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Trekking auf dem E 1 von Bocca Serriola zum Monte Cucco
Unterwegs auf dem Wanderweg SAN GIORGIO von Colle nach Assisi


Reisetagebuch, Teil 1

Die Größe der Bilder liegt zwischen 30 und 150 kByte. Zum Vergrößern bitte anklicken.

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Samstag, 18.7.2009, 1. Tag

Pünktlich startet der Transit mit Simone und Jan sowie Dani und Valle um 5:30 Uhr ab Calle. Christian steht pünktlich in Berge bereit. Ein kleines Problem gibt es nun allerdings bei Matthias: hier öffnet niemand die Tür; es tut sich rein gar nichts.

Die anderen sind zum Glück erfindungsreich und versuchen, mit etwas ungewöhnlichen Mitteln Matthias wach zu bekommen. Na ja, wenn man erst um vier ins Bett kommt, fällt das Aufstehen schon mal ein wenig schwer…

Nachdem dieses Problem dann doch geklärt ist, steigt noch Florian zu, der mit seinem Vater bereits seit einer halben Stunde gewartet hat. Für die Kiste Veltins, die als Reiseproviant noch mit soll, ist im Transit allerdings beim besten Willen kein Platz mehr.

Als alle schließlich gemeinsam unterwegs sind, kommt auch schon Martins erster Anruf aus Oberstdorf. Marianne und er machen sich nun mit dem Zug auf nach Kempten, um dort zuzusteigen. Die Beiden haben bereits eine einwöchige Hüttentour durch die Allgäuer Alpen hinter sich.

Die Autobahnfahrt bis Kempten verläuft problemlos; es geht zügig voran und es gibt auch keine größeren Staus. Gegen 14 Uhr fährt der Transit am Bahnhof von Kempten vor (und kurz darauf über einen herausgefallenen Trekkingstiefel). Es wird schwierig, die beiden zusätzlichen Rucksäcke noch im Wagen zu verstauen. Neun Erwachsene mit vollem Gepäck – da stößt der Transit arg an seine Kapazitätsgrenzen. Mit Wehmut erinnern wir uns an das Hochdach des Vorgängers. Da war einfach mehr Luft!



Martin übernimmt das Steuer, hat aber nicht lange Freude daran. Das liegt weniger an dem Regen, der kurz nach Kempten einsetzt, sondern an den Verkehrshinweisen, die beim Grenzübergang nach Österreich jede Menge an Staukilometern ankündigen und eine Blockabfertigung am Tunnel vor Reutte.

Ein Blick auf die Karte zeigt, daß man zumindest den Tunnel schon mal umfahren kann. An der Auffahrt hinter dem Tunnel stauen sich aber auch schon die Autos bei der Auffahrt auf die Schnellstraße. Also fahren wir einfach noch ein Stück weiter auf der Nebenstraße, bis im nächsten Kreisverkehr die Weiterfahrt gesperrt ist und wir zwangsweise auf die Schnellstraße geleitet werden. Gut, ab hier sitzen wir im Stau fest, haben aber doch schon ein gutes Stück umfahren.

Der österreichische Verkehrsfunk meldet nun die genaue Stauursache: eine Baustelle kurz vor Heiterwang. Da wir noch gut in der Zeit liegen, wäre das eigentlich kein Problem für uns – ja, wäre, wenn es da nicht den leeren Tank des Transits gäbe!

Wir wissen, daß in Österreich Diesel wesentlich billiger ist und wollen natürlich erst hier nachtanken. Aber leider stecken wir nun im Stau fest, kommen nur Meter um Meter voran und wissen vom GPS, daß die nächste Tankstelle erst hinter der nächsten Ausfahrt ist – und das sind noch gut zwei Kilometer.

Aber da der Beginn unserer Fahrt unter einem günstigen Stern steht, erreichen wir diese Tankstelle dann doch noch ohne Probleme und können für 99 Cent je Liter den Tank bis zum Kragen füllen. Mit dieser zweiten Füllung müßten wir eigentlich bis Colle kommen.

Zuerst aber müssen wir den blöden Stau hinter uns bringen. Schließlich erreichen wir die Baustelle: 50 m Engstelle; wäre das nicht auch mit verengten Fahrstreifen ohne Ampel gegangen, fragen wir uns? Auch aus der Gegenrichtung ein Stau, der fast bis zum Fernpaß reicht. Hoffentlich blockiert dieser Stau uns auf der Rückfahrt nicht unseren Lagerplatz!

Jetzt läuft es aber wieder zügig weiter. In Nassereith biegen wir nach rechts ab. In diesem Jahr wollen wir auf der Hinfahrt durch das Vinschgau fahren. In der nächsten größeren Ortschaft, Imst, erstehen wir eine Palette Dosenbier (Matthias übernimmt dafür aus verständlichen Gründen die Kosten) für den Abend. Plakate verkünden, daß in Imst heute Abend John Foggerty, der ehemalige Chef von Creedence Clearwater, auftritt; bei einem Open Air. Der hat auch schon bessere Zeiten erlebt! “Bad moon rising“ bei Regenwetter in Imst…

Wir passieren Landeck und steuern von dort aus nun schon auf den Reschenpaß zu. Kurz von Nauders halten wir an einem einsam gelegenen Gasthaus. Wir wollen der Wirtin ein Bild überreichen von unserer 2006er Radtour. Damit wird`s leider nichts. Das Gebäude sieht ziemlich verfallen aus; ein Schild im Fenster verkündet „Bis auf Weiteres geschlossen“. Schade. Dafür ändert sich das Wetter aber erfreulicherweise, je näher wir dem Paß kommen.



Nach einem Foto auf dem Reschenpaß und einem kurzen Stop an der markantesten Stelle, mit dem im Stausee stehenden Kirchturm, geht es schon wieder hinunter. In Lasa steuern wir den Campingplatz an, den wir von unserer Radtour kennen. Wir bekommen eine Parzelle zugewiesen und machen uns zum ersten Mal ans Aufstellen unserer vier Zelte. Die werden allerdings in den nächsten Tagen nicht komplett eingesetzt; nur die Überdächer der beiden Spitsbergen-Zelte werden mit auf Tour gehen, aus Gewichtsgründen.

Nach dem Aufbau ziehen wir los ins Dorf. Eines der drei Gasthäuser hat gerade Betriebsferien, beim zweiten werden wir kaum beachtet – und im dritten eröffnet man uns, daß nach 21 Uhr (es ist exakt 21:05 Uhr) die Küche nur eingeschränkt möglich ist. Es gibt aber noch Schnitzel oder wahlweise auch Spaghetti. Na ja, das reicht uns.

Bei der Abrechnung verfährt die Bedienung etwas merkwürdig; einige zahlen weniger, andere mehr als eigentlich erforderlich.




Zum Tagesabschluß setzen wir uns noch im Turm des Campingplatzes zusammen und genießen die letzten Bierdosen (die einzige Weinflasche ist beim Zeltaufbau leider zu Bruch gegangen).


Sonntag, 19.7.2009, 2. Tag

Nach Überquerung des Alpenkamms erwarten uns an diesem Morgen Sonnenschein und angenehme Temperaturen. Dieses sonnige Wetter wird uns in den nächsten 14 Tagen treu bleiben. Wir genießen den Luxus der Sanitäranlagen auf diesem Platz, in den kommenden Tagen werden wir auf so was verzichten müssen.



Ein Problem stellt sich, als wir bezahlen wollen: die Rezeption öffnet am Sonntag erst um 10 Uhr! So lange wollen und können wir nicht warten; wir haben ja noch gut 700 Kilometer bis nach Colle vor uns.

Unser Platznachbar erklärt uns, in welchem Haus der Platzbesitzer wohnt; wir schellen mehrfach an und werfen ihn so aus dem Bett. Er hat aber Verständnis für unsere Lage, knöpft uns 75 Euro ab und wir können mit ruhigem Gewissen starten.

Bei herrlichem Wetter fahren wir durch das Vinschgau mit seinen vielen Apfelplantagen und Weinbergen. Hinter Meran kommen wir bereits auf eine autobahnähnliche, aber noch mautfreie Straße; ab Bozen sind wir dann auf der Autostrada unterwegs. Unterwegs machen wir Frühstückspause an einem Autogrill; der erste italienische Cappuccino schmeckt wie immer hervorragend.

Auf der Gegenfahrban ist ein riesiger Stau; wir dagegen kommen bis Modena gut voran. Alle 150 Kilometer machen Martin und Jan dabei Fahrerwechsel. Als wir dann auf der Autobahn in Richtung Ancona unterwegs sind, melden die elektronischen Anzeigetafeln ein „incidente“ auf der Strecke zwischen Bologna San Lazzaro und Imola.

Wir beschließen, diesen Stau auf der SS 9 zu umfahren. Das geht zwar langsamer, da meist Tempo 50 angegeben ist und wir uns natürlich an diese Regel halten. Alle Italiener offensichtlich nicht! Wir werden ohne Rücksicht auf Geschwindigkeitsbegrenzungen überholt; auch durchgezogene weiße Streifen auf der Fahrbahn schrecken die Italiener nicht ab.

In Imola wechseln wir wieder zurück auf die Autostrada und haben bis Ancona keine weiteren Probleme mehr. Ab dort geht es auf der gut ausgebauten Bundesstraße nun durch den Apennin in Richtung Fossato di Vico. Zum ersten Mal gerät dabei der Monte Cucco in unser Blickfeld und auch der Valico di Fossato, den wir oft zu Fuß passiert haben.

In Fossato di Vico dann eine Überraschung: man hat einen enormen Kreisverkehr mit recht merkwürdigen Abbiegerspuren gebaut – und die neue Schnellstraße nach Foligno ist endlich eröffnet! Wir bleiben aber unserer guten alten SS 3, der Via Flaminia, treu und fahren über Gualdo Tadino (hier sehen wir ein Hinweisschild „Base Scout“) weiter nach Colle. Unterwegs noch einmal ein großer, neuer Kreisverkehr (dessen Sinn uns verborgen bleibt) und dann fahren wir am Containerdorf von Colle vorbei hoch zu Francos Villa della Cupa. Hier ist zum Glück alles noch beim alten geblieben.

Leider ist niemand da – aber die Cantina-Tür ist offen und so kommen wir an zwei Kisten vino rosso. Auf dem Rückweg treffen wir auf einen Italiener, der für uns anruft. Ramona ist am Apparat. Wir lassen Franco Grüße ausrichten und sagen ihr, daß wir abends in die Cantina kommen werden.



Auf „unserem“ Platz sind wir leider nicht allein: die untere Terrasse ist von Belgiern mit ihren Zelten besetzt; oben auf der runden Terrasse stehen bereits auch schon ein kleines Zelt und ein neuer Wohnwagen. Trotzdem bleibt für uns noch genügend Platz.

Das Zelt gehört einem Motorradfahrer; anscheinend auch aus Belgien, er spricht nur englisch. Mehrere Jahre kommt er nun auch schon zu Franco; in dieser Saison ist er unterwegs nach Griechenland.



Den Sonnenuntergang verpassen einige, weil sie sich mit ihrer „Slack-Line“ oben am Olivenhain vergnügen. Auch für uns anderen gibt es nicht mehr viele Möglichkeiten, den Sonnenuntergang im Sitzen zu genießen; zu stark ist die Böschung inzwischen zugewachsen.



In der Cantina dann eine herzliche Begrüßung durch Gabriella, Franco und Giuliana; auch Luciano erscheint und setzt sich zu uns. Dann greifen wir herzhaft zu und genießen unser erstes italienisches cena in diesem Jahr – und das sehr ausgiebig!



Mit Franco besprechen wir noch schnell die Einzelheiten unserer Projekte; morgen wird er für uns den Fahrdienst nach Bocca Serriola übernehmen. Treffpunkt dafür soll um 13 Uhr bei Alberto im Val di Ranco sein. Außerdem werden wir endlich unser Bargeld von der Weinbestellung im Frühjahr los.


Montag, 20.7.2009, 3. Tag

Da wir gestern keine Lust mehr zum Packen hatten, muß das heute recht flott geschehen. Im Vorfeld ist bereits zu Hause abgeklärt worden, wer genau was an Gruppenausrüstung trägt. Das sind normalerweise so um die 1 bis 2 Kilo; lediglich die armen Kerle, die die beiden Außenzelte haben, dürfen zusätzlich fast 3 Kilo schultern.

Eigentlich sollte das durch eine Verteilung der Grundnahrungsmittel ausgeglichen werden; da das aber niemand richtig organisiert, läuft die Aufteilung nun unter Zeitdruck etwas hektisch ab. Klar, wenn jeder nur einfach zugreift ohne auf die genauen Gewichte zu achten, kann dies schon zu Ungerechtigkeiten führen.



Zuletzt zieht Jan mit einer Waage durch die Lande und wiegt die Rucksäcke aus. Aber auch das ist keine echte Lösung, weil man ja nicht weiß, ob jemand sein persönliches Gepäck ausreichend reduziert hat. Irgendwann sind dann aber alle zufrieden.

Vor der Abfahrt wird noch schnell eine Kiste Wein bei Franco aus dem Keller geholt, dann sind wir bereits unterwegs. Das Projekt hat begonnen! Zu Fuß von Bocca Serriola bis zum Monte Cucco, genauer gesagt bis zum Val di Ranco, auf dem Vater aller europäischen Wanderwege, dem E 1, oder auf italienisch etwas klangvoller: „Sentiero E uno“. 60 Kilometer sollen das in etwa laut offizieller Wegbeschreibung zum E 1 sein.

Wir wollen in diesem Jahr diese erste Teilstrecke des E 1 nicht nur ablaufen, sondern den Wegverlauf auch mit unseren GPS-Geräten aufzeichnen und später mit zusätzlichen Informationen frei ins Internet stellen. Denn die Wegmarkierungen, das wissen wir aus leidvoller Erfahrung, sind nicht ausreichend. Und auch die Beschreibungen zum Weg sind manchmal recht kompliziert; teilweise sogar falsch, zumindest aber in manchen Bereichen überholt.

Da diese Strecke für alle völlig unbekannt ist, haben wir uns mit allen greifbaren Informationen versorgt: wir haben eine Kompaßkarte, extra zum E 1; dazu eine deutschsprachige Beschreibung (die aber sicher auf Jahre vor 1990 zurückgeht). Aktueller ist da schon die Route, die Jan mit Hilfe dieser Informationen und Google Earth auf das GPS übertragen hat. Also, eigentlich müßten wir den Weg ja gar nicht mehr laufen…

Nein, dies sind alles nur kleine Puzzle-Steinchen, die uns den „echten“ E 1 finden lassen sollen; sofern wir die E 1–Zeichen nicht finden sollten. Denn die stehen im Vordergrund – ihnen werden wir folgen. Na ja, und sicher werden wir auch unserem Ruf als „Pfadfinder“ gerecht werden müssen.

In Colle fahren wir noch kurz an der Tankstelle vorbei und begrüßen Andrea, den Tankwart und Alvaros Sohn. Wir wollen lieber mit vollem Tank ins Gebirge fahren (die Sache mit Österreich ist noch in guter Erinnerung). Zügig geht es danach weiter bis Gualdo Tadino, wo wir im COOP je nach Gusto alles für ein Frühstück einkaufen.

Aus Zeitgründen verlegen wir dieses Frühstück aber schon bis zur Ankunft in Bocca Serriola. Die Strecke bis dahin zieht sich länger hin als vermutet. Das GPS hat zwar die kürzeste Strecke berechnet, die ist aber vermutlich nicht die schnellste!

Zunächst einmal müssen wir bald erkennen, daß wir mit unserem Transit mit neun Personen plus Gepäck eher zu den Schnecken der Landstraße zählen. Bergab sind wir wegen der ungenügenden Straßenkenntnisse in den vielen Serpentinenkurven nicht die Schnellsten; bergauf können wir gar nicht schneller und müssen schon mal in den zweiten Gang zurückschalten.

Immer wieder werden wir sogar von großen LKWs „gejagt“ und fahren an den Straßenrand, um sie nicht aufzuhalten. Nach einem kurzen Verfahren bei Cagli biegen wir dann in eine verkehrsarme Nebenstrecke ein, wo wir endlich keine anderen Fahrzeuge mehr im Nacken sitzen haben.

Aber für welchen Preis? Die Straße führt geradewegs mitten in ein wildes, fast menschenleeres Gebirgsstück hinein. Hier wollen wir die nächsten Tage wandern?? Nach der letzten Ansiedlung wird die Straße so eng, daß exakt unser Transit darauf Platz hat. Na ja, zum Glück ganz neu asphaltiert. Und die Breite reicht ja auch aus – es darf nur kein Gegenverkehr kommen! „Usare segnale acustici“ steht vor manchen Kurven. Aha, das kennen die hier auch: kurz vor einer unübersichtlichen Kurve also laut hupen.

Irgendwann ist es aber dann doch so weit: schon am Gegenhang sehen wir einen Lieferwagen, der uns entgegen kommt. Klar, der bleibt natürlich an der einzigen Ausweichstelle nicht stehen! So können wir langsam zurücksetzen und hoffen, beim Rückwärtsfahren um die hinter uns liegende Kurve nicht an die Leitplanke zu geraten.

Schließlich haben wir diese Kilometer aber hinter uns gebracht und befinden uns wieder auf einer SS, der 257, die uns nun in absehbarer Zeit bis nach Bocca Serriola führt.

Leider ist es inzwischen fast 12 Uhr; in einer Stunde sind wir mit Franco im Val di Ranco verabredet. Für die beiden Fahrer, Jan und Martin, heißt das nun: alles fix ausladen lassen und sofort wieder umkehren. Frühstück ist für die beiden also etwas später angesagt.

Während sich der Rest der Gruppe über genau dieses Frühstück hermacht und dazu das eine oder andere kalte Bierchen aus der Bar gönnt (der Rekord wird am Ende bei 6 x 0,66 l liegen…), fahren die Beiden so schnell wie möglich zurück. Die Zeit wird knapp. Wir wählen zwar die etwas längere Strecke über die Hauptstraße; dennoch sagt uns das GPS eine Ankunftszeit für halb zwei voraus.

Durch einen etwas italienisch modifizierten Fahrstil sind wir dann schließlich schon um zwanzig nach eins bei Alberto. Franco hat die Zeit genutzt, um eine leckere Lasagne zu essen. Wir sagen kurz Alberto Bescheid, parken den Transit auf dem Parkplatz und sind schon wieder unterwegs.

Franco will natürlich auch was von der Gegend sehen, und so kommen Jan und Martin ein zweites Mal in den Genuß der schmalen Bergstrecke. Unterwegs unterhalten wir uns mit Franco viel über die italienische Politik, Berlusconi und die Lega Nord.

Kurz vor drei sind wir dann endlich in Bocca Serriola und kommen zu unserem Frühstück. In aller Ruhe noch ein Bier, dann verabschieden wir uns von Franco, überprüfen noch einmal den Sitz unserer Rucksäcke und machen uns dann an die erste Kurzetappe unseres Projektes.



Weil wir das alles mit dem Transport ins Zielgebiet schon ein wenig geahnt haben, ist für den heutigen Tag auch nur ein kleines Wegstück auf dem E 1 vorgesehen. Überhaupt sind alle Etappen so geplant, daß wir am Abend möglichst über einen Zugang zu Trinkwasser verfügen; notwendig zum Kochen, Waschen und natürlich auch zum Auffüllen der Wasserflaschen.

Der Rucksack drückt ungewohnt schwer auf den Schultern; klar, haben wir doch für sechs Tage alle Lebensmittel mit dabei. Zum Glück ist die ärgste Tageshitze inzwischen vorbei. Hier nun jeweils vorab, wie ab jetzt bei jeder Tagesetappe, ein Auszug aus dem offiziellen Wanderführer, an dem wir uns orientieren können (kursiv gedruckt). Jeder mag selbst entscheiden, inwieweit diese Beschreibung in der Wirklichkeit heute noch den Tatsachen entspricht:

„Von der Bar in Bocca Serriola aus geht man links ca. 100 m die Staatsstraße entlang; dann biegt man nach rechts in eine Schotterstraße ein, die in Richtung Monte Maggione führt. Nun ca. 1200 m weiter, immer geradeaus, die linke Abzweigung nach Vignolle nicht beachtend. Man bleibt weiterhin auf der Hauptstraße und beachtet auch die kommende rechte Abzweigung nach Croce nicht.

Nach weiteren ca. 1000 m zweigt man an der Kreuzung nach links ab. Nach 300 m geht es leicht abwärts und bei der nächsten Kreuzung geht es wieder nach links. Vorbei am renovierten Bethaus der Casa Prati und weiter bis Gragnano. An der Kreuzung nach rechts.“


Auf breitem Schotterweg laufen wir tatsächlich entlang; Karte und Beschreibung stimmen recht gut überein; dazu die exakten Entfernungsangaben, die wir mit dem GPS erstmals genau abschätzen können. Anders als früher die Beschreibungen von Dumler, z.B. „nach etwa 20 Minuten halb links halten“. Tja, was sind schon genau zwanzig Minuten, wenn man mit schwerem Gepäck marschiert?

Die beschriebenen Abzweigungen nach Vignolle und Croce sind da, wo sie sein sollen – und wir halten uns daran und lassen sie links oder rechts liegen. Schon bald ist das angekündigte Bethaus erreicht. Hier ist der erste längere Fotostop angesagt.

Unser Kilometerzähler (dank GPS auch endlich mal relativ exakt) zeigt gut drei Kilometer, als wir Gragnano erreichen. Hier soll es eine Wasserstelle geben; die letzte bis Acquapartita. Deshalb haben wir uns diesen Ort als Übernachtungsplatz vorgenommen.

Und das Glück ist uns hold! An einem verlassenen Haus finden wir einen langsam fließenden Kran, den man notfalls benutzen könnte. Müssen wir aber nicht, da eine nette Italienerin uns einlädt, Wasser bei ihr im Haus abzufüllen. Zwei Freiwillige laufen mit und holen für alle Wasser.



Nun noch schnell einen Hügel rauf, von dessen Kamm aus wir einen weiten Blick nach allen Seiten haben. Wir verzichten an diesem ersten Abend der Tour auf die Zeltüberdächer und breiten nur die Bodenplanen für die Isomatten und Schlafsäcke aus.

Zum ersten Mal wird nun auch gekocht; in zwei Etappen, zuerst die Gruppe mit ihrem Globetrotter-Lunch; danach die „konventionelle“ Kochgruppe, die sich heute für Erbsensuppe, verfeinert mit viel Zwiebeln und noch mehr Speck, entscheidet.

Danach liegen wir in unseren Schlafsäcken, genießen die mitgebrachten Weinvorräte und schauen zu, wie sich ein Stern nach dem anderen am langsam dunkler werdenden Firmament zeigt. Nachts wölbt sich ein prächtiger Sternenhimmel über unserem Freiluft-Schlafzimmer.


Dienstag, 21.7.2009, 4. Tag

Heute soll also die Reststrecke bis Acquapartita unter die Füße genommen werden. Und zwar mit einem etwas früheren Start als gestern… (und ganz sicher ohne die „flüssige Grundlage“ aus der Bar in Bocca Serriola!).

Die flüssige Grundlage für die heutige Tagesetappe muß zunächst einmal beschafft werden. Und da niemand Lust verspürt, hinunter zum Haus der hilfsbereiten Frau zu laufen, kommt dafür nur der Wasserkran oben am Haus in Frage. Es dauert eine Zeit, bis alle Wasserflaschen gefüllt sind. Während dieser Zeit kann unser Material, was vom Tau ziemlich feucht geworden ist, in aller Ruhe trocknen.

„Nach einer Kreuzung geht es scharf nach links in Richtung Madonna dei Cinque Faggi. Man bleibt auf der Hauptstraße, die mit Kehren und Steigungen eine Kreuzung erreicht, in deren Mitte eine Statue (St. Antonius) steht.

Nun nach rechts und nach einem kurvenreichem Stück in ständigem auf und ab erreicht man eine Kreuzung mehrerer Karrenwege; man nimmt den rechts aufwärts führenden. Hat man Quote 750 m erreicht, gelangt man zu einer Kreuzung wo nach rechts ein Saumpfad abgeht; wir aber halten uns links auf dem Karrenweg und gehen 300 m leicht abwärts.

An der nächsten Kreuzung geht man nach links auf ein weißes Gebäude zu und bleibt 500 m auf der Schotterstraße, die abwärts zu einer Schranke führt. Weiter geradeaus, dann quert man die asphaltierte Straße, auf der Schotterstraße geht es aufwärts und, nachdem man eine weitere Schranke passiert hat, gelangt man zu einem Saumpfad auf der rechten Seite, auf dem man in einen dichten Wald gelangt.

Weiter geht es den Kamm entlang; dann abwärts auf einem nach rechts abführenden Wanderweg der durch einen Zerreichenwald führt, bis man wiederum auf der rechten einen Saumpfad begeht, der durch einen Pinienhain führt. Dann hinab zur Schotterstraße, die uns nach Acquapartita bringt.



Weiter nach links und nach ca. 1200 m in einer leicht steigenden Kurve zweigen wir auf den Saumpfad ab, der zu einem Haus emporführt und in die darüber liegende Asphaltstraße mündet. Nun nach rechts und nach 400 m sind wir in Acquapartita.“


Nach einiger Zeit auf einem Weg, der durch merkwürdige Bodenformationen führt, die fast an Splitberge erinnern, erreichen wir eine Teerstraße, die uns in kurzer Zeit zur Madonna dei Cinque Faggi führt. Hier legen wir unsere Frühstückspause ein.

Weiter geht es in leichtem auf und ab bis zur im Reiseführer beschriebenen Antonius-Statue. Die liegt aber nicht mitten auf der Kreuzung, wie angekündigt, sondern am Rand und zeigt eigentlich auch nicht den Antonius, sondern eher eine normale Marienstatue.



Unten im Tal dreht ein Mähdrescher seine Runden; wir dagegen halten uns nun rechts am Hang entlang und müssen gleich steil ansteigen. Unterwegs treffen wir auf eine Gruppe Arbeiter, die mit einer mobilen Säge Brennholz spalten, sägen und Stück für Stück auf einem Laster verladen. Sieht ziemlich anstrengend aus.

Kurz darauf erreichen wir eine Bergkuppe und sind überrascht, als wir im Dunst weit entfernt die Silhouette der Monti Sibillini erkennen. Marianne will es zunächst partout nicht glauben, bis Jan sein kleines Wunderwerk der Technik einsetzt: zunächst wird das Ziel angepeilt und dann mal auf gut Glück eine Entfernung von 100 km angegeben. Und was für ein Kartenausschnitt erscheint da auf dem Display? Castelluccio und der Monte Vettore!

Die folgende Wegbeschreibung stimmt aber irgendwie nicht mehr so richtig. Wir erreichen zwar die kleine Teerstraße und folgen ihr ein kleines Stück links abwärts, biegen dann aber wieder in einen breiten Feldweg ein, der uns durch gerodetes Gebiet am Hang entlang zu einer Kreuzung führt, auf der wir ein uraltes E 1-Schild entdecken. Also, auf dem richtigen Weg sind wir auf jeden Fall immer noch!



Wir folgen diesem Weg abwärts, steil abwärts sogar; der Weg wird enger, fast schon zum Pfad, ehe wir endlich unten eine Teerstraße erreichen. Eigentlich müßte laut Karte hier der E 1 rechts zu einem Hügel abzweigen. Da geht auch ein Weg rein, der ist aber durch eine Kette versperrt und würde (heute) zu einem Agriturismo führen.

Also noch einige Kehren auf der Teerstraße weiter; inzwischen schon wieder leicht ansteigend. Nun, das Tagesziel, Acquapartita, ist auf dem Display des GPS bereits zweifelsfrei zu erkennen. Wir könnten, mit einem großen Umweg, einfach dieser Teerstraße in einem großen Bogen folgen. Andererseits soll ja der E 1-Verlauf so genau wie möglich erfaßt werden.

Und die Zeichen weisen kurz darauf ganz eindeutig nach rechts, ins Gesträuch hinein. Gut, der Pfad ist durchaus erkennbar und wir folgen ihm. Ist auf jeden Fall eine direkte Abkürzung hinauf nach Acquapartita.



Hinauf stimmt auch wirklich: die nächsten paar hundert Meter schwitzen wir kräftig beim Anstieg. Nach einem scharfen Linksknick (wir hatten schon gehofft, daß wir oben wären) ginge es in einem Hohlweg weiter bergan; ein Weiterlaufen über das rechts liegende Feld erscheint uns allerdings sinnvoller. Und da ist auch schon über uns das im Wanderführer beschriebene weiße Haus zu sehen.

Erschöpft lassen wir uns in seinem Schatten noch einmal zu einer kurzen Rast nieder. Weit kann es nun nicht mehr sein. Beim Weiterlaufen trauen wir unseren Augen kaum: wir passieren das „Country House Chiciabocca“, an dem sich niederländische Urlauber neben einem Pool räkeln und uns genauso überrascht mustern. Was müssen die sich wohl denken, als plötzlich unsere Neunergruppe mit vollem Gepäck schwitzend an ihnen vorbeitrottet. Zwei Welten treffen aufeinander!



Kurze Zeit später ist es dann endlich geschafft! Wir passieren das Ortsschild von Acquapartita und folgen den ersten unserer Gruppe, die sich zielstrebig im Biergarten eines Ristorante niedergelassen haben. Es dauert nicht lange, da haben wir erkannt, daß Halbliterkrüge nur 0,4 l enthalten und somit die Literkrüge die preislich bessere Alternative darstellen.

Wir fragen im Ristorante nach, wo denn nun eigentlich der Ort selbst wäre, mit Alimentari, Campingplatz usw; so stand es ja geschrieben. Wir ernten nur ein Kopfschütteln! Dies IST ganz Acquapartita, kein Alimenari zusätzlich, kein Campingplatz.



Wir bekommen aber die Erlaubnis, auf der Wiese unten vor dem Haus zu zelten; kein Problem, würde alles zum Ristorante gehören. Das hören wir gerne! Und so ist der Wandertag für heute beendet. Schöner Platz, Wasser gibt`s für uns am Kran hinter dem Haus, Birra ist ebenfalls genug da.

Woran es mangelt, sind die Literkrüge – aber schafft die Bedienung hinter der Bar Abhilfe: sie zapft den Liter einfach in Weinkrüge ab. Ist vielleicht etwas umständlich zu trinken, aber wirksam.

Bequem an einem Holztisch im Schatten sitzend können wir später äußerst komfortabel kochen und essen. Da die Bar so gegen 19 Uhr schließen wird, fragen wir nach Wein. Und siehe da, der alte Opa hinter dem Tresen füllt uns zwei 5-Liter-Rationen ab; sogar ein Brot (allerdings ohne Salz) bekommen wir; das Ganze für gerade 38 €.

Eine preiswerte Abendgestaltung… nach und nach ziehen wir uns in die Zelte zurück. Allerdings müssen wir auch hier mit den Mücken leben.


Mittwoch, 22.7.2009, 5. Tag

Am Morgen, natürlich wie gewohnt mit wolkenlosem Himmel, haben wir beim Frühstück ein logistisches Problem zu lösen: mindestens 5 Liter Rotwein befinden sich noch in den gestern gekauften Flaschen. Abhilfe schafft da nur ein erster, zweiter Becher zum Frühstück – der Rest muß in die Plastikflaschen umgefüllt werden.



Nach geruhsamem Abbau und Morgenwäsche ziehen wir noch einmal zur Bar hinauf und gönnen uns einen Cappuccino zum Abschied. Martin vermißt seinen Strohhut, findet ihn aber noch im Biergarten auf dem Tisch liegend. Wir schultern unsere Rucksäcke und suchen zunächst mal den Einstieg in den E 1.

Laut Karte müßte es links weitergehen; rechts sind aber die Zeichen an den Bäumen. Ein Pilzsammler kann uns keine Auskunft geben, schon gar nicht auf die heute alles entscheidende Frage, ob es oben, auf dem Pian della Serra, unserem Tagesziel, die versprochene Quelle gibt. Er sei Pilzsammler und kein Brunnensucher! Pian della Serra – das weiß er aber – läge ziemlich weit weg, und deutet vage hinter sich.

„Man folgt dem Karrenweg, der durch den Pinienhain Serra dei Castagni führt bis zu seinem Ende. Auf der linken Seite erblickt man den Monte Catria und den Monte Nerone.

Man gelangt dann auf einer Trift durch eine dicht mit Farnen und Kiefern bewachsene Gegend (Serra dei Caimarchi), die absteigend zu einem Saumpfad führt. Nun nach rechts und immer noch absteigend nach Nordwesten; dabei begegnet man zahlreichen Schwarzdornhecken. Durch einen Stacheldraht hindurch erreicht man eine Wiese und einen Saumpfad, der nach Casa Caimarchi führt. Dann steigt man weiter nach Campolice ab, wo man einer asphaltierten Straße folgt, die nach 1200 m die Provinzstraße Nr. 201, die von Cagli kommt, quert.

Man biegt nach links ein und nach 800 m erreicht man eine Schotterstraße, die nach Gubbio führt. Bei der Kreuzung der Straße, die nach Morena führt, hält man sich links aufwärts. Nach ca. 2 Kilometern verläßt man die Schotterstraße, geht den Strommasten der ENEL entlang und erreicht Casa Buttafuoco. Hier biegt man in einen Saumpfad und geht bis zu einem Gitter, hinter dem man einem aufwärts führenden Pfad durch einen Buchenhain bis zum Monte Caibaldini folgt.

Dann durchquert man Wiesen bis zu einem Pferch in Barco, von wo aus man bei Bedarf den Ort Col del Lupo erreichen kann. Man steigt dann zum Gipfel des Pian della Serra (Eisenkreuz) auf. Dem Kamm entlang erreicht man eine Quelle.“


Na ja, das wissen wir ja vom Kartenstudium selbst schon. Wir entscheiden uns für die rechte Wegvariante und nach einem kurzen Anstieg zu Beginn verläuft der breite Sandweg wirklich schön zu gehen; meist unter schattigen Bäumen, in leichtem auf und ab; gelegentlich sogar mit freier Aussicht; insbesondere auf die links neben uns liegende Bergkette mit einer markanten Bergspitze mit vielen Antennen sowie Blick auf den Monte Catria. Nur der Monte Cucco läßt sich leider noch nicht blicken.



Aus der geruhsamen Wanderung wird allmählich aber eine anstrengende Tour. Zunächst geht es damit los, daß wir auf einem Pfad am Waldrand hinunter plötzlich kaum noch eine Spur erkennen können. Wir probieren verschiedene Varianten aus und brechen durch das Unterholz. Immer wieder frohlocken wir, wenn mal wieder ein E 1- Zeichen auftaucht. Dann geraten wir in ein buschbestandenes, zugewuchertes Gelände, das immer steiler bergab führt.

Die Chance, den Weg zu erkennen ist gleich null. Rückwärts blickend staunen wir allerdings nicht schlecht, als wir an fast jedem Baum eines der ursprünglichen E 1-Metallschilder sehen, die mit der Wanderschildkröte als Symbol. Aber – die kann man nur von unten im Nachhinein sehen; abwärts müssen wir uns wohl oder übel durch immer dichter werdende Macchia kämpfen. Und das kostet seinen Preis. Wir zahlen sozusagen unseren „Blutzoll“ für dieses Stück auf dem E 1!



Merkwürdigerweise tut das unserer Stimmung aber keinen Abbruch. Trotzdem sind wir alle erleichtert, als die ersten hochrufen, sie seien auf einem Querweg angekommen. Hier gilt es (im übertragenen Sinne) erst einmal seine Wunden zu lecken. Wir machen das geschickter und desinfizieren die vielen blutigen Schrammen an Armen und Beinen mit brennendem Infektionsmittel aus der Bordapotheke. Unsere Sanitäterin Simone hat alle Hände voll zu tun.

Klar, daß jetzt erst einmal eine Pause angebracht ist. Der Vino kreist, wir diskutieren über Musik (und hören sie auch); insbesondere über die Böhsen Onkelz. Valle stöbert zwischendurch eine Schlange auf, die sich aber blitzschnell ins dichte Gestrüpp verzieht. Hmm, da sind wir vorhin in breiter Kette durchgelaufen? Andererseits, so laut, wie wir durch das Terrain getrampelt sind, hat sich jedes Kriechtier sicherlich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Außerdem haben wir ja alle feste Trekkingstiefel an.



Der Weiterweg stimmt dann mit der Beschreibung wieder recht genau überein; zunächst dem breiten Weg abwärts folgend und dann auf schmalerem Pfad noch steiler hinunter.

Dabei passieren wir einen Brunnen, der uns eiskaltes, erfrischendes Wasser liefert. Klar, daß wir diese Getränkestation ausgiebig nutzen und mehrere Becher direkt am Brunnen trinken. Auch Köpfe und Kappen werden ausgiebig gewässert.



Etwas später erreichen wir eine Teerstraße und passieren ein Haus, das gerade von einem niederländischen Ehepaar restauriert wird. Auch nicht unbedingt ein Vergnügen bei dieser Hitze.

Als wir die Talsohle erreicht haben, kürzen wir ein wenig ab und überschreiten dabei einen kleinen Bach. Wieder auf der Teerstraße angelangt, die inzwischen bereits schon wieder ansteigt, machen wir im spärlichen Schatten des Straßenrandes eine längere Mittagsrast.



Kurz darauf erwischt es uns dann richtig! Laut Wegbeschreibung soll der E 1 direkt einer ENEL-Stromleitung folgend den Hang hinaufführen. Und was uns hier erwartet, wird wohl keiner so schnell vergessen!

Die Stromleitung findet sich an der passenden Stelle, das Hinweisschild für den Einstieg ist auch erkennbar. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille! Zuerst einmal muß angemerkt werden, daß es nun wirklich steil bergauf geht. Und von einem Weg kann keine Rede mehr sein!

Seit den Tagen der ersten E 1-Markierung sind die Jahre ja ins Land gegangen – und auf diesem Stück Land hat sich die Natur den Weg ohne Zweifel wieder zurückerobert! Dichtes, mannshohes Unterholz, ständig Dornenranken – dieses Teilstück unseres E 1-Projekts ist wahrlich kein Zuckerschlecken! Der Schweiß rinnt uns in Strömen herab; es ist schwülwarm ohne jeden Windhauch.

Jeder ist froh, als wir endlich den Wald verlassen und das angekündigte Haus erreichen. Hier muß der Weg unbedingt verlegt werden! Zum Haus führt nämlich von der Teerstraße kommend ein bequem zu laufender Feldweg hoch!



Der Brunnen auf der Wiese liefert uns leider kein Trinkwasser, irgendwie ist er abgesperrt. Und das Trinkwasser wird allmählich zu einem Problem für uns. Noch haben wir ausreichende Vorräte – dennoch ist die Quelle am Pian della Serra für uns sehr wichtig!

Nach ausgiebiger Rast im Schatten stellen wir uns erneut den vor uns liegenden Anforderungen. Aber was heißt hier „vor uns liegend“? Richtiger wäre der Ausdruck: „über uns liegend“! Es geht zwar nicht mehr ganz so schweißtreibend aufwärts; vor allem ist der Waldpfad am Berghang entlang wesentlich besser begehbar; dennoch: es geht stetig bergauf! Viele, viele Höhenmeter bergauf! Und unser Ziel liegt laut GPS und Beschreibung noch recht weit über uns – auf 1020 m Höhe.

Im Zickzack geht es nun am Hang des Monte Caibaldini hinauf – welch klangvoller Name für diesen mühsamen Anstieg! Der Weg ist jetzt nirgendwo mehr als E 1 ausgeschildert, sondern immer nur als Weg 274. Ist aber laut Karte identisch mit unserem E 1. Wir erreichen den Gipfel planmäßig bei 883 m, nur um feststellen zu müssen, daß danach gleich eine weitere Kuppe folgt, der Cotozzo mit 923 m.



Hier endlich ändert sich plötzlich die Landschaft. Gerade aus dem Wald heraus sind wir noch durch mannshohen Farn geschritten – und plötzlich öffnet sich der Blick auf eine weite Hochfläche, eine Wiese, gemäht, mit ordentlich aufgeschichteten Heuquadern, und bestem Blick nach beiden Seiten des Kammes. Wir machen noch eine letzte Rast, ehe wir den letzten Anstieg des Tages angehen, hinauf zum Pian della Serra.

Leider ist diese Hochebene nicht eben, sondern von mehreren kleinen Tälern unterbrochen, die uns jedes mal wieder zusätzliche unnötige Höhenmeter abverlangt. Etwas unter uns liegt plötzlich eine Hütte mit Tischen und Bänken. Jan und Matthias spurten runter in der Hoffnung, dort die ersehnte Wasserstelle zu finden. Leider ein Fehlschlag.

Also doch noch weiter, recht steil bergauf dem Wiesenweg folgend. Und urplötzlich taucht hinter einem Wäldchen das Gipfelkreuz vor uns auf. Es ist zwar nicht der richtige Gipfel (wir befinden uns auch „nur“ auf 1000 m; der liegt deutlich erkennbar noch einige hundert Meter weiter – aber hier werden wir für heute auf jeden Fall Schluß machen. Rund um das Kreuz ist eine herrliche und auch recht flache Wiese – ideal zum campen. Nur – wo ist jetzt die Quelle?



Jan ist mit Matthias bereits schon wieder weitergezogen; Matthias kommt bald darauf zurück; Jan erst viel später. Von beiden leider die gleiche niederschmetternde Nachricht: nichts entdeckt! Nun ist guter Rat teuer. Jeder hat noch so etwa einen Liter an Wasser; das reicht sicher aus, daß wir nicht verdursten werden – mehr aber auch nicht! An Kochen ist da nicht zu denken.

Wir studieren gemeinsam die Karte: links vom Kamm sind bis zum Monte Perone, dem nächsten Gipfel in etwa anderthalb Kilometern, zwei Bachläufe eingezeichnet. Also müssen wir ausschwärmen und in Kleingruppen gemeinsam suchen.



Und diese Suche bringt dann glücklicherweise auch den gewünschten Erfolg!! Allerdings nicht auf der linken Kammseite, sondern rechts. Florian und Valle entdecken durch Zufall die Quelle, die tatsächlich auch jetzt im Hochsommer noch kristallklares und kaltes Wasser liefert.

Ein Trupp zieht los und füllt alle verfügbaren Behältnisse mit dem kostbaren Naß – selten hat uns Wasser so gut geschmeckt. Ausgedörrt, wie wir nach der langen Tagesetappe sind, trinken wir ausgiebig davon, ehe wir uns ans Kochen machen.



Plötzlich – wir glauben unseren Augen nicht zu trauen – kämpft sich ein einsamer Mountainbiker die letzten Meter zum Kreuz hoch; wir grüßen uns kurz und schon ist er wieder weg. Und kurz danach noch eine Überraschung: die Neonröhren am Kreuz flammen auf und tauchen den Gipfel in helles Licht. Das erste Abendessen mit Beleuchtung!



Leider hindert das Licht auch ein wenig beim Einschlafen. Jan findet zwar den Schalter, mit dem er das Kreuz kurzfristig mal abschaltet; aber das wollen wir den Leuten im Tal dann doch nicht antun. Irgendwann in der Nacht gehen die Lampen dann von allein aus; also muß irgendwo noch ein Zeitschalter verborgen sein.



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