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Dienstag, 30.3.99, 5.Tag, Mariannes Geburtstag

Kalt war es in dieser Nacht, sehr kalt! Einige Schlafsäcke sind bei den Außentemperaturen um null Grad scheinbar an ihre Grenzen gestoßen. Durch den beständigen Wind gegen die Zeltwände wurde die Temperatur sicher noch weiter abgesenkt.

Als wir aufstehen, zeigt unser Thermometer innerhalb des Zeltes gerade mal eine Temperatur von plus vier Grad. Martins erster Weg führt daher zum Brenner, um heißes Wasser für einen ersten, wärmenden Kaffee zu machen.

Entschädigt für die Kälte der Nacht (und die teilweise kalten Füße) werden wir heute Morgen aber durch das sonnige Wetter. Die letzten Wolken am Himmel scheinen gerade abzuziehen und es wird ein sonnigwarmer Tag zu werden. Darüber freut sich natürlich besonders Marianne an ihrem heutigen Geburtstag.

Nun, gegen Kälte können wir außer heißen Getränken natürlich auch noch unsere Fleece-Bekleidung aufbieten; zusammen mit darüber getragenen Windjacken sind wir gut gegen die morgendlich Kühle geschützt. Und schon beim Frühstück wird uns allen bei steigendem Sonnenstand wärmer. Heute können wir recht feudal an einem Tisch essen (na ja, in Wirklichkeit sind es nur ein paar schiefe, morsche Bretter, die noch auf zwei Holzklötzen ruhen). Wir können darauf aber unser rundes Brot aufschneiden und unser Standardfrühstück ausbreiten: Fischkonserven und Schmierwurst. Marianne kann hier die ersten Glückwünsche des Tages entgegennehmen.

Auf dem Felsensporn bei Ferdinandea

Bei diesem strahlenden Sonnenschein macht das Outdoor-Leben natürlich besonderen Spaß. Wir hängen die Schlafsäcke zum Lüften übers Zelt oder direkt in die Zweige der Bäume rings um den Lagerplatz. Danach wird in aller Ruhe gefrühstückt; unser Blick geht dabei weit hinunter ins Tal. Am Ende des Taleinschnittes ist sogar das silbrig glänzende Meer zu erkennen. Noch ein letzter Kaffee, dann machen wir uns langsam an den Lagerabbau.

Alles ist zum Glück trocken; so gibt es keine Probleme, die Innen- und Außenzelte samt Bodenplanen in den einzelnen Packsäcken zu verstauen und zu komprimieren. Zuletzt noch das Gestänge und die Häringe in die Beutel und das Ganze ganz oben im Rucksack verstaut. Dann sind wir aufbruchfertig.

"Der steile Abstieg durch mediterrane Macchia beginnt; zuerst 10 Minuten im Zickzack längs der Fallrohre auf dem losen Geröll eines Erdrutsches, der den alten Weg und auch die Rohrleitung zerstört hat. Erstmals können wir den mächtigen Wasserfall sehen. Nach 65 Minuten gabelt sich der Weg. Wir halten uns rechts und kommen in 10 Minuten zum Fluß, den wir auf Trittsteinen überqueren."

Eine exakte Beschreibung, bis auf den Geröllhang. Der ist nicht mehr zu sehen, da die Vegetation die Wunde im Boden bereits wieder zugedeckt hat. Dennoch ist das Terrain schwierig zu begehen. Janine bekommt das "hautnah" bei einem Sturz zu spüren.

Die Steilabhänge erschweren das Vorwärtskommen

Vorsichtig tasten wir uns den steilen Hang hinunter. Die Trekking-Stöcke erweisen sich jetzt als sehr hilfreich beim Abstützen im bröckligen Untergrund. Dann flacht der Weg ein wenig ein und wir stehen unverhofft vor einem echten "GEA"-Zeichen. Haben wir hier durch Zufall den Sentiero E 1 entdeckt??? Als alte E 1-Wanderer sind wir darüber natürlich erfreut. Wieder einmal bedauern wir es, daß es noch keine durchgehende Wegbeschreibung des ganzen E 1 gibt.

Und kurz darauf stehen wir an einem steilen Abhang und können hinüber auf den gegenüberliegenden Wasserfall schauen. Unterhalb davon müssen die Wasserbecken der "Cascata del Marmarico" liegen. Also weiter den Wegzeichen folgen.

Im Sommer wäre die Bachüberquerung wahrscheinlich einfacher

Und wie beschrieben erreichen wir kurz darauf das Flußtal und stehen vor den "Trittsteinen". Diese sind nun doch sehr weitläufig im rauschenden Fluß verteilt! Sicherheitshalber legen daher manche die Rucksäcke ab und balancieren vorsichtig ohne belastendes Gepäck auf dem Rücken über die glatten, rutschigen Steine und einige wackelige Bretter. Die Rucksäcke werden von besonders Mutigen über das schäumende Hindernis gehievt. Das erste fließende Gewässer des Tages lockt uns nun natürlich zu einer ausgiebigen Waschpause von Mensch und Material (Wäsche). Dabei sind leider Verluste in Form nasser Socken zu beklagen. Die können aber direkt auf den warmen Ufersteinen zum Trocknen ausgelegt werden. Ersatzsocken haben wir ja genügend dabei!

"Wir folgen dem Fluß aufwärts. Hinter einer gefaßten Quelle beginnen Treppen im Steineichenhain, und in 10 Minuten stehen wir am kreisrunden Becken unterhalb des Wasserfalls. Die "Cascata del Marmarico" ist etwa 100 Meter hoch; sie war in den Jahrzehnten, als die Kraftwerke arbeiteten, kaum mehr als ein dünner Wasserfaden. Besonders eindrucksvoll sind ihre Wassermengen im Frühjahr, dann ist allerdings der Weg von oben nicht immer möglich."
Na, da sind wir doch gerade zur richtigen Zeit hergekommen! Der Weg von oben war frei - und jetzt stehen wir nach einigen Minuten Kraxelei vor dem doch sehr beeindruckenden Wasserfall. Nun gut, in Norwegen haben wir schon mächtigere Fälle erlebt - aber hier im Süden, wo man fließendes Wasser kaum findet, ist das schon sehenswert!

Es stellt sich nun natürlich die Frage: sollen wir - oder sollen wir nicht? Das tief grünblau schimmernde Becken reizt zweifellos zu einem Bad. Heiß ist es inzwischen auch - wäre da nur nicht die eisige Kälte, die man spürt, wenn man seine Hand ins Wasser taucht!

Aber was soll`s? So eine Bademöglichkeit werden wir in Kalabrien so schnell nicht mehr finden. Die Badeklamotten haben wir vorsichtshalber schon mal mitgebracht (die Rucksäcke haben wir unten an der Furt zurückgelassen). Schnell sind wir umgezogen und tasten uns vorsichtig über die glatten Felsen ins Wasser hinein. Und das ist nun wirklich sehr, sehr kalt!

Den Plan, bis zum Wasserfall hinüber zu schwimmen, lassen wir schnell wieder fallen...

Es gibt dementsprechend viel Geschrei, als die ersten sich bis zur Gürtellinie ins Becken hineinlassen. Kein Gedanke mehr daran, bis an den weißschäumenden Wasserfall zu schwimmen! Uns genügt es, am Ufer ein wenig herumzuplantschen.

Martin holt jetzt endlich das Geburtstagsgeschenk für Marianne hervor und legt ihr das Fußkettchen persönlich um. Damit hat Marianne schon mal einen triftigen Grund, sich nicht ins eisige Wasser hineinzuwagen.

Die meisten der Gruppe aber nutzen die willkommene Abwechslung im Trekking-Alltag gerne aus. Wenn man erst einmal längere Zeit mit den Füßen im Wasser ist, spürt man sowieso nichts mehr. Und auf den heißen Steinen kann man sich anschließend prima sonnen und wieder aufwärmen.

Sonnenbaden ist ja auch nicht zu verachten

Dann aber heißt es Abschied nehmen von dieser Naturschönheit. Wir müssen heute ja noch einige Kilometer laufen! Und vielleicht kommen wir ja zu einem weiteren Schauspiel der Natur: es soll da noch frei zugängliche Schwefelquellen am Wegesrand geben, in denen man - zur Abwechslung mal in heißem Wasser - baden kann.

"Der Weiterweg bis Bivongi ist einfach. Wir bleiben am Fluß, an dessen Ufer die Gemeinde Bivongi einen Naturwanderweg angelegt hat, der über einen Steg ans linke Ufer führt und dort direkt über dem Bachbett in hochwassersicherer Lage bis zur Betonbrücke über den nun in einer sehr tiefen Schlucht eingeschnittenen Bach verläuft. Hier beginnt eine schmale Schotterstraße, die nach Bivongi führt."

Das hört sich ja nicht schwierig an! Nach dem vorhergegangenen Steilabstieg haben wir uns nun aber auch einen einfacheren Weg verdient. Wir sammeln also unsere Rucksäcke auf, befestigen die nassen Badesachen zum Trocknen außen am Gepäck und machen uns auf den Weg am Fluß entlang. Wieder stimmt die Beschreibung genauestens. Es ist schon ein beeindruckendes Tal, das wir jetzt durchwandern. Der Fluß hat sich hier im Laufe der Jahre tief in den Berg hineingefressen; ohne Brücken käme man nicht mehr weiter.

Nachdem wir uns am linken Felsufer einige Minuten entlangbewegt haben, taucht vor uns die beschriebene Betonbrücke auf. Breit ist sie ja nicht, aber sie sieht doch sehr stabil aus! Von der Brücke herab hat man eine schöne Aussicht hinab auf den schäumenden Fluß.

Die Konstrukteure werden wohl gewußt haben, warum sie hier eine derartig massive Betonbrücke nur für Fußgänger gebaut haben

Inzwischen ist die Hitze immer stärker geworden. Wir rasten oberhalb der Betonbrücke am Rand des Schotterweges und machen uns über unser Mittagessen her: Brot, Käse (der im Rucksack schon ein wenig seine ursprüngliche Form verloren hat) und Salami. Als Nachtisch ein Müsliriegel. Dazu Wasser mit einer Vitamintablette. Das müßte uns für den Weiterweg genügend Kalorien verschafft haben.

Dieser Weiterweg zieht sich nun allerdings ganz schön in die Länge. Wir trotten in kleinen Grüppchen über den staubigen Weg und erdulden klaglos die Hitze. Hier sehen wir auch unsere erste Schlange, die sich lang und schwarz davonmacht, als sie uns kommen hört. Leider verpassen wir unterwegs die Abzweigung, die zu den Schwefelquellen führen soll.

"In 25 Minuten kann man vom Weg die Bagni di guida erreichen. Zu den jüngst wieder hergerichteten Gebäuden des Bades führt ein Steg über Baumstämme. Die Badekabinen sind allerdings aber meist abgeschlossen; aus einem Rohr fließt lauwarmes Schwefelwasser. Zu dieser Thermalquelle kommen die Bauern nach der Feldarbeit. Mit dem Schwefelwasser kurieren die Einheimischen Hautkrankheiten."

Das Tal weitet sich jetzt zunehmend. Die Hänge sind terrassiert und meist auch noch kultiviert, obwohl die Häuser hier alle recht verfallen und verlassen sind. Unterwegs treffen wir auf mehrere Bauern, die ihre kleinen Gärtchen neben dem Weg bestellen.

Eine typisch italienische "Mamma" in einem Weinberg gibt uns Auskunft über den Weiterweg: zur Taverna "Vecchia Miniera" sind es nur noch drei Kilometer. Das erfreut uns und läßt den Schritt beschleunigen. Zwanzig Minuten später ein erneuter Kontakt; diesmal sind es einige alte Männer auf dem Feld: Si, si, zur Taverna nur noch drei, vier (?) Kilometer. So, so! Als uns einer davon mit seinem Ape 50 bergab überholt, kommen Svenja und Janine auf die Idee, diese Gelegenheit zur kostenlosen Mitfahrt auf der Ladefläche zu nutzen. Da die beiden etwas zurück waren, bekommen wir anderen das so schnell gar nicht richtig mit! Na ja, alle hätten sowieso nicht auf die Ladefläche gepaßt - und die meisten von uns haben ja bereits eine derartige Fahrt hinter sich.

Besser als laufen!

Wir können ihnen in der Vorbeifahrt gerade noch zurufen, daß sie spätestens an der Landgaststätte "Vecchia Miniera" (Alte Mine) aussteigen sollen - denn dort wollen wir auf jeden Fall Rat machen. Als der Ape um die nächste Kurve verschwunden ist, kommen uns doch Zweifel, ob wir die beiden gleich wiedersehen werden. Valle murmelt dunkel etwas von Mädchenhandel usw.....

Als wir nach geraumer Zeit dann aber den Abzweig zur Landgaststätte mit trockenem Gaumen erreichen, warten die beiden dort schon wie abgemacht auf uns. Und diese "Vecchia Miniera", früher mal eine Eisenhütte, kommt uns nun wie gerufen! Selten haben wir die Rucksäcke so schnell vom Rücken gehabt, wie jetzt hier, vor der Taverne!

Rast an der Vecchia Miniera

So sitzen wir bald darauf vor dem Eingang auf schnell organisierten Stühlen und schauen zurück auf die Wanderstrecke des heutigen Tages. Wer will, labt sich an einem kühlen Bier; andererseits gibt es hier auch einen guten "Rosso" vom Faß, das (große) Glas für 1000 Lire. Da wir eine längere Rast machen werden, kann man auch schon mal zwischendurch die Wanderstiefel ausziehen und die heißgelaufenen Socken abdampfen lassen.

So ganz nebenbei bemerken wir, daß sich das Wetter über den Bergen von Ferdinandea in kurzer Zeit dramatisch verändert hat! Eine bedrohliche, blauschwarze Wolkenwand schiebt sich über das Gebirge, die "Serre", direkt auf uns zu. Während wir uns noch zuprosten und froh über den geschafften Weg sind, zucken bereits die ersten Blitze über der Bergkette auf. Dann kann man deutlich sehen, wie sich eine Regenwand auf uns zube-

wegt. Unser Sporn über Ferdinandea muß schon in den peitschenden Regenschauern liegen. Nur gut, daß wir die Tour nicht einen Tag später begonnen haben - dann wären wir jetzt gerade dort oben unterwegs und müßten die Zelte beim ersten Mal gleich in Sturm und Regen aufbauen.

Wir können uns vom Anblick des heranziehenden Gewitters kaum lösen! Vorsichtshalber stellen wir die Rucksäcke schon mal regensicher in einen Seiteneingang. Wir harren draußen aus, bis die ersten Regentropfen auf den staubigen Boden klatschen und in kleinen Fontänen hochspringen. Dann müssen wir uns aber doch sehr schnell vor dem plötzlich einsetzenden, sintflutartigen Regen ins Innere der Taverne retten.

Weiter können wir bei diesem Wetter nicht, das ist klar. Andererseits zeigt ein Blick zur Uhr, daß die Dämmerung nicht mehr weit ist. Wir sitzen an einem langen Tisch und kosten weiterhin den Wein. Die Wirtin macht uns im Kamin ein Feuer an; unsere Mädchen sollen es hüten, lassen es aber ausgehen. Florian erweist sich als Retter in der Not und facht das Kaminfeuer neu an. So sitzen wir mit unseren Gläsern um das wärmende Feuer und warten auf`s Ende des Gewitters. Wir sind die einzigen Gäste der Taverne; nur ein junger Schäferhund leistet uns Gesellschaft.

Die Wirtin hat uns schon einen guten Übernachtungsplatz erklärt: etwas weiter den Weg entlang liegt ein "Area Picnic" (sie nennt es "Parco Nazionale", aber das dürfte wohl ein wenig übertrieben sein). Dort könne man für eine Nacht gut zelten. Trinkwasser können wir hier auch bekommen; also ist für den Abend schon mal alles geregelt. Wir bekommen außerdem die wichtige Information, daß morgen früh bereits um 8:30 Uhr der einzige Bus des Vormittages nach Stilo in Bivongi startet. Das heißt für uns wieder früh aufstehen!

Draußen läßt der Regen nach; wir fassen genügend Wasser und bedanken uns. Dann geht es zügig zum beschriebenen Gelände hinab. Das Ganze ist wie ein riesiger Spielplatz mit Klettergerüsten, Rutschen und Feuerstellen. Platz für die Zelte gibt es in ausreichender Menge! In Anbetracht unserer Gewittererfahrung bauen wir die Zelte im Windschutz hinter kleinen Steinmäuerchen auf; so sind wir bestens geschützt.

Danach vergnügen sich die jungen Leute auf den Spielgeräten (Zitat Andree: "Kinder, die spielen, sind gesund!"); Marianne und Martin kümmern sich ums Abendessen: "Penne Arrabiata" steht heute auf der Menü-Liste; das fertige Trockenfutter ist dann leider zwar sehr scharf, dafür aber nicht besonders stark gesalzen.

Bei einbrechender Dämmerung wird gegessen; danach entfachen wir ein Feuer in einem der sternförmig angeordneten Grillstellen und lassen den Tag bei zwei Rum-Cappuccino ausklingen. Inzwischen haben wir es uns schon angewöhnt, bei Dunkelheit in den Zelten zu verschwinden und mit dem ersten Morgenlicht wieder aufzustehen. Den Wecker stellen wir auf 6:30 Uhr; zwei Stunden müßten eigentlich für den Abbau und die letzten Kilometer bis Bivongi genügen. Nachts dann erneut starker Regen und viele Blitze; merkwürdigerweise ohne Donner.


Mittwoch, 31.3.99, 6.Tag

Noch bei Dunkelheit heißt es aufstehen, Schlafsäcke und Isomatten zusammenpacken und die Zelte abbauen. Inzwischen ist schon die normale "Lager-Routine" bei uns eingekehrt; dementsprechend schnell und problemlos geht das Ganze über die Bühne. Jeder weiß, was er speziell zu tun hat; das eigene Gepäck packen und halt diejenigen Teile von seinem Zelt in die entsprechenden Beutel hineinquetschen, die ihm zugeordnet sind.

Schwieriger haben es da schon die Leute, die die Kochausrüstung verstauen müssen: der Kaffeekessel hat naturgemäß erst in letzter Minute ausgedient - und vorher lassen sich die restlichen Töpfe, Deckel und Zubehörteile nicht platzsparend ineinanderstapeln. Der Kameramann muß die Videoausrüstung sowieso immer griffbereit halten.

Noch während wir packen, beginnt es erst leicht zu nieseln, dann gleichmäßig zu regnen. Also schnell die Regenanzüge herausgekramt und angelegt. Bei den Hosen geht das etwas langsam; hier fehlt noch die nötige Übung, sie schnell über die klobigen Schuhe zu ziehen.

So gegen den weiteren Regen gewappnet, geht es dann nach einem letzten prüfenden Blick über den Lagerplatz los nach Bivongi. Inzwischen ist es auch hell geworden; dadurch sieht die verregnete Landschaft aber nun noch trister aus. Im Zentrum von Bivongi steuern wir direkt auf eine Bar zu. Ihre hellerleuchtete Tür signalisiert heißen Cappuccino und leckere Hörnchen, vor allem aber Trockenheit! Wir lassen dankbar die Rucksäcke auf den Boden gleiten, bestellen an der Theke und setzen uns an die kleinen Tischchen. In den ausliegenden Zeitungen lesen wir, daß die Nato mit der Bombardierung in Bosnien begonnen hat. Wir lesen irgendwas von Tornados, Tedesci und morto - können uns darauf aber keinen richtigen Reim machen. Ist eine unserer Maschinen dort abgestürzt oder abgeschossen worden? Der Barkeeper kann uns auch keine genaue Auskunft geben, da wir ihm unsere Frage nicht verständlich machen können. Dafür kann er uns aber den Weg zur Bushaltestelle beschreiben!

Dort warten wir dann; zum Schutz gegen den Regen unter ein Vordach gedrückt. Eine junge Italienerin spricht uns an; sie erklärt uns, daß unser Bus nach Stilo auf der anderen Straßenseite etwas weiter unten abfahren würde. Also mit Sack und Pack dorthin gewechselt. Im Bus dann mit den Tickets keine Probleme; über Pazzano geht es nun nach Stilo. Hier lockt uns nur ein einziges Ziel: die berühmte byzantinische Kirche "La Cattolica"; in allen Reiseführern als ein "muß" für Touristen angepriesen. Na ja, sonst ist so was ja bestimmt nicht unsere Art - aber wenn wir schon mal vor Ort sind..... Also samt Rucksäcken im Regen steile Gassen bergauf. Die Cattolica dann eine einzige Enttäuschung: sie hat sich auch in "Regenzeug" (= Plastikplanen) gehüllt, da die Fassa-de gerade renoviert wird. Das wollen wir nicht fotografieren! Und im winzigen Innenraum dürfen wir es nicht! Also verlassen wir wieder zügigen Schrittes diesen ungastlichen, langweiligen Ort!

Außerdem treibt uns der Hunger! Unten in Stilo finden wir einen alten Alimentari; wir decken uns mit frischem Brot und Wurst ein und frühstücken dann neben dem Haus unter einem Vordach. Zur Bushaltestelle müssen wir dann nicht mehr weit; sie liegt gleich gegenüber am Dom von Stilo. Hier ist auch ein Standbild von Tommaso Campanella; Dominikanermönch um 1600; mit seinerzeit etwas zu fortschrittlichen Ideen, die ihn 27 Jahre in einen Kerker bei Neapel und mehrfach auf die Folter brachten. Unser Bus bringt uns nun wieder direkt zum Bahnhof von Monasterace Marina; hier schließt sich also der Kreis unserer ersten Wandertour.

Eigentlich eher zufällig sind wir auf dieser ersten Etappe unserer Trekking-Tour in das einzige, alte Industriegebiet Süditaliens gekommen. Und vielleicht sollte man, nach einer Wanderung durch das Stilaro-Tal, auch um die frühere Bedeutung etwas wissen:

"Eisenerz wurde hier im Stilarotal schon seit dem Mittelalter abgebaut; vielleicht schon seit der Antike. Es waren die seinerzeit einzigen abbauwürdigen Eisenerzvorkommen Süditaliens. Ab 1620 gab es ab Pazzano aufwärts entlang der heutigen SS 110 die ersten Eisenhütten. Durch sie wurde die Natur und Landschaft nachhaltig geprägt. Die Arbeiter hatten den Stand von Leibeigenen. Landbestellung war Sache der Frauen und Alten. Alle Männer und auch Kinder - soweit sie nicht in den Gruben selbst arbeiteten, arbeiteten als Holzfäller und Köhler.

Erz wurde nur im Sommer abgebaut, wenn weniger Wasser in den Schächten stand. Die Hütten arbeiteten dagegen nur im Winter, denn Pochwerke, Eisenhämmer und die Gebläse für die Hochöfen waren auf Antriebswasser aus den Flüssen angewiesen.

Als die Wälder an den Hängen der Flußtäler gerodet und durch die schwefelhaltigen Rauchgase der Erzrösten und Hochöfen vergiftet waren, wurden die Hütten und Gießereien in die noch dichten Bergwälder am Oberlauf der Flüsse verlegt. Nach der Periode von "Ferdinandea" wurde der Betrieb der Hütten ab 1870 aufgegeben.

Im Rahmen der faschistischen Politik unter Mussolini wurden um Bivongi bis 1940 in geringen Mengen wieder Eisen-, Kupfer-, Silber- und Molybdänerze abgebaut. Das letzte Kapitel der Industriegeschichte hier im Bergland der "Serre" schrieben die Elektrizitätswerke, die nach dem 2. Weltkrieg gebaut wurden und den Wasserreichtum und das Gefälle (450 m auf 1,3 Km) des Stilaro nutzten. Das Ende kam 1972: die großen Fallrohre und das Kraftwerk im Tal wurden durch Erdrutsche und Hochwasser für immer zerstört."


Das alles haben wir also in wenigen Stunden im "Zeitraffer" mitverfolgen können. Geplant ist nun die Weiterfahrt per Bahn nach Bovalino, weiter südlich. Von dort mit dem Bus ins Inland; möglichst bis Natile Vecchio. Das wird dann der Ausgangspunkt für unsere nächste Wanderung sein: mitten durch`s Todesdreieck nach San Luca. Auch das Wandergebiet wird sich ändern: es ist nicht mehr die "Serre", sondern das Herzstück des "Aspromonte".

Zuerst einmal müssen wir uns jetzt um den notwendigen Nachschub kümmern. Noch sind die Geschäfte geöffnet; also schnell in "unseren" Alimentari und eine neue Fünf-Liter-Flasche (diesmal Rosso) gekauft; die Zeremonie mit dem Umfüllen kennt der Ladenbesitzer ja schon.... Wer weiß, ob wir vor dem Start zur nächsten, ebenfalls zweitägigen Tour, noch ein geöffnetes Geschäft finden.

Auch Brot wird auf Vorrat nachgekauft; vor allem aber am Automaten neues Geld gezogen. Praktische Sache, so eine Post-Card! Als wir zurück zum Bahnhof gehetzt sind (der Zug muß jeden Moment einlaufen), eine Lautsprecherdurchsage: "Treno due ore in ritardo!" Also zwei Stunden Verspätung. Wir können somit nochmals zum Geschäft und uns mit Getränken für die Wartezeit auf dem Bahnsteig eindecken.

So gegen Mittag fahren wir dann mit dem Zug weiter bis Bovalino: unser deutsches Ticket wird immer noch anerkannt! In Bovalino müssen wir leider feststellen, daß erst am Nachmittag ein Bus ins Landesinnere geht. Wie immer, erweist sich der Mann hinter dem Bar-Tresen als genaue Informationsquelle. Wir bestellen bei ihm dafür zum Dank ein "nuovo formato" (Bierflaschen mit 0,75 l Inhalt(!) und verbringen die Wartezeit vor der Bar auf dem Bahnsteig (dadurch haben wir schon mal das Problem mit der Toilette gelöst). Das Regenwetter hat sich inzwischen völlig verzogen; wir sind nur zu faul, kurze Sachen aus dem Rucksack zu holen.

Inzwischen können wir noch einmal im Reiseführer Einzelheiten über die neue Tour nachlesen:

"Von Natile zur Pietra Kappa und nach San Luca - vorbei an den Monolithen des Aspromonte. Pietra Kappa (829 m) und Pietra Castello (943 m) sind kahle, von weitem sichtbare Sandsteinriesen. Pietra Kappa sieht wie ein riesiger Schädel aus und erinnert an eine Sphinx. Der Aufstieg von Natile führt durch schwieriges Gelände. Nach einer Biwakübernachtung in San Giorgio setzt man den Weg über Pietra Castello nach San Luca fort. Länge 21 Kilometer; Dauer etwa achteinhalb Stunden (reine Gehzeit!). Orientierung überwiegend einfach; man sieht Landmarken, Markierungen des Sentiero Italia - rot oder rot-weiß-rot, die aber Lücken aufweisen; um Pietra Kappa undeutliche Wegverhältnisse. Ausrüstung: Zelt, Schlafsack, ausreichend Proviant. Wasser ab San Giorgio. Schwierigkeitsgrad: mittel, steinige Fußwege und Fahrpisten, in den Felsformationen nur Spuren, Rutschgefahr."

An und für sich ist diese Beschreibung der vor uns liegenden Tour ja schon spannend genug. Aber das Buch hält noch andere lesenswerte Informationen für uns bereit:

"Pietra Kappa liegt im Zentrum des Triangolo della Morte, des Todesdreiecks, dessen Eckpunkte Natile, Plati und San Luca sind. Hier wurden immer wieder Entführte freigelassen, verloren sich letzte Spuren geraubter Menschen, wurden in hohlen Bäumen Millionenbeträge abgelegt, wurden Mordopfer und höcht lebendige Latitanti (Untergetauchte) entdeckt.

Straßensperren der Polizei mit gezogenen Maschinenpistolen und schußsicheren Jacken vor gepanzerten Fahrzeugen gehören zum Alltag. Polizei und Militär sind in Kalabrien südlich des Isthmus von Catanzaro so augenfällig wie die Armut. Die Fakten stehen jeden Tag in der Zeitung: kaum ein Tag ohne einen oder mehrere Mafia-Tote, die meisten aus den eigenen Reihen. Die Häufigkeit und Brutalität der Morde haben immer wieder die Kalabresen zur Razza delinquente, zur kriminellen Rasse, abgestempelt."


Noch viele andere Hintergrundfakten finden wir dazu im Buch; wichtiger scheint uns aber folgender Abschnitt zu sein:

"Dran denken: das Gerede über die Mafia ist kein Gerede! Übernachtung in der freien Landschaft besser nur in der Nähe von Ansiedlungen; oder bei den Baracken von Hirten und Waldarbeitern. Aber nicht stumm das Zelt aufschlagen, sondern einen kleinen Schwatz beginnen: die freuen sich; man wird dann sicher die ursprünglichste Gastfreundschaft erleben, die man sich vorstellen kann. Und redet immer über das Wanderziel!! Wenn man euch hartnäckig klarmacht, daß es hier besser nicht weitergeht, hört drauf! Es geschieht, um euch und anderen unangenehme Situationen zu ersparen. Wenn Carabinieri (sie sind zahlreich und treten militärisch und bewaffnet auf) oder Forrestali euch den Weiterweg abschneiden, hat es seine Gründe."

Nun ja, wir werden es tatsächlich auch alles so erleben! Und was die Vorbereitungen angeht, haben wir, so glauben wir, auch alles richtig vorbereitet:

"Wandern im Aspromonte: hat "Expeditions-Charakter". Eine der wildesten, unwegsamsten und unberührtesten Landschaften. Alles andere als ein klassisches Wandergebiet. Wer aber auf Abenteuer aus ist, erlebt sich und seine Fähigkeiten im Gelände; gewaltige und gewalttätige Natur, trifft Menschen, die oft wochenlang mit ihren Herden außerhalb der "Zivilisation" leben. Er kommt in winzige Dörfer, wo bisher Fremde nicht hingekommen sind; meist begegnen einem die Bergbauern in stummer Verwunderung.

Voraussetzungen: Wandererfahrung und Orientierungsvermögen. Nicht drauflosstürmen! Erst zweifelsfrei zwei, drei Punkte in der Landschaft lokalisieren, die einem Richtungsorientierung geben. Praktische Erfahrung im Gebrauch von Karte und Kompaß unbedingt notwendig! Wann immer man in unwegsamen Gelände einen trifft, über Standort und Ziel sprechen. Abseits der Straßen und Pisten verirrt man sich ständig. Körperliche Ausdauer und eine Ausrüstung, die man schon länger erprobt hat, sind unbedingt erforderlich!"


Das Wichtigste aber, meint Bausenhardt, sei allerdings die Motivation: denn oft käme der Punkt, wo man sich fragt, was einen in diese Einöde getrieben hat! Diese Motivation haben wir, als mir am frühen Nachmittag in den Bus in Richtung Natile klettern; inzwischen für uns schon eine Alltäglichkeit. Gespannt sind wir jetzt, wann der schon von weitem erkennbare Felsen Pietra Kappa auftauchen wird. Es gehört inzwischen auch schon dazu, daß wir in Bussen von Mitreisenden angesprochen werden: woher, wohin usw. Bereitwillig geben wir Auskunft; inzwischen können wir ja nicht nur über unsere Pläne, sondern auch schon über die ersten Erlebnisse berichten. Und immer wieder die gleichen Reaktionen: (ungläubiges) Staunen darüber, daß sich eine deutsche Pfadfindergruppe in diese Region wagt, um zu wandern. Im Gegenzug bekommen wir aber auch regelmäßig wichtige Informationen über die vor uns liegende Strecke.

So auch heute: man macht uns darauf aufmerksam, daß wir bald den Bus wechseln müssen, um eine andere Verbindung nach Natile hoch ins Gebirge zu nehmen. Als unser Bus dann am Straßenrand hält, wissen wir Bescheid! Sonst wären wir vielleicht sitzen geblieben und ganz woanders gelandet. Vor uns wartet schon ein kleinerer Bus am Straßenrand; wir laden mit Unterstützung der beiden Fahrer unsere Rucksäcke um, und schon geht es weiter. Und da taucht auch schon am Horizont eine merkwürdig abgerundete Felsformation auf: das muß Pietra Kappa sein. Der Fahrer bestätigt uns das auf unsere Nachfrage. Er zeigt uns auch die ungefähre Richtung weiter nach San Luca. Noch einige steile Serpentinen hinauf, dann sehen wir das Ortsschild von Natile Vecchia. Unser Bus hat hier seine Endstation; also können wir in Ruhe ausladen.

Und danach stehen wir ziemlich ratlos auf der "Piazza" herum! Das Dörfchen, an sich schon keine besondere Schönheit, muß vor nicht allzu langer Zeit von einem Erdbeben heimgesucht worden sein: die Häuser rund um den Platz sind teilweise eingestürzt; die Schuttberge liegen noch herum.

"An der Piazza gehen wir, vorbei am Postkasten, durch eine Gasse zwischen Häusern aufwärts. Der Weg ist mit einem Pfeil markiert und stößt bei den letzten Häusern auf eine schmale Mulattiera, die durch Gärten, Olivenhainen und später in offenes Land führt."

Gut - aber einen Postkasten gibt es nirgendwo; auch keinen Pfeil. Diese Dinge müssen sich an einem der zerstörten Häuser befunden haben. Einheimische sind auch keine in Sicht; nur eine große Schar kleiner Kinder, die uns umringen und unser Gepäck staunend betrachten.

Also, wo ist hier eine Gasse, die zumindest bergauf führt? Davon gibt es dummerweise gleich mehrere; wir wählen schließlich den breitesten Weg. Nach kurzer Zeit kommen wir an einem Alimentari vorbei - leider geschlossen. Als wir noch beratend davorstehen, kommt die Besitzerin und öffnet das Geschäft für uns. Letzte Gelegenheit, für die nächsten beiden Tage einzukaufen. Vor allem Trinkwasser wird jetzt literweise zusätzlich ins Gepäck gepackt.

Und das ist jetzt sehr schwer, als wir uns anschließend den steilen Weg aus dem Dorf hinaufquälen. Zuerst begleiten uns noch einige der Kinder; dann bleiben sie nach und nach zurück. Ein Blick auf unsere Wegskizze zeigt, daß wir nicht unbedingt auf dem beschriebenen Weg über die "Rocce di San Pietro" unterwegs sind. Wir sind wohl eher auf der Rückwegvariante unterwegs; über eine Feldstraße, die sich zumindest für 50 Gehminuten (abwärts gerechnet) vor uns befinden soll.

Nach einigen hundert Metern; zumeist steil auf dem kleinen Teersträßchen bergauf, kommen wir zu einem Sportplatz. Am hinteren Ende des Platzes geht das Gelände in leicht hügeliges Wiesenterrain über, ehe ein steiler Abbruch kommt. Wir schauen uns das an und beschließen, hier über Nacht zu bleiben. Die bevorstehende Dämmerung trägt mit zu diesem Entschluß bei. Wir ziehen also wie gewohnt unsere Zelte hoch und schauen uns dann ein wenig in der Gegend um. Weit laufen müssen wir dazu nicht: vor uns der Abgrund; hinter uns der Sportplatz. Die Felder auf den beiden Seiten sind durch hohe Zäune abgesperrt. Nun gut, dann wird uns hier kaum einer überraschen können (glauben wir.....). Und Probleme mit dem Müll werden wir hier auch keine haben! Der Abgrund hinter uns scheint nämlich als Müllkippe für den Ort zu dienen. Von kompletten Autowracks über Toiletten bis hin zu aufgeplatzten Müllbeuteln ist auf dem Hang alles vertreten. Es ist eine Sauerei erster Güte!! Merken die Leute hier eigentlich nicht, wie sie ihre künftige Umwelt ein für allemal verdrecken? Irgendwann werden die Farbkanister, Öldosen und Autotanks mal durchgerostet sein; dann geht alles ins Grundwasser und kommt später unten im Fluß an.

An diesem Abend tun wir etwas, was wir als Pfadfinder sonst nicht machen würden: unsere eigenen Mülltüten, die wir bislang immer (und eigentlich auf allen Ferienfahrten) am Rucksack hängend bis zum nächsten Container mitgeschleppt haben, landen heute im großen Bogen bei ihren kalabresischen "Verwandten"!

Mit dem Müll ist das allerdings auch sonst ganz schön lästig: unglaublich, was man mit neun Leuten in kurzer Zeit so an Abfällen produziert. Das fängt schon an beim Frühstück: Die Konservendosen vom Fisch und Thunfisch sind sperrig, scharfkantig und verschmiert; von Leberwurst und Teewurst bleibt die Cellophanhülle übrig; auch beim Käse. Dazu an die 20 Kakao- und Cappuccinotütchen. Wenn die als "Löffel" gedient haben, sind sie auch nicht leicht zu verpacken. Solange wir Dosenbrot essen, können wir die Abfälle immer noch platzsparend in den leeren Dosen verstauen; sonst hilft nur ein Müllbeutel aus unserem Vorrat; verknotet und von einem Freiwilligen hinten an den Rucksack gebunden. Den meisten Platz aber nehmen die Plastik-Wasserflaschen ein; hier haben wir zumindest eine Methode entwickelt, das Volumen zu verkleinern: Luft rauspressen und schnell den Verschluß zudrehen; dann kann man die Flaschen irgendwo am Rucksack unter einen Spannriemen schieben.

Bei der Zubereitung des heutigen Abendessens fällt allerdings nicht viel an Müll an: gerade mal die neun Alu-Tüten unseres Fertigfutters. Und heute steht eine ganz neue Maggi-Spezialität auf dem Programm: "Rollini Carbonara"! Eigentlich hatten wir uns ja im letzten Jahr geschworen, niemals mehr Carbonara unterwegs zu machen (zu frisch sind noch die Erinnerungen an die Koch-Katastrophe am letzten Abend vor dem Flughafen von Catania in den letzten Osterferien 1998); inzwischen hat aber die deutsche Chemie anscheinend rasante Fortschritte gemacht, und ein Carbonara-Nudelgericht samt Sauce in einem einzigen Tütchen erfunden.

Beim Einkauf haben wir uns - aus Gründen der Abwechslung auf dem Speiseplan - dazu hinreißen lassen. Und die Herstellung ist eigentlich auch ganz einfach: nur ein Topf ist erforderlich; Wasser muß zum Kochen gebracht werden; Tüteninhalt rein und so lange unter stetigem Umrühren kochen lassen, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. Und das Schönste: es funktioniert! Der Kocher entwickelt sich abends dann meist zum

Fester Programmpunkt am Abend: das gemeinsame Kochen

"Lagerzentrum": alle sitzen gespannt um den Brenner herum und hoffen, daß das Essen nicht anbrennt. Na ja, die Gefahr des Topfumwerfens schwebt natürlich auch immer über uns.... (damit haben ja einige unter uns schon in den letzten Jahren böse Erfahrungen machen müssen; nur Valle nicht - aber der wird das in den kommenden Sommerferien in Norwegen nachholen....)

Ist das Essen fertig, sitzt man aufmerksam um den Topf herum und zählt jede einzelne Kelle: nach einem anstrengenden Wandertag hat jeder Hunger! Nur - heute scheint in Martins Kochgruppe was schief gegangen zu sein. Svenja meint nach dem Probieren, in ihrer eigenen Gruppe hätten die Carbonara anders geschmeckt. Nicht schon wieder! Aber es ist einwandfrei nichts angebrannt - was kann es dann sein? Tatsächlich, die Nudeln aus Martins Topf schmecken wesentlich süßer, als bei der anderen Gruppe. Ein Rätsel - wurde doch mit Sicherheit kein Zucker versehentlich mit Salz vertauscht. Durch Zufall kommen wir auf die Lösung: das verwendete Trinkwasser (gut 2 Liter) war gar kein Trinkwasser: ein genauer Blick auf das Flaschenetikett zeigt, daß wir uns gerade im Alimentari von Natile vergriffen haben: wir haben Zitronenlimonade gekauft. Damit ist der süßliche Geschmack zufriedenstellend herausgefunden. Gegessen wird trotzdem alles bis auf die letzte Nudel - was anderes gibt`s ja schließlich nicht.

Kalt geworden ist es inzwischen auf dem Sportplatz. Wir liegen zwar recht windgeschützt hinter einigen leichten Bodenwellen am Rand der Klippe; die Höhenlage macht sich aber auch heute abend bemerkbar. Da über die gegenüberliegende Bergkette auch eine dunkle Wolkenwand heranzieht, ziehen wir uns bald mit einem heißen Becher Cappuccino in die Schlafsäcke zurück.

Wir sind gerade beim Einschlafen, als uns Scheinwerfer auf der Zeltbahn und lautes Motorengeräusch hochschrecken lassen! Was ist jetzt los? "Scheiße!" und "Heil Hitler!" tönt es in bestem deutsch von draußen. Irgendwelche Jugendliche umkreisen uns mit ihren Motorrollern. Hoffentlich fahren die nicht über die Abspannseile und reißen die Zelthaut auf! Nach kurzer Beratung machen sich Martin, Jan und Valle fertig: schnell die Hose und ein Pullover drübergezogen; dazu die Trekking-Stöcke zur psychologischen Unterstützung bereitgelegt. Die werden uns kennenlernen!

Leider ist der Spuk schon wieder vorbei, als wir den Reißverschluß vom Außenzelt hochziehen und hinauseilen. Nichts mehr zu sehen; nur ganz hinten, am Anfang des Sportplatzes, kurven noch drei Scheinwerfer herum. Sicherheitshalber legen wir uns mit den Stöcken auf die Lauer. Zum Glück umsonst; die Rollerfahrer entfernen sich in Richtung Natile.

Nach dieser Aufregung dauert es eine Zeit, ehe wir wieder zur Ruhe kommen. Nachts heult der Sturm um unsere Zelte; das stört uns aber nur wenig - wir sind von den Anstrengungen des Vortages redlich müde.


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