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Trekking-Tour in den Abruzzen

10.10.-19.10.97

Reisetagebuch, Teil 1


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Freitag, 10.10.97, 1. Tag

Die letzten Vorbereitungen werden in aller Ruhe vor Schul- bzw. Arbeitsbeginn getroffen. Nur Andree hat heute bereits frei - wir anderen müssen leider noch den Vormittag mit anderen Dingen verbringen.

Fünf Minuten vor zwölf kommt Marianne mit Christoph und Sebastian direkt von der Hauptschule in aller Eile in Wenholthausen an. In Martins Klasse wird sich schnell umgezogen, und pünktlich fünf nach zwölf stehen wir an der Bushaltestelle. Im gleichen Moment kommt auch Andree an. Bereits auf diesen ersten Metern bekommen wir das tolle Regenwetter zu spüren! Hoffentlich kein böses Omen für das weitere Fahrtwetter.

Im Bus werden unsere Fahrkarten diesmal anstandslos akzeptiert; die von der Bahn in Meschede vorgenommene Aufsplittung des Österreich-Spartickets ist auch in diesem Punkt von Vorteil! Dann stehen wir in vertrauter Weise auf dem Bahnsteig in Freienohl; lediglich die Fahrtrichtung ist heute anders - wir werden über die Rheinschiene fahren und auf den ICE verzichten; so, wie schon 1995.

Doch dann der erste Reisestreß: Lautsprecherdurchsage: unser Zug hat voraussichtlich 15 Minuten Verspätung. Nun ja, in Hagen haben wir laut Plan 16 Minuten Umsteigezeit......! Die fünfzehnminütige Wartezeit zehrt an den Nerven - was ist, wenn der Zug noch später kommt? Dann dürften alle Verbindungen bis nach Rom futsch sein - und das, noch ehe die Fahrt überhaupt erst richtig angefangen hat!

Doch dann läuft alles noch gut - wir müssen zwar im überfüllten "Regional-Express" stehen; doch der Schaffner sieht mit der kurzen Umsteigezeit keine Probleme: unser Zug ab Hagen geht vom gleichen Bahnsteig ab, und wir hätten ja immerhin eine Minute Zeit! Und als wir dann in Hagen aus dem Zug stürmen, ist der Anschluß noch garnicht da - auch Verspätung! Na, etwas Glück muß man schließlich haben.

Von jetzt ab läuft alles wie geplant: reservierte Sitzplätze bis Koblenz; dort kurzer Aufenthalt mit Nachkauf von Getränken; weitere Reservierung bis München. Dort haben wir ca. 2 Stunden Zeit, die wir natürlich zu einem Kurzbesuch im Augustinerbräu nutzen. Jeder ißt (und trinkt) sich vor der Abfahrt des Nachtzuges noch mal richtig satt - wer weiß, wann wir wieder dazu kommen werden!

Unser alter D 286 steht wie immer auf dem letzten Gleis bereit; für uns schon fast ein alltägliches Ereignis, die Betten zu beziehen und die Rucksäcke zu verstauen. Nach der Abfahrt um 23:40 warten wir noch Kufstein ab (erfolgreich!) und begeben uns dann zur Ruhe; in Bologna müssen wir morgen schon früh raus.


Samstag, 11.10.97, 2. Tag

Nach ruhiger Nacht erwachen wir schon weit vor Bologna und können einen schönen Sonnenaufgang miterleben. Leider langt die Zeit in Bologna nicht für einen ersten Capuccino; der Express nach Rom läßt nicht lange auf sich warten.

Mit einer etwas älteren Variante des italienischen Euro-Stars geht es nun in zwei Stunden bis Rom weiter; draußen gleiten die Höhenzüge des Apennin vorbei; unterbrochen von den vielen Tunnels, die immer wieder Druck auf die Ohren bringen.

In Rom verlassen wir kurz das Bahnhofsgelände und folgen Andree, der uns zielsicher zu einem kleinen Alimentari führt, wo wir uns die ersten italienischen Paninis belegen lassen. Hier versorgen wir uns auch in ausreichender Menge mit Halbliter-Wasserflaschen; wir sind uns darüber im Klaren, daß wir auf der Wandertour mindestens 2" Liter Wasser je Person mitschleppen müssen.

Mit einem angeblichen "Eurocity" geht es mittags weiter in Richtung Pescara an der jenseitigen Adriaküste. Unser Ziel ist Avezzano; ziemlich genau in der Mitte zwischen Tyrennischem Meer und Adria gelegen. Und dann kommt der Schaffner! Er scheint mit unserem Ticket nicht ganz zufrieden zu sein, holt Verstärkung und versucht uns etwas zu erklären. In solchen Fällen stellt man sich, das wissen wir aus leidvoller Erfahrung, am besten recht dumm. Trotzdem kommen wir nicht umhin, für den Schnellzug einen gesonderten Zuschlag zu zahlen, der anscheinend nicht im Fahrpreis enthalten ist. Für uns völlig unverständlich, da wir ja vorher schon mit dem Eurostar gefahren sind. Dennoch - die ersten 45.000 Lire sind wir kurz darauf los. Dafür ist das Wetter prima und wir wollen uns die Freude auf die Tour nicht verderben lassen.

Beim Ausstieg in Avezzano wünscht uns ein Mitreisender plötzlich in bestem Deutsch einen schönen Aufenthalt in seinem Land. Er erkundigt sich auch draußen auf dem Bahnhofsvorplatz, wo eventuell ein Bus weiter nach Pescasseroli fahren könnte. Wir müssen zurück auf die andere Seite des Bahnhofs; hier befindet sich ein riesiges Busdepot der "ARPA" (klangvoll ausgesprochen: Autolinee Regionale Publiche Abruzzesi - mein Gott, und bei uns heißt so was schlicht Westfalenbus AG).

Nur wissen wir leider nicht so recht, welche der vielen Haltestellen für uns in Frage kommt; von einem Fahrplan ganz zu schweigen - das scheint man hier nicht zu kennen. Wir müssen also Passanten fragen, und die schicken uns zu einem etwas weiter entfernt liegenden kleinen Gebäude, das sich als zentrales Infobüro entpuppt. Die nette Dame dort erklärt uns, das gegen 17:20 ein Bus nach Pescasseroli fährt; Tickets gäbe es direkt im Bus. Wir müssen also die Wartezeit überbrücken und wählen dafür die Bar direkt neben dem Infobüro. Jetzt gibt`s endlich Capuccinos, Eis und Birra in Mengen. In südländischer Gelassenheit sitzen wir vor der Bar, schauen dem munteren Treiben um uns herum zu und warten auf den ARPA-Bus.



Der kommt auch pünktlich und wir verstauen unsere Rucksäcke unten in den Ladeklappen. 35.000 Lire sind mal wieder fällig; für die folgenden 65 Kilometer allerdings ein eher bescheidener Fahrpreis.

In der Bar hat Martin vorher den Höhenstand Avezzanos in den Höhenmesser eingegeben; so können wir nun verfolgen, wie der Bus an Höhe gewinnt, als er das Fucino-Becken verlassen hat und sich langsam ins Abruzzen-Bergland hinaufwindet. Martin selbst hat allerdings nicht viel davon, da ihn schon bald nach der Abfahrt ein menschliches Bedürfnis plagt - leider ohne Chance, ihm irgendwo nachzugehen! So wird für ihn die weitere Fahrt ein Kampf mit den zurückgelegten Kilometersteinen, während die anderen sich der immer schöner werdenden Berglandschaft widmen können. Der Bus nimmt zu allem Überfluß nun auch noch eine Nebenstrecke über die zwei Bergdörfer San Sebastiano und Bisegna. Damit bleibt uns zwar der Passo delle Diavolo, der "Teufels-Paß" mit immerhin 1400 Höhenmetern erspart, dafür dauert alles noch ein bisschen länger, ehe wir schließlich schon nach sechs Pescasseroli erreichen. Während die anderen das Gepäck ausladen, sucht Martin schnurstracks die nächste Bar auf.

Auf der Piazza ringsum ist jede Menge los - Samstagabend scheint sich hier jeder aufzuhalten! Wieder hilft uns ein freundlicher Mann weiter und wir haben schnell die richtige Richtung zum Parkeingang "B" gefunden: hier soll sich einer der drei Campingplätze befinden. Es ist klar, daß wir heute abend auf diesem Platz bleiben müssen; der Sonnenuntergang kündigt sich bereits an, und wir wissen, wie schnell es dann Nacht wird!



Vorher kommen wir noch am Parkmuseum vorbei; fragen kurz nach Wassermöglichkeiten und müssen - fast wie erwartet - hören, daß in den Bergen nirgends mit Wasser zu rechnen ist!

Mit schwindendem Tageslicht erreichen wir außerhalb von Pescasseroli dann "La Panoramica", unseren Campingplatz. Mit der Besitzerin gibt es keine Schwierigkeiten; schon bald stehen die Zelte - das Dovrefjell für Marianne, Martin und Andree und das kleine Sierra Leone für Sebastian und Christoph - und wir machen uns ans Kochen unserer ersten warmen Mahlzeit: Erbsensuppe mit ausgiebig Speck. Inzwischen ist es schon dunkel; Marianne hat noch Rotwein ergattern können, von der Chefin aus einer großen 5-Liter-Flasche abgefüllt. Es ist inzwischen kalt geworden - man merkt die späte Jahreszeit und die Höhenlage von immerhin 1200 Metern. Bald liegen wir in den warmen Schlafsäcken.


Sonntag, 12.10.97, 3. Tag

Wir sind bereits früh wach, voller Erwartung, was uns der erste Tag der Trekking-Tour für Eindrücke bringen wird. Zunächst einmal ein schöner Sonnenaufgang; erst färben sich die westlich gelegenen Bergspitzen - unser heutiges Zielgebiet, rot; dann schiebt sich im Osten die Sonne hoch. Verblüffend: unser Barometer zeigt Regen für die nächsten Stunden an!

Frühstück gibt es bei strahlendem Sonnenschein draußen an einem (vom Tau doch recht nassen) Tisch; danach wird gespült. Statt einer warmen Dusche steht danach Zeltabbau auf dem Programm - irgendwann wollen wir ja schließlich mal los. Wir sind quasi allein auf dem Platz; es schein schon herbstliche Nachsaison eingekehrt zu sein.

An der Rezeption ein letztes Bier und ein kleines Fläschchen Sekt - dabei fallen leider auch die ersten Tropfen vom inzwischen recht grau gewordenen Himmel. Und das Barometer zeigt immer noch Regen! Wir weigern uns, daran zu glauben: Andree meint sogar, im Gerät würde sich eine Art Zufallsgenerator befinden! Wir sitzen unter dem Vordach der Rezeption; warten darauf, ob es nun wirklich anfangen will zu regnen, und beobachten die vielen Hunde und Katzen um uns herum.

Und dann, so gegen 11 Uhr, geht es schwerbepackt los; die Wasservorräte voll aufgefüllt; die Regenhüllen über den Rucksäcken und die Regenanzüge schon mal griffbereit. Der kurz darauf erreichte "Parkeingang B" erweist sich als Enttäuschung: lediglich eine dreiteilige Holzanschlagstafel; immerhin mit unserem ersten Bild vom "Orso Bruno Marsicano", dem Abruzzenbär, einer Unterspezies des Braunbären. Laut Reiseführer immerhin bis zu zwei Metern groß und in ca. 80 bis 100 Exemplaren hier im Nationalpark frei herumlaufend! Wir stellen den Höhenmesser exakt ein und marschieren los:



"Auf breitem Schotterweg in den Vallone Peschio di Iorio. Nach 40 Minuten, an der Talstation (1365m) eines Schlepplifts, gabeln sich die Wege: geradeaus mit den roten Farbzeichen B4. Etwa 10 Minuten später, wo sich der Schotterweg rechts wendet, führt B4 erneut geradeaus, hohlwegähnlich im Wald ansteigend, in Stunde zu einer kleinen Lichtung" (Zitat aus dem Reiseführer von Helmut Dumler "Wanderungen in Umbrien"; Verlag Bruckmann, ab jetzt kursiv gedruckt)

Nur, die Talstation, vom Dorf aus schon von weitem sichtbar, scheint viel weiter rechts zu liegen. Ein Mann schickt uns aber weiter in unser Tal hinein: si,si, direzione Rifugio di Iorio!

Und siehe da, nach kurzer Zeit kommt tatsächlich eine neue Talstation ins Blickfeld - allerdings sind noch lange keine 40 Minuten um - hat Dumler den Weg zeitlich vielleicht ab Pescasseroli gemessen? Allerdings stimmt auch der Höhenmesser nicht überein; es fehlen noch mindestens 100 Meter - also erneut umprogrammieren!

Kurz danach unsere erste Rast; der Rucksack drückt doch recht ungewohnt. Letzte Dosenvorräte werden vertilgt - Bier und Cola sind ab jetzt von der Getränkekarte gestrichen. Einige Tropfen warten auch schon wieder auf uns - allerdings will es nicht so richtig anfangen.

Danach vermissen wir ein wenig die beschriebene Abzweigung; und ist das tatsächlich der Hohlweg??? Nein - denn nun kommt doch tatsächlich eine zweite Talstation!! Seit Dumler muß sich hier einiges getan haben! Aber von jetzt an erkennen wir den passenden Weg zur Beschreibung; der Hohlweg wird durchschritten; sogar ein B4-Zeichen ist auf einen Stein gepinselt. Hinauf in Serpentinen; vorbei an der Lichtung; Höhenmeter um Höhenmeter wird geschafft; das Wetter lockert erkennbar auf. Dann eine lange Mittagsrast mit Wein, Knäckebrot und Pfeffersalami. Eine andere Wanderin "überholt" uns. Eine halbe Stunde später zockeln wir hinterher.

"Ungefähr 20 Minuten danach wird erstmals das Rifugio di Iorio von einer Wiese aus sichtbar. Kurz danach mündet rechts der Zugang vom Monte delle Vitelle."

Noch vor Erreichen der Wiese kommt uns schon die Wanderin auf dem Rückweg entgegen. Wir kommen kurz ins Gespräch: sie entpuppt sich als Amerikanerin, Computerspezialistin, die hier Trainingskurse abhält. Na ja, so weit kann es dann ja nicht mehr sein - denken wir.

Wir müssen diesen Gedanken aber schnell vergessen, als wir von der sich öffnenden Wiese nun tatsächlich das Rifugio sehen: es thront hoch über uns auf einem noch sehr weit entfernt aussehenden Berggrat - oh je, da hinauf müssen wir noch?



"Links, 5 Minuten lang durch Wald und anschließend genußvoll in der Ostflanke des Balzo dei tre Confini vollends empor zum Podium des Rifugio di Iorio (1830m, geschlossen). Manchmal treffen sich hier die Hirten und lassen die Weinflasche kreisen."

Und siehe da, so anstrengend ist der Weiterweg wirklich nicht. Es geht zunächst zwar ziemlich steil bergauf; in der Flanke läßt sich dann aber wirklich gut laufen. Nur vom Wind, davon hat Helmut Dumler nichts erwähnt - und so werden Sebastian und Martin urplötzlich von einer Windboe erfaßt und arg ins Wanken gebracht.

Nun ist auch klar, warum die Wolken über uns so fantastisch schnell über den Kamm heranjagen! Also heißt es ab jetzt besser aufpassen!

Gegen 15 Uhr erreichen wir das Rifugio; bei starkem Seitenwind, mit aufgeblähten Regenüberzügen. Auf der unteren Terrasse des Rifugio ist es aber schön windgeschützt; die Hirten sind zwar nicht da, aber Martin läßt dafür das allerletzte Döschen Karlsquell kreisen.

"Die Höhentour strebt von hier dem Süden entgegen. Von der Hüttenveranda leiten Farbzeichen am Grat entlang: Parkweg C5. Der Grat ist Wasserscheide und politische Grenze zwischen dem abruzzesischen Teil des Nationalparks und den Schutzgebieten des Latio. Rechts liegen Vallone Cabonara und Vallone Capo d`Aqua; links die Flanken ins Sangrotal um Pescasseroli"

Nun, "Wasserscheide" und Capo d`"Aqua" stimmt auf jeden Fall: von rechts her jagen Nebel- und Wolkenwände über den gesamten Verlauf des weiteren Weges heran; immer wieder hüllen sich die vor uns liegenden Gipfel, unter anderem der Monte la Rocca, unser "Tageshöchstziel" in Wolkenfetzen. Es ist jetzt 15:30 - wir haben noch einen langen Weg vor uns, ehe wir den Abstieg am anderen Ende der Gipfelkette erreichen. Uns ist klar, daß wir hier, am Rifugio nicht übernachten wollen; dafür war die bisherige Tagesetappe zu kurz; auf der Gipfelkette können wir natürlich auch nirgends über Nacht bleiben - den Paß am Monte Tranquillo müssen wir auf jeden Fall noch vor einsetzender Dunkelheit erreichen - also noch maximal drei Stunden.



"Die Route, ein ausgeprägtes Weglein, entspricht dem Sentiero Lazio (Anmerkung: Anschlußweg an den umbrischen GEA-Weitwanderweg E1, beginnend am Monte Vettore). Sie führt in leichtem Auf und Ab zum pyramidenförmigen Picco la Rocca (1869m). Das Panorama umfaßt den Nationalpark und reicht südwärts über die Terra di Lavoro. Östlich lagert der undurchdringliche Vallone Balzo Travaglioso, geschürft durch einen Eiszeitgletscher. Ein Sattel trennt uns nun von dem nur mehr 25 Minuten entfernten Monte la Rocca (1924m), der auf der Ostseite steil abbricht. Diese beiden Hauptgipfel sind die Namengeber, zu denen sich ein halbes Dutzend mehr oder weniger ausgeprägte Erhebungen gesellen. Über ihre Rücken und durch ihre Flanken führt die Höhentour. Schier unendliche Augenweiden!! Und wer Glück hat, hört aus den dichten Buchenwäldern das Brüllen eines Bären!"

Oh, Helmut - diese blumigen Beschreibungen kennen wir ja schon zur Genüge von unseren früheren Touren durch Umbrien. Sie mögen sicher auch auf diesen Abschnitt des E1 zutreffen - wenn da nicht das Wetter wäre!

Wir stapfen los, gegen den brüllenden Wind gestemmt; die Hosen und Rucksackhüllen aufgebläht und flatternd. Dennoch ein ganz besonderer Reiz. In den Wolkenlücken immer wieder Ausblicke tief hinunter in die beiden Täler links und rechts; gelegentlich auch auf einzelne Gipfel vor uns. Aber allmählich geraten wir immer tiefer in den wallenden Nebel - so geht allmählich die Orientierung verloren. Wir sind zwar noch auf dem Höhenweg - dafür ist der Pfad zu ausgetreten - aber so ganz genau wissen wir nicht mehr, ob wir nun schon z.B. auf dem Piccolo la Rocca sind, oder vielleicht sogar schon auf dem Anstieg zum Monte la Rocca? So ganz nebenbei bemerken wir, daß wir durch den Nebel inzwischen ziemlich naß geworden sind; weniger die Kleidung - die hält das aus - die Haare aber sind triefend naß! Und natürlich eisigkalt! Lediglich der häufige Blick auf den Höhenmesser und die mitgeführte Kopie der Wegbeschreibung gibt uns nähere Anhaltspunkte. Auf einem wirklich schmalen Grat laufen wir auf den Monte la Rocca zu und dann knapp unterhalb des Gipfels vorbei.

"Auf seinem Südgrat wird der Vorgipfel Monte della Strega (1909m) erreicht. In einen Sattel (1845m) und in 5 Minuten zum Monte Pietroso (1876m). Die Richtung beibehalten, zunächst am felsbesetzten Grat und links vom Wald in den Sattel Valico di Monte Tranquillo. Vom Rifugio di Iorio zwei Stunden."



Jetzt wird der Nebel zunehmend dunkler - das Tageslicht schwindet bereits! Uns wird langsam mulmig - werden wir den Paß noch schaffen?? 1919m zeigt der Höhenmesser auf einem Gipfel; der Monte della Strega? Könnte sein, denn es geht abwärts; das müsste(?) der Sattel sein. Aber den Gipfel des Pietroso vermissen wir - dafür geht es durch grobe Felsblöcke; teilweise baumbestandenes Gelände; dann ein wenig abwärts. Hier machen wir erschöpft eine kurze Rast; Martin bekommt von Marianne eins der neuen Blasenpflaster an die Ferse geklebt.

Und danach sind wir ganz aufgeschmissen: vor uns, abwärtslaufend ein Querpfad - der dürfte hier eigentlich gar nicht sein! Ist es schon der Pfad, der von unten aus dem Tal herauskommt? Sind wir schon am Paß vorbei, vielleicht schon auf der jenseitigen Flanke des Monte Tranquillo?? Wir laufen ein Stück nach rechts, dann wieder nach links zurück; hier steigt der Weg aber wieder an (und ist auch nicht markiert). Da hoch zum Paß?? Auch unwahrscheinlich.



Es ist inzwischen 18:15 - wir treffen die einzig vernünftige Entscheidung: Schluß machen für heute; Notbiwak! Und welch Glück im nebelverhangenen Unglück: vor uns eine kleine Taleinkerbung mit einem einigermaßen flachem Fleckchen; auch noch mit Gras bewachsen; vielleicht ausreichend für unsere beiden Zelte.

Leider pfeift der Sturm von unten aus dem Tal herauf. Wir müssen mit allen fünf anpacken, um zunächst das Innenzelt der beiden Jungen aufzurichten. Beim šberziehen des Außenzeltes wird es schon dramatischer: alle Hände sind nötig, um es vor dem Wegfliegen zu bewahren. Schließlich steht es, und die Jungen können sich darin verkriechen.

Uns anderen bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit: das letzte Tageslicht schwindet von Minute zu Minute. Wir bemühen uns, das Dovre-Außenzelt gegen den Sturm hochzuziehen; als es endlich steht, sind wir geschafft. Nun noch das Innenzelt und wir können uns auch aus dem nassen Nebel draußen zurückziehen. Leider haben wir beim Aufbau wohl nicht richtig aufgepaßt - das Innenzelt steht nicht da, wo es eigentlich hin sollte - und das macht sich nun beim Liegen extrem bemerkbar: der mittlere Platz läßt sich eigentlich kaum nutzen; sehr viel Gefälle und stark hügelig! Aber was soll`s? Zumindest sind wir erst einmal dem feuchten Wetter draußen und dem Sturm entkommen; wenn der Wind auch immer wieder bösartig am Zelt rüttelt.

Nach einem belebenden Schluck heißen Kaffee (wer hätte gedacht, daß das Medizinfläschchen so schnell zum Einsatz kommen würde?) richten wir uns einigermaßen gemütlich im Zelt ein - gerne steckt man die Beine bereits in den Schlafsack, da die Außentemperaturen langsam auch ins Innere des Zeltes vordringen.

Von drüben fragen die Jungs nach, wie es mit dem Essen aussieht - wir einigen uns auf die neuen Spätzle in Champignon-Cremesauce. Und während Marianne an diesem Abend kocht, dösen die anderen vor sich hin und versuchen auf dem unebenen Untergrund einigermaßen bequem zu liegen.

Später essen wir alle zusammen im Dovrefjell; danach geht es bald in die Schlafsäcke - hier ist es immer noch am gemütlichsten! Leider hakt einer der Reißverschlüsse am Außenzelteingang; wir müssen uns mit dem Mückennetz behelfen. So ganz nebenbei wird uns plötzlich bewußt, daß der Sturm aufgehört hat; nur noch selten schwankt das Zelt noch unter einer plötzlichen Windboe - sollte sich das Wetter etwa bessern?? Beim letzten Blick nach draußen erkennen wir über uns im Nebel das diffuse Licht des Mondes - stark kann die Nebelschicht nicht mehr sein. Und in der Nacht reißt der Nebel dann vollständig auf und es wird sternenklar; verbunden mit einer guten Rundumsicht; der Paß müßte eigentlich unmittelbar vor uns sein. Morgen dürfte es mit der Orientierung also wohl keine Probleme geben.


Montag, 13.10.97, 4. Tag

Wieder sind wir früh wach - um 6:45 sind wir schon vor dem Zelt. Und der Ausblick lohnt sich wahrlich!! Bestes Wetter ist für den Tag zu erwarten; hinter den weit entfernt liegenden Bergketten, gestaffelt in unterschiedlichen Grautönen, kündigt sich der Sonnenaufgang an. Das Thermometer, innen noch mit +1,8? C fast warm, fällt draußen unerbittlich. Dennoch stehen wir im Unterzeug draußen und genießen den ersten heißen Kaffee des Tages. Beste Sicht ringsum; direkt vor uns, etwa 200 Entfernungsmeter und 100 Höhenmeter unter uns, der gestern so vermißte Paß!! Gegenüber der rundliche Monte Tranquillo - den wir aber heute nicht mehr besteigen wollen. Links auch das im Nebel gestern nicht erkennbare Wäldchen - wie leicht ist doch die Orientierung, wenn es hell und nicht nebelig ist!


Der Himmel strahlt in tiefem Blau; die rot-gelbe Färbung hinter den östlichen Berghängen nimmt immer mehr zu. Bald sind alle draußen versammelt; noch ein wärmender Kaffee. Videocamera und Fotoapparate werden für den spannenden Moment des Sonnenaufganges fertiggemacht. Merkwürdigerweise zeigt das Barometer gerade mal einen Luftdruck von 1009 - und dazu Regen als Vorhersage. Wir schauen in der Anleitung nach: aha, das Ding muß über Nacht umgeschaltet werden und sich etwas an die Gegebenheiten gewöhnen. Doch leider sinkt es nun noch tiefer!! 1008, später, gegen 10:00 dann sogar 1007 - und immer noch Regen. Wir trösten uns mit dem Gedanken, daß das Maschinchen sich vielleicht erst vom Schock der Brennerüberquerung erholen muß - an Regen mag bei diesem Himmel keiner von uns glauben.

Dann ist es so weit: der erste Sonnenzipfel lugt über einen Bergrand, und schon bald wärmen uns die Sonnenstrahlen.

Zeit für ein ausgiebiges Frühstück, bei dem sich der Dosenfisch wie immer allgemeiner Beliebtheit erfreut - zu Hause würden wir so etwas garantiert nicht zum Frühstück essen! Die kleine Dosenleberwurst hingegen fristet ein trauriges Dasein. Davon sollten wir beim nächsten mal vielleicht etwas weniger mitnehmen...

Von der Sonne durchwärmt machen wir uns dann an einen ruhigen Abbau - heute müssen wir nicht hetzen; wir haben uns entschlossen, von der vorgeplanten Route abzuweichen und wieder nach Pescasseroli abzusteigen; von dort aus wollen wir mit dem Bus weiter nach Opi; etwa 6 Kilometer entfernt; und dann von Opi aus am nächsten Tag über das Fondillo-Tal erneut ins Gebirge aufsteigen. Damit wären zumindest für die kommenden zwei Tage die Wasserprobleme gelöst.



Und da - was bewegt sich dort auf einem der gegenüberliegenden Berghänge? Es ist braun und ziemlich groß - unser erster Bär? Oder vielleicht doch nur ein Pferd? Wir glauben lieber an einen Bären; fahren bei der Videoaufnahme aber mal vorsichtshalber nicht zu nahe heran.

Um 10 Uhr starten wir; alles ist wieder weitgehend trocken; die Temperaturen in der Sonne inzwischen auf + 26? C (!) geklettert. Nach kurzem Abstieg über Wiesengelände erreichen wir den Weg, der unten durch den Paß führt; wir folgen ihm, gut rot markiert. Mein Gott, hier könnte man eine ganze Armee auf dem ebenen, weichen Boden zelten lassen! Nur wenige hundert Meter haben uns gestern davon getrennt! Wir trösten uns damit, daß wir zwar einen schlechten Schlafplatz hatten, dafür aber schon früh die wärmende Sonne. Man kann eben nicht alles haben.

Vor uns sehen wir etwas unterhalb erstmals die kleine weiße Kirche; das "Santuario di Santa Maria di Monte Tranquillo", im Dialekt "Tronchillo" genannt. Hierher kamen jahrhundertelang die Pilger aus den umliegenden Tälern zur Madonna. Die Kirche wurde im II.Weltkrieg zerstört; 1956 wieder neu erbaut. Kurz darauf haben wir es erreicht; wir sind schon wieder auf 1600 Meter hinunter. Leider ist das Kirchlein geschlossen; von der Veranda aber hat man eine gute Aussicht.

Wir sehen zum ersten mal unseren ursprünglich geplanten Weg über die Forca d`Acero bis hin zur Forca Resuni am Monte Petroso.

Diesen Weg dorthin wollten wir eigentlich in den nächsten zwei Tagen laufen; mit Rast am Parkeingang Forca d`Acero. Hier, hatten wir uns vorgestellt, hätten wir auch wieder Wein, Birra, vielleicht sogar Brot und andere frische Lebensmittel nachkaufen können. So hatten wir es uns vorgestellt - beim Kartenstudium in Deutschland. Inzwischen wissen wir aber, daß ein "Parkeingang" eben nur aus einer Holztafel (mit vielen Verbotsschildern) besteht; von wegen Kiosk oder so! Nach etlichen Erinnerungsfotos und einem Rundumschwenk geht es weiter, den beschriebenen Weg hinab nach Pescasseroli.

"Nun auf dem Schottersträßchen in etwa einer Stunde zur Fontana della Difesa (1230m), deren köstliches Quellwasser an heißen Tagen willkommene Erfrischung bedeutet, ehe man das letzte einstündige Wegstück nach Pescasseroli unter die Füße nimmt."



Wir folgen den roten Markierungen bergab durch einen schönen Buchenwald; passieren einen Schafspferch weiter unten und erreichen tatsächlich genau nach einer Stunde eine Schutzhütte, die auf der Karte allerdings nicht als "Fontana" sondern als "Rifugio della Difesa" beschrieben ist. Natürlich alles wieder verrammelt; dazu, weil etwas erhöht gelegen, auch nirgends eine Quelle. Wir kommen erst langsam dahinter, daß dies wohl nicht die beschriebene Fontana sein kann. Trotzdem eine Rast; mit Müsliriegeln und Schokolade.

Kurz darauf finden wir auch die Quelle - der wie gewohnt ein mehrteiliges Steinbecken angegliedert ist. Willkommene Erfrischung für uns - weniger das Wasser; denn in einer Stunde werden wir ja in Pescasseroli sein und sicherlich schmackhaftere Getränke finden.... Aber ausgiebiges Waschen tut nach dieser anstrengenden Berg-Etappe auch gut!

Leider bleiben wir nicht lange allein; zuerst hört man nur das Gebimmel von Schafsglöckchen, dann gesellt sich nach und nach eine große Herde zu uns. Die ersten Tiere stutzen ein wenig; lassen sich aber dann nicht lange bitten und leisten uns an der Tränke Gesellschaft. Ein ganz mutiges Schaf springt gleich in den Trog hinein; ein anderes labt sich direkt am Quellausgang. Uns stört es nicht weiter - fast schon ein gewohntes Bild für uns, mit den Tieren das Wasser teilen zu müssen.

Nach weiteren zehn Minuten erreichen wir den Parkeingang "C" und machen diesmal ein Erinnerungsfoto von dem Bären auf der Anschlagtafel. Weiter unten steht ein Polizeiwagen; die Carabinieri scheinen uns zu beobachten. Als wir dann aber vorbeimarschieren und freundlich grüßen, reagieren sie kaum. Dann kommt uns ein zweiter Polizeiwagen entgegen; irgendwas scheinen sie dort oben zu suchen.

Nun müssen wir noch ca 1 ½ Kilometer bis ins Zentrum hinein; unterwegs sind inzwischen natürlich alle Alimentaris und Supermercatos zur Mittagszeit geschlossen; einzige Hoffnung sind also die Bars auf dem Marktplatz.

Als wir einen Passanten nach der Bushaltestelle und der Abfahrtszeit nach Opi fragen, erfahren wir, daß der nächste Bus bereits in etwa zwanzig Minuten fährt! Egal, schnell hinüber zu Martin`s Nothilfe-Bar und schnell ein Peroni gekauft. Die Stühle von Samstag sind auch nicht mehr draußen; hier scheint sich schon jeder auf den Winter einzustellen. Also sitzen wir am Brunnen und trinken hastig, denn der Bus ist inzwischen bereits eingetroffen. Wir verladen schon mal unser Gepäck und stehen dann noch ein wenig draußen herum, bis der Fahrer den Motor anläßt. Wieder hat der Bus neben dem Fahrer einen extra Schaffner, der uns nur wenige Lire für die Fahrt nach Opi abknöpft.

An der Basis von Opi muß der Bus erst einmal zurücksetzen, um die Kurve auf die Serpentinenstrecke hinauf zum Ort zu schaffen. Der Höhenmesser klettert nun gewaltig, als der Bus sich Kurve um Kurve nach oben quält.

Trotzdem kommen wir nicht einmal ganz hinauf - plötzlich stoppt der Wagen und der Fahrer macht uns klar, daß hier für uns Endstation ist - weiter geht`s mit dem Bus nicht mehr: ein Verbotsschild für Busse und Campingwagen weiter nach Opi hinein beendet die gemütliche Busfahrt.

Der Bus hat hier extra eine Art Wendeplatte, in die er rückwärts setzen muß, um wieder bergab fahren zu können. Wir schultern unsere Rucksäcke und machen uns die einzige Dorfstraße hinauf auf den Weg.

Opi - durchschnittlich auf 1250m gelegen, 590 Einwohner, prächtig gelegen mitten im Nationalpark. Die Pfarrkirche Santa Maria Assunta, im 12.Jahrhundert erbaut, wurde nach der Zerstörung durch ein schweres Erdbeben im 17.Jahrhundert wieder neu errichtet. Hier gab es also auch schon Erdbeben!

In der letzten Serpentinenkurve vor Beginn der "Hauptstraße" werden wir von einem Passanten freundlich auf deutsch begrüßt; wir kommen ins Gespräch und er erzählt, daß er während des Krieges in Deutschland als Kriegsgefangener unsere Sprache gelernt hat. Er hört, daß wir auf der Suche nach einem geöffneten Alimentari sind, kann uns aber auch keine Hoffnung machen - "Chiuso" bis fünf! Dann verschwindet er aber nebenan in der Bar und telefoniert - freudestrahlend verkündet er uns dann, daß ein Freund weiter oben seinen Laden für uns öffnen wird. Wir sind überwältigt von so viel Entgegenkommen!

Steil bergauf geht es jetzt hinauf zur oben thronenden Kirche; vorbei an einem Minipark, der von einem Granatwerfer als zierendem Element geschmückt ist. Links vor der Kirche ist auch schon der Laden offen.

Drinnen fast wie im Paradies - der Besitzer schneidet uns Brot in Scheiben; wir bestellen Mortadella, Prosciutto und natürlich jede Menge Rosso; die Kinder decken sich mit Süßigkeiten ein. Durch Zufall sehen wir Zeitungsausschnitte, die anscheinend von dem Bären handeln, der vor einigen Monaten im Nationalpark in ein Haus eingestiegen war und sich dort über den Käse hergemacht hatte. Diese Nachricht hatten wir in unseren deutschen Zeitungen gelesen.



Groß ist unsere Überraschung, als sich nun herausstellt, daß es genau in diesem Haus passiert war! Stolz präsentiert der Ladenbesitzer die vielen Zeitungsauschnitte, die von "nosta amica Yoga"; unserer Freundin Yoga, handeln. So wurde die Bärin in Anlehnung an den TV-Star "Yogi-Bär" getauft. Und dann holt er noch zwei Käsekugeln, auf denen die Krallen- und Gebißspuren von Yoga zu erkennen sind.

Draußen hat sich das Wetter inzwischen zu unserem Leidwesen verändert - von einer Rast beim Granatwerfer kann keine Rede mehr sein - schon klatschen die ersten Regentropfen vom Himmel. Wir ziehen uns schnell in einen Torbogen zurück und machen es uns dort auf den Stufen gemütlich. Während draußen das "Temporale", das Unwetter, beginnt und der erste Donner grollt, machen wir uns über unser spätes Mittagessen her; dazu gibt`s einige Becher Rotwein. Eine Katze, dann auch noch ein Hund, wollen anscheinend das Mahl mit uns teilen; während der Hund ja noch ziemlich schnell davon abzubringen ist, müssen wir bei der Katze schon energischer vorgehen.

Leider plagt Marianne nun der Drang zur Toilette; so müssen wir uns alsbald reisefertig machen - das bedeutet, komplette Regensachen erstmalig anziehen. Gegen 16 Uhr machen wir uns in voller Montur nach unten zur Bar auf den Weg. Dieses kurze Stück reicht schon aus, unsere Regenanzüge einzuweihen.

Wir sitzen in der Bar; nutzen die Toilette und schauen dem Regen draußen zu. Im Fernsehen Bilder einer neuen Katastrophe. Wir bekommen nicht heraus, ob es nun ein neuer Erdstoß in Umbrien oder eine Überschwemmung auf Sizilien ist.

Um 17:15 hört es zum Glück auf zu regnen; zwar ziehen immer noch dunkle Wolkenfetzen über Opi hinweg; länger wollen wir aber nicht mehr warten, da wir ja noch ein Plätzchen für die Nacht finden müssen. Mehrmals müssen wir nach dem Weg fragen, um uns durch die abwärtsführenden Gassen richtig nach unten zu tasten.



Durch einsame Weiden geht es dann weiter und schon bald haben wir ein abgelegenes Fleckchen gefunden, daß für eine Übernachtung geeignet scheint: recht flach und schön mit Gras bewachsen. Hinter unserem Rücken liegt Opi auf einem schmalen Berggrat.

Beim Zeltaufbau gehen dort oben nach und nach die Lichter an und reizen zu schönen Fotoaufnahmen. Wir können Sebastian und Christoph animieren, wie weiland Jan, Ingo und Torsten nach Annifo, zurück nach Opi zu laufen um noch etwas Bier zu holen. Inzwischen kümmern wir uns um die Linsensuppe.

Nachts dann ein starkes Gewitter mit heftigen Regenfällen. Das Innenzelt wird von herumfließendem Wasser bedroht, bleibt aber weitgehend dicht.


Dienstag, 14.10.97, 5. Tag

Heute stehen wir "spät" auf - erst kurz vor acht. Draußen ist es sonnig; der Höhenmesser zeigt aber, wie könnte es anders sein: Regen! Und was gleißt denn da so weiß von den umgebenden Bergen?? Über Nacht ist dort oben doch tatsächlich Schnee gefallen!

Das kann uns aber alles nicht von einem gemütlichen Frühstück in der Sonne abhalten. Wir sitzen etwas oberhalb der Zelte auf einem Betonviereck; wohl einer Art Brunneneinfassung. Da sich der Himmel aber nun doch zunehmend bewölkt, beeilen wir uns dann doch noch mit dem Abbau.

Danach geht`s wieder los: den Höhenlinien entlang in Richtung Val Fondillo; zum Parkeingang "F". Von hier aus wollen wir auf Dumlers Pfaden wandeln und wieder Anschluß zum "Passaggio dell`Orso", dem "Bärenpaß", bekommen.

"Im Südosten des in antiker Zeit gegründeten Abruzzendorfes Opi beginnt das liebliche, bei Wanderern beliebte Val Fondillo, das in der Schutzzone des Parkes liegt. Ein Tal wie gemalt. Der Fondillo bewässert grüne Wiesen, plätschert zwischen niedrigen Felsstöcken; Forellen huschen pfeilschnell durch das klare Wasser. Über der Mündung, an der Archäologen vorrömische Gräber entdeckten, wacht der Monte Amaro. Den Talhintergrund bildet die Bergkette zwischen Monte San Nicola und Valico Passaggio dell`Orso. Der Monte Amaro sieht die meisten Besucher; der Monte San Nicola die wenigsten. Am frühesten im Jahr, etwa ab Mitte Juni, ist die Tour in den Valico Passaggio dell`Orso möglich. Sie sollte, rät Stefano Ardito, der Parkmanager, > auf Grund der außerordentlichen Schönheit des Landschaftsbildes von jedem Besucher des Parkes begangen werden"



Vor dem Tal haben wir kurz einige Orientierungsprobleme; wie finden zwar problemlos dem Weg F4; er führt uns aber nicht, wie in der Wanderkarte angegeben, zum Parkeingang. Martin wird die Last der mitgeschleppten Mülltüte von der gestrigen Übernachtung langsam zu viel. Er hatte sich einen schönen Abfallkorb am Parkeingang vorgestellt.

Über einen Schotterweg geht es ins Val Fondillo hinein; und nach etwa einem Kilometer erreichen wir den Abzweig zum Monte Amaro. Hier stehen auch viele Schilder; vorwiegend mit Hinweisen, was hier so alles verboten ist (u. a. natürlich Camping). Gut, daß wir so wenig italienisch verstehen! Leider ist aber auch nirgends ein Abfallbehälter zu finden. Hier sollte sich die Parkverwaltung doch ein wenig mehr Mühe geben! Mit Verbotsschildern allein ist es schließlich auch nicht getan.

Wir machen erst einmal Rast - es ist schweinekalt geworden; der Himmel bleigrau. Unser belächelter Höhenmesser war wohl klüger! Nun, wir haben ausreichend Wasser und gönnen uns daher den Luxus einer heißen Zwischenmahlzeit: ein schmackhaftes Rindfleisch-Nudelsüppchen aus dem Aldi wird zubereitet (laut Packungsaufschrift sollen sogar Fleischklößchen drin sein...).

Und dann beginnt es doch glatt zu nieseln! Wir wollen kein Risiko eingehen und legen volle Regenmontur an - sicher ist sicher. Mehrere Wanderer kommen zwischenzeitlich aus dem Tal heraus - es scheint wirklich ein vielbegangenes Stück Weg zu sein. Mit einem der Pärchen kommen wir ins Gespräch; zunächst in holprigem italienisch, dann (etwas) flüssiger auf englisch. Die beiden stammen aus Norditalien und machen hier Ferien; sie erzählen, daß der Weg hoch zum Paß schwierig zu finden sei; außerdem herrsche da oben im Moment sehr schlechtes Wetter mit keinerlei Aussicht. Morgen allerdings solle es laut Wetterbericht besser werden. Dies erfreut uns, weil wir heute ja nur noch ein Stück ins Tal hinein und den Aufstieg auf den nächsten Tag verschieben wollen. Das Display zeigt allerdings nur 1007 und weiterhin Regen.

Andererseits, berichten die Beiden, sei der Weg bis zur Abzweigung, zur Fonte Sfranatara, nicht zu verfehlen. Spontan beschließen wir, an dieser Fonte, die wohl die letzte Wasserstelle auf dem Weg darstellt, heute Abend zu übernachten. Da das Pärchen freundlicherweise unseren Abfall wieder mit hinunter ins Tal nimmt, können wir uns bald darauf, gestärkt durch unser letztes Bier (aus der Thermostasse getrunken - ein eigenartiger Genuß...) auf den Weg machen.

Es hat inzwischen natürlich fast aufgehört zu nieseln; wir warten aber noch bis zur nächsten Rast, ehe wir die Regenanzüge ausziehen. Hier genießen wir unseren letzten Becher Rotwein (ab jetzt beginnt die Durststrecke); essen einen Müsliriegel zur Stärkung (hoffentlich gibt`s bald richtiges Abendessen); wir sitzen und schauen uns den herbstlichen (Ur)wald an; Andree und Sebastian versuchen sich im Fotografieren aus ungewöhnlichen Blickwinkeln.

"Nach der Piazzale di Grotta Fondillo (1097m) weiter talein. Nach 20 Minuten wirft eine mehrhundertjährige Buche, eine "captozza", wie der Volksmund sagt, ihren Schatten über den Weg. Etwa 45 Minuten nach dem Parkplatz wird der Bach überschritten. Anschließend rechts über die Wiese (Fahrweg-Abkürzung), vorbei an einem gemauerten Häuschen, in 5 Minuten zur Fonte Sfanatara (1201m)"

Nun, wir finden weder die Buche (weil wir diese Beschreibung dummerweise nicht kopiert hatten); noch eine Bachdurchquerung (weil hier alle Nebenbäche ausgetrocknet sind). Auch die Wiesenabkürzung verpassen wir; dafür ist das kleine Häuschen nicht zu verfehlen - wir tippen auf ein Rifugio der Ranger. Leider ist alles verschlossen. Und dann taucht tatsächlich die Fonte vor uns auf - wir sind am Tagesziel. Tatsächlich ein schönes Plätzchen hier! Wir finden etwas oberhalb im Buchenwald einen ebenen Platz für unsere Zelte.

Diesmal zeichnen wir sogar die Umrisse auf und machen eine Liegeprobe - schließlich kennen wir aus leidvoller Erfahrung den Spruch: wie man sich bettet, so liegt man.



Endlich können wir einmal im Hellen in aller Ruhe die Zelte aufbauen und komplett abspannen; danach gibt es draußen als Vorspeise ein letztes Stück Pfeffersalami (heute brauchen wir keine Probleme mit dem Durst zu befürchten). Sebastian teilt die Wurst fachgerecht in fünf Teile; danach darf dem Alter entsprechend gewählt werden; Sebastian als Aufteiler natürlich als Letzter.

Weil noch genügend Zeit bleibt, beginnen wir mit einer gründlichen Reinigung des Brunnenbeckens: Laub und Äste werden entfernt und der Sumpf neben dem Brunnen trockengelegt. Fast unglaublich, wie schnell man sich ein Programm machen kann! Danach wird gekocht - auch erstmalig bei Tageslicht; obwohl es doch schon allmählich dämmrig wird. Es gibt zur Abwechslung mal wieder Nudeln; Rollinis mit Bolognese-Sauce. Sie sind durch die lange Kochzeit leider etwas pampig; demnächst werden wir sie früher vom Feuer nehmen.

Unmerklich ist es kälter geworden; mit dem Untergang der Sonne fällt nun auch die Temperatur drastisch. Als wir uns in den Schlafsäcken verkriechen, muß es draußen bereits um die 0 Grad sein. Da ist es mit 5 Grad im Innenzelt fast schon mollig warm....


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