienischkenntnissen auch nicht richtig verständlich machen.

Nach einem ersten Frühstück auf sardischem Boden erreichen wir bald Castelsardo. Wir kommen an dem Geschäft vorbei, in dem wir vor einem Jahr unseren Herrn Nuragh gekauft haben. Da Castelsardo auf einem Berg liegt, fahren wir so weit es geht die Serpentinen hinauf.

Hier lassen wir den Wagen in der Innenstadt stehen und machen uns zu Fuß auf hinauf zur Zitadelle. Beeindruckend die vielen großen Grünpflanzen!

Blick von der Burg über den Hafen von Castelsardo

Von oben genießen wir die Aussicht und schlendern dann durch die enge, verwinkelte Altstadt. Aber schon bald heißt es weiterfahren - noch liegt eine beträchtliche Strecke durch das sardische Bergland vor uns.

Obligatorisches Erinnerungsfoto am Elefanten von Castelsardo

Am Elefanten nochmals eine kurze Rast; dann weiter über einen ersten Gebirgszug hinweg (Mann, haben wir vor einem Jahr hier geschwitzt!) zu unserer Mittagsstation vom letzten Jahr; direkt an der Bahnlinie nach Tempio. Hier, am großen Wassertank, eine ausgiebige Wäsche! danach weiter, in den verfluchten Serpentinen hinauf nach Tempio. Hier wird, nein muß! endlich getankt werden - leider nur eine Selbstbedienungstankstelle mit Scheinen. Erst mit Hilfe freundlicher Sarden klappt das. Weiter nach Calangianus und von dort die letzten Kilometer bis nach Telti. Am Bahnhof von Monti-Telti halten wir kurz an und versuchen auf dem Fahrplan einen Zug für morgen früh zu entdecken: hier soll am morgigen Montag die eigentliche Radtour starten!

Einfahrt zum Bauern! Mein Gott, der Weg ist noch ausgewaschener als im vergangenen Jahr - langsam schaukeln wir mit dem Transit hinunter zum Gehöft. Und dann sind wir da! "Unser Bauer" erwartet uns natürlich schon - mit einem Mittagessen! Wir beschließen, auch diese Nacht noch im Wagen zu schlafen und uns den Streß des Zeltaufbaus für diesen Tag noch einmal zu ersparen. Wohl aber werden die Fahrräder schon mal fertig gemacht; d.h. abgeladen, Lenker und Spiegel gerichtet und die Taschen soweit vorbereitet. Und danach steigt die Stimmung beträchtlich; proportional zur Menge des aufgetischten Rotweins. Selbst Prizz, der Kater, gibt sich die Ehre, diesmal leider nur noch auf drei Beinen humpelnd! (er sollte eben auch nicht die Gleise während seiner Brautschau unmittelbar vor einem Zug überqueren); vermutlich ist er deshalb so gerne dabei, weil Svenja und Sarah ihn des Öfteren heimlich mit Wurststückchen und Käse füttern (sonst bekommt er nämlich nur, wie uns der Bauer erklärt, die Käserinde)

Erster Abend bei Pinuccio

Als Pinuccio dann zum Melken der Schafe muß, kommt Martins große Stunde. Vor laufender Videocamera kann er sein Talent beim Melken beweisen. Vor lauter Gelächter der Anderen über seinen einwandfreien Mißerfolg dabei sind leider seine fachmännischen Kommentare auf dem Videoband nicht zu hören.

Die Sonne versinkt hinter den Monti Limbara; die erste sardische Nacht bricht schnell herein. Weiter geht es in der Wohnstube. Wir erläutern unseren Gastgebern (Antonello und Anna-Lisa, die beiden erwachsenen Kinder, sind inzwischen auch dazugestoßen) unsere Routenpläne für dieses Jahr; wie immer ungläubiges Kopfschütteln, daß man sich so etwas per Rad freiwillig antun kann......

Antonello hat, wie vorher schriftlich erbeten, einen passenden Zug für Montagmorgen herausgefunden, der uns samt Rädern zunächst nach Oristano bringen soll. Nach und nach verabschieden wir uns von der Familie und suchen unser Schlafquartier im Transit auf.


Montag, 25.3.96, 4. Tag

Nicht allen geht es heute Morgen so ganz gut! Na ja, Abende beim Bauern sind nun mal hart; vor allem, wenn es zu vorgerückter Stunde an den Selbstgebrannten geht! Es hilft aber nichts (außer der vielen frischen Luft): unser Zug geht um 9:24, und bis dahin müssen wir am Bahnhof sein. Zum Glück haben wir ja gestern schon das meiste an Gepäck verstaut; jetzt kommen lediglich die Schlafklamotten dazu. Die Räder werden aus der Garage geholt und nach einem (oder doch mehreren ?) obligatorischen Rotweingläschen geht es frischgestärkt los; zunächst mal mit viel Schieben den Sandweg hinauf zur Hauptstraße. Von hier aus fluchend und in den warmen Sachen kräftig schwitzend (leider paßt das Wetter zur allgemeinen Befindlichkeit) im kleinsten Gang den ersten Berg hinauf.

Warum muß es eigentlich bei Tourbeginn immer regnen?

Wir sind ein erstes Mal naßgeschwitzt, als wir die letzten Meter hinunter zum Bahnhof die Räder rollen lassen können. Schnell sind die Fahrkarten für uns und die Räder gelöst; dann heißt es noch etwas abwarten, ehe unser Zug, von Olbia kommend, einläuft. Wir helfen beim Verladen und lassen uns dann in die Sitze sinken - ächz, das wäre erstmal geschafft!

Gegen Mittag erreichen wir planmäßig Oristano. Nach dem Ausladen müssen erst wieder alle Radtaschen und Packsäcke fest verstaut werden; dann noch die Spiegel ausgerichtet und jetzt kann`s endlich so richtig losgehen - Fahrradfahren ohne Ende für die nächsten 14 Tage!! Inzwischen meldet sich auch der erste Hunger (das Frühstück hatten wir ausfallen lassen bzw mit Süßigkeiten überbrückt). Martin erinnert sich an eine kleine Pizzeria, deren nette Bedienung insbesondere Peter bereits 1989 gut gefallen hat. Und tatsächlich: es gibt sie noch (die Pizzeria)! Sie nennt sich jetzt "Al piatto pronto" (Zum schnellen Teller) und bietet gerade heiße Lasagne und Aufläufe. Die Bedienung ist inzwischen bärtig und männlich. Schade.

Das Wetter ist inzwischen recht ordentlich; wir lassen uns auf unserer "alten" Bank direkt im Stadtzentrum nieder, genießen unser Essen und beobachten, wie sardische Autofahrer parken und bei anderen die Alarmsirene auslösen.

Zum Glück dauert es in diesem Jahr nicht ganz so lange, bis wir die richtige Ausfallstraße gefunden haben; und schon bald können wir die Hauptausfallstraße verlassen und auf die Nebenstrecke nach Arborea abbiegen. "Arborea", diesen Namen kannten wir bislang nur von den Milchtüten. Jetzt fahren wir durch diese flache, bäuerliche Landschaft, die vor 50 Jahren noch ein malariaverseuchter Sumpf war. Die Räder rollen gut; es geht zügig voran. Plötzlich erkennt Martin den Ort wieder, in dem 1991 schon einmal ein freundlicher Radhändler sein defektes Hinterrad repariert hat. Leider haben alle Lebensmittelgeschäfte wegen eines Streiks geschlossen; für eine Erfrischung suchen wir daher eine Bar auf und trinken unser Fläschchen draußen im Rinnstein sitzend. Unglücklicherweise beginnen just in diesem Moment erste Regentropfen zu fallen. Also schnell alles vorsichtshalber regendicht gemacht; dann weitergetrunken und den im Staub aufklatschenden Tropfen zugeschaut.

Nun, Gott Güpi ist gnädig mit uns, und es bleibt bei den paar Tropfen. Kurz hinter San Nicolo verlassen wir die Straße und biegen in die kleine Straße (na ja!) ab, die auf die Militärhalbinsel direkt an der Westküste führt. Nebel kommt auf und läßt die Berge zunehmend verschwinden; auch vom Meer her scheint uns nichts Gutes zu erwarten.

Der erste Zeltaufbau auf einer Tour ist immer was Besonderes - jetzt liegt der Alltag hinter uns!

Bei einer kleinen Ruine schwenken wir vom Weg ab und suchen einen geeigneten Platz für unsere 2 Zelte; das Dovrefjell für Marianne, Martin und Jan; das Sierra Comfort für Sarah und Svenja. Argwöhnisch beobachten wir die Lichter der auf dem etwas entfernt liegenden Sträßchen vorbeifahrenden Autos - wird jemand anhalten und nachschauen, was wir hier machen??

Noch geht alles etwas langsam von der Hand; aus Erfahrung wissen wir aber, daß sich alles beim Zeltaufbau und der Einrichtung genauso wie das Verpacken am nächsten Tag in den nächsten Tagen einspielen wird. Jeder ist für seine Aufgabe zuständig; vom Stangeneinfädeln bis zum Abspannen. Bei unerwarteten Schwierigkeiten springt Jan eben ein. 48 Kilometer zeigt der heutige Tagestacho - unter Berücksichtigung der Kopfschmerzen und des flauen Gefühls im Magen sowie der Tatsache, daß wir ja erst am frühen Nachmittag in Oristano gestartet sind, zufriedenstellend. Die zweite Nacht senkt sich herab; diesmal mit starkem Nebel und der bangen Erwartung, wie sich das Wetter wohl morgen entwickeln wird. Nicht weit von hier, wird Martin nicht müde zu erzählen, ist die `91er-Gruppe damals mit dem Zelt buchstäblich abgesoffen; nach 2 Regen- und Sturmtagen. Mit diesen wenig tröstlichen Gedanken schlafen wir ein.


Dienstag, 26.3.96, 5. Tag

Güpi sei gepriesen (wir müssen wirklich bald opfern!) - das Wetter ist prächtig. Während des Abbaus nähert sich ein Schäfer mit seiner Herde - Martin bietet ihm eine Zigarre an und versucht ihm zu erklären, was wir mit den Fahrrädern noch vorhaben. Dann werden die bereits abgetrockneten Zelte abgebaut und auf geht`s. Und bald kann Martin tatsächlich stolz die Stelle vorzeigen, die die 91er-Fahrt so dramatisch unterbrochen hat.

Über uns wird es am Himmel lebendig: Düsenjäger auf Düsenjäger zieht vorbei und ballert auf unsichtbare Ziele. Eine mordsmäßig laute Störung der ansonsten friedlichen Gegend!

Im ersten Örtchen, welches wir erreichen - San Antonio di Santadi - stürmen wir das einzige kleine Geschäft und beschaffen uns alles, was man so für ein opulentes sardisches Radfahrer-Frühstück benötigt: Panini, Käse, Salami, Prosciutto und Burro; dazu natürlich reichlich Getränke. Zusammen mit einem hinkenden Hund, der dummerweise von Svenja und Sarah aus Mitleid gefüttert wird, frühstücken wir ausgiebig in der immer wärmer werdenden Morgensonne.

Gemütliches Frühstück in San Antonio

Svenja besorgt sich noch Flüssigseife und danach geht es die ersten Serpentinen des Tages hinauf; entlang der Westküste, die wir allerdings nicht ein einziges Mal sehen.

Solche Straßeneinsichten können deprimieren...

Dafür sehen wir oft schon kilometerweit die auf- und ab (meist auf!) führende Straße. Für uns Anlaß, die ersten Vitamintabletten als Kraftnahrung zu verteilen und ausgiebig Sonnencreme aufzutragen.

Brause-Vitamintabletten geben frischen Schwung

In einem Tal mit Bodennebel treffen wir auf eine einsame Autofahrerin, die sich als Deutsche vorstellt; auf der Rundreise mit einem Mietwagen durch Sardinien, um einen Ort zu suchen, an dem sie die letzten Urlaubswochen verbringen könnte. Wir jedenfalls können ihr von diesem Fleck nur abraten - an der ganzen Westküste wird in diesem Bereich um Ostern herum noch kaum ein Hotel geöffnet haben.

Auf jeden Fall wollen Rad- und Gepäckgewicht über die Höhenmeter gebracht werden

Nach wenigen Kilometern erreichen wir dann den Abzweig nach Marina di Arbus; und damit zur Costa Verde, zur "Grünen Küste" mit seiner einzigartigen Dünenlandschaft. Für uns der eigentliche Grund, warum wir überhaupt die bisherige Streckenführung so gewählt haben.

"1o Kilometer hinter Marina di Arbus endet die Teerstraße, man muß einen kleinen Fluß durchqueren und steht plötzlich am Strand. Zelt aufschlagen und dann Lawrence von Arabien spielen - Dünen, soweit das Auge reicht, bis zu dreihundert Meter hoch"

So der Originalton aus dem Reiseführer (alternative Machart), der uns erstmals `89 deswegen hierhin geführt hat; und 1991 ein weiteres Mal. Vom Vergleich mit der Wirklichkeit weiß zumindest Martin also schon, welche Abstriche diesbezüglich zu machen sind. Die Anderen werden es noch heute merken!

Ehe wir uns aber hinunter zur Küste aufmachen, wollen wir der freundlicherweise am Wegesrand stehenden Taverne (mit Pizzeria!) einen Besuch abstatten. Leider ist vorn alles geschlossen, Jan steigt zwar durch ein offenes Fenster ein, findet aber auch nichts. Also versucht Jan es hinten herum - und siehe da, er wird fündig! Wir lassen uns auf der Terrasse häuslich nieder und bestellen kühle Getränke und Chips, da leider keine warme Küche möglich ist. Sarah erreicht endlich telefonisch jemand zu Hause; wir lassen alle grüßen!

Inzwischen ist es unmerklich kälter geworden; der Himmel hat sich bezogen und unser freundliches Wetter ist verschwunden. Nun, die Costa Verde ist ja nicht mehr weit! In sausender Fahrt geht es hinunter nach Marina di Arbus - das müssen wir leider wieder hinauf, falls unser Plan mißlingt, die Räder 10 Kilometer am Sandstrand entlang zu schieben. Durch ein scheinbar völlig ausgestorbenes Marina di Arbus geht es ans Ende der Teerstraße; erstmalig sehen wir jetzt die Küste mit den Sandstränden und der doch recht wilden Brandung. Inzwischen bläst uns ein kräftiger Wind vom Meer her entgegen; graue Wolkenfetzen jagen tiefhängend vorbei. Unsere Windjacken und Polartec-Pullover kommen zum Einsatz. Und das auf einer warmen Mittelmeerinsel!!

Das ist also eine echte strada bianca

Der bislang zum Ufer verlaufende letzte Sandweg hat sich im Laufe der letzten Jahre kräftig verändert; durch die zugewachsenen Büsche und Dornensträucher würden wir heute nicht mehr mit den Transits wie `89 durchkommen. Selbst für Radfahrer wird es oft schwierig; hinzu kommen die vielen Pfützen und schlammigen Stellen, die ein Durchfahren riskant machen. Aber schließlich erreichen wir "unseren" Platz; am Anfang der Dünen gelegen; vom Meer durch eine Dünenkette getrennt (und windgeschützt, wie wir in der kommenden Nacht noch dankbar feststellen werden). Der graue Himmel beflügelt unser Tempo beim Zeltaufbau - der Boden ist zwar sandig, sieht aber recht fest aus - äußerst merkwürdig! Als alles Gepäck regensicher verstaut ist, hält uns aber nichts mehr! Wo ist das Meer? Dafür haben wir uns schließlich 2 Tage abgestrampelt. Und das tosende Meer ist wirklich beeindruckend. Wir stehen lange und hören und schauen einfach nur zu, wie sich die Wellen am Strand brechen.

Schade, mit den Rädern können wir hier nicht wie geplant 10 Km am Strand entlang

Eines wird uns schnell klar: mit unserer Idee, am Strand entlang zum Capo Pecora unsere Räder zu schieben oder womöglich sogar noch zu fahren, wird es nichts werden - mit unseren Reifen würden wir hoffnungslos im zu weichen Sand stecken bleiben. Dazu kommt noch, daß vermutlich wegen des im Hinterland liegenden Mafia-Gefängnisses mit einer Polizeiabsperrung zu rechnen ist. Und sollte das noch nicht reichen: das am Horizont liegende Capo Pecora fällt steil felsig ins Meer ab - mit Rädern nicht mehr zu machen. Vorbei unser schöner Plan, dort wieder Anschluß ans Straßennetz nach Süden zu bekommen: es hilft nichts - wir werden den ganzen Weg wieder zurück müssen und dann in den sauren Apfel beißen und über Guspini durch das gerade umfahrene Gebirge einen Umweg fahren müssen.

Die Costa Verde ist zu dieser Jahreszeit einfach nur trostlos

Mit hochgeschlagenen Jackenkragen eilen wir dann wieder zurück zu unseren Zelten, um uns die erste warme Mahlzeit des Tages zu bereiten. Tolle Überraschung - der Benzinbrenner hat uns irgendetwas übel genommen - mit ihm werden wir in Sardinien wohl kein warmes Essen mehr bekommen. Also bleibt heute die Küche kalt! Äußerst ärgerlich, solch eine Panne am sicherlich entlegendsten Teil Sardiniens. Morgen werden wir uns als erstes darum kümmern müssen, einen Ersatzgasbrenner zu bekommen.

Zu allem Überfluß setzt dann der große Regen ein! Wir liegen im Innenzelt und schauen hilflos zu, wie sich das Wasser durch unser Außenzelt seinen Weg um unsere Taschen herum bahnt. Bei einem letzten gemeinsamen Kontrollgang fallen wir auf dem plötzlich wie Schmierseife gewordenen Boden fast auf die Nase! Unser Untergrund besteht nicht aus festem Sand, sondern mehr aus Lehm!! Nun ja, den Innenzelten kann das Wasser nichts anhaben; windgeschützt liegen wir auch; also können wir uns - zumindest für diesen Abend - beruhigt in die warmen Schlafsäcke zurückziehen und wenigstens unseren Schlummertrunk genießen. 41,5 Tageskilometer liegen hinter uns.


Mittwoch, 27.3.96, 6. Tag

Ein äußerst karges Frühstück im Zelt; der Regen hat immer noch nicht so richtig aufgehört; wir beschließen, trotzdem abzubauen. Der fehlende Brenner drängt uns zur Eile - und was sollen wir hier bei Regen an der Küste auch nur eine Minute länger bleiben?

Nach dem Abbau schieben wir die Räder durch das Flüßchen und suchen uns einen eigenen Weg durch das Gestrüpp. Dies erweist sich aber als gar nicht so leicht! Nachdem das Flüßchen mit vereinten Kräften in einer seichten Furt überwunden ist, müssen wir uns mit den Rädern durch Gestrüpp und über glitschigen Boden bewegen. Wir sind froh, endlich den Anstieg zum Beginn der Straße zu erreichen; hier, wo sich `89 einer unserer Kleinbusse fast hoffnungslos festgefahren hatte.

Nun, heute ist im Gegensatz zu den damaligen 45 Grad im Schatten das Wetter erfrischend kühl; eigentlich schon mehr kalt! Ein Regenschauer treibt uns in eine leerstehende Ferienhaussiedlung. Wir stellen uns am Supermarkt unter (leider alles verbarrikadiert und wohl auch nicht mit Waren aufgefüllt) und teilen die letzten Getränkevorräte; dazu gibt es reichlich Schokoriegel aus der Notfallration.

Über den gestrigen Weg geht es dann wieder hinauf zur Trattoria an der Abzweigung; diesmal allerdings ungleich langsamer. Uns ist allerdings auch klar, daß es mit diesem Anstieg für heute sicher nicht getan ist! Wir liegen nun zwar bereits wieder auf ca. 100 m; Montevecchio, auf dem Paß, dagegen schon auf 370 m. Und dazwischen zumindest laut Karte 2 Flußeinschnitte. Und was das bedeutet, wissen wir noch vom Vorjahr: hinunter ins tief eingeschnittene Flußtal und dabei jeden mühsam erfahrenen Höhenmeter wieder verloren; auf der anderen Flußseite sofort wieder hinauf. 14,8 Kilometer sollen es - nur - bis zum Paß sein. Wir sind inzwischen so weit, daß wir diese Kartenangaben genauestens studieren! Aber was zeigt schon eine zweidimensionale Karte! Was sich nun vor uns erhebt, ist die Wirklichkeit - und die ist dreidimensional - wobei der Höhe die größte Bedeutung zukommt. Wir stehen bestürzt vor dem zerklüfteten Gebirgszug und versuchen den Straßenverlauf zu erahnen.

Dieses Gebirge wird uns jede Menge an Zeit kosten

Zu allem Überfluß streikt nach einer kurzen Rast hinter dem Restaurant (Wunder über Wunder - wir verzichten auf einen erneuten Besuch!) Mariannes Schaltung. Die ersten Gänge lassen sich nicht mehr schalten - Jan und Martin bringen das dann zum Glück wieder in Ordnung. Und dann ab, die Straße hinauf! Meter um Meter kämpfen wir uns voran; gelegentlich durch flachere Strecken wieder ermutigt. Bei einer Zwischenrast hält ein sardischer Bauer mit seinem Dreirad an und bietet uns, mit einer vermeintlichen Panne, seine Hilfe an. Vielleicht wäre manch einer von uns gerne auf der Ladefläche mitgefahren..... Aber so weit sind wir noch nicht! Und irgendwann haben wir es geschafft; vor uns taucht das Ortsschild von Montevecchio auf. Daß der Ort sehr öde sein soll, weiß Martin schon vorher aus Erfahrung zu berichten. Die Wirklichkeit übertrifft das nun aber mal wieder! Wir kurven durch das Örtchen auf der Suche nach einem Alimentari (Durst!); werden dann aber zu einer Art Kneipe gelotst.

Draußen bocken wir unsere Räder in Wildwest-Manier nebeneinander auf und genießen dann die Wärme im etwas kahlen Innenraum. An den Wänden befinden sich Zeichnungen und alte Fotos aus der Zeit, als hier noch Hochbetrieb in den umliegenden Bergwerken herrschte. Wir bestellen heißen Cappuccino und Schokolade und beobachten das Treiben um uns herum.

Draußen wird es immer trüber; wir müssen noch weiter, um wenigstens Guspini, den nächsten größeren Ort in 10 Kilometer Entfernung, zu erreichen. Hier wird sich entscheiden, was mit einem neuen Brenner ist! Zum Glück geht es nun zügig abwärts; wir gönnen uns noch eine kurze Besichtigungspause an einem der stillgelegten Bergwerke und erreichen am Spätnachmittag Guspini.

Der junge Wirt in der Kneipe, dem wir unser Problem erklärt haben, hat uns auch auf einem Zettel die richtigen italienischen Wörter aufgeschrieben ("macchina ai gas"); wir sollen nach einem Laden für "Elektrodomestico" fragen. Tun wir auch; und werden kreuz und quer durch den Ort geschickt. Jeder Passant kennt ein neues Geschäft, wo es Brenner geben müßte. Jedesmal Fehlanzeige! Zuletzt malt uns ein freundlicher Geschäftsmann sogar eine Zeichnung, und Jan fährt mit Martin allein los, weil die Anderen es langsam leid sind. Und diesmal haben wir Glück: erst wollen wir unseren Augen kaum trauen, als uns beim Eintritt in das beschriebene Geschäft sofort die schönen blauen Campinggas-Kartuschen ins Auge stechen. Und dazu noch die extrem billigen Preise - aus Norwegen sind wir da ganz anderes gewöhnt! Nun, das folgende Bild zeigt deutlicher als viele Worte unsere Freude! Heute wird es endlich eine warme Mahlzeit geben.

Kleiner Brenner - große Wirkung! Ab jetzt gibt es wieder warme Mahlzeiten

Zurück bei den Anderen beschließen wir, zunächst mal den gegenüberliegenden Supermarkt aufzusuchen und uns einzudecken; vorwiegend mit Getränken. Von Guspini aus haben wir die Wahl zwischen zwei Strecken: eine kürzere, die uns gleich wieder bergauf führen wird, und eine längere, dafür auf flachem Niveau. Schnell ist diese Frage geklärt: heute Abend will keiner mehr bergauf strampeln!

Die Karte zeigt die nächste Ortschaft in etwa 15 Kilometer Entfernung; dazwischen zwei Flüßchen. Hier müssen wir irgendwo einen Übernachtungsplatz finden. Und das gelingt auch problemlos. Wir verlassen die Straße und fahren ein kleines Stück den Fluß mit dem klangvollen Namen "Rio Trotu" entlang und entdecken eine wunderbar flache, grasige Stelle; dazu von der Straße nicht einsehbar - was will man als Wildcamper mehr? In kürzester Zeit stehen die Zelte und wir können uns der verdienten Mahlzeit widmen: es gibt zur Feier des Tages natürlich Gulasch, kräftig und pikant gewürzt (Getränke für die Nacht haben wir ja reichlich). Leider haben wir Mühe, die Teller schneller zu leeren, als der Wind das Essen abkühlt. 42 Km zeigt der Tachostand - wir sind froh, daß wir das Küstengebirge hinter uns und einen funktionierenden Brenner im Gepäck haben.


Donnerstag, 28.3.96, 7. Tag

Endlich wieder schönes Wetter, wenn auch ziemlich windig. Wir nutzen die Gelegenheit, uns am Fluß ausgiebig zu waschen, wenngleich man unter einem "Rio" eigentlich was anderes verstehen würde. Da San Gavino, laut Karte mindestens so groß wie Guspini, ja ziemlich nahe liegt, wollen wir dort ausgiebig frühstücken. Nach dem Zeltaufbau geht es zügig los; auf der leicht abschüssigen Strecke, dazu noch mit Rückenwind, schaffen wir mühelos einen Schnitt über 25 Km/h.

Es läuft gut!

Am Ortsausgang von San Gavino ist auch gleich ein großer Supermarkt; wir besorgen uns die Frühstücks-Standartausrüstung: Milch u.ä., frische Panini mit leckerem Aufschnitt. Auf dem Bahnhofsvorplatz scheint einiges los zu sein; hier packen wir unsere Schätze aus. Die Leute begutachten im Vorbeigehen interessiert unsere vollgepackten Räder - nun ja, für Sardinien sicher ein ungewohnter Anblick, zumal zu dieser Jahreszeit. Viele Jungens mit Mofas und Rollern umkreisen uns, oder eher unsere Damen (?) und zeigen ihre Kunstfertigkeit.

Es ist fast schon Mittag, als wir wieder aufbrechen; und jetzt erwischt uns der Wind leider von vorn. Mühsam strampeln wir hinauf in das Dörfchen Villacidro, was wir gestern links liegengelassen haben. Glücklicherweise erwischen wir hier noch ein geöffnetes Lebensmittelgeschäft; an die langen Mittagspausen der Läden haben wir uns noch nicht gewöhnt. Schon fast am Dorfausgang dann noch ein Eis auf den Stufen einer Bar, und dann rollen die Räder wieder von allein bergab; selbst der Gegenwind hat sich gelegt und es ist eine Lust, mit dem Rad unterwegs zu sein! Von Villacidro aus verlieren wir beständig an Höhe; von 267 m geht es hinab bis auf 76 m - durch blühende, farbenprächtige Gärten hindurch.

An der Cantoniera de s`Acqucotta biegen wir nach rechts auf die Straße 293 ein; sie soll uns ein gutes Stück nach Südwesten in Richtung der Insel San Antioco bringen, unserem nächsten Hauptziel. Bei einer Mittagsrast an einem kleinen, schlammigen Bach, rutscht Martin aus und landet mit dem Hosenboden im Dreck. Nach einem stärkenden Alupack brechen wir wieder auf ins 6 Kilometer entfernte Vallermosa. Da uns die vielen Namen nicht so gleich flüssig über die Zunge kommen, werden sie einfach passend von uns umgetauft.

Inzwischen ist es auch schon wieder Zeit, an den Abend und an die Einkäufe dafür zu denken. Nach Vallermosa ist nichts mehr auf der Karte zu finden. Während Martin, Marianne und Jan durch den Ort fahren, um ein Geschäft aufzutreiben, werden Sarah und Svenja auf dem Kirchplatz von einer etwa 40jährigen Frau in bestem deutsch angesprochen. Als wir zurück kommen, erzählen wir ihr von unseren weiteren Tour-Plänen. Dabei leeren wir die Rotweinreste aus unserem Einkauf, die nicht mehr in die Trinkflaschen passen.

Nun beginnt die Suche nach einem geeigneten Lagerplatz; die Frau hat uns ein Gelände etwa fünf Kilometer entfernt empfohlen. Kurz vorher kommt Marianne durch eine kleine Unaufmerksamkeit von der Fahrbahn ab und fällt vom Rad(!) - zum Glück ist es nicht so schlimm, wie es für die Nachfolgenden aussieht. Unser erster Unfall auf dieser Tour.

Zeltplatz inmitten einer blühenden Wiese

Links und rechts der Straße ein prima Zeltgelände; weitläufig, grasig, leider überall eingezäunt! Fragen können wir ja keinen, also müssen wir irgendwo durch die Zäune hindurch. Glücklicherweise finden wir bald eine passende Stelle. Nun nur noch abwarten, bis kein Verkehr auf der Straße ist, und dann schnell die Räder durchs Gras und kleine Gräben einige hundert Meter auf die Weide geschoben. An einer kleinen Baumgruppe, die wenigstens etwas Sichtschutz bietet, schlagen wir die Zelte auf. Fürs Kochen mangelt es ein wenig am Wasser; wie gerufen kommt da plötzlich ein Schafhirte mit seinem Fiat vorbei. Wir laden ihn zu Wein und Weinbrand ein; dafür fährt er dann mit Jan los, um die Wassersäcke zu füllen. Wie schon so oft, gibt es mit dem Freicampen auf Privatgelände keinerlei Schwierigkeiten, wenn wir den Leuten unsere Reisepläne erklären. 45 Km stehen am Ende dieses Tages auf dem Tacho.



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