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Samstag, 9.10.99, 9.Tag

Für 7 Uhr haben wir das Aufstehen vereinbart; sehr zum Ärger unserer Zeltnachbarn, die noch länger schlafen wollen. Sollen sie doch abends früher ins Bett gehen! Wir lassen unsere Zelte heute stehen und fahren zum Frühstück nach Arbatax. Hier befinden sich die berühmten "roten Felsen von Arbatax", die in jedem Reiseführer erwähnt werden.

Leider ist das Gelände rund um die Felsen nicht mehr so, wie wir es kennen: die schöne Promenade, auf der wir eigentlich gemütlich frühstücken wollten, ist total verwüstet und auch abgesperrt. Dazu fehlt hier noch das Sonnenlicht und ein kalter Wind bringt uns zum Frösteln. Also weiter zum Hafen. Hier machen wir es uns in der Morgensonne an der Kaimauer bequem. Die Bänke sind schnell aufgebaut und bilden einen improvisierten Tisch, auf dem die Frühstücksgruppe alles als Buffet aufbaut. Das hat sich inzwischen alles gut eingespielt; jeder Leiter und jeder Jufi weiß inzwischen, was alles für`s Frühstück notwendig ist.

Die roten Porphyr-Felsen von Arbatax im Morgenlicht Badevergnügen beim Campingplatz Telis Selbestgemachte Spätzle für 18 Pfadfinder-2 Stunden Arbeit

Nach dieser Stärkung geht es zu Fuß am Hafen entlang, danach wieder zurück zum Campingplatz. Heute haben wir jede Menge Zeit: der nächste, eingeplante Übernachtungsort liegt zwar 1000 Meter höher im Gebirge, von Arbatax aber nur etwa 40 Kilometer entfernt. Wir können uns also vor dem Zeltabbau eine Badepause am Strand gönnen. Das Wasser ist wie immer klar und warm; außerdem hat man gute Aussichten. Es geht auch ziemlich weit hinaus, ehe man den Boden unter den Füßen verliert. Das bringt die Jufis auf die unglückselige Idee, die Leiter mal ein wenig untertauchen zu wollen. Nun, sie bereuen es anschließend!

Die Duschen des Platzes werden danach ausgiebig genutzt; außerdem ist heute großer Waschtag für Wäsche und Socken. In der prallen Sonne ist alles schon fast trocken, als wir den Platz so gegen 12 Uhr verlassen. Im Hänger haben wir Leinen gespannt; hier kann alles während der Fahrt weitertrocknen. Am Crai-Markt ein längerer Stop; allgemein wird hier ein Einkaufsbummel gewünscht; kein Wunder, sind die Preise hier doch die niedrigsten, die wir bislang auf der Insel angetroffen haben. Wir finden hier z.B. unseren Wein aus Monti um 500 Lira billiger als direkt im Verkauf an der Cantina! Die Jufis schließen sich teilweise zu "Einkaufsgemeinschaften" zusammen und gönnen sich Eispackungen im Kilopack. Peter erwirbt einen ganzen Schinken zum Sonderpreis, hat danach aber das Problem, ihn irgendwo geschützt unterzubringen. Die Lösung ist dann einfach: er wird auch im Anhänger aufgehängt!

Mit einem Besuch auf dem Flohmarkt von Tortoli wird es danach aber leider nichts, weil an seiner Stelle jetzt zwar ein monumentaler Platz gepflastert ist, auf dem aber leider nichts mehr los ist. Dafür steht jetzt ein neuer Programmpunkt an: Kennenlernen sämtlicher Gassen von Tortoli - weil wir leider nicht die richtige Ausfahrt nach Lanusei finden und einige Male durch den Ort kurven müssen.

Die Straße führt nun stetig bergan; muß sie doch auf den nächsten Kilometern 1000 m an Höhenunterschied überwinden. Kurz vor Lanusei folgen wir dann den etwas irreführenden Schildern einer Umleitung für LKW - wir wollen uns das Durchfahren der engen Gassen wie gestern in Jerzu ersparen - eine Carabinieri-Streife bringt uns aber schnell wieder auf den richtigen Weg.

Oberhalb von Lanusei noch ein Fotostop: weit schweift der Blick nun bereits hinunter auf die Ostküste mit dem Hafen von Arbatax. Und kurz darauf erreichen wir unsere Hochebene, auf der wir heute schlafen wollen. Kurz vor Villanova warten wir ab, bis kein anderes Auto in Sicht ist; dann fahren wir schnell eine Schotterpiste hinunter, durchqueren ein ausgetrocknetes Bachtal und parken die Busse im Sichtschutz eines kleinen Wäldchens. Auch dies ein Patz, der uns traditionsgemäß als Übernachtungsort dient. Leider führen die Bäche hier jetzt kein Wasser mehr; Waschen und Spülen am fließenden Wasser muß hier also entfallen; wir haben aber genügend Kanister-Vorräte dabei.

Das Gelände ist so weiträumig, daß jeder sein Zelt mit genügendem Abstand aufbauen kann; einzige Bedingung: außerhalb der Sichtweise von der Straße (denn dort kommen ab und zu schon mal Carabinieris vorbei, die wir ja nicht unbedingt auf uns aufmerksam machen müssen). Einige Jufis legen sich sogar aus Steinen einen Vorgarten ums Zelt an. Die Mädchen stellen den Pferden nach, die überall hier oben grasen. Und Martin beginnt mit einer Kochgruppe die langwierige Arbeit des Kochens. Aus dreißig Eiern, 2 Kilo Mehl und etwas Salz und Öl ensteht ein Nudelteig, der mit Hilfe einer Spätzlepresse zu frischen Nudeln verarbeitet wird. Gleichzeitig muß die Kochmannschaft sich mit der Herstellung eines Gulaschs befassen, bei dem natürlich auch wieder Unmengen an Zwiebeln geschält werden müssen.

Inzwischen haben sich mehrere Crossfahrer auf der Hochebene eingefunden und bieten uns eine kostenlose Vorführung. Bis dann bei einem von ihnen die Antriebskette reißt. Der Transit, der zum Abtransport der Maschine erscheint, kommt anschließend nur mit Mühe die Schotterpiste wieder hoch - hoffentlich haben wir morgen nicht die gleichen Probleme! Die Sarden, die an unserem Camp vorbeikommen, grüßen freundlich.

Als die Sonne hinter den Bergen des Gennargentu-Massivs verschwindet, wird es gleich empfindlich kühl! 1000 Meter Höhe - unser höchster Übernachtungsort bislang. Das macht sich jetzt temperaturmäßig bemerkbar.

Einige Leiter kommen dadurch auf eine etwas seltsame Idee: sie wollen einen Schlafsacktest machen! Schnell sind dafür die Regeln vereinbart: nur kurze Klamotten im Schlafsack; keine Überplane! Nur im Schlafsack unter freiem Himmel. Die beiden Mädchen und auch Marianne und Martin weigern sich aber beharrlich, bei diesem Test mitzumachen. Aus Erfahrung wissen sie, wie kalt es hier oben im Gebirge in der Nacht werden kann!


Sonntag, 10.10.99, 10.Tag

Und es wurde kalt in dieser sternklaren Nacht! Schon früh hört man aus den zugeschnürten Schlafsäcken unserer "Testschläfer" die flehenden Hilferufe nach heißem Kaffee. Als Martin aus seinem warmen Zelt kommt, um die Sache auf Videoband zu verewigen, wird ihm auch schnell der Grund klar: Eis und Rauhreif, wohin das Auge reicht! Eis auf den Schlafsäcken, Eis auf den Zelten, Eis auf den Autos. Eis in der Spülschüssel: die Nudelpresse ist gleich mit eingefroren.

Kurz darauf schälen sich die frierenden Tester aus den Schlafsäcken, um sich durch etwas Bewegung warmzuzittern. Und dabei wird deutlich, daß nur Jan sich an die vereinbarten Regeln gehalten hat: kurze Hose und T-Shirt. Alle anderen haben über Nacht klammheimlich Zusatzsachen angelegt; von wärmenden Mützen bis hin zur langen Unterhose reichend. Trotzdem will keiner so recht zugeben, in dieser Nacht unter dem freien Sternenhimmel gefroren zu haben - und so wird es bis auf Weiteres ein Geheimnis bleiben, welche Firma denn nun am besten abgeschnitten hat: Ajungilak, The North Face, Wolfskin, Helsport oder McKinley!

Egal - schon tauchen die ersten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen im Osten auf. Und dort, wo die Sonne hinreicht, ist das Eis und der Rauhreif schnell verschwunden. Wir stehen mit den dampfenden Bechern herum und beobachten, wie die Zelte zusehends trocknen.

Im Bräter brutzelt bald darauf der letzte Frühstücksspeck und wartet auf unsere letzten 20 Eier. Im Gegensatz zum ersten Rührei bei Pinuccio langen diesmal alle kräftig zu. Zusätzlich gibt es heiße Würstchen zum Frühstück. Das alles hilft, die letzte Kälte aus den Gliedern zu vertreiben. Plötzlich kommt von der Straße her ein Wagen zu uns herab; erst fürchten wir neuen Ärger - es ist aber nur ein Bauer, der uns freundlich grüßt. Zweihundert Meter hinter unseren Zelten beginnt er, Futter zu verstreuen - und siehe da: schon kommen von weit her seine Kühe herangetrabt - ganz am Schluß, und eher bedächtig, ein roter Bulle. Hier ist nun natürlich die kleine Geschichte von Father Bull and Son Bull fällig! Die Herde läßt sich von uns bei ihrem Frühstück nicht stören.

Wir machen uns nach unserem Frühstück ans Spülen - vor allem der Bräter muß intensiv gereinigt werden. Die Jufis bauen derweil schon mal ihre Zelte ab. Bald darauf erscheint auch schon wieder der Biker von gestern und dreht seine Runden durch`s Gelände. In aller Ruhe werden Hänger und Fahrzeuge beladen - wieder einmal ein Tag mit blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein; wieder einmal Zeit für T-Shirt und Shorts.

Ohne Probleme geht es zunächst durch die trockene Furt und dann den Abhang hinauf - wir haben ja auch genug Gewicht auf den Hinterachsen. Im nächsten Dorf, Villanova, nur ein kurzer Stop an einem Container, um unseren blauen Müllsack zu entsorgen. Wir erkennen das Haus, bei dem wir schon mal Wasser geholt haben und natürlich auch die kleine Bar, die seinerzeit zu unserer Erfrischung recht gelegen kam. Und dann taucht neben uns die neue Schnellstraße auf, die uns auf der ersten Tour `95 so viel Verdruß bereitet hat! Damals war sie noch für den Autoverkehr gesperrt - mit ihrer neuen Asphalt-Decke für uns Radfahrer aber so verlockend, daß wir nicht widerstehen konnten. Kilometer um Kilometer waren wir damals auf der sanft auf- und abfallenden Strecke gefahren, bis wir dann plötzlich an ein tiefes Tal kamen, wo die notwendige Brücke über den reißenden Gebirgsfluß leider erst nur aus halbfertigen Pfeilern bestand. Damals hieß es, alles wieder zurückzufahren und die steile Bergstrecke zu nehmen - drei bis vier Stunden Verzögerung waren das - dafür fanden wir aber quasi per Zufall den tollen Platz oben auf der Hochfläche, auf der wir auch die gestrige Nacht preiswert und abseits von neugierigen Carabinieris verbracht haben. Jetzt ist die Brücke fertig und der gesamte Verkehr zieht neben uns auf der neuen Schnellstraße dahin.

Nach einem Blick auf die Karte haben wir uns heute dagegen für die alte Paßstrecke entschieden. Während die jetzige Strecke durch den Tunnel führt (den wir `95 dankbar genossen haben) zieht sich unsere alte Straße nun in vielen Serpentinen hoch zum "Passo Arcu Correboi" . Diese Straße spielt wohl nur noch eine völlig untergeordnete Rolle. Man sieht es an den vielen Steinbrocken, die von den Hängen herabgebrochen sind, und die wohl niemand mehr wegräumt. Dann plötzlich mitten auf der Straße die zweite Kuhherde des Tages: hier hat der Bauer das Futter genau entlang des Mittelstreifens verteilt. Und die Tiere danken nicht daran, sich durch unser Hupen beim Sonntagsfrühstück stören zu lassen. Vorsichtig tasten wir uns an ihnen entlang, und die eine oder andere Kuh wird dabei aus dem Wagenfenster etwas gestreichelt.

Von der Straße aus haben wir jetzt einen guten Blick auf den höchsten Berg Sardiniens, den "Punta La Marmora"; immerhin 1834 m hoch und bis weit ins Frühjahr hinein ein sicheres Ski-Gebiet. Die Sicht ist heute sehr klar und man kann jeden einzelnen Gebirgszug des "Gennargentu-Massivs" gut erkennen. Vielleicht werden wir irgendwann mal hier wandern.

Oben am Arcu Correboi haben wir laut Yoga inzwischen über 1000 m erreicht; wir legen eine kurze Rast ein und erkunden die oberhalb der Straße gelegene Ruine. Kleine Tütchen mit weißem Inhalt und das Herannahen mehrerer Autos lassen wilde Spekulationen aufkommen. Vorsichtshalber verziehen wir uns und fahren auf der anderen Seite des Gennargentu die Paßstraße hinunter. Nun fahren wir doch noch zum Tunnel, zumindest zum Nordportal. Hier befindet sich eine Quelle, deren Wasser zum Besten der Insel zählt und wohin Leute von weit her kommen, um sich den Wagen mit Kanistern vollzuladen. Klar, daß wir hier unsere Tagesration auffüllen wollen. Leider fließt die Quelle jetzt im Herbst nur noch sehr spärlich; es dauert lange, bis jeder wenigstens eine Flasche gefüllt hat.

Zügig geht es nun weiter über die Hochfläche von Pratobello hinunter nach Orgosolo. "Orgosolo" - dieser Name ist weltweit bekannt als Synonym für sardisches Banditentum, Blutrache und Entführungsfälle. Natürlich nur ein Klischee, das für Touristen aber scheinbar gepflegt wird. Weil wir nun aber schon mal durchfahren, wollen wir wenigstens eine kurze Rast einlegen, einen sonntäglichen Cappuccino schlürfen und uns die "murales", politische Wandmalereien aus den 70er Jahren, anschauen. Wenn wir aber ganz ehrlich sind: Orgosolo ist an diesem Sonntag ein verschlafenes Nest; die Wandmalereien sind schon ziemlich verblaßt und vom Sinn her wegen der sardischen Sprache für uns unverständlich. Unterhalb von Orgosolo machen wir dann noch einen Fotostop an einem bemalten Felsen.

Nun biegen wir nach rechts ab in die Straße, die uns in wenigen Kilometern nach Oliena führen wird. Und dann liegt er in seiner ganzen majestätischen Pracht vor uns: der "Supramonte", ein gewaltiges, in der Sonne fast weiß strahlendes Gebirgsmassiv von enormen Ausmaßen. Dies ist unser Zielgebiet für die ab morgen geplante mehrtägige Trekking-Tour. Klar, daß auch hier wieder vor der grandiosen Kulisse ein weiterer Fotostop fällig ist! (Schade nur, daß Peters Apparat einen Defekt hat und all diese schönen Bilder leider nichts wurden....)

Oliena liegt am Fuß des Supramonte; etwa auf 300 Metern. Direkt hinter dem kleinen Städtchen, das insbesondere für seinen Wein berühmt ist, ragen die fast senkrechten Wände der Gebirgskette auf; bis hinauf zur höchsten Erhebung, dem "Punto Corrasi" mit 1463 m. Auf halber Strecke hinauf liegt die uns ja schon von `89 her bekannte "Cooperative Enis". Schon vor 10 Jahren waren wir mit Angelo, einem der Führer der Cooperative, zwei Tage im Supramonte unterwegs; für 1999 stellen wir uns wieder so eine Tour vor und haben bereits von Deutschland aus Kontakt mit Oliena aufgenommen.

Zuerst aber müssen wir uns durch Oliena selbst durchquälen; die Gassen sind eng, und zwei Kleinbusse samt Hänger bilden da schon eine kleine Karawane. Schließlich haben wir den Abzweig zur Cooperative am Ende des Städtchens gefunden, und nun beginnt ein steiler Anstieg auf einem winzigen Sträßchen. Höher und höher schrauben sich die Serpentinen am Hang hinauf, bis wir schließlich an der staubigen Einfahrt zur Coop ankommen. Einige Leiter erkunden erst einmal das Terrain - von den Lagerplätzen von `89 ist nicht mehr viel übrig - die Frage ist also, wo wir wohl mit unseren Zelten hinsollen.

Auch sonst hat sich am Gebäude ziemlich viel verändert. Die Coop hat sich inzwischen wohl zu einem Hotel mit einem guten Restaurant gewandelt. Im großen Speisesaal herrscht - der sonntäglichen Mittagszeit angemessen - ein enormer Trubel. Es dauert lange, bis wir uns an der Rezeption bemerkbar machen können. Dank unserer Fax-Kopie identifiziert man uns nun aber glücklicherweise schnell; man weiß also, daß wir in diesen Tagen mit unserer Gruppe hier vorbeikommen wollen. Zuerst einmal klären wir die Frage des Zeltgeländes samt zugehöriger Toiletten und Duschen. Sie liegen jetzt hinter dem Haus auf kleinen "Mini-Terrassen".

Dort werden die Zeltplätze für die einzelnen Gruppen festgelegt, und danach beginnt der inzwischen routinemäßige allabendliche Aufbau; interessiert beobachtet von einer Vielzahl von Katzen, die überall herumstreifen. Auf der großen Terrasse sammeln wir uns dann zu einer Art "Nachmittagskaffee", bei der sich jeder nach Geschmack bedient. Positiv wirken sich hier natürlich auch noch die Lagerbestände aus der Cantina in Monti aus. Dabei können wir eine weite Aussicht bis hinüber nach Nuoro, der Provinzhauptstadt, genießen. Im Nordosten sieht man auch schon die zukünftige Fahrtstrecke der weiteren Tour.

Aber so weit sind wir noch nicht! Martin muß zwischenzeitlich mehrmals zur Rezeption, da es anscheinend doch kleinere Schwierigkeiten gibt, einen geeigneten Führer für unsere Wandertour zu finden. In der Coop sind alle Leute in den nächsten Tagen voll eingespannt --sie suchen jetzt telefonisch nach anderen Führern aus Oliena. Und werden zum Glück fündig! An einer Reliefkarte haben wir Leiter inzwischen eine aus unserer Sicht wünschenswerte Tour zusammengestellt: quer durch den Supramonte hinab ins Lanaitto-Tal; dort Übernachtung in unseren Zelten; Besuch der Höhle Sa Oche und dann zurück am zweiten Tag bis zur Quelle bei Su Cologone. Auf der Karte nur ein kleines Stück Sardinien - wir machen uns aber nichts vor: für uns wird das sicher das schweißtreibendste Stück Sardiniens werden!

400.000 Lira soll der Führer für die beiden Tage kosten - klar, wir könnten uns auch allein in den Supramonte wagen; aber wehe, wenn dann das Wetter umschlagen sollte! Also sagen wir für die nächsten beiden Tage fest zu. Für diesen Abend bestellen wir dann für alle Teilnehmer für 20 Uhr ein typisch sardisches Essen im Restaurant der Coop: "Pane Vrattau".

Nachdem das alles geregelt ist, macht sich ein Großteil der Gruppe auf zu einem nahegelegenen Felsen, um dort seine Kletterkünste zu erproben. Der Rest kommt nach, nachdem die Busse und der Hänger oben auf der Terrasse direkt am Haupteingang geparkt sind. Das freundliche Faktotum der Coop hat darauf Wert gelegt - so habe er die Fahrzeuge sicherer unter Kontrolle; vor allem, wenn wir ab morgen unterwegs sind.

Am Kletterfelsen ist kurz darauf emsiges Treiben: jeder, der möchte (und das sind alle), kann sich unter der erfahrenen Aufsicht und Anleitung von Jan und Andree mit Helm, Sitzgurt und Seil absichern lassen und dann den Weg hoch zur Felsspitze erklimmen. Zuvor noch eine kurze Einweisung ins Abseilen - und schon macht sich einer nach dem anderen an den Aufstieg. Oben dann ein Erinnerungsfoto; danach der Abstieg: mit gegrätschen Beinen die Felswand hinunterlaufen! Das kostet die Anfänger sicher noch mehr Überwindung als der Hinaufklettern.

Als die Sonne hinter den Bergen untergeht und die Felsen in ein warmes, gelbrotes Licht taucht, machen wir langsam Schluß. Wir wollen uns vor dem Besuch im Restaurant zumindest noch mal richtig waschen. Wann haben wir eigentlich zum letzten mal an einem richtigen Tisch gegessen?? Hoffentlich haben wir das noch nicht ganz verlernt....

Unsere jungen Damen nutzen die Gelegenheit des öffentlichen Auftritts und werfen sich richtig in Schale! Gut überlegt - denn ab morgen wird uns keiner mehr sehen! Im Restaurant ist für uns schon ein langer Tisch reserviert. Unsere Ermahnungen an die Jufis, sich lautstärkemäßig ein wenig zurückzuhalten, wären nicht notwendig gewesen: die Sarden an den umliegenden Tischen veranstalten selbst schon einen Heidenspektakel. Also können auch wir uns "ganz wie zu Hause" fühlen.

Da die Gruppenkasse für Essen und Trinken aufkommt, wird dem Aqua Minerale und dem Tischwein gerne zugesprochen. Beim Studium der Speisekarte beschließen wir, zunächst mal abzuwarten, wie stark uns das Pane Vrattau sättigen wird; nachbestellen können wir dann immer noch. Als erster Gang erscheint nun das knusprige Pane Karasau, das sardische Hirtenbrot (wegen seiner dünnen Beschaffenheit auch als "Notenpapier" bezeichnet) auf dem Tisch. Und schon hebt ein allgemeines Knabbern an den pizzagroßen Brotfladen an. Dazu gibt es zur Feier des Tages auch für alle interessierten Jufis (alle zeigen sich stark interessiert!) ein stilvolles Glas mit Rotwein, entweder pur oder mit Wasser verdünnt.

Und dann erscheinen die Teller mit dem Pane Vrattau: für Sarden normalerweise nur eine Vorspeise, für viele von uns erweist sich das in den nächsten Minuten als voll sättigende Mahlzeit! Dabei ist das ganze recht einfach: mehrere Lagen des Hirtenbrotes, kurz in Wasser eingeweicht und jeweils mit einer Schicht Tomatensauce überzogen; als Krönung darauf dann geriebener "Pecorino" (Schafskäse) und ein im Wasserbad pochiertes Ei.

Das Essen selbst verläuft nach einem festen Ritual: die weichen Brotfladen werden von der Seite her über das Zentrum zusammengeklappt, und dann ähnlich wie ein Pfannkuchen mit Messer und Gabel gegessen. Oh Mann, das sättigt! Dennoch schaffen fast alle ihre komplette Mahlzeit - und einige bestellen sogar noch zusätzlich Spaghetti, Ravioli oder sogar sardisches Wildschwein. Nichts gegen unsere eigene Lagerküche - die ist in diesem Jahr sogar reichhaltiger denn je - aber mit diesem Angebot an sardischen Spezialitäten kann sie natürlich nicht mithalten!

Zwischenzeitlich ruft uns die Rezeption ans Telefon: Start morgen früh ist um 9 Uhr. Weil sich dabei gerade die Gelegenheit bietet, fragen wir nach dem Rezept des Pane Vrattau. Marianne und Martin dürfen daraufhin ins "Allerheiligste" des Restaurants, die Küche. Hier führen ihnen mehrere Köchinnen und Köche Schritt für Schritt die Herstellung vor. Einige Fotos zur Dokumentation sichern diese neuen Erkenntnisse.

Die ersten Jufis verabschieden sich bald darauf; ihnen fallen schon die Augen zu. Die restlichen Teilnehmer folgen aber bald; der Tag hat seine Spuren hinterlassen und alle sind dementsprechend müde.


Montag, 11.10.99, 11.Tag

Die ersten Leiter sind schon ab 5 Uhr in der Frühe auf - leider gibt es nur eine einzige Toilette und eine einzige Dusche - das muß man sich natürlich einteilen! Noch in völliger Dunkelheit stolpern daher die Frühaufsteher die Terrassen hinunter, möglichst den bereits aktiven Katzen ausweichend, in Richtung Dusche. Erster Schock des Tages: die Dusche hat nur kaltes Wasser. Was soll`s? Und die Tatsache, daß die Toilette südländischer Bauart ist, d.h., kein "normales" Toilettenbecken besitzt sondern lediglich 2 Fußtritte, kann auch nicht mehr besonders überraschen.

So gegen 7 Uhr, mit einsetzender Dämmerung, beginnen die Gruppen, ihre Rucksäcke zu packen und die Zelte abzubauen. 2 Stunden Zeit bis zum Aufbruch - das ist ziemlich knapp! Zumal bereits jetzt gut überlegt werden muß, was mit in den großen Trekking-Rucksack kommt, und was man vielleicht aus Gewichtsgründen doch besser im Day-Pack in den Bussen läßt. Diese Entscheidung soll aber erst nach dem Frühstück auf der Terrasse fallen - bis dahin wird es richtig hell sein und dann weiß auch jeder, was er an Verpflegung mitschleppen muß.

Zwei Tage im Supramonte liegen nun vor uns - einer der Höhepunkte der Fahrt. Zitat aus unserem Reiseführer:

"Supramonte di Oliena. Einer der unwegsamsten und schönsten Teile des Supramonte für Wanderungen. Gleichzeitig die höchste Region, die ganz schnell in den Wolken verschwinden kann. So unangenehm das ist: nicht mehr weiterwandern! Auch bei guter Sicht gibt es reichlich Gelegenheit, abzustürzen (Geier und Adler sorgen diskret für die Beseitigung der Reste)."

Trotz dieser eher düsteren Aussichten hatten wir uns in der Vorplanung für dieses Gebiet als Wanderstrecke entschieden - nicht zuletzt deswegen, weil unsere Jufis hier erstmals einen unmittelbaren und direkten Kontakt mit der sardischen Natur bekommen werden. Zwei Tage unterwegs in der Einsamkeit!

Gut, aus Sicherheitsgründen natürlich mit einem einheimischen Führer. Und so, wie sich der morgendliche Himmel langsam aufhellt und in vielen Pastelltönen schimmert, wird es ein schöner Tag ohne plötzliche Wetterumschwünge werden. Das konnten wir von Deutschland aus natürlich nicht vorplanen - unter Umständen hätten wir bei schlechtem Wetter auf diesen Programmpunkt verzichten müssen.

Während die Jufis noch ihre Zelte abbauen und - wie zu Hause ausgiebig trainiert - auf die einzelnen Träger verteilen, breiten Marianne und Martin vor dem Eingang zum Restaurant die 18 einzelnen Verpflegungsrationen für die nächsten 36 Stunden aus. Jeweils 2 Wanderer bilden eine autonome "Verpflegungseinheit". In Zahlen ausgedrückt heißt das: 2 Konserven mit Dosenbrot, 1 Dose Thunfisch, 1 Stück Käse, 6 Pfefferlinge, 1 Leberwurst, 4 Müsliriegel, und 2 Tafeln Nußschokolade. Alles ziemlich kompakt und nahrhaft; allerdings leider auch nicht ganz leicht. Dazu muß sich jeder noch mit dem nötigen Trinkwasser versehen. Da wir am Abend eine Quelle in der Höhle "Sa Oche" erreichen werden, reicht ein persönlicher Trinkwasservorrat von etwa 2 Litern für die erste Tagesstrecke. Auf warme Mahlzeiten verzichten wir auf dieser 2-Tages-Tour - dadurch sparen wir den Transport von zusätzlichen Kochtöpfen und Gasbrennern samt Kartuschen. Außerdem brauchen wir so für`s Kochen und Spülen kein zusätzliches Wasser mitschleppen. Auf etwas Warmes braucht man allerdings nicht ganz zu verzichten: wir nehmen einen Gasbrenner und unseren kleinen Wasserkessel mit: wer möchte, kann sich also zusätzlich mit Kakao- oder Cappuccinotütchen eindecken.

Leider drängt nun langsam die Zeit! Um acht Uhr sind immer noch nicht alle auf der Terrasse - hier sollte um diese Zeit besprochen werden, was jeder unbedingt in den Rucksack einpacken muß - aber alle rennen durcheinander: den einen fällt ein, daß sie sich ja noch waschen müssen; andere füllen derweil die Wasserflaschen. Um halb neun sind dann wenigstens alle neun Jufis versammelt und werden nochmals darüber informiert, was man unbedingt mitnehmen muß und wo der Rest deponiert werden kann.

Aus der Rezeption ruft man uns nun zu, daß die bestellten Brötchen und die Milch bereitstehen - und so gibt es nun ein hastig improvisiertes Frühstück auf der Terrasse. An der Rezeption treffen wir auch auf unseren Führer und sind erstaunt, daß es gleich deren zwei sind: Moreno und Flavio. Wenn man uns schon zwei Leute zur Seite stellt, haben wir wohl einiges zu erwarten. Und noch besser: Flavio spricht gut deutsch; Moreno etwas, dafür aber zusätzlich französisch. Paolo von der Coop bespricht nun mit uns den endgültigen Ablauf der Tour. Am heutigen Tag werden uns Moreno und Flavio über den Supramonte hinweg bis hinunter ins Lanaitto-Tal begleiten; dort werden sie uns abends verlassen. Wir dagegen werden in der Nähe der Höhle Sa Oche mit unseren Zelten übernachten. Am nächsten Morgen wird dann Paolo von der Coop erscheinen um uns bis zur Straße bei Su Cologone zurückzuführen; vor allem aber, um uns die Höhle etwas intensiver zu zeigen. Er deutet auch an, daß wir mit Moreno einen der erfahrendsten Führer der Insel bekommen haben, der den Supramonte in und auswendig kennt. Erfreulich, falls wir wider Erwarten doch noch in schlechtes Wetter geraten sollten.

So gegen halb zehn macht sich dann die erste Gruppe auf den Weg: mit dem Transit bringt Andree sie hoch hinauf bis auf 1200m Höhe. Aber was heißt hier "hinaufbringen" - diese Fahrt wird wohl kein Teilnehmer so schnell vergessen (der Transit wahrscheinlich auch nicht). Zeigt sich der enge, serpentinenartige Weg hinauf anfangs nur von seiner schlechten Beschaffenheit her, so wird er zunehmend eine Herausforderung für die Schwindelfreiheit! Schmal, grob geschottert, mit tiefen Wasserrillen - und weiter oben ohne jede Leitplanke oder wenigstens Felsbrocken am Rand als zumindest optische Sicherheit.

Die zurückgebliebene Gruppe wundert sich zunächst über das lange Ausbleiben und hat nach einer knappen Stunde schon Visionen von einem defekten Transit - wir sind froh, als wir das von oben näherkommende Motorengeräusch hören. Andree hat die erste Gruppe schon weit unterhalb der letzten Wendeplatte aussteigen lassen; sie ist jetzt mit den beiden Führern auf den letzten Metern zu Fuß unterwegs.

Als wir dann aber selbst unterwegs nach oben sind, wird allen schnell der Grund für die lange Fahrtdauer klar. Selbst im ersten Gang schafft es unser gutmütiger Transit kaum um die engen Serpentinenkurven. Wäre an diesen Stellen nicht der Weg auf einigen Kurvenmetern mit Steinplatten ausgelegt - es wäre nicht zu schaffen gewesen. Die erste Gruppe ist wohl inzwischen schon oben angekommen; wir fahren also bis zur "Endstation" durch. Allerdings bleiben wir vor der letzten Kurve liegen. Bis auf Martin und Paolo müssen alle aussteigen und mit ihren Rucksäcken die letzten Meter zu Fuß zurücklegen. Der so erleichterte Wagen schafft mit dem Gewicht der beiden auf der Hinterachse und Andree hinter dem Steuer in einem dramatischen Endspurt mit durchdrehenden Reifen die letzten Meter hoch zur Wendeplatte. Gut, daß Paolo den Wagen zurückfahren wird! Von uns hätte daran keiner mehr Interesse.

Nachdem dies geschafft ist, können wir uns endlich der tollen Aussicht widmen. Links von uns liegt der Punto Corrasi; zu Fuß wohl in einer Stunde von hier aus zu erreichen. Hinter uns der Punto sos Niddos, mit seinen 1349m der nächstgrößere Gipfel in Sichtweite. Nach einigen Erinnerungsfotos (sie wären wirklich schön gewesen, wenn Peters Apparat funktioniert hätte...); aufgenommen an der gleichen Stelle wie 1989, geht es dann in einer langen Kette los in Richtung Lanaitto-Tal.

Welch ein Unterschied zur `89er Tour! Die Landschaft hat sich natürlich nicht geändert - wohl aber die Ausrüstung der Teilnehmer! Vor zehn Jahren beherrschten billige Außengestellrucksäcke das Bild; an Stelle von leichten Polyesterzelten hatte jeder einen schweren Bundeswehrponcho mitzuschleppen; und schweißableitende Funktionsunterwäsche war ein unbekanntes Fremdwort.

Start zur 2-tägigen Trekking-Tour durch den Supramonte Vor uns der Monte Udde Mittagsrast im kargen Schatten

Aber auch so kommen wir unter der gnadenlos auf uns herabbrennenden Sonne bald kräftig ins Schwitzen. Glücklicherweise gibt es keine großen Höhenmeter bergauf zu machen. Unsere Route führt mehr über eine Art Hochebene; dennoch sehr unwegsam und schwierig zu laufen. Man muß sich bei jedem Schritt genau überlegen, wohin man den Fuß setzen will - dennoch ereignen sich ab und zu kleinere Stürze, zum Glück ohne ernstere Folgen. Wir sind froh, daß unsere beiden Führer mit Handys ausgerüstet sind, um im Ernstfall Hilfe herbeirufen zu können.

Von den Beiden erfahren wir eine ganze Menge über den Supramonte. Nach etwa einer Stunde erreichen wir plötzlich eine freie, ebene Stelle mit einer der hier typischen "Cuillas", einer Hirtenhütte. Untenherum mit einem Kranz aus Steinen etwa mannshoch gebaut; darüber ein Spitzdach aus ausgebleichten Hölzern. Innen erwartet uns eine Überraschung: Moreno holt eine Wasserflasche heraus und bietet den Leitern einen Schluck an: "Aqua santa"; kein Wunder bei über 50 Prozent! Peter entdeckt hier betrübt, daß seine Kamera den Film nicht transportiert hat: seine letzten 38 Fotos müssen wir halt abschreiben. Mit dem neu eingefädelten Film sind nun wiederum erst einmal einige Gruppenfotos erforderlich. Wir werden uns in späteren Jahren daran erfreuen!

Nach dieser Rast geht es nun vorwiegend abwärts; der "Weg" ist sogar rot-weiß-rot markiert und führt zu einem Taleinschnitt, von dem aus wir eine gute Sicht hinunter ins Tal von Su Cologone haben. Dort machen wir gegen halb eins Mittagsrast. Moreno zeigt uns eine verborgene Wasserstelle, warnt uns jedoch davor, daraus zu trinken, da die Wasserqualität durch Mückenlarven beeinträchtigt sei. Nun, wir haben ja ausgiebige eigene Vorräte dabei. Je nach Temperament sitzen wir im Schatten einer der großen Felsen oder sonnen uns auf ihnen. Die Zweierteams holen ihre Verpflegung hervor und machen sich drüber her. Gegenüber liegt die eindrucksvolle Felswand des Monte Udde; von unten mit der Schwierigkeitsstufe VII+ zu besteigen.

So gegen 13 Uhr geht es weiter; über einen Sattel hinweg und dann wieder weiter abwärts; Yoga, unser Höhenmesser zeigt brav die zurückgelegten Höhenmeter an. Wir befinden uns momentan noch auf etwa 1000 Metern und müssen zum Boden des Lanaitto-Tals etwa 900 Höhenmeter absteigen. Was das für unsere Beinmuskeln bedeutet, werden wir allmählich im Laufe der nächsten Stunden erfahren....

Noch geht es recht einfach und auch zügig bergab; bald aber versperren uns immer mehr Felsbrocken den Weg; wieder will jeder Schritt gut überlegt sein. Leider geht bei einer solchen Gangart die Aussicht verloren - und die hätte wirklich mehr Aufmerksamkeit verdient! Unser Blick reicht nun bereits über das Lanaitto-Tal hinweg bis hinüber zur Bergkette bei Dorgali, an der sich die alte "Orientale Sarda", die östliche Hauptstraße der Insel, entlangzieht. Hinter dieser Bergkette liegt bereits die Ostküste.

schwitzend durch den Supramonte Das Gepäck drückt immer heftiger Geschafft-Ankunft im Lanaitto-Tal

Der Abstieg wird steiler; hinunter über bröseliges Gestein zu einem einzelnstehenden Baum. In seinem Schatten legen wir erneut eine Rast ein. Um uns herum eine Art Hochfläche mit Gras; darauf verstreut zusammengetragene Steinhaufen. Moreno meint, das hätten Hirten getan; den Grund dafür weiß er aber auch nicht. Nach der Pause gilt es, eine Felsschwelle zu überwinden. Hier zieht sich erstmals die Wandergruppe weit auseinander. Haben wir Leiter bereits bei der Cuilla einen unserer Jufis von etwas Gepäck entlastet; schnappt sich jetzt Moreno kurzerhand seinen kompletten Rucksack. Er führt uns wieder zu einer Wasserstelle - wir, als Unkundige, hätten zwei Meter dran vorbeilaufen können, ohne sie zu erkennen. Die Wasserstelle ist gut mit Steinplatten überdeckt, um sie vor äußerer Verschmutzung zu schützen. Moreno schöpft daraus Wasser und meint, wir könnten es bedenkenlos trinken. Das tun wir auch tapfer, obgleich uns das Wasser nicht so ganz klar erscheint. Wir laden ihn im Gegenzug zu einem Becher Wein ein (denn zum Ausgleich für die Strapazen des Tages haben sich die älteren Leiter alle mit einem Zusatzfläschchen versehen).

Was nun folgt, bringt viele von uns an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit: ein Steilabstieg hinunter ins Tal. Etwa 400 Höhenmeter liegen noch vor uns; Moreno meint, "es würde jetzt noch etwas steiler" als bisher. Uns macht aber weniger der Steilabstieg zu schaffen als vielmehr die Bodenbeschaffenheit: der Regen hat die Kalkfelsen im Laufe der Zeit reliefartig ausgehöhlt; die Reliefkämme, über die wir uns nun bergab hinuntertasten, sind äußerst scharfkantig. Wer hier ausrutscht und hinfällt, bekommt blutige Hände und Beine - das ist allen schnell klar. Dementsprechend vorsichtig steigen wir ab. Und dementsprechend langsam geht es voran. Moreno an der Spitze muß immer wieder auf den Rest der Gruppe warten. Egal - jeder muß hier sein individuelles Tempo finden! Außerdem haben wir noch genug zeitlichen Spielraum. Endlich haben wir es geschafft: wir stehen (fast) auf dem Talboden; jetzt nur noch wenige hundert Meter, und wir erkennen plötzlich unsere Wegstrecke von der Tour `97 wieder. Von hier aus bis zum abendlichen Lagerplatz sind es nur noch ein paar Schritte.

Wir erreichen ein größeres Haus; es scheint sich dabei um die Basis der Wächter für das naheliegende Nuraghendorf zu handeln. Hier besorgt uns Moreno einen 20-Liter-Trinkwasserkanister. Dadurch ersparen wir uns den sonst unvermeidlichen Abstieg hinein in die Höhle Sa Oche. Während wir Leiter noch erschöpft im Gelände herumsitzen, regenerieren sich unsere Jufis ziemlich schnell und erkunden die Gegend. Dann ist es Zeit für den Abschied von Flavio und Moreno; sie haben per Handy Bekannte aus Oliena mit einem Fahrzeug angefordert. Ein volltrunkener sardischer Hirte sorgt zwischenzeitlich noch für ein wenig Unterhaltung.

Dann sind wir allein (bis auf die Gesellschaft einiger räudiger Köter und Katzen). Moreno hat uns noch vor den hier freilaufenden Schweinen gewarnt; wir sollen unsere Lebensmittel lieber hoch in die Bäume hängen. Langsam setzt die Dämmerung ein, und wir machen uns an den Zeltaufbau. Platz genug ist vorhanden; die einzelnen Zelte liegen weitverstreut im Gelände verteilt. An einem Felsen sitzen wir dann zum Abendessen zusammen, kochen Kaffee und genießen die letzten Weinvorräte. Nach und nach verschwinden dann alle in ihren Zelten. Es war ein anstrengender Tag!


Dienstag, 12.10.99, 12.Tag

Um neun Uhr will Paolo mit unserem Transit da sein – wir stehen also mal wieder zeitig auf und frühstücken um acht. Danach werden die Zelte abgebaut und die Rucksäcke gepackt. Dennoch muß Paolo noch einige Zeit warten, bis alle von uns fertig sind. Mit Taschen- und Stirnlampen machen wir uns dann auf zum nahegelegenen Höhleneingang von Sa Oche. Die gepackten Rucksäcke bleiben derweil an der Mauer des Hauses stehen.

„Sa Oche“, der sardische Name heißt übersetzt „Stimme des Wassers“, war schon 1997 unser Wanderziel. Damals müssen wir wohl den Eingang ins Höhleninnere übersehen haben, oder wir haben uns ohne Lampen nicht weiter hineingetraut. Paolo geht zielstrebig voran und bedeutet uns, die Lampen zunächst mal auszulassen. Mit ihm klappt die Verständigung auf englisch problemlos, und so erfahren wir von ihm eine Menge über das Höhlensystem. Sa Oche ist nur der äußere, kleinere Teil. Etwa 4 bis 5 Kilometer lang; normalerweise völlig unter Wasser. Wenn es nach längeren Regenfällen im Innern der Höhle zu steigen beginnt, könne man schon lange das Geräusch des sich nähernden Wassers hören; daher auch der Name. Paolo zeigt uns die verschiedenen Wasserstände an der Höhlenseitenwand. Wir laufen z.Z. also quasi auf dem Flußboden.

„ Zu Zeiten des Paramount Films wurde Sa Oche für die Filmhasen mit einem Alusteg erschlossen; dazu dicke Beleuchtungskabel im Innern. Diente für biblische Monumentalschinken. Zwischenzeitlich alles wieder abgebaut.“

Zum Glück, muß man da wohl sagen! Gut, als Kulisse für einen Film wirklich kaum zu überbieten. Die Höhlenwände reichen links und rechts viele Meter steil nach oben; überall vom Wasser ausgewaschene kleinere Höhlen. Wir winden uns um große Felsblöcke herum immer tiefer ins Innere hinein. Je weiter wir uns vom Eingang entfernen, desto mehr schwindet das Tageslicht. Im gleichen Maß gewöhnen sich aber auch unsere Augen an das immer schwächer werdende Licht. So kommen wir tatsächlich ein gutes Stück ohne Lampen hinein. Paolo will mit uns ein kleines Experiment durchführen: vielleicht können wir die „Stimme des Wassers“ nach einiger Zeit der Stille selbst hören. Im Schein unserer Lampen kommen wir schließlich an einen steilen Abfall. Unten schimmert eine dunkle Wasserfläche. Hier ist für uns definitiv Schluß – nur mit Neoprenanzügen und Atemgerät könnte man die nun folgenden Siphons weiterverfolgen. Wir verteilen uns entlang der Höhlenwand; setzen uns und löschen dann alle Lampen. Minutenlang halten wir still – außer gelegentlichen Wassertropfen ist aber nichts Außergewöhnliches zu hören. Schade nur, daß sich unbemerkt ein Touristenpaar unserer Gruppe angeschlossen hat: der Bursche muß doch tatsächlich hier in der Höhle eine Zigarette anzünden. Unpassender kann man die Atmosphäre wohl kaum zerstören! Dazu machen die Beiden immer wieder Krach und können einfach nicht ruhig bleiben. Ein Kompliment an unsere Jufis: die haben das viel besser drauf!

Paolo erklärt uns dann anschließend noch eine Menge über die Höhlen im oberen Bereich des Lanaitto-Tals. „Su Ventu“, „Stimme des Windes“, heißt die sich weiter oben anschließende Höhle. Bis zu 20 Kilometern an Gängen hat man hier inzwischen schon erforscht. Wir berichten ihm von unserer umbrischen Höhle am Monte Cucco, in die wir 1996 mit Führern und Ausrüstung während der damaligen Trekking-Tour auf dem E1 eingestiegen sind.

Und dann gibt es weiter oben im Tal noch unterhalb des Gipfels des Monte Tiscali in einer teilweise zusammengebrochenen Riesenhöhle die Reste eines prähistorischen Dorfes. Wir haben Fotos davon in der Coop gesehen. Leider ist der Weg dahin heute nicht mehr zu schaffen. Diese Höhle bleibt also einer künftigen Tour vorbehalten. Vielleicht schaffen wir das ja im nächsten Frühjahr während der für dann bereits geplanten Radtour.

Beim Verlassen der Höhle weist uns Paolo noch auf eine weitere, benachbarte Höhle hin, wo es vor etwa 100 Jahren zu einem Gefecht zwischen Carabinieris und sardischen „Banditen“ gekommen ist, das mit dem Tod aller eingeschlossenen Banditen endete. Ihnen war damals durch das plötzlich steigende Wasser der zweite Ausweg in Richtung Orgosolo versperrt worden.

Zurück beim Gepäck werden die Wasserflaschen aus den frischen Reserven im Transit ausgefüllt, dann machen sich Peter und Jan zusammen mit Paolo auf den Rückweg zur Coop. Wir kennen ja den weiteren Weg hinaus aus dem Lanaitto-Tal und brauchen jetzt nicht mehr Paolos Hilfe. Peter und Jan sollen mit den beiden Bussen und dem Hänger zum Parkplatz an der Quelle bei Su Cologone kommen; dadurch ersparen wir uns eine weitere Übernachtung an der Coop und können heute einen zusätzlichen Übernachtungsstop an der Nuraghe Lölle einlegen.

Die nun folgende Talwanderung ist ungleich leichter als die gestrige Tour! Es geht über Schotterpisten zwischen den links und rechts aufragenden Felswänden entlang; immer wieder überholen uns Autos mit Touristen, die das Nuraghendorf an der Höhle auf die bequeme Art besichtigen wollen. Wir selbst haben auf eine Besichtigung dieser Steintrümmer verzichtet – wir haben auf Sardinien inzwischen schon eindrucksvollere Überreste der Nuraghenkultur gesehen. Und heute Abend wollen wir ja direkt an einer einsamen Nuraghe zelten.

Unterwegs kommen wir dann an einem Werk vorbei, in dem die Kalksteine des Supramonte verarbeitet werden. Paolo hatte uns das versucht zu erklären – wir waren aber nicht sicher, ob wir das alles richtig verstanden haben: die Steine werden in einem Ofen erhitzt und dann in kaltes Wasser geworfen. Dabei soll aus den Steinen so etwas wir „Bicarbonat“ entweichen, was als Material zum Putz von Häusern genutzt wird. Jetzt, wo wir die Fabrik vor uns sehen, tippen wir auf eine Art Kalkwerk.

Dann erreichen wir ein Brunnenhäuschen oberhalb von Su Cologone mit einem Wassertrog, auf den sich natürlich alle sofort draufstürzen. Ein freundlicher Sarde erklärt uns, wie wir über einen „Sentiero (Wanderweg)“ den Weg dorthin um ein gutes Stück abkürzen können. Gesagt, getan; unterwegs noch ein Gruppenfoto mit unserer gestrigen Bergstrecke im Hintergrund; dann geht es die letzten Stufen zur eingefaßten Quelle hinunter. Eiskaltes Wasser, gut schmeckend! Eine der größten Quellen der Insel: mitten aus dem Felsen entspringt hier gleich nebenan ein Fluß (300 Liter pro Sekunde – oder anders ausgedrückt: anderthalb Badewannen jede Sekunde !!). Klar, daß die Sarden bereits zu Beginn einen Großteil des Wassers direkt abfangen und über Rohrleitungen wegtransportieren. Für uns bleibt aber noch genug übrig!

Um nicht wieder Ärger mit den Leuten zu bekommen, verzichten wir auf eine ausgiebige Wäsche an dieser Stelle – zumal immer wieder einzelne Sarden kommen, um ihre Wasserflaschen hier aufzufüllen. Gegen ein Fußbad etwas unterhalb im seichten Flüßchen ist aber wohl nichts einzuwenden. Umso entrüsteter sind wir nun selbst, als ein Paar direkt im ersten Quellbecken seinen Köter baden läßt! (Müssen wohl auch unwissende Touristen sein).

Peter und Jan sind kurz vor uns angekommen und haben sogar ein kühles Bier im Gepäck! Nach einem kurzen Besuch an der Felsspalte, aus der der Fluß austritt, machen wir uns an die Zubereitung des Mittagessens: hier haben wir genug Wasser; auch hinterher zum Spülen; dazu Möglichkeiten, anschließend die Konserven etc. zu entsorgen. Inzwischen klappt das mit dem Kochen schon richtig gut: ein Dreierteam der Jufis baut alles auf und holt an Hand des „Rezeptbuches“ die erforderlichen Zutaten aus den Kisten; danach macht sich eine weitere Dreiergruppe ans Kochen. Heute sind unsere jungen Damen dran: Semmelknödel mit Gulasch steht auf dem Menü-Plan.

Kletterübungen mit sachkundiger Anleitung An der Quelle von Su Cologone selbst die Alten wagen sich ans Seil

Auf einer langen Steinmauer wird alles aufgebaut und dann geht`s an die Arbeit: Zwiebel schälen und schneiden; Klöße einweichen und anschließend kochen; Fleischkonserven öffnen – drei Leute haben alle Hände voll zu tun, um eine Gruppe von 18 Leuten zu verköstigen. Die restlichen Jufis sind schon wieder mit Andree und Jan unterwegs und erproben ihre Kletterkünste an Fels und Seil.

Pünktlich zum Mittagessen sind dann alle zur Stelle: der lange Weg durch das Lanaitto-Tal hat hungrig gemacht. Und Anna hat als besondere Überraschung noch Schokopudding aus unseren restlichen Vorräten zusammengezaubert.

Nach dem Essen natürlich wieder das leidige Spülen – das muß aber sein; besonders was die Töpfe und den Bräter betrifft. Der Bräter hat mit seiner heutigen Mahlzeit seinen Dienst für diese Fahrt getan und kann anschließend in seiner Transportkiste bereits für die Rückfahrt verstaut werden. Er hat sich auf dieser Sardinien-Tour als wertvoller und nützlicher Begleiter erwiesen. Wir sollten ihm vielleicht auch mal einen Namen geben....

Inzwischen ist es doch schon wieder ziemlich spät geworden; erst nach 15 Uhr machen wir uns mit den Bussen auf den Weg. Ein Zwischenstop an diesem Nachmittag ist erst wieder in Bitti geplant (mal wieder aus Nostalgiegründen: die alten Sardinienfahrer möchten zu gerne noch einmal im Park von Bitti sitzen und den alten Männern beim abendlichen Schwatz zuschauen). Unterwegs gibt es noch einen Fotostop: diesmal können wir von der Landstraße hoch hinauf zu unserem gestrigen Mittagsfelsen hochschauen. Leider ist der Sonnenstand mit seinem Gegenlicht für ein scharfes Foto nicht gut geeignet. In Oliena selbst verfahren wir uns erst einmal (wie in jedem Jahr....) und müssen bei Sarden nach dem richtigen Weg fragen. Über einige winzige Nebenstraßen geht es dann über einen weiteren Paß hinüber ins benachbarte Tal, durch das sich die Hauptstraße nach Olbia zieht. Unterwegs haben wir Schwierigkeiten, an einem heftig hin- und herziehendem Ape 50 Dreirad vorbeizukommen. Der Fahrer scheint schon Einiges konsumiert zu haben.

Durch Lula und Onani (der Name sorgt für Erheiterung) kommen wir dann schließlich nach Bitti. Aber welche Enttäuschung: keine alten Männer mehr im Park! So schwärmen wir in kleinen Gruppen aus; vorwiegend in Richtung Supermarkt; andere zu einem kleinen Alimentari direkt am Hauptplatz. Danach noch ein Eis im Park und es geht weiter – die Sonne ist bereits untergegangen und es wird schon wieder empfindlich kühl. Mehr durch Zufall – weil wir mitten im Ort nicht drehen können – fahren wir im Städtchen durch die engen Gassen weiter bergauf und gelangen so schließlich ins echte Zentrum des Ortes – daran sind wir auf den vorigen Fahrten aus Unkenntnis schlichtweg vorbeigefahren. Überall kleine Handwerksläden; dazwischen auch welche mit sardischen Spezialitäten. Schade, hier hätte man mehr Zeit zum Bummeln gebraucht.

Uns aber sitzt jetzt die einbrechende Dämmerung im Nacken: übernachten wollen wir ja an der Nuraghe Lölle; bis dahin sind es aber noch einige Kilometer und wir wissen auch noch nicht so ganz genau, wo wir denn dort nun die Zelte aufbauen können. Klar ist uns allerdings, daß das recht heimlich passieren soll – und daher kommt uns die einbrechende Dunkelheit dafür eigentlich wieder ganz recht. Die Straße zieht sich nun steil auf eine Hochebene hinauf; die Felder und Wiesen ringsum sind alle staubig und dunkelbraun; total von der Sonne ausgedörrt. Uns ist nicht klar, wie hier noch Schafe existieren können. Oben auf der Hochfläche dann wieder ein ganz andere Bild: wohin man schaut erstrecken sich weite Korkeichenwälder. Hier gibt es wenigstens noch grün zwischendurch. Ein Paradies für die vielen hier herumstreifenden halbwilden Schweine. Wir sollten heute Abend unsere Verpflegung wieder gut wegräumen!

Dann liegt sie im letzten Tageslicht vor uns: die Nuraghe Lölle; wuchtig und kompakt hebt sie sich vor dem Abendhimmel ab. Uns ist schnell klar, daß wir nicht innerhalb der Umgrenzungsmauern des Nuraghendorfes bleiben können – das wäre bei einer Kontrolle dann doch zu gefährlich. Etwas weiter weg von der Straße liegt aber eine mit einigen Bäumen übersäte Ebene; das wäre doch eigentlich das geeignete Plätzchen für diesen Abend. Unsere Busse schaukeln durch einen ausgefahrenen Sandweg dorthin; das Leitungsteam prüft kurz zu Fuß das Gelände und gibt dann grünes Licht für den Lageraufbau. Und damit muß sich nun jede Gruppe sputen: es wird von Minute zu Minute dunkler. Auch das abendliche Zeltaufbauen klappt nun reibungslos: Anna, Svenja, Christoph und Florian, die laut Plan jeweils eine Jufigruppe dabei betreuen, können sich inzwischen auf`s Zuschauen beschränken. Unsere Jufis haben in den letzten 10 Tagen sichtliche Fortschritte gemacht!

Schließlich steht das Camp; jede Gruppe richtet sich in den Zelten ein; inzwischen ist es ganz dunkel geworden. Am Firmament leuchtet bereits wieder der strahlende sardische Sternenhimmel auf. Welch ein Unterschied zum nächtlichen Himmel in unseren Breiten! Eine derartige Sternenpracht können wir im Sauerland höchstens in ganz klaren Winternächten beobachten – und dann hat wohl kaum einer wegen der Kälte Lust dazu. Hier kann man das Schauspiel noch im T-Shirt genießen.

Das Abendessen gibt es heute auf Bestellung: weil viele bereits im Supermarkt von Bitti bei den Süßigkeiten zugeschlagen hat, steht nicht mehr allen der Sinn nach einem heißen Cevapcici. Martin geht herum und nimmt die einzelnen Bestellungen der noch Hungrigen entgegen. Die meisten Jufis zieht es aber bereits in die Schlafsäcke; zwei Wandertage haben ihre Spuren hinterlassen. Das Leitungsteam macht sich mit Topf, Brenner und Bank auf zur Nuraghe; dort soll heute Abend gekocht werden. Wir sitzen dort im Kreis und genießen die Abendstille. Diese wird allerdings immer wieder unterbrochen durch einzelne Autofahrer, die von der Hauptstraße zu unserem Gelände hin einschwenken, dann aber, als sie unsere Zelte bemerken, drehen und wieder verschwinden. Oh je, haben wir da wohl manches sardische Pärchen um seine Abendgestaltung gebracht?

Ein Wagen ist besonders dreist. Erst kurvt er um unseren Lagerplatz herum, dann hält er auch noch in der Nähe unserer Kochstelle. Ein, zwei Leute steigen aus und kramen im Kofferraum herum – alles höchst merkwürdig! Eine Flinte wird auch noch ausgeladen. Schließlich lassen sich die Insassen ein Stück weit von uns entfernt hinter der Mauer nieder. Nachdem wir gegessen haben und mit Sack und Pack wieder zum Camp zurückkehren wollen, grüßen wir noch mit einem „Buona Sera“ und man antwortet uns in perfektem Deutsch! Gleichzeitig erkennen wir jetzt auch die Uniformschärpen im Licht unserer Lampen: toll, wir sind wohl zielstrebig mitten in eine Carabinieri-Streife geraten!

Zum Glück klärt sich das schnell auf: unsere beiden Mauergäste haben hier für die heutige Nacht Posten bezogen: sie gehören mit vielen anderen zu einer Art Schutzgruppe aus dem nahen Budduso und machen Jagd auf Wilderer, die es hier in der Einöde auf die vielen Schweine abgesehen haben. Wir unterhalten uns noch ein wenig; erzählen von unserer Rundreise und das wir Pfadfinder sind – keine Probleme mit einer Übernachtung hier! Jetzt können wir sogar mit kostenloser Bewachung hier schlafen.

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