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Gründonnerstag, 9.4.98, 13. Tag

Über Nacht hat sich das Wetter bereits etwas geändert. Noch bauen wir bei Sonnenschein ab; es wird aber zunehmend diesiger. 30 Kilometer weiter liegt die nächste, größere Stadt namens San Guiseppe. Hier müßten wir mal wieder italienische Lira bei einer Bank nachfassen; also müssen wir vor der Mittagspause dort ankommen.

Frühstückspause machen wir unterwegs, neben der Straße, auf einem Asphaltstück der alten Straße sitzend - immer noch leicht sonnig. Kurz darauf wird es dann immer bewölkter und gleichzeitig immer kühler. 20 Grad zeigt unser Thermometer noch an - für uns sonnenverwöhnten Radfahrer schon empfindlich kalt. Daher kommen lange Hosen und Hemden jetzt zum Einsatz.

Die Stadt San Guiseppe Jato erreichen wir kurz vor zwölf; jetzt müssen wir uns doch noch beeilen, denn dummerweise müssen wir von der Hauptstraße abzweigen und ziemlich steil bergauf hinauf in den eigentlichen Ort. Am ersten Alimentari ist bereits zu; wir quälen uns durch eine enge "Hauptstraße" immer höher hinauf; die schnelleren von uns weiter vorweg auf der Suche nach einem noch geöffneten Geschäft. Fündig werden wir an einer Panificio; hier wird Brot in Mengen gekauft. Dann auch noch ein offener Alimentari für den Rest. In der Banco di Palermo machen wir einen kleinen Aufstand, weil es mit dem Geldwechseln nicht voran geht. Nachdem das alles geschafft ist, stockt uns bei der Ortsausfahrt fast der Atem, als wir den weiteren Verlauf der Straße sehen! Ganz weit hinten im Dunst schwingt sich unsere SS 624 mit kühnen Brückenbauwerken immer höher hinauf ins Gebirge. Und über diesen Bergen sieht das Wetter nun gar nicht mehr schön aus! Wolken, wohin man blickt; weiße Wolkenfelder, die an Gletscher erinnern, fließen über die Bergkämme auf uns zu. Mit dieser Aussicht vor uns machen wir auf einer Parkterrasse erst einmal Mittagspause.

Wir sitzen da und genießen das Leben um uns herum (und natürlich auch die mehr oder weniger verstohlenen und neugierigen Blicke der Einheimischen, die sich wohl fragen, was wir für seltsame Vögel sind und was wir hier wollen).

Und das scheinen sich auch die Carabinieris gefragt zu haben, die plötzlich am Straßenrand mit ihrem Wagen stoppen und aussteigen. Wollen die etwas von uns?? Jawohl, wollen sie! Zu spät, die Bierflaschen verstohlen neben die Bank zu stellen - zielstrebig steuern die beiden auf uns zu und begutachten uns einen Moment. Und dann sprechen sie uns auf deutsch an! Wir sind baff - so was in einem wirklich abgelegenen Bergnest mitten in Sizilien. Schnell ist das Eis gebrochen (bzw. besser gesagt, unsere Sorgen hinsichtlich einer Kontrolle zerstreut) und wir kommen in ein angeregtes Gespräch mit einem der beiden Polizisten. Es sind auch keine "echten" Carabinieris, sondern "normale" Polizia. 20 Jahre hat einer der beiden in Nürnberg gearbeitet, bei AEG, dort Waschmaschinen zusammengebaut und jetzt wieder zurück auf Sizilien.

Dann begutachten die beiden unsere Biersorte - aha, einheimisches Bier - ob wir das als Deutsche überhaupt mögen? Unsere Antwort, daß wir im Ausland immer das dortige Bier bevorzugen, weil das zum Kennenlernen des Landes einfach mit dazugehöre, befriedigt die beiden sichtlich! Und schon erzählen wir von unserer bisherigen Tour und unseren weiteren Plänen; auch wie wir im vergangenen Jahr von sizilianischen Kollegen auf Sardinien überprüft worden sind und wie wir denen versprochen haben, auch mal durch Sizilien per Rad zu fahren. Im Gegenzug erfahren wir, daß unser neuer Bekannter immer noch gerne die Bildzeitung und den Stern liest. Mit den besten Wünschen verabschieden sie sich dann von uns.

Nachdem wir uns dann schweren Herzens wieder in den Sattel geschwungen haben und uns hinauf zum wolkenverhangenen Paß machen, werden wir auf der Hauptstraße nochmals überraschend von den beiden überholt und gestoppt. Sollte jetzt eine Alkoholkontrolle fällig sein??

Nein, sie wollen uns nur ihre Adresse geben und hoffen auf eine Postkarte aus Deutschland (ansonsten würden sie uns ein Strafmandat zuschicken....). Das versprechen wir gern und nehmen die Adresse in unser Heft auf. Der eigentliche Grund des Stops ist aber ein guter Rat, wir sollten nicht über die Schnellstraße nach Palermo fahren, sondern das in Kürze abzweigende Nebensträßlein über die Ortschaft Piana degli Albanesi wählen. Dort sei wesentlich weniger Verkehr und wir könnten sicherer fahren. Dies versprechen wir ebenfalls, zumal uns dadurch der langgezogene Anstieg zum Paß erspart bleiben wird (denken wir zumindest). Danach ein erneuter Abschied von Cosimo Lo Givdice und seinem Kollegen.

Gute Tips von unseren beiden Polizisten Außergewöhnliche Straßenführung - sie ließ sich aber leichter fahren, als es von unten ausgesehen hat

Nach einigen Kilometern weiter sehen wir allerdings, daß wir mit der neuen Strecke anscheinend vom Regen in die Traufe kommen werden! So etwas an Straßenführung haben wir auf unseren bisherigen Touren noch nicht gesehen! Um den Einstieg in die folgende Serpentinenstrecke zu schaffen, ist die Straße in einem weiten, fast kreisrunden Viadukt an den Berghang gebaut worden. Jetzt heißt es, Höhenmeter um Höhenmeter hinaufzustrampeln. Am Ende des Viadukts machen wir erst einmal Pause und genießen die Aussicht von oben auf dieses außergewöhnliche Straßenbauwerk.

Weiter hinauf geht es nun in Serpentinen hoch zu einem Paß mit dem schönen Namen "Portella Ginestra"; immerhin auf 855 m Höhe). Neben uns erhebt sich ein beeindruckendes Horn, der "Pizzuta" mit 1333 m. Dummerweise wäre der Paß auf der Hauptstraße weit unter 800 Metern gewesen, wie uns nun ein genauer Blick auf die Karte verrät. Aber dafür haben wir auch wirklich keine Probleme mit dem Verkehr gehabt. Oben am Paß ein merkwürdiges Steinmonument, dessen Sinn uns verborgen bleibt - so was ähnliches wie Stonehenge, nur ohne große Säulen - aber umfangmäßig auch recht groß.

Als Belohnung für unseren Anstieg folgt nun eine zügige Talfahrt hinab in die Hochebene um die Stadt Piana degli Albanesi. Hier wird nun auch ein großer Stausee sichtbar. Am Ortseingang von Albanesi ist an einem Alimentari wieder mal eine Pause notwendig und willkommen. Als wir so im Rinnstein sitzen und uns an kühlen Getränken laben, kommt plötzlich der Ladeninhaber heraus und schenkt uns noch eine Tüte mit Apfelsinen. Dankbar machen wir uns über diesen zusätzlichen Vitaminstoß her.

Wir stehen bei der Weiterfahrt jetzt vor einem Problem: wie weit können wir noch bis an Palermo heranfahren, um nicht zu nah an der Großstadt einen Freicamperplatz zu finden? Das genaue Kartenstudium hilft wie immer weiter. Nach der Hochfläche um Albanesi kommt nur noch ein kleiner Zwischenpaß, ehe sich die Straße in steilen Serpentinen bis nach Palermo hinabwindet. Und aus Erfahrung wissen wir, daß man an Steilabfahrten kaum Chancen auf eine Lagerplatz hat. Also müssen wir heute Abend hier irgendwo in der Hochebene bleiben und morgen dann nach der Abfahrt Palermo zügig durchqueren.

Im Alimentari wird also alles Notwendige für das Abendessen eingekauft; bei der Weiterfahrt durch die Straßen von Albanesi kommen wir dann noch an einer Gärtnerei vorbei, wo wir auf Nachfrage am Außenkran unsere Wasservorräte auffüllen dürfen. Jetzt müssen wir nur noch nach einem geeigneten Plätzchen Ausschau halten.

Und das ist auch gar nicht so schwer zu finden: schon bald hinter dem Ortsausgang wird die Gegend einsamer und wir finden rechts neben der Straße eine überraschend große und weitgehend ebene Wiese. Nun gut, mitten drauf steht noch ein recht baufällig wirkendes Haus. Wir lassen die Räder stehen und schauen uns die Sache aus der Nähe an. Das Haus scheint unbewohnt zu sein, allerdings wohnt drinnen irgendetwas an Viehzeug; Hühner oder dergleichen, nach den Geräuschen zu urteilen. Hoffen wir also, daß der Besitzer nicht noch am späten Abend vorbeikommt, um nach seinen Tieren zu sehen.

Schnell ist das Camp aufgebaut und eingerichtet; aus Sicherheitsgründen ketten wir die Räder zusammen und legen sie flach, damit abends von der Straße her die Reflektoren nicht von vorbeifahrenden Autos angestrahlt werden. Inzwischen wird es aber auch bereits dämmrig; wir befassen uns mit der Zubereitung unserer Abendmahlzeit und genießen den "Feierabend". Glück gehabt mit dem Wetter - zwar nicht so schön wie gewohnt, aber auch kein Regen.

Tageswerte: 44,8 Km; 4:21 Stunden im Sattel; Schnitt 10,26 Km/h; Max 43 Km/h Gesamthöhenmeter bergauf jetzt 6582 m; bergab 5653 m


Karfreitag, 10.4.98, 14. Tag

Mit dem heutigen Tag sind wir nun schon zwei Wochen unterwegs; die Zeit vergeht leider wie im Fluge; in einer Woche werden wir uns schon auf den Heimweg machen müssen. Hoffentlich bleibt uns noch Zeit für einen Besuch am Etna! Eins ist klar - wir befinden uns immer noch ziemlich weit im Westen der Insel, und einige Kilometer bis Catania liegen noch vor uns. Dafür ist die Kondition inzwischen aber auch wesentlich kräftiger geworden. Also noch kein Grund zur Sorge - mit unseren bisherigen Tagesfahrleistungen können wir zufrieden sein.

Schon früh am Morgen wurden wir von einem Hahn in der Ruine geweckt; bald ist alles gepackt und wir machen uns auf die letzte Etappe bis Palermo. Nach einem Frühstück unterwegs mit Cervelatwurst und Thunfisch (Brot haben wir noch genügend von gestern auf Vorrat) geht es an eine enorm lange und steile Abfahrt hinunter durch mehrere kleine Weiler und viele Serpentinen nach Palermo. Im Außenbezirk fassen wir nochmals Trinkwasser und sonstige Getränke nach.

Was nun kommt, wird sicher allen Fahrtteilnehmern noch lange in Erinnerung bleiben! Eine Fahrt mit sechs Fahrrädern in Kolonne durch eine sizilianische Großstadt mit entsprechendem Verkehr - das hat man entweder einmal selbst mitgemacht oder halt nicht. Wir machen es nun gerade mit - und dabei vergeht uns jeder Spaß! Die Haupteinfallstraße ist eng; der natürlich schneller neben und an uns vorbeifließende Verkehr hat kaum Platz zum Ausweichen; besonders eng wird es natürlich, wenn so ein Transportbetonmischer an uns vorbei will. Und warten, das kennen die Leute aus Palermo nicht. Ein kurzes, warnendes Hupsignal, dann schiebt sich der nächste Laster mit seinen Zwillingsreifen an unsere Kolonne vorbei.

Das nächste Problem stellen die vielen Ampeln dar; es ist schier unmöglich, mit allen sechs Rädern gleichzeitig in einer Grünphase rüber zu kommen. Gut, daß wir in dieser Situation Seitenspiegel haben, um ständig den hinter uns herannahenden Verkehr argwöhnisch zu beobachten und andererseits dabei den Kopf nicht drehen müssen, sondern die volle Aufmerksamkeit auf das jeweilige Straßenstück vor uns richten können. Denn auch hier lauern auf uns einige kleine Fallen in Form von tiefen Gullis, urplötzlich auftretenden Schlaglöchern oder ganz einfach einigen idyllischen Glasscherben.

Höhepunkt im wortwörtlichen Sinn ist eine steil ansteigende Straßenüberquerung über ein paar Bahngleise! Dabei fällt natürlich der letzte Rest an Geschwindigkeit noch weiter ab, und wir balncieren mit unseren bepackten Rädern im Schrittempo hinauf. Nach einiger Zeit sind wir mitten in Palermo und halten am Straßenrand Kriegsrat.

"Palermo besitzt schier unendlich viele sehenswerte Kirchen und Paläste; immer wieder hat die Stadt aufs neue pittoreske Straßenszenen(!) zu bieten. Den orientalisch anmutenden Bazaren folgen an der nächsten Straßenecke wieder schicke Boutiquen, die der Kundschaft harren."

So der Originalton unseres ansonsten recht präzisen Reiseführers "Merian live". Nach der bisherigen Mühe mit der Einfahrt nach Palermo sind wir aber nicht mehr willens, diese schönen Fleckchen aufzuspüren. Na ja, eine Radrundtour unterscheidet sich halt auch wesentlich von einer Städtebesichtigungsreise. Außerdem steht da noch was im Reiseführer:

"Palermo ist ein gigantischer Moloch, der sich weit in das Umland hineingefressen hat. Die mehr als 700.000 Einwohner zählende Stadt ertrinkt im Verkehrslärm, erstickt in den Abgasen. Blinde Fensterhöhlen und brökkelnde, rußgeschwärzte Fassaden erinnern beständig an den sich fortsetzenden Verfall des historischen Zentrums."

Na, dieser Text hätte glatt von uns geschrieben worden sein können! Nach kurzer Besprechung sind wir uns einig: raus hier, und zwar so schnell wie möglich! Gesagt, aber wie getan?? Ein letztes Problem tut sich nun auf: wir finden keine Beschilderung, die uns sicher nach Osten leiten würde. Unsere Straßenkarte gibt in dieser Situation auch nichts mehr her außer der groben Richtung nach Osten. Ein wenig vom Hauptstraßennetz ist zwar darauf zu erkennen; das nützt uns aber herzlich wenig, weil wir nicht mehr wissen, wo wir uns jetzt eigentlich genau befinden. Wir verfahren uns zunächst in einer verlockend wirkenden Seitenstraße, ehe wir entgegen der Einbahnstraße dort wieder herausfinden. Die einzige Beschilderung finden wir dann an einer Schnellstraße. Aber ist die überhaupt für Radfahrer zugelassen? Die Beschilderung sieht so aus, wie bei uns auf Autobahnen.

Aber eigentlich ist uns das inzwischen egal - der Weg ist das Ziel! Außerdem hat die Schnellstraße einen großen Vorteil: sie ist breit und mehrspurig. Die Sizilianer halten sich zwar nicht unbedingt an diese Spuren, scheren nun aber doch sehr frühzeitig aus, wenn sie unsere roten Ortliebtaschen erkennen.

Und dann haben wir es geschafft! Langsam aber sicher werden die Hochhäuser links und rechts weniger; die Straße schwenkt noch ein wenig nach Norden hoch und schon liegt das Meer vor uns! Unsere Straße ist wohl doch die richtige Route in Richtung Cefalu, also nach Osten. Sie führt jetzt direkt am Strand entlang. An einem Supermarkt, der für uns überraschend am Karfreitag geöffnet hat, kaufen wir für eine Mittagsrast ein, schieben dann die Räder hinüber zum strandseitigen Straßenrand und machen dort Pause. Palermo liegt nun in einer weit geschwungenen Bucht schon ein ganzes Stück weit zurück.

Da es noch recht früh am Nachmittag ist, wollen wir anschließend noch ein gutes Stück weiterkommen. Das Wetter ist heiter bis wolkig; ab nun sind wir wieder unterwegs Richtung Catania und Ferienende. Wir fahren auf einer kleineren Küstenstraße, die relativ wenig Verkehr hat, da parallel die Autobahn verläuft. Kleine Kaps reihen sich aneinander, meist gekrönt von einem alten Wehrturm; ab und zu eine kleinere Ortschaft. Dann ein größeres Städtchen, Termini. Hier schaffen wir es mal wieder uns zu verfahren. Hilfreiche Mechaniker einer Reparaturwerkstatt weisen uns gestenreich den Weg hinauf ins Zentrum, wo wir vor einer Bar sitzend eine längere Pause einlegen und dem Nachmittagstrubel zuschauen.

Diese Stadt liegt auf einem Berg direkt am Meer; dementsprechend weit ist die Aussicht über die Bucht entlang der Küste. Unser morgiges Ziel, Cefalu mit dem Normannendom, ist aber noch nicht im Dunst zu erkennen. Nach der Abfahrt von Termini geraten wir dann hinein in ein weitläufiges Industriegebiet mit Raffinerieanlagen und kilometerlangen Fabrikanlagen. Als Vorteil ist aber zu verbuchen, daß die Strecke nun doch recht eben verläuft.

Wir fahren inzwischen sozusagen "auf Sicht" entlang der Küste. Links neben uns in greifbarer Nähe das azurblaue Meer, weiter rechts irgendwo die Landstraße; noch weiter im Inland sieht man ab und zu einen Teil der aufgeständerten Autobahn. Unsere Route verläuft inzwischen durch Felder und Sumpfgebiete; die Wege sind teilweise nicht einmal asphaltiert. Ein genußvolles Fahren ohne störenden Verkehr. Welch ein Unterschied zu Palermo! Hier müßte man doch eigentlich auch schon ein schönes Plätzchen für die Nacht finden können. Leider sind die Stichwege in Richtung Meer alle als Privatwege gesperrt. An einer kleinen Landgaststätte erfahren wir aber, daß in der Nähe ein Campingplatz liegen soll. Und den wollen wir uns heute mal wieder gönnen; die letzte warme Dusche liegt ja auch schon etwas länger zurück..... . Da unsere Trattoria hier zur Zeit nur Getränke serviert und warmes Essen erst abends angeboten wird, bedanken wir uns bei der netten Wirtin für den Tip und machen uns auf die Suche nach dem Platz, der gar nicht weit entfernt liegen soll. Vielleicht können wir da ja heute Abend mal speisen.

Nach wenigen hundert Metern kommt der beschriebene Abzweig; jawohl, jetzt unter der Brücke durch, stimmt auch genau und schon sind wir da - nur der Campingplatz ist nicht da! Nun, da ist er schon, allerdings versperrt ein solides Eisentor - natürlich hermetisch verschlossen - die Weiterfahrt. Scheint noch keine Saison zu sein. Und damit wir nicht etwa auf falsche Ideen kommen und den Platz sozusagen "vorzeitig" nutzen, erscheinen auch prompt einige recht große Köter, die uns interessiert betrachten; glücklicherweise befinden sie sich jenseits des Zaunes.

Da brauchen wir nicht lange zu diskutieren - hier ist nichts zu holen. Also wieder in den Sattel, wenn auch langsam doch etwas müde. Jetzt wollen wir Tempo machen. Irgendwo vor Cefalu müssen doch bestimmt Campingplätze am Meer liegen. Schließlich ist das hier eine der Hauptouristenstrecken! Wir ziehen hoch zur Landstraße und machen dort Kilometer um Kilometer. Das erinnert uns doch stark an die Suche nach einem Platz damals bei Trapani!

Tatsächlich, da kommen schon Hinweise mit dem internationalen Camping-Symbol! Und welche Freude, gleich zwei Plätze nebeneinander! Jetzt werden erst einmal die Preise am Aushang verglichen. Beide Plätze haben die gleiche Sterne-Kategorie - klar, daß hier der billigere Preis ausschlaggebend ist.

Mit dem Mann an der Rezeption werden wir schnell einig; unser Platz liegt auf einer kleinen Terrasse; fast ohne Gras auf festem Boden. Nachdem wir die Zelte hochgezogen haben, machen wir uns entweder an die Zubereitung des Abendessens (Erbsensuppe mit Speck) oder an ein ausgiebiges Duschen und Wäsche waschen. Abends geht es hinunter an den direkt vor dem Platz liegenden Sandstrand; hier zelten auch zwei andere Deutsche mit einem Wolfskin-Zelt. Dann aber geht es bald zu Bett; kein Wunder, liegt doch heute die bislang längste Tagesetappe hinter uns.

Tageswerte: 95,41 Kilometer (!!); 6:06 Stunden im Sattel; Schnitt 15,62 (!!) Gesamthöhenmeter bergauf: 7254m; bergab 6933 (wir nähern uns also dem Mount Everest)


Karsamstag, 11.4.98, 15. Tag

Leider sind die Duschen heute früh kalt; das stört uns aber nicht lange, weil wir es nun eilig haben, möglichst früh am Tag ins nicht weit entfernte Cefalu zu kommen.

Vom Campingwart bekommen wir sogar noch das Geld für das gestern im angegliederten Alimentari gekaufte Toilettenpapier zurück. Dann schieben wir unsere Räder zur Straße hoch und auf geht`s nach Cefalu. In den ersten Minuten gibt`s dabei gleich eine etwas brenzlige Situation, als Svenja die Geschwindigkeit und Entfernung eines sich auf der Hauptstraße nähernden Reisebusses falsch einschätzt. Danach sind wir alle richtig wach und können uns auf den schönen Anblick vor uns konzentrieren.

"Nach Taormina ist Cefalu der meistbesuchte Ferienort Siziliens. Die unvergleichliche Lage, der kulturhistorisch bedeutende Normannendom sowie ein überaus gepflegter Sandstrand sind das touristische Kapital von Cefalu. Cefalu kann auf eine rund dreitausendjährige Geschichte zurückblicken. Der namensgebende Felsklotz diente dabei als Kultstätte und als letzter Rückzugsraum vor feindlichen Angreifern. Die Wanderung hinauf zu dem Felsmonolithen ist ein faszinierendes Erlebnis. Der Weg führt an den Resten eines antiken Heiligtums vorbei zu den normannischen Befestigungsmauern.. Dort bietet sich ein atemberaubender Blick auf die Rückseite des Normannendoms und die rötliche Dächerlandschaft Cefalus. Gekrönt wird der Berg von der Ruine eines Kastells mit prächtiger Fernsicht."

Nun ja, hinauf auf den Berg wollen wir mit Sicherheit nicht, das wird uns schon auf den ersten Blick klar, als wir vor uns Cefalu auftauchen sehen. Das ist uns mit den Rädern einfach zu viel! Aber den Dom und die Altstadt sehen ist o.K. - vorher wollen wir uns aber erst ein ausgiebiges Frühstück am "gepflegten" Sandstrand gönnen.

Am Stadtrand von Cefalu sind die dafür benötigten Zutaten samt Oliven schnell gekauft. Und schon biegen wir zur schönen Strandpromenade ein, um uns dort, umgeben von Palmen, auf dem Boden zu einem stärkenden Mahl niederzulassen.

Leider übersieht Christoph dabei einen Becher Milch auf dem Boden und flutet so unseren Frühstückstisch ein wenig (was Jan und Martin unweigerlich an eine ähnliche Szene an einem französischen Strand zwei Jahre zuvor denken läßt).

Nach dieser Stärkung widmen wir uns dem eigentlichen Strand. Dieser ist zwar längst nicht so "gepflegt" wie beschrieben, bietet dafür aber ein doch recht interessantes Strandleben, was vor allem die Herzen unserer Herren höher schlagen läßt. Nach ausgiebigen Studien machen wir uns dann auf in die Innenstadt. Hier wird zunächst an der Post die Barkasse aufgefüllt; danach geht es durch die Gassen zum Normannendom.

Hier gilt es nun Martins Fahrrad gebührend zu feiern: exakte 13.000 Kilometer zeigt sein Tacho (na ja, die letzten zwei, drei Kilometer hatte Martin ihn vorsichtshalber abgeklemmt). Klar - dies soll mit einer Flasche Sekt stilvoll begossen werden; eine an und für sich einfache Sache, die sich bei uns aber beschämenderweise sehr in die Länge zieht (s. Videofilm). Erst ein Häring schafft den notwendigen Durchbruch ins flüssige Flascheninnere. Dann aber strömt der Sekt über das Rad und in die schon lange bereitgehaltenen Becher.

Am Normannendom von Cefalu Es gilt einen Tachostand von 13000 Kilometern zu feiern Cappuccino-Pause im vermutlich teuersten Cafe Cefalus

Nach all dieser Anstrengung haben wir uns einen Capuccino im vermutlich teuersten Cafe des Ortes redlich verdient. Zumal das alles auf die Blase geschlagen ist und wir die Toilette des Cafes in Verbindung mit dem Verzehr nutzen können.

Danach erwartet uns allerdings ein neuer, schweißtreibender Arbeitseinsatz. Diesmal geht es um Mariannes Handbremse, die schon in den letzten Tagen immer mehr an Bremswirkung verloren hatte. Also wird das gesamte Werkzeug auf dem Pflaster vor dem Normannendom ausgebreitet und fachmännisch ein neuer Bremszug samt Bremsbacken montiert. Das alles unter den neugierigen Augen vieler Touristen. Da Schadenfreude bekanntlich die reinste Form der Freude ist, müssen wir grinsen, als einem Rennfahrer in buntem "Haribo-Kostüm" nicht weit von uns der Schlauch platzt, als er selbst in andächtiger Versunkenheit den Dom betrachtet.

Durch die engen Kopfsteinpflastergassen des Städtchens suchen wir uns nun wieder den Weg hinaus in Richtung Ausfallstraße entlang der Küste. Mehr als einmal landen wir dabei aber in einer Sackgasse oder auf einer hoch über dem Städtchen liegenden Terrasse. Zufällig geraten wir so aber den bis dahin günstigsten Anbieter von Postkarten - und schon wechseln 40 Karten zum Stückpreis von nur 300 LIT den Besitzer. Briefmarken haben wir vorhin schon vorausschauend an der Post besorgt.

Am "Roulette della Frutta" kann Marianne nicht widerstehen und packt uns allen die Satteltaschen mit frischem Gemüse für die nächsten Tage voll. Nun, heute ist ja auch Karsamstag; wann wir wieder ein geöffnetes Geschäft über Ostern finden, wissen wir nicht. (Dies wir uns zwei Jahre später bei unserer Radtour durch Sardinien noch große Probleme bereiten, wo nicht nur Ostersonntag und -montag geschlossen sein wird, sondern noch der Dienstag als "Tag der Befreiung" dazu).

An eine Sache denken wir freilich nicht - dies wird erst heute Abend zum Problem werden: wir vergessen, hier in Cefalu unsere Brennstoffvorräte aufzufüllen; d.h., Benzinflasche und Brennertank vollzutanken. Unsere ganze Konzentration ist statt dessen jetzt auf die Straße und den Verkehr gerichtet.

In den letzten Stunden vor Ladenschluß scheint hier alles auf den Beinen zu sein. Mit unseren vollbeladenen Rädern quälen wir uns durch den Osterverkehr. Durch das Schrittempo fällt die Balance natürlich nicht leicht! Vorsichtig manövrieren wir uns mit den Rädern an den sich stauenden Autoschlangen vorbei - was den Rollerfahrern recht ist, kann uns nur billig sein!

Mehrmals treffen wir auf eine Gruppe schweizer "Biker", die ihre Mountainbikes per Anhänger transportieren und sich nur die besten Routen zum Radfahren aussuchen. Aber urplötzlich sind wir plötzlich der "Stars": kurz vor der Ausfahrt aus Cefalu stoppt uns ein Jeep. Der Fahrer macht uns klar, daß er gerne von uns zusammen mit unseren vollbepackten Rädern ein Foto machen möchte. Er ist Inhaber einer Mountainbike-Schule und möchte unser Foto für Werbezwecke haben. Kann er! Später grübeln wir darüber nach, ob das Foto von ihm vielleicht als eine Art "Abschreckung" genutzt werden wird - um die Vorzüge einer MTB-Tour ohne Gepäck herauszustellen.

Na, kann uns eigentlich auch egal sein - Hauptsache: bekannt! Und zu unserer Freude ist direkt hinter Cefalu, nach Umrundung des großen Felsens, urplötzlich Schluß mit dem Autoverkehr. Das haben wir uns nach dem langgezogenen Anstieg aber auch verdient! Fast kommen wir in Versuchung, die "letzten paar Höhenmeter" hinauf zur irgendwo über uns liegenden Normannenfestung doch noch unter die Pedale zu nehmen! Ein Blick auf die Uhr hält uns dann doch davon ab - inzwischen ist es schon fast drei Uhr; einige Kilometer wollen wir heute schließlich noch schaffen. Bis jetzt sieht es auf dem Tagestacho noch sehr wenig aus!

Wir haben die nun folgende Küstenstraße bei bestem Wetter quasi für uns allein. Links liegt das blaue Mittelmeer; unsere Straße teilt sich den schmalen Küstenstreifen mit der ebenfalls hier entlangziehenden Bahntrasse. Na ja, ganz allein ist übertrieben - ein uns überholender Kühllaster mit der verlockenden Werbeaufschrift "Io e il mio Magnum" überholt uns und hält kurz vor uns auf der linken Seite am Straßenrand an. Eine doch recht merkwürdige Art, auf einer Landstraße zu parken! Ein neugieriger Blick beim Vorbeifahren bringt uns schnell Klarheit! Anscheinend ist dem Fahrer des Eislasters trotz seiner kühlen Ladung im Führerhaus zu heiß geworden: er nutzt die Gunst der Stunde, um sich mit einer hier am Straßenrand ihr Brot verdienenden Dame kurzweilig die Zeit zu vertreiben. Ein Blick in unsere Rückspiegel zeigt, daß er dies der Einfachheit halber direkt im Schutz des Lasters und der offenen Tür über der Leitplanke erledigt. Und dazu noch dabei diese prächtige Aussicht über den Golf!

500 Meter weiter schlägt unsere Trauer über die Ungerechtigkeiten des Lebens (sprich: wir müssen uns bei der Hitze abstrampeln) in Schadenfreude (Teil II an diesem Tag!) um, als uns ein Wagen der Carabinieri entgegenkommt. Schade, wir werden nie erfahren, wie die Geschichte in den nächsten Minuten weitergegangen ist......

Statt dessen konzentrieren wir uns wieder mehr auf unsere weitere Rundreise über die Insel: uns ist klar, daß wir in Kürze ins Inland abbiegen müssen, wenn wir unser Ziel, den Etna, noch ansteuern wollen. Aber was heißt hier "abbiegen"? Der richtigere Ausdruck wäre wohl besser "ins Inland hinaufklettern". Und dies wörtlich gemeint!

Die Karte zeigt uns unmißverständlich, daß es einerseits nur eine einzige Strecke von der Küste weg ins Inland gibt, und andererseits diese Straße dummerweise zwangsläufig über den "Colle del Contrasto" führt. Und der liegt bereits auf 1107 m Höhe. Tja, und wir befinden uns momentan auf so etwa 20 m Höhe über dem Meeresspiegel. Beim Gedanken an diese vor uns liegende Strecke werden wir einsilbiger. Und so kommt auch ziemlich schnell der einstimmige Beschluß zustande, daß wir heute Abend noch einmal am Meer schlafen und erst am morgigen Ostersonntag an die Bergetappe gehen wollen.

Da der Abzweig nicht mehr allzu viele Kilometer vor uns liegt, müssen wir uns nun also irgendwo um eine Bleibe für die Nacht kümmern. Schnell wird uns klar, daß es hier, an dieser Küste, wohl nichts mit wildem Campen werden wird. Dafür ist mit Straße und Bahnlinie alles zu eng ans Ufer gequetscht. Und die paar Fleckchen unten am Strand, die weit genug von den immer wieder auftauchenden Ferienhäusern entfernt liegen, lassen sich wegen der trennenden Bahntrasse nicht erreichen.

Andererseits, warum über Ostern nicht noch einmal einen Campingplatz nehmen? Ein bißchen Luxus in der Osternacht wollen wir uns ruhig gönnen. Dabei kommt uns der Gedanke, wie wohl am heutigen Karsamstag in Wenholthausen die Eieraktion der Jufis abgelaufen ist.

Ab jetzt wird also nach Hinweisschildern für einen Campingplatz Ausschau gehalten. Dummerweise kommt nun Kilometer für Kilometer keines! Müssen wir doch noch heute hinauf ins Gebirge?? Endlich ein Schild! Es zeigt eine steile Einfahrt hinunter, die wir morgen bestimmt nicht hinauffahren werden können. Egal - wir müssen diese - vielleicht letzte - Chance nutzen! Steil geht es hinab zur Küste; dann eine Schranke, aber niemand zu sehen.

Wir biegen unten auf den Platz ein und treffen endlich auf Leute - allerdings kommt uns der Platz irgendwie merkwürdig vor. Ist das überhaupt ein offizieller Platz - oder vielleicht nur ein Wohnwagenpark für feste Dauercamper?? Ein Mann, vom Aussehen sicher kein Sizilianer, eher ein Inder, beruhigt uns - si,si, campeggio aperto! Wir suchen uns ein etwas abgelegenes Plätzchen aus (wegen der Beengtheit reihen sich die einzelnen Stellplätze wie eine Perlenschur hintereinander am Strand auf) und bauen unsere Zelte auf. Eine tolle Aussicht über Strand, Felsen und Meer haben wir hier direkt vom Zelt aus. Und toll finden wir es jetzt auch, daß wir beim Auspacken der Kochutensilien die fehlenden Benzinvorräte nicht mehr ignorieren können. Karsamstagabend, zwei Feiertage vor uns, und keine Tankstelle weit und breit!! Dumm gelaufen.

Irgendwie hat der Platzbesitzer anscheinend was von unserem Problem mitbekommen - und sofort bietet er seine Hilfe an! "Gasolino - niente Problema!" Wir müssen ihm allerdings erst einmal begreiflich machen, daß wir kein gasolino (Diesel) für unseren Coleman-Brenner brauchen, sondern bleifreies Normalbenzin. Mit Papier und Oktanzahlen gelingt das schließlich. So wird es nichts mit dem Abzapfen aus dem Tank eines Wohnmobils (der Schlauch lag schon bereit); denn das fährt dummerweise mit Diesel. Jan und Martin müssen also nochmals mit dem Rad los um irgendwo eine Tankstelle aufzutreiben (die am Samstagabend auch noch geöffnet hat und Bargeld annimmt). Aber, welche Überraschung: wieder hilft uns der Chef weiter: er fährt mit dem Roller los und ist nach einiger Zeit mit gefüllter Benzinflasche wieder zurück. Mann, sind wir ihm dankbar!

So können wir uns an ein ausgiebiges Kochen machen: wieder mal Tortellini mit einer Käse/Tomatensauce; dazu vorab ein frischer Salat aus allerlei Zutaten. Gegessen wird direkt am Strand bei schon einsetzender Dämmerung. Bald darauf sitzen wir unten auf den Kieseln; werfen Steine und schauen dem aufgehenden Mond zu. Einige Langzeitbelichtungsaufnahmen entstehen.

Tageswerte: nur 30,01 Km; 2:09 Stunden im Sattel; Schnitt 13,4 Km/h Gesamthöhenmeter: 7778 m bergauf; bergab 7444 m (müßten die Werte hier am Strand nicht eigentlich fast identisch sein - ab Catania ebenfalls fast auf Meeresniveau?


Ostersonntag, 12.4.98, 16. Tag

Die Stille der Osternacht wurde mehrmals durch heftiges Schlagen von Autotüren und Scheinwerferlicht auf den Zelten gestört; dementsprechend früh sind wir auf, so um 7 Uhr. Ostern auf Sizilien - für uns eine neue Erfahrung. Die letzten drei Ostersonntage haben wir immer auf Sardinien verbracht; meist mit Süßigkeiten und einer lebhaften Eiersuche. Süßigkeiten haben wir diesmal nicht im Gepäck, auf Ostereier wollen wir aber nicht verzichten - wenngleich sie auch nicht bunt gefärbt sind. In Cefalu haben wir gestern vorausschauend jede Menge Eier und sogar Majonaise gekauft. Die Eier wurden auch schon gestern Abend gekocht; jetzt kann das große Osterfrühstück beginnen. Und nachdem Sarah bereits ihren Spitznamen weg hat (S-S), erhebt Christoph nun darauf den gleichen Anspruch (S-Ch) und tritt beim Verzehr der Majonaise-Brötchen den Nachweis dafür an.

Das Wetter ist heiter; wir genießen einen zweiten Kaffee mit Blick aufs morgendliche Meer und duschen lange und ausgiebig (weil es hier auf dem Platz inklusive ist). Nach Zeltabbau und Verabschiedung müssen wir, wie schon gestern befürchtet, den langen, steilen Weg zur Straße hochschieben. Nach wenigen Kilometern erreichen wir einen langen Taleinschnitt. Die kleine Brücke, die die Straße über den Fluß leitet, hat den klangvollen Namen "Ponte Nuovo". Leider liegt direkt vor der Brücke die Abzweigung hinein ins Gebirge. Somit werden wir nicht mehr das nächste Küstenörtchen erreichen. Aber war da nicht kurz zuvor an unserer Straße eine Bar gewesen? Wir fahren einige hundert Meter zurück - tatsächlich, die "Bar Oasi" ist geöffnet und lädt uns ein.

Leider wird nun das Wetter immer diesiger und kälter; wir ziehen uns hinter der Bar um. Auch schöne Souvenirs gibt es hier (Jan kann nicht widerstehen). Und dann müssen wir endlich hinauf - und gleich zu Anfang über eine atemberaubende Auffahrt, wie wir noch keine per Rad gefahren sind. Sie ist mindestens ebenbürtig der "Pont de Nomandie" (1996) oder der Hängebrücke in Norwegen (1994). Und am Ende der 180-Grad-Kurve erwartet uns ein erster, langer Tunnel. Ständig geht es bergauf. Na ja, 1000 Höhenmeter müssen ja irgendwann mal gefahren sein....

Schon wieder eine schweißtreibende Rampenfahrt Heiße Getränke in einer der vielen Tunnelstrecken

Leider spielt gerade in dieser schweißtreibenden Situation nun das Wetter gar nicht mehr mit! Es beginnt doch tatsächlich zu regnen!! Und das auf Sizilien! Widerwillig kramen wir das tief versteckte Regenzeug aus den Satteltaschen. In der 2. "Galleria", die zur Talseite offen ist, legen wir eine Rast ein und kochen Kaffee. Es weht zwar auch hier ein recht frisches Lüftchen; aber gegen den Regen sind wir gut geschützt.

Inzwischen haben wir laut unserem Höhenmesser bereits eine Höhe von 315 m erreicht. Also schon ein Drittel weg - gut! Nach der Kaffeepause geht es wieder mit frischen Kräften weiter; unser Ziel ist es, heute zumindest die Paßhöhe zu erreichen.

Bis zur nächstgrößeren Stadt namens "Mistretta" (wir taufen es sofort um in "Mistwetter") sind es laut Karte ab Küstenstraßenabzweig 20 Kilometer. Dort werden wir schon auf 963 m sein. Vorher durchqueren wir aber einen anderen, winzigen Ort. Inzwischen hat der Regen auch schon wieder aufgehört und wir können ohne Regenzeug fahren. Ein Brunnen am Wegesrand verlockt uns zu wilden Wasserplantschereien. Und gegen 16 Uhr erreichen wir dann Mistretta bei schönstem Sonnenschein (unser Name bleibt trotzdem). Und da es ja schließlich Ostersonntag ist, machen wir auf der Piazza eine längere Pause und holen aus der nebenan liegenden Konditorei viele leckere Kuchen und Sahnestückchen. Dies versöhnt uns wieder mit dem plötzlichen Wettereinbruch des Vormittages. Weiter geht es nun in Richtung des Passes - und hier bemerken wir erstmals eine gewisse Unregelmäßigkeit unseres Höhenmessers: ihm zufolge müßten wir eigentlich schon die Paßhöhe erreicht haben - die Straße zieht sich aber deutlich erkennbar immer noch weiter den Hang hoch. Und das, obwohl wir in Mistretta an der Piazza exakt nachgeeicht haben. Merkwürdig!

Je höher wir kommen, desto diesiger und leider auch kälter wird es. Immer stärker peitscht uns der kalte Wind entgegen. 1300 m erreicht schließlich der Höhenmesser - und vom Paß (Kartenangabe 1107 m) ist vor uns immer noch nichts zu sehen. Dafür immer mehr Zäune, die links und rechts das Gelände neben der Straße absperren und für uns als Übernachtungsort unzugänglich machen.

Als schließlich ein offener Seitenweg auftaucht, nutzen wir die Gunst der Stunde und schlagen uns in die Büsche. Nach hundert Metern endet der Weg halbverwachsen im Nirgendwo; hierhin schieben wir die Räder und legen sie flach (verräterische Speichenreflektoren!) und bauen dann bei bereits einbrechender Dämmerung die Zelte auf. Den meisten ist die Lust auf`s Kochen vergangen; lediglich Jan und Martin freuen sich auf "Pasta verde"; Spirellis in grüner Kräutersauce. Den anderen reichen noch die in Mistretta vertilgten Backwaren. Nach einem letzten Vino kriechen wir bibbernd in die Schlafsäcke. Hoffentlich ist das Wetter morgen besser!

Tageswerte: 35,07 Tageskilometer; Schnitt nur 8,08 Km/h, 4:20 Stunden im Sattel Gesamtmeter bergauf: 9506 m (?????????, wie das ???????); bergab: 7629m

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