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Trekking-Tour in den Abruzzen

10.10.-19.10.97

Reisetagebuch, Teil 2

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Mittwoch, 15.10.97, 6. Tag

Gegen 7:15 macht Martin die anderen wach. Für den ersten Morgenkaffee muß er allerdings erst nach draußen, um Brenner und Kartusche zu holen. Es ist sehr kalt an diesem Morgen; in der Nacht dürfte es weit unter null gewesen sein.

Es gibt ein Frühstück im Stehen; von der geplanten Waschorgie bleibt nicht mehr viel bei diesen Temperaturen; nur Andree und Marianne halten tapfer durch. Wir machen uns bald an den Abbau. Hierher wird durch die Bäume und den Bergschatten lange keine Sonne kommen; auf den gegenüberliegenden Gipfeln ist sie allerdings schon zu sehen. Und wieder ist auf den Höhen neuer Schnee gefallen.

Yogi (so haben wir zwischenzeitlich unseren Höhenmesser getauft) zeigt unverdrossen Sonne an; dafür aber um 10 Uhr auch erst 2 Grad. Wir sammeln uns auf dem Weg vor dem Brunnen; hierher ist die Sonne bereits vorgedrungen! Und siehe da - hier ist es auch gleich merklich wärmer; richtig angenehm! Vor dem Abmarsch werden Ohren, Wangen und Lippen mit Sonnencreme und Labello-Stiften behandelt - jetzt geht es hinauf ins Gebirge. Und auf 2000 Metern könnte die Sonneneinstrahlung doch sehr stark sein (wenn das Wetter so bleibt). Schnell wird noch geringfügiger Abfall gut verpackt am Haus deponiert; dann geht es mit frischer Kraft los. Und so schlimm drückt der Rucksack nun auch gar nicht mehr; man merkt, daß einiges an Gewicht inzwischen fehlt. Die ersten 100, 200 Höhenmeter lassen sich auf einem mäßig ansteigenden, breiten Weg recht gut laufen.

Um 11 Uhr müssen wir laut Markierungen auf einen Pfad quer durch den Wald abzweigen - und jetzt geht`s los! Alle 10 Höhenmeter wird auf dem nun richtig steil gewordenen Gelände eine kurze Verschnaufpause eingelegt. Gleichzeitig fühlen wir, wie die als so angenehm empfundene Temperatur merklich fällt. Dann geraten wir in den ersten Bodenfrost rings um uns herum - auf den Blättern am Boden liegt eine dünne Reifschicht. Wer hat, zieht sich ein Stirnband oder eine Fleece-Mütze über die Ohren.

Meter um Meter geht es bergauf - da wir den weiteren Etappenverlauf kennen, macht uns das nicht besonders froh: wir werden am Bärenpaß zwar schon auf fast 1700 Metern sein; und bis zur Forca Resuni auf 1950 Metern wäre es dann ja nicht mehr viel; leider liegt aber zwischen Paß und Forca ein tiefer Taleinschnitt! Da heißt es wieder hinunter auf etwa 1400 Meter.

Schließlich wird der Buchenwald lichter und wir erreichen früher als erwartet den Valico Passaggio dell`Orso. Hier ist natürlich in der Sonne eine längere Rast angesagt. Wir liegen im T-Shirt im Gras und genießen die Ruhe und den Ausblick auf die umgebende Bergwelt.



Erstmals ist durch die herbstlich gefärbten Bäume der Monte Petroso und dahinter die Meta-Gruppe mit dem Monte Altare zu erkennen. Und darüber soll der in der Zeitschrift "Berge" beschriebene Weitwanderweg laufen?? Gut, daß wir das nicht so vorgesehen haben! Die ganzen Gipfel sind mit Schnee überzuckert; und auch die warme Mittagssonne wird ihn heute nicht mehr wegschmelzen. Dort oben hat wahrscheinlich nun schon der lange Winter begonnen.

Beim allerletzten Schlückchen Rosso kommt Andree auf die geniale Idee, doch vielleicht nicht abzusteigen, sondern im vor uns liegenden Talkessel mit Hilfe des Höhenmessers immer auf der 1670er-Linie quer durch den Wald zu laufen. Dann müßten wir zwangsläufig irgendwann den aus dem Tal heraufkommenden Weg zur Forca Resuni ja mal kreuzen. Auf diese Weise hätten wir den Zwischenabstieg und den noch unseligeren Wiederaufstieg gespart. Martin ist ein wenig dagegen, wird aber überstimmt.

Und so nimmt das Schicksal an diesem Mittwoch gegen 13 Uhr gnadenlos seinen Lauf! Die ersten Meter auf einer Art Pfad durch den Wald sind ja noch ganz passabel (von Andree fachmännisch als "Wechsel" identifiziert); dann wird uns aber recht schnell klar, was es bedeutet, daß hier im Nationalpark z.B. keinerlei Holzeinschlag durchgeführt wird. Das ist sicher schön für die Wölfe und Bären; schlecht aber für Leute, die sich hier ihren Weg bahnen müssen! Das Gelände ist sehr abschüssig; Andree freut sich noch darüber, daß er einen Vorteil hätte, weil sein rechter Fuß etwas länger ist. Uns anderen bleibt nichts anderes übrig, als uns leise fluchend zwischen den Ästen hindurchzuquälen. Wir müssen viel Abstand halten, damit die zurückschnellenden Äste dem Hintermann nicht ins Gesicht schlagen.

Und dann geht es gar nicht mehr weiter. Es wird zu steil; weiter vorn sind auch die ersten Felsen und Abbrüche zu erkennen. Marianne und Martin wollen zwar lieber den gleichen Weg zurück; die anderen sind aber schon auf dem Weg nach unten ins Tal. So geht es nun fast 200 Höhenmeter quer durch den steilen Buchenhang hinunter. Ohne abstützende Stöcke wären wir hier aufgeschmissen.

Endlich erreichen wir den Tiefpunkt, laut Karte mit dem klangvollen Namen "Tre Confini". Das hätten wir auf dem markierten Hauptweg natürlich schneller haben können. Andree hat zum Glück bereits den Weiterweg entdeckt; er zieht sich auf der gegenüberliegenden Seite durch lichtes Baum- und Buschwerk, hinauf zur Forca Resuni.

Es ist inzwischen fast drei Uhr nachmittags; wir wissen, wie schnell die Dunkelheit kommen wird. Uns bleiben vielleicht noch 3 1/2 Stunden Tageslicht - und etwas 550 Höhenmeter liegen nun erst mal vor uns.

Wir nehmen uns mindestens 200 Meter je Stunde vor - damit müßte uns eigentlich genug Zeit bleiben, um auf der anderen Seite der Forca wieder abzusteigen. Und es klappt noch besser als erwartet - nach jeweils 100 Metern machen wir kurz Rast, dann werden die nächsten 100 Meter in Angriff genommen. Die Sonne brennt erbarmungslos auf den Hang; hinzu kommt das weiße Gestein, das unangenehm in die Augen blendet. Den Rucksack spüren wir fast schon nicht mehr.



Schweißtriefend geht es Stück für Stück empor; immer wieder dabei auf rote Zeichen stoßend. Hier stimmt wenigstens die Markierung. Martin muß immer wieder die aktuelle Höhe durchgeben. Doch Stück für Stück schaffen wir es so auch! Die Aussicht wird immer besser, je weiter wir aus den zurückweichenden Bäumen herauskommen. Schließlich sind es nur noch mannshohe Büsche, durch die unser Weg hindurchführt.

Weg ist eigentlich übertrieben; es scheint sich um eine Kombination aus Bachbett und Pfad zu handeln. Bei der Schneeschmelze wird man hier bestimmt nicht hochkommen! Über uns nun ständig der Ausblick auf die Schutzhütte an der Forca Resuni; links davon die Vorgipfel des Monte Petroso und dann die beeindruckende Reihe der Gipfel: Monto Petroso (2249m), Monte Altare(2174m), Monte Tartaro(2191m) und hinten der Monte la Meta(2242m). Sie alle gehören zur Untergruppe "Meta" der Monti Marsicani. Durchaus hochalpine Verhältnisse! Aber wer von uns kannte vor einem Jahr schon die "Monti Marsicani"? Wir waren froh, wenn wir den Namen "Abruzzen" richtig schreiben konnten!

Und jetzt stehen wir kurz vor dem Paß-Übergang. Andree und Christoph sind bereits oben; wir sehen sie an der Hütte herumlaufen. Wir anderen lassen die letzte Pause ausfallen und steigen die letzten Meter hinauf zur Hütte.

Hier oben ist es empfindlich kühl! Zusammen mit dem doch recht starken Wind aus dem Tal heraus macht sich die Kälte störend bemerkbar. Lange können wir hier nicht bleiben, wollen wir keine Erkältung riskieren. Zuerst einmal werden warme Hemden aus dem Rucksack gekramt.

Leider erweist sich die Schutzhütte in doppelter Hinsicht als Enttäuschung: von einer fast schon beschlossenen Übernachtung in dem sowohl bei Dumler als auch in "Berge" beschriebenem offenem Unterschlupf an der Westseite müssen wir Abstand nehmen: zum einen wäre der Raum furchtbar klein und eng; andererseits türmt sich darin aller möglicher Unrat. Und dazu kommt, daß wir hier oben nicht allein sind: schon von weitem hatten wir ein eintöniges Brummen gehört; jetzt wissen wir, woher es kommt: die Parkverwaltung hat hier anscheinend einige Bedienstete stationiert, die sich mit Hilfe eines Generators auf kanpp 2000 Metern Strom verschaffen.

Einer der Männer stellt sich als Park-Ranger vor und versucht uns, mit seinem holprigen Englisch von den Tieren zu erzählen, die hier oben von ihm beobachtet werden. Er zeigt uns ein Funkortungsgerät, mit dessen Hilfe die Aufenthaltsorte und Wanderwege der Bären beobachtet werden können (einige von ihnen sind mit einem Funkhalsband "ausgerüstet". Dann scheint hier ein bestimmter Wolf jeden Tag vorbeizuschauen; der bestimmte Stellen für seine Geschäfte nutzt. Inzwischen haben wir auch Fotos von der Steinbockherde gemacht, die etwas über uns am Gegenhang grast.



Nur leider nützt uns das alles nicht viel: wir müssen machen, daß wir hier wegkommen! Viertel nach fünf - laut Ranger sollen wir in zwei Stunden unten im nächsten Ort, Civitella Alfedena, sein können. Wir wissen, daß wir das unmöglich vor Einbruch der Dunkelheit schaffen können - schließlich müßten wir dazu fast 900 Höhenmeter absteigen; so wie es aussieht, in ziemlich felsigem Gelände. Und langsam macht sich nach dem anstrengenden Tag auch ein wenig Müdigkeit breit. Schade, daß wir nicht hier an der Schutzhütte übernachten können. Nach einem letzten Erinnerungsfoto mit dem Ranger geht es weiter.

Nun aber, nicht, wie von uns zuerst vermutet hinunter ins Tal, sondern mehr auf gleicher Höhe am felsigen Berghang entlang - nun aber auf einem wirklich ausgetretenen Pfad. Hier muß im Sommer viel los sein!

Dann, hinter einer Felsnase, plötzlich ein ganz anderes Landschaftsbild: ein rauhes, unwirtliches Tal; wie Dumler es ausdrückt " eine schaurig-wilde Schlucht". Und ganz weit hinten sehen wir den Weg schon wieder ansteigen, statt, wie erhofft, endlich ins Tal hinab zu führen. Das muß der Passo Cavuto sein; schon wieder auf 1942m, also nur unwesentlich tiefer als die Forca Resuni!

Es gibt nur eine kurze Diskussion, dann sind wir uns einig: es ist inzwischen fast sechs Uhr - es wäre Wahnsinn, in die bald fallende Nacht weiterzulaufen; dazu vermutlich noch steil bergab. Und dazu lockt rechts unten am Weg auch noch ein einigermaßen grünes Fleckchen - wer weiß, ob wir so eine Gelegenheit in der nächsten Stunde nochmals finden. Kurz entschlossen steigen wir hinab; um einen Bergrücken herum, den Blicken der Ranger entzogen. Auf dem Hang neben uns liegt bereits leichter Schnee; wir befinden uns endgültig im Schattenbereich; dementsprechend schnell sinkt hier, in fast 2000 Metern Höhe, jetzt natürlich die Temperatur. Um 17:39 sind es nur noch 0,6 Grad!

Nach kurzer Zeit haben wir zwei ebene Plätzchen gefunden und bauen zügig die Zelte auf. Zügig auch deshalb, weil uns die Finger an den eisigen Gestängebögen schon weh tun! So schnell sind wir selten in den Zelten verschwunden. Wir liegen unter den Schlafsäcken und ruhen von den Anstrengungen des Tages aus, während im Vorzelt der Kocher summt und eine letzte Illusion von Wärme vermittelt. Unser einziges Reisgericht steht heute auf dem Speisezettel. Da sich die Gaskartusche in dieser Höhe schon recht träge verhält, dauert es dementsprechend lange, bis das Essen fertig ist; laut Packungsaufschrift eigentlich nur eine Angelegenheit von 5 Minuten! Wir überbrücken die Wartezeit mit einem heißen Capuccino oder Tee; dies wird die letzte Übernachtung sein, bei der wir auf das Medizinfläschchen zurückgreifen müssen - also brauchen wir damit nicht sparsam zu sein.



Die beiden Jungs sind im Nachbarzelt schon fast eingeschlafen, als Marianne sich opfert und ihnen die dampfenden Teller hinüberträgt. Sie kommt aber auch recht schnell wieder ins warme Zelt herein! Draußen herrschen inzwischen kühle Temperaturen!

Und dann geht der Vollmond auf! Ein beeindruckender Anblick; das kalte Mondlicht auf den bläulichen Schneeflächen um uns herum - fast schon wie im Winterlager!

Danach noch ein letzter, wärmender Trank, ehe wir uns in die Schlafsäcke kuscheln. Martin deckt alle verfügbaren Kleidungsstücke bis hin zum Regenanzug über den Schlafsack, um die Wärme zu speichern. Eine kalte Nacht beginnt!


Donnerstag, 16.10.97, 7. Tag

Wir bleiben wegen der Kälte etwas länger als gewohnt im Schlafsack; erst gegen 8 Uhr wird Kaffee gekocht. Die ersten Sonnenstrahlen färben die Felsen über uns in kräftigem Rot - leider erwischen wir die Farbe nicht schnell genug mit dem Fotoapparat; und die Batterie der Videocamera muß erst einmal wieder etwas wärmer werden, damit wir die letzten Reserven herausholen können.





Um Viertel nach neun wird dann alles in Eile abgebaut - auf`s Frühstück verzichten wir hier wegen der eisigen Kälte. Uns beseelt nur noch ein Gedanke - schnell hinab ins Tal!



Gleich zu Beginn der erste Aufstieg; hoch zum Passo Cavuto. Von hier oben eine herrliche Aussicht hinein in die Camosciara, sozusagen das Allerheiligste des Nationalparks - hier sollen sich jede Menge an Gemsen tummeln.

Und nun trifft uns das Schicksal in einem ungünstigen Moment. Während Martin filmt und Marianne sich gerade näher mit einem Enzian beschäftigen will (Andrees Warnung kann sie gerade noch stoppen) nähern sich von hinten drei Ranger im Eiltempo!

Den einen kennen wir schon von gestern an der Schutzhütte - und er stellt auch auf englisch die erste Frage: "Wo haben sie letzte Nacht geschlafen?" Nun, darauf können wir logischerweise auch nur die einzig vernünftige Antwort geben: dort unten im Zelt!

Der zweite Ranger ist folgerichtig auch schon dabei, einen Schreibblock zu zücken, während uns auf englisch klargemacht wird, daß hier natürlich jedes Zelten verboten ist - und schon erscheint die erschreckende Zahl von 330.000 Lira auf einem Zettel; zweifellos die Strafe, die wir für die letzte eiskalte Nacht blechen sollen.

Nun ist guter Rat teuer; bzw. kann uns vielleicht noch retten. Wir erklären den Rangern, daß wir gestern nicht mehr weiterkonnten (Schmerzen in Martins Fuß und Nachteinbruch); die Argumentation geht hin und her; wir lernen schnell den italienischen Begriff "emergenzia" anwenden. Dann fallen erfreulicherweise die Preise: 20.000 für jeden von uns und 2x 20.000 für die beiden Zelte. Dazu gibt`s noch gratis Tips, wo man für wenig Geld in Villetta Barrea speisen kann (wir sollen uns auf einen der Ranger berufen; er schreibt uns alle Namen noch auf. Kurz danach sind die drei über den Passo Cavuto verschwunden und lassen uns um einige Lire ärmer zurück. Na ja, es hätte schlimmer kommen können. Lange noch rätseln wir, woher die wußten, daß wir zwei Zelte dabei haben.

Wir ziehen nun auch über den Paß und kommen tatsächlich, wie bei Helmut erwähnt, in einen amphitheaterähnlichen Kessel, in dem sich oft die Gemsen tummeln sollen. Und da ist auch schon das erste Rudel vor uns. Und als wir am Westrücken des Monte Boccanera einen steilen Serpentinen-Pfad hinabsteigen, erscheint hinter uns im Paßeinschnitt plötzlich ein zweites Rudel, das uns neugierig von oben beäugt.



Wir dringen nun langsam ins Valle di Rose ein; vor uns beginnen die ersten Laubwälder. Zwischendurch öffnen sich die im Reiseführer beschriebenen "Fenster" in Richtung Barrea, die den Weg wirklich aussichtsreich machen.



An der Flanke des Monte Sterpi d`Alto geht es nun durch den Wald ziemlich steil abwärts; im letzten Teil, kurz vor Civitella Alfedena quasi durch ein sehr gerölliges Bachbett, das Sebastian kurzfristig zum Verhängnis wird.

Dann sind wir endlich unten - es ist kurz vor eins; wenn wir noch etwas kaufen wollen, müssen wir uns beeilen. Wir wählen die direkte Route in die Altstadt und treffen kurz darauf auf den kleinen Alimentari von "Marilena" - glücklicherweise noch geöffnet. Frisch geschnittenes Brot; Butter, Mortadella und Birra gibt es nun, um 13 Uhr, als Frühstück! Wir sitzen unter einer bronzenen Erinnerungstafel an die Gefallenen des ersten Weltkrieges und lassen uns die erste Mahlzeit des Tages munden.

Danach steht uns der Sinn nach einer vernünftigen Unterkunft für die nächsten beiden Tage: nochmals auf den Campingplatz wollen wir nicht unbedingt; doch die letzte Entscheidung werden wir vom Preis abhängig machen.

"La Torre"; eine Jugendherberge soll es hier geben; das wäre doch etwas für uns - obwohl wir von der Jugendherberge in Assisi nicht gerade begeistert waren. Wir ziehen mit unseren Rucksäcken treppauf, treppab durch die Altstadt, bis wir uns hilfesuchend an eine Frau wenden, die uns - wie kann es auch anders sein - wieder den ganzen Weg zurückschickt. Und da ist es ja auch schon: "La Torre" das sieht aber nicht nach Jugendherberge aus, sondern nach Hotel! Trotzdem, Andree und Martin gehen zur Rezeption, und können es kaum fassen: Zweibettzimmer mit Frühstück für nur 30.000 Lire pro Person! Da fällt die Entscheidung nicht schwer! Für 150.000 mit allen Fünf ins Hotel; dazu noch mit Frühstück - wo wir für die gestrige Eisnacht - ohne Frühstück! - den Rangern bereits schon 140.000 In die Hand drücken durften!

Der freundliche Wirt - am zweiten Abend erfahren wir, daß er Antonio Antonucci heißt - zeigt uns zwei wirklich schöne Zimmer im Nachbargebäude; gut ausgestattet, wenn wir den Fernseher auch nicht unbedingt brauchen. Dafür interessieren uns die Duschen wesentlich mehr - welch ein Genuß, wieder heißes Wasser über den Körper rinnen zu lassen!!

Danach wird es aber Zeit, sich mit Bargeld zu versorgen - schließlich wollen wir an diesem Abend ausgiebig essen gehen!! Wir bummeln durch die Gassen zur Bank hinunter. Unterwegs bemerken wir viele Souvenir- und Handwerkershops - hier muß normalerweise eine Menge an Tourismus sein. Jetzt, Mitte Oktober, ist das (tm)rtchen aber weitgehend ausgestorben. Im Ufficio Postale wollen wir endlich Briefmarken kaufen; finden aber nur eine Baustelle vor. Dafür treffen wir etwas weiter unten urplötzlich auf unseren ersten Braunbären in Lebensgröße - leider nur aus Bronze. Trotzdem, für ein Erinnerungsfoto reicht er allemal.



Natürlich hat die Bank, wie wohl alle Banken in Italien, nachmittags geschlossen; aber dafür ist da ja ein schöner Bankomat! Also die Visa-Card gezückt und erwartungsvoll hineingeschoben: sie wird nicht akzeptiert - nur für ortsübliche Karten der Agrarbank! Was jetzt? Dank der Ranger haben wir, wenn wir mal alles zusammenkratzen, umgerechnet nur noch so um die 120 Mark. Das wird nicht für ein ausgiebiges Essen in einem Restaurant reichen - und darauf haben wir uns alle schon gefreut! Also schnell hinab zum Officio Zona, dem örtlichen Nationalparkbüro und dort erkundigt, wo man mit Visa oder EC-Scheck bezahlen kann - wieder Fehlanzeige! Nirgends hier in Civitella Alfedena. Und dazu noch eine weitere Hiobsnachricht: die berühmte Pizzeria hier in diesem Ort, die die besten Pizzavariationen weit und breit bieten soll (laut Dumler), ist seit Jahren bereits geschlossen. Toll!

Unsere letzte Hoffnung setzen wir auf unseren Wirt: der will anstandslos EC-Schecks akzeptieren - vielleicht kann er uns ja auch einen Scheck in Bargeld umwandeln?? Und er macht es!!!

Mit zwei frischen Hunderttausendern im Geldbeutel machen wir uns dann zu Fuß auf hinunter ins zwei Kilometer entfernte Villetta Barrea. Leider müssen wir die Straße nehmen, die sich in steilen Kurven hinunterwindet; eine Abkürzung durch das dichtbewaldete Tal ist uns zu riskant; zumal unten ja noch irgendwo der Fluß Sangro ein Hindernis darstellen könnte. Dafür kommen wir kurz vor dem Ort an einem interessanten Wasserkraftwerk vorbei.

An der Hauptkreuzung unten in Villetta Barrea sind wir erst ein wenig ratlos; folgen dann unserem Instinkt nach rechts. Nach einigen hundert Metern fragen wir dann vorsichtshalber nach unserer Trattoria: ein neuer Fehlschlag an diesem Tag - die Trattoria hat noch Betriebsferien; dafür soll aber in der anderen Richtung eine Trattoria namens "Pescatore" liegen. Also wieder den ganzen Weg zurück und in die andere Richtung weiter!

Das "Pescatore" finden wir zwar; es ist aber noch fast zwei Stunden geschlossen; wir sind einfach zu früh unterwegs. Wir gönnen uns ein Fläschchen in einem Alimentari; sitzen am Straßenrand und schauen dem vorbeiflutenden Verkehr zu. Auf die Dauer wird das uns aber zu langweilig, und wir bummeln ein wenig durch die Gassen von Villetta Barrea. Leider fängt es nun auch noch an zu nieseln - und nicht jeder hat seine Regenjacke mitgenommen!

Schließlich sind wir es leid; wir beschließen, es mit dem Abendessen doch oben in unserem Dorf zu versuchen. Bis die hier unten mal öffnen, sind wir auch wieder oben! Inzwischen ist es dunkel geworden; wir ziehen im Gänsemarsch wieder den Berg hinauf; kommt ein Auto, drücken wir uns an die Leitplanke.

Zurück in Civitella die nächste Enttäuschung: die beiden Restaurants, die wir mittags gesehen haben, sind beide dunkel; entweder auch Betriebsferien oder vielleicht auch ganz geschlossen. Wieder gibt es nur eine Rettung: unsere eigene Albergho!

Und hier gibt es dann endlich unsere erste warme Mahlzeit des Tages: Fettucine und einen gemischten, frisch angemachten Salat. Dazu zwei Karaffen des Hausweines. Es mundet hervorragend.

Nebenbei kommen wir mit Antonio ins Gespräch. Er zeigt uns seine Videocamera, die der unsrigen entspricht; er setzt sich zu uns und wir genießen einen Digestiv (er sagt: Jägermeister) Mittrinken kann er leider nicht, da ihm sein Arzt geraten hat, die nächsten 10 Tage wegen "zu viel Gasolino im Magen" mal auf`s Trinken zu verzichten. Kein Wunder, war er doch vor einigen Tagen auf dem Oktoberfest in München......



Antonio hört von unserem Mißgeschick mit den Rangern und ist empört (wir auch!). Er erzählt uns von seiner Heimat, vom Winter hier, wie alles mit dem Parco Nationale vor 25 Jahren hier angefangen hat. Jetzt wird uns auch klar, warum in Pescasseroli einige Lifte die Berge verschandeln - sie wurden bereits vor mehr als 25 Jahren gebaut. Heute wäre das zum Glück nicht mehr möglich.

Und dann, als wir vom Besuch des Alimentaris in Opi erzählen, gibt`s Neuigkeiten von Yoga, unserer Käsediebin. Der Einbruch im Alimentari in Opi war nicht ihr letzter Streich; kurz darauf stürmte sie mitten durch eine Touristengruppe, die im Val Fondillo am Flußufer Picknick machte, und holte sich eine große Melone, die im Fluß gekühlt wurde. Damit war sie endgültig zu gefährlich geworden - man fing die arme Dame ein und brachte sie ins Gehege nach Pescasseroli. Hier soll ihr antrainiert werden, die Menschen wieder zu meiden.

Bald darauf macht sich dann doch die Müdigkeit bemerkbar. Herrlich, wieder einmal in einem weichen Bett zu schlafen!


Freitag, 17.10.97, 8. Tag

Dies soll unser "Erholungstag" werden. Natürlich wollen wir uns dazu nicht auf die faule Haut legen - vorgesehen ist eine Wanderung nach Barrea, am anderen Ende des Stausees.

Beim ersten Blick aus dem Fenster zeigt sich ein strahlender Himmel über den Bergen; es wird also wieder ein schöner Tag werden. Unten, durch das Örtchen, kriecht aber ein dichter Nebel heran.



Wir nützen natürlich die Duschen intensiv aus, ehe wir uns drüben im Speisesaal zum Frühstück niederlassen. Und dieses Frühstück ist recht ordentlich - die Warnungen im Reiseführer vor den italienischen Hotelfrühstücken treffen hier jedenfalls nicht zu.

Bei Antonio erkundigen wir uns nach dem besten Weg bis Barrea; am Ufer entlang ist wohl die schönste Strecke. Trotz des sonnigen Wetters packen wir zumindest Regenjacken ein; man kann ja nie wissen. Und dazu Taschenmesser und Becher für das Mittagspicknick unterwegs.

Nach der Versorgung mit Getränken im Alimentari vor dem Hotel machen wir uns auf den Weg; zuerst zum Uffizio; hier verfehlen wir mehrmals den Weg; stehen dafür zwar vor dem Wolfsgehege und dem Friedhof, kommen aber erst nach längerem Suchen auf den Fußweg, der hinab zur Brücke über den Stauseezufluß führt. Und hier machen wir auch schon das erste ausgiebige Päuschen und lassen uns dabei von der Sonne wärmen.

Am anderen Ufer liegt Civitella Alfedena; dahinter erheben sich die Berge bis hinauf zum Passo Cavuto. In knapp 1 ½ Stunden marschieren wir dann am Seeufer entlang; erst auf den letzten paar hundert Metern müssen wir auf die Straße hinauf. Zum Glück finden wir kurz vor eins noch einen Mini-Alimentari unten an der Durchgangsstraße von Barrea; hier decken wir uns mit Brot; Mortadella, Käse und Wein ein.



Danach einige schweißtreibende Minuten hinauf ins Zentrum des Städtchens; durch enge Gassen und über viele Treppenstufen bergauf. Hier finden wir, direkt gegenüber einer Schule, zwei Bänke im Halbschatten (und der ist durchaus erwünscht!). Auf einer Mauer werden unsere Schätze ausgebreitet; dabei wird immer wieder argwöhnisch darauf geachtet, daß keiner der herumstreunenden Hunde oder Katzen unserer Mittagsmahlzeit zu nahe kommt.

Und dann sitzen wir gemütlich da, die Beine ausgestreckt; die Becher in der Hand; beobachten die armen Schulkinder und Lehrerinnen, die schon wieder zum Nachmittagsunterricht antreten. genau gegenüber hoch in den Bergen die Forca Resuni - sogar die Schutzhütte kann man gut erkennen. Hier ist es wirklich gemütlicher als in der Kälte da oben!

Irgendwann am Nachmittag machen wir uns dann gemütlich auf in Richtung Hauptstraße; irgendwann muß ja schließlich mal ein Bus hier vorbeikommen. Vom verlassenen Schulhof aus haben wir nochmals einen guten Überblick über das Städtchen und den Stausee.

In einer Bar scheint man uns zunächst nicht richtig zu verstehen, als wir nach einer Busverbindung nach Civitella Alfedena fragen. Ein freundlicher Schweizer hilft uns aber weiter.



Es geht tatsächlich gegen 17 Uhr ein durchgehender Bus direkt ins Zentrum von Civitella; wir müssen also nicht den ganzen Weg zurücklaufen.

Wieder einmal gilt es, ein wenig Wartezeit zu überbrücken. Das ist hier, in einem belebten Städtchen aber nun gewiß kein Problem! Zwischen vier und fünf Uhr nachmittags ist hier jede Menge los. Wir sitzen draußen vor der Bar und schauen mal wieder dem bunten Treiben der Motorroller und Kleinwagen zu (die anscheinend eigene Regeln für die Benutzung von Einbahnstraßen haben). An dieses Leben kann man sich schnell gewöhnen......

Gegenüber liegt die Forca Resuni. Wir beobachten etwas wehmütig, wie die untergehende Sonne ihre letzten Strahlen genau durch die Forca zu uns herunterschickt.

Der blaue Linienbus der Arpa bringt uns dann zurück bis zur Bank in Civitella Alfedena. Wir bummeln hoch zum Hotel; ergänzen im Laden erneut die Vorräte und widmen uns dann der 2-Liter-Flasche....

Schon reichlich beschwingt geht es dann zum Abendessen ins Hotel - diesmal haben wir schon am Morgen unseren Appetit angekündigt. Heute sind auch einige andere Gäste da; das Gespräch fliegt hin und her zwischen uns, Antonio und einem jungen holländischen Pärchen, das gerade frisch im Nationalpark angekommen ist. Zusätzlich zur Nudelvorspeise wird Zuppa angeboten; dazu gibt`s heute maiale (Schweinekotlett); anschließend wieder gemischten Salat. Heute reicht uns ein Krug Wein......


Samstag, 18.10.97, 9. Tag

Der letzte Tag in Italien. Schon gestern hatten wir uns nach den Buszeiten erkundigt; kurz nach zehn geht er pünktlich von der Bank ab. Wir verabschieden uns von Antonio und versprechen, demnächst wiederzukommen!

Und dann beginnt die aussichtsreiche Busfahrt zurück nach Avezzano; vorbei an all den Orten, die für uns nun nicht mehr bloße Namen auf einer Landkarte sind. Wir schauen und unwillkürlich kommen viele Erinnerungen an die letzten sieben Tage: die Regennacht in Opi; der Besuch in Pescasseroli; die Fahrt über die Paßstrecke durch die vielen kleinen Orte bis hinunter ins Fucino-Becken.

In Avezzano dann die Enttäuschung: leider fährt erst gegen 16 Uhr ein Eilzug nach Rom; vorher ist nichts zu machen. Damit läßt sich unser Plan, in Rom noch einige Stunden herumzubummeln, in Luft auf. Und auf dem Bahnhofsvorplatz können wir auch nicht gut mehrere Stunden bleiben - viel zu viele Leute; keine Gelegenheit zum Kochen oder mal kurz in den Büschen zu verschwinden. Aber was soll`s? Dann werden wir uns eben - wie gehabt - in der Bar hinter dem Bahnhof die Wartezeit vertreiben.

Doch hier ist auch alles anders: keine Stühle draußen; innen ungemütlich laut. Und dann tauchen auch noch Heerscharen von Schülern auf, die auf ihre Busse nach Hause warten. Mein Gott, die armen italienischen Schüler und Leher haben aber auch Arbeitszeiten!

Gegen zwei Uhr ziehen wir uns auf eine Wiese in der Nähe der Bar zurück. Hier können wir abseits vom Trubel kochen. Unsere letzten Nudeln "ai pesto" wollen wir nicht wieder mit nach Hause schleppen!

Zuletzt müssen wir uns auch noch ziemlich beeilen, um wieder rechtzeitig auf dem Bahnhof zu sein; und dann kommt eine Lautsprecherdurchsage, daß der Eilzug Verspätung hat. Wir haben uns inzwischen ans geduldige Warten gewöhnt!

Dafür haben wir im Zug dann aber Glück: unsere Karte (immer noch ohne Zuschlag) wird von der freundlichen jungen Schaffnerin anstandslos akzeptiert. Bares Geld gespart! Draußen fliegt eine tolle Landschaft vorbei; immer tiefer geht es aus dem Gebirge hinab in die Ebene um Rom. Und auf fast jedem Berg oder Hügel alte Städtchen mit Kastellen. Die Leute leben hier tatsächlich mitten in der Geschichte!

In Rom bleibt nun leider nicht mehr viel Zeit. Wir besorgen uns Reiseproviant und werfen unsere Postkarten ein. Dann kurz vor Abfahrt des Zuges ein wenig Aufregung: wir finden unseren Wagen nicht! Dann wird uns klar, daß die Italiener den Zug an diesem Abend mal wieder zweiteilig fahren lassen; also wieder zurück zum Ende des Kopfbahnhofes und das neue Gleis gesucht. Und hier finden wir problemlos unseren Wagen. Leider scheint es nun Probleme mit der Reservierung zu geben - in unserem Abteil sitzen schon Leute und haben auch eine Reservierung. Das mußte irgendwann ja mal so kommen! Ein erneuter Blick auf unsere Karten zeigt aber (zum Glück), daß Martin sich schlichtweg verlesen hat.... Allgemeines Aufatmen und Einzug ins richtige, natürlich freie Abteil!

Kurz darauf setzt sich der Zug in Bewegung; wie schon beim Mai-Besuch stehen wir am Fenster und lassen Italiens Hauptstadt an uns vorbeigleiten.

Marianne schläft schon sehr schnell ein; die anderen bleiben auch nicht mehr lange auf. Ärgerlich ist, daß wir das Abteil-Licht nicht ganz ausschalten können; zudem sind die unteren Liegen recht eng. Die Anstrengungen der letzten Tage fordern dann aber doch ihren Tribut und bald senkt sich Stille Über das Abteil.


Sonntag, 19.10.97, 10. Tag

Der Zug rollt pünktlich in München ein; draußen ist es - das sind wir schon gewohnt - empfindlich kalt. Zielstrebig suchen wir im Untergrund unser Frühstückslokal auf und laben uns an Leberkäse und Kartoffelsalat.

Nach letzten Einkäufen sitzen wir unsere Zeit bis zur Abfahrt des Zuges im Wartesaal ab. Danach läuft alles wie geschmiert - Zug um Zug ist für uns reserviert; die geringfügigen Verspätungen stören uns nicht; wir haben genug Umsteigezeit einkalkuliert. Heute scheint halb Deutschland mit dem Zug unterwegs zu sein; alle Züge sind gut besetzt; die Bahnsteige voller Menschen.

Über die Rheinstrecke geht es zurück ins Sauerland. In Freienohl dann die peinliche Überraschung, daß der nächste (und letzte) Bus erst in Über einer Stunde fährt. Andree ruft Wilfried und Peter an; die beiden holen uns mit dem PKW ab. Nach einem letzten Bier bei Peter erreichen wir um 21:30 Kückelheim. Das Haus ist natürlich kalt, und zu allem Überfluß beginnt in 10 Stunden schon wieder die Arbeit. Noch 53 Tage bis zur Polenfahrt!

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