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Umbrien 1996 - die Vorbereitungen



Assisi - für die Pfadfinder aus Wenholthausen inzwischen ein fester Begriff. Seit 1990 sind bisher in jedem Jahr Gruppen des Stammes dorthin gefahren.

1990: Angefangen hat alles mit dem großen Treffen der Leiter und Mitarbeiter, zu dem der Diözesanverband Paderborn in den Herbstferien nach Colle und Assisi eingeladen hatte. Damals nahmen 14 Teilnehmer aus unserem Stamm daran teil und lernten die mittelitalienische Region Umbrien erstmals kennen.

1991 folgte ein weiterer Besuch von acht Mitgliedern des Stammes; diesmal ge koppelt mit einer zweitägigen Trekking-Tour von Colle nach Assisi.

1992 fand mit 18 Teilnehmern das bislang größte Unternehmen, ein zehntägiges Jungpfadfinderlager in den Sommerferien, in Assisi statt.

1993 dann die erste „richtige“ Trekking-Tour durch Umbrien mit 14 Personen.

1994 und 1995 Fortsetzung dieser Wanderstrecke bis zum Monte Vettore.

Und nun, in den Herbstferien 1996 ein gemischtes Unternehmen für die Jungpfadfinder (Standlager in Assisi) und Pfadfinder (Trekking-Tour auf dem E 1); teilnehmen werden 26 Personen! Dementsprechend intensiv laufen die Vorbereitungen ab:

Im Mai findet ein dreitägiges Vorbereitungswochenende in der Schule statt - da bei dreht sich alles um Franziskus und Assisi. An diesem Wochenende legen die Jufis auch ihr Versprechen ab.

Bis zu den Sommerferien dann vielfältige Vorbereitungen in den beiden Gruppen - von der Festlegung der Ausrüstungslisten, über die vorgesehenen Programmpunkte, bis hin zum Verpflegungsplan und der Zeltaufteilung.

Ende August dann das Stammeslager - als letztes Vorbereitungslager zur Kontrolle der persönlichen Ausrüstung und des Gruppenmaterials. Wegen des schlechten Wetters übernachten die Jufis dabei in der Schule; die Pfadfinder können sich auf Oesterberge schon mal darauf vorbereiten, wie ihre geplante Trekking-Tour über den E 1 bei Regen aussehen könnte.

Ende September sind dann alle Vorbereitungen abgeschlossen - die Fahrkarten für die Bahn sind bestellt; die Aufteilung der Liegewagenabteile abgeschlossen und Kontakte zu den italienischen Bekannten hergestellt, die vor Ort die letzten Vorbereitungen treffen sollen.

Die Teilnehmer an der Assisi-Fahrt 1996 des Stammes Wenholthausen

Jungpfadfinder: Anna Büttner, Janine Schlabach, Victoria Lübke, Eva Schröder, Michaela König, Julia Schrage, Dominik König, Florian Beste, Florian Böhmer, Johannes Berghoff und Sebastian Luig

Jufi-Leiter: Friedhelm Beste, Jürgen Luig und Ulrike König

Pfadfinder: Nina Lammert, Svenja Kies, Christoph Schmidt, Sebastian Bartnik, Florian Welz, Ingo Bexten, Jan Büttner und Torsten Bornemann

Pfadi-Leiter: Andree Schmidt, Philipp Stracke, Marianne Schmidt und Martin Kies


Reisetagebuch Assisi 1996



Donnerstag, 10.10.96, 1. Tag

In wenigen Stunden ist es nun endlich so weit! Jetzt muß nur noch das Gruppengepäck verpackt und bei den Jufis die persönliche Ausrüstung kontrolliert werden. Dazu treffen wir uns alle am Vorabend der Abfahrt in der Schule. Während die Jufis ihre Rucksäcke abgeben und auf richtigen Sitz und stramme Verpackung überprüfen lassen, beginnt für die Pfadfinder das erste Abenteuer: die gesamte Ausrüstung an Zelten, Kochern etc. muß anteilig auf die Wanderer verteilt werden - schließlich müssen wir ja alles tragen. Wir haben uns bei der Vorplanung dafür entschieden, unsere gesamte Ausrüstung bereits im Zug mitzunehmen; einerseits, falls der Transit eine Panne haben sollte, andererseits, um sich schon mal ans Gewicht zu gewöhnen. Und das sollte eigentlich auch keine Probleme bringen.

Zuerst einmal wird mit einer Waage das Gewicht jedes einzelnen Teiles exakt ausgewogen. Das Zusammenzählen ergibt danach 45 Kg; wohlgemerkt zusätzlich zum persönlichen Gepäck. Schnell wird solidarisch ein Aufteilschlüssel gefunden: je nach Alter und Grüße darf jeder mit einem Zusatzpaket von 3 bis 4 Kg rechnen! Und dann geht das Feilschen los! Da Martin unbedingt die große Videocamera dabeihaben möchte, hat er seinen Anteil schnell zusammen; die anderen Teilnehmer kommen mehr oder weniger schnell darauf, daß jetzt nur Schnelligkeit beim Auswählen hilft, damit man nicht am Schluß die, wie Philipp es später drastisch ausdrückt, „A....-Karte“ hat. Denn 4 Kg sind nicht unbedingt gleich 4 Kg - auch das Packvolumen spielt natürlich noch eine Rolle.

Nach einer Viertelstunde heftigen Schimpfens ist schließlich jeder einigermaßen zufrieden und verstaut seinen Teil im Rucksack. Denn auch dieses Material wird bis Freitagmorgen hier in der Schule bleiben, damit niemand etwas zu Hause liegen läßt; z.B. ein Überdach oder den Kochtopf der Kleingruppe.

Mit vereinten (?) Kräften wird dann noch eine gemeinsame Verpflegungskiste für die Zeit vor und nach der Trecking-Tour gepackt; sie wird als einziges Gepäckteil des Trupps mit dem Transit transportiert. Jürgen hilft tatkräftig mit und sorgt dafür, daß auch zu große Gegenstände sicher in der Kiste verstaut werden.

Zuletzt steht noch das Laden des Transits an; wie immer schweißtreibend und mit viel Nachdenken verbunden, bis jedes Gepäckstück seinen Platz gefunden hat. Die Jufis haben eine komplette Lagerausrüstung dabei; von Tischen bis hin zu einem Bräter. Und wie immer ist der Wagen anschließend ein wenig in die Knie gegangen. Jürgen wird in diesem Jahr allerdings auf eine Fahrt über die Waage verzichten.

Nach letzten Absprachen für den morgigen Tag - die Jufis werden von Eltern zum Bahnhof gebracht; die Pfadfinder wollen lieber „Urlaub von Anfang an“ machen und den Linienbus nehmen; sind alle Vorbereitungen abgeschlossen.


Freitag, 11.10.96, 2. Tag

Gegen 11 Uhr erscheinen Friedhelm und Jürgen mit dem Transit an der Schule. Sie wollen frühzeitig aufbrechen, um vor der Rush-hour den Großraum Frankfurt passiert zu haben. Mit ihnen fahren noch Sebastian, Florian und Dominik. Ihre Strecke wird sie über Basel und durch den 21 Kilometer langen Gotthard-Tunnel, dann weiter über Mailand und Florenz bis ins 1500 Kilometer weit entfernte Umbrien führen. Nach einem letzten Erinnerungsfoto geht es für sie los.

Nach der Schule hat dann auch für die übrigen Teilnehmer alles Warten ein Ende: es geht los! Die Pfadfinder treffen sich pünktlich an der Schule und bringen ihre Rucksäcke zur Bushaltestelle; dazu kommen noch Taschen mit dem Reiseproviant. Schon im Bus beginnt das Stimmungsbarometer zu steigen - zehn Ferientage liegen vor uns - was werden sie alles bringen? Wie wird das Wetter sein, wie die Kondition der Gruppe?

Verabschiedung am Bahnhof Freienohl


In Freienohl belegen wir mit unserem Gepäck den halben Bahnsteig und warten noch auf die Jufis. Die letzten Minuten vergehen schnell; dann fährt unser Zug nach Kassel ein. Freitagnachmittag, d.h. Hochbetrieb auf der Strecke, zumindest bis Olsberg oder Brilon-Wald. Wir haben schon öfter unangenehme Erfahrungen mit bereits angetrunkenen Kegelvereinen machen müssen. Aus diesem Grund haben wir uns bereits in Kleingruppen entlang des Zuges verteilt und versuchen nun, so schnell wie möglich unser Gepäck in den Zug zu verladen. Dennoch braucht das seine Zeit; aber der Schaffner ist geduldig. Er erlaubt uns sogar, teilweise die erste Klasse mitzubenutzen.

Nach Brilon-Wald und einer heftigen Diskussion mit einem Fahrgast über dessen Rauchen im Nichtraucherabteil ( wobei unsere Jufis gerne mitmachen) wird es ruhiger. Als dann noch die Fahrkartenkontrolle ohne Schwierigkeiten über die Bühne gegangen ist, kann uns nichts mehr aufhalten. Es ist schon bemerkenswert, wie viele Süßigkeiten ein ausgewachsener Jufi so mit sich führt!

In Kassel-Wilhelmshöhe ein kurzer Transfer zum ICE-Bahnsteig; dann heißt es wiederum warten. Es wird munter weiter gegessen. Pünktlich rauscht unser ICE herein; wir haben auch keine Schwierigkeiten, in den beiden Wagen unsere reservierten Plätze zu belegen. Für die Jufis ist der Videowagen gebucht worden; die anderen haben ja meist schon mehrere Fahrten mit dem ICE hinter sich und sind nicht mehr so wild darauf.

Durch Zufall trifft Eva im ICE auch noch Verwandte und erzählt ihnen von unseren Reiseplänen. Draußen ist es bereits Nacht geworden, so daß die hohe Fahrtgeschwindigkeit von immerhin bis zu 250 Km/h kaum noch erkennbar ist.

Dann München Hbf - wir müssen wie immer zum letzten Gleis zu unserem Nachtzug hinüber. Dort lassen wir erst einmal das Gepäck unter der Aufsicht einiger Pfadfinder zurück und begeben uns in zwei Kleingruppen zu einem kurzen Bummel durch die Münchener Einkaufszone. Viel ist aber nicht mehr los, da die Geschäfte bereits geschlossen haben.

Als wir zurückkommen, steht unser Nachtzug bereits da und wir suchen unseren Wagen. Auch hier gibt es mit den gebuchten Abteilen keine Schwierigkeiten. Schon im Vorfeld hatten wir die Aufteilung der 6-Bett-Abteile geklärt. Schwieriger wird es schon mit dem Verstauen des Gepäcks. Hier helfen die Großen tatkräftig mit, um die schweren Rucksäcke hinauf in die Ablagen zu wuchten. Zuletzt müssen nur noch die Liegen für die Nacht hergerichtet werden.

Inzwischen hat sich der Zug schon längst in Bewegung gesetzt. Kufstein ist nach einer Stunde passiert und wir bewegen uns durch Österreich in Richtung Brenner zur italienischen Grenze. Je nach Müdigkeit verschwinden die Teilnehmer nach und nach in ihren Abteilen. Der erste Fahrttag ist bereits vorüber!


Samstag, 12.10.96, 3. Tag

Wir werden durch das Geräusch der Räder und das helle Tageslicht geweckt - draußen zieht die italienische Landschaft vorbei - es scheint gutes Wetter zu geben! Nach einem Frühstück im Abteil kommen auch schon die Vororte von Florenz in Sicht und wir laufen langsam in den Kopfbahnhof Firenze S.M.N. ein.

Da uns die Gepäckaufbewahrung zu teuer ist, wechseln wir zum anderen Ende des Bahnhofs hinüber und deponieren dort unsere Rucksäcke auf einem großen Haufen. Während Ulrike, Michaela und Martin mit Marianne als Gepäckwache zurückbleiben, heften sich die anderen an die Fersen von Andree, der es übernommen hat, den „Neulingen“ einen kurzen Überblick über Florenz zu verschaffen. Im strammen Tempo geht es zunächst bis zur Ponte Vecchio, von dort Richtung Dom und dann wieder durch die belebte Innenstadt zurück zum Bahnhof.

Und hier wird endlich auf der großen Anzeigetafel der Abfahrtsbahnsteig für den Zug nach Assisi angezeigt. Also wieder die Rucksäcke aufgeschnallt und hinüber zum Bahnsteig, wo auch schon der Zug bereitsteht. Hier haben wir zwar keine reservierten Plätze; kommen aber auch so ganz gut zurecht. Bei der anschließenden Fahrt über Arezzo und Terontola, vorbei am Trasimenischen See, kommen einigen Erinnerungen an die vielen Fahrten zuvor; bei den Jufis setzt sich meist die Müdigkeit durch.

Mittags laufen wir dann pünktlich in Assisi ein. Wir hängen am offenen Fenster und versuchen, einen Blick auf die Altstadt und den Monte Subasio zu erhaschen. Groß ist die Freude, als wir Friedhelm und Jürgen bereits auf dem Bahnsteig sehen. So ist mit der langen Autofahrt also auch alles gutgegangen.

Die Jufis werden zuerst mit dem Transit hinauf zum Campingplatz gefahren; die Pfadfinder nehmen den Linienbus hinauf in die Stadt und verabreden sich dort mit Jürgen am Piazza Mateotti. Sie wollen gleich weiter ins Hochtal Val di Ranco, um dort bei der Albergo am Fuße des Monte Cucco ihr erstes Lager aufzuschlagen. Von hier aus soll am nächsten Morgen als erstes Abenteuer das Höhlensystem im Monte Cucco erkundet werden.

Da der Pfadfindertrupp für diese Zeit durch Jürgen und Sebastian verstärkt wird, müssen wir in zwei Etappen fahren; die Zurückgebliebenen vertreiben sich die Zeit mit einem Rauchopfer für Güpi, dem Wettergott.

Das zunächst gute Wetter verändert sich im Laufe des Nachmittags, leider nicht zum Positiven! Bei der Ankunft der zweiten Gruppe an der Albergo ziehen dicke, tiefhängende Wolken übers Gebirge und verheißen nichts Gutes für den nächsten Tag. Egal, Hauptsache ist für uns, daß Alberto und seine Frau Uschi, die beiden Wirtsleute der Albergo, für uns alles organisiert haben! Und so ist es - wir können überall auf dem umliegenden Gelände unsere Expeditionszelte aufschlagen. Schnell wird innerhalb der Gruppe abgestimmt und dann bei Alberto ein erstes italienisches Mahl in seinem Restaurant für den Abend bestellt. Kochen können wir immer noch; die nächsten Tage werden sicherlich noch so manchen einsamen Übernachtungsort ohne Kneipe für uns bereithalten.

Beim Zeltaufbau zeigt sich, daß die erste Gruppe bessere Karten hatte, d.h., die einigermaßen ebenen Plätzchen nun schon besetzt sind. Viel Zeit zum Diskutieren bleibt auch nicht mehr; die Nacht senkt sich unaufhaltsam übers Val di Ranco. Nun zeigt sich erstmals das Training der einzelnen Zeltgemeinschaften - es sitzt (fast) jeder Handgriff. Als dann die Zelte stehen, heißt es: „auf in die Kneipe“!

Alberto hat für uns einen langen Tisch zusammengestellt und gibt uns einen kurzen Überblick über seine Vororganisation für die morgige Höhlentour: es ist alles für uns vorbereitet; sachkundige Führer und entsprechendes Material. Also können wir uns in Ruhe das erste Abendessen, bestehend natürlich aus Spaghetti, dazu Salat, munden lassen und den vorzüglichen Wein genießen.

Für den nächsten Morgen verabreden wir uns schon früh zum Frühstück; wir müssen um halb zehn oben am Parkplatz am Monte Cucco sein. Danach verschwinden wir alle recht müde in unseren Zwei- bis Viermannzelten, um auf dem schrägen Untergrund eine mehr oder weniger bequeme Nacht zu verbringen.


Sonntag, 13.10.96, 4. Tag

Wie verabredet, kriechen wir schon frühzeitig aus unseren Zelten und treffen uns unten neben dem Transit an einem Steintisch zum improvisierten Frühstück. Nur unsere jungen Damen brauchen etwas länger....

Frühstück im Val di Ranco


Da die Zeit drängt, beschließen wir, die Nachzügler mit dem Transit zum Parkplatz hinaufzufahren; einige andere machen sich zu Fuß auf. Das Wetter ist wieder überraschend gut geworden; der Monte Cucco erhebt sich im vollen Sonnenlicht über unserem Tal. Selbst der Anstieg zum Höhleneingang ist deutlich zu erkennen.

Schnell verladen wir noch etwas Brot, Käse und Wurst für das Mittagessen; dazu einige nahrhafte Getränke. Dann geht`s los. In wenigen Minuten erreichen wir den kleinen Parkplatz am Fuße des Monte Cucco. Hier haben wir vor drei Jahren schon einmal gezeltet und in einer äußerst stürmischen Nacht auf die Materialstärke unseres Kuppelzeltes vertraut.

Wie anders dagegen ist es heute! Kaum Wind; strahlendblauer Himmel und Angelo mit einem Freund, der uns mit der Ausrüstung bereits erwartet. Nach einer kurzen Vorstellrunde geht es gleich an die Arbeit: jeder erhält einen Sitzgurt, Helm und eine Karbidlampe mit Verbindungsschlauch zum Helmlicht.

Aber jetzt beginnen erst die Schwierigkeiten - von uns hat kaum einer eine Ahnung davon, wie das Gurtzeug richtig angelegt werden soll; außerdem müssen die Größen natürlich noch angepaßt werden. Das dauert natürlich seine Zeit! Dennoch ist die Stimmung prächtig, auch wenn manch einem sicher nicht so ganz wohl bei dem Gedanken ist, wofür wir denn diesen ganzen Kram brauchen.

Anlegen der Abseilgurte 45 Minuten Anmarschweg zum Höhleneingang auf 1390 m Höhe


Dann machen wir uns in lockeren Kleingruppen auf; hinauf zum Höhleneingang. Vom letzten Besuch her wissen wir, daß es bis dort oben ein ganzes Stück ist. Die Sonne brennt inzwischen heiß vom Himmel und die ersten Jacken werden ausgezogen.

Der Anstieg wird immer steiler; der Weg schmaler, bis er zuletzt nur noch als Pfad an einem steilen Hang entlang läuft. Für Schwindelanfällige sicher kein schöner Weg! Aber man muß ja nicht immer nach unten schauen: der Ausblick über die weitläufige Gebirgslandschaft ist schon gewaltig; teilweise liegt noch etwas Frühnebel in den Tälern.

Kurz vor dem Höhleneingang gibt es eine längere Pause: leider ist kurz vor uns eine andere Gruppe angekommen; noch mehr mit Ausrüstung versehen; die ebenfalls in die Höhle absteigen will. Wir müssen uns gedulden, bis der Letzte im Höhlenschlund verschwunden ist - und das dauert fast eine Stunde, da immer nur zwei Leute gleichzeitig angeseilt hinunter können.

Die letzten Meter werden etwas enger Warten auf den Abstieg


Schließlich stehen wir selbst vor dem Loch - denn mehr ist es nicht! Ein Loch, das nahezu senkrecht nach unten in den Berg verschwindet.

Das Höhlenreich des Monte Cucco - wir alle haben in der Vorbereitungsphase davon gehört (der folgende Abschnitt stammt aus unserem E1-Reiseführer "Wanderungen in Umbrien (Verlag Bruckmann) von Helmut Dumler, Zitate daraus ab jetzt kursiv gedruckt):

„Als Gian Battista Miliani sich 1883 erstmals in die "Grotta" des Monte Cucco wagte, hatte er die Hoffnung, Neuland zu betreten. Diese Erwartung indes trog: „Ludovico 1551“ fand er unten mit Kohle an die Wand geschrieben. Dieser Ludovico, vermutlich ein Mönch, ist der erste nachweisbare Mensch im Karstleib der Höhle gewesen, konkret in der „Cattedrale“, die später durch die nun vor uns befindliche Eisenleiter zugänglich gemacht wurde. Und weiter als bis in diese Cattedrale, höchstens noch bis in den benachbarten „Sala Margherita“, deren Name an Margherita Mengarini erinnert, die 1892 bis hierher gelangte, sollten sich Touristen ohne Führer auch heute noch nicht vorwagen. Erst ab 1955 wurden die weiteren Erforschungen vorangetrieben; 1969 stieß eine Expedition auf den 200m langen und 100m hohen „Salone Saracco“. Diese Expedition führte bereits 600 Meter an Strickleitern und 1000 Meter an Seilen mit sich. Eine Befahrung löste von nun an die andere ab und die Ereignisse überschlugen sich geradezu: 1969 war man in eine Tiefe von 740 Meter vorgedrungen; 1974 bereits auf 922 Meter; dabei waren insgesamt 23 Kilometer(!) an Gängen erforscht. 1989 waren es bereits 935 Meter Tiefe mit 26 Kilometern an Gängen - und ein Ende ist nicht abzusehen im ausgedehntesten Höhlensystem Italiens, dem fünftgrößten der Welt!“

Unsere beiden Führer sichern die Strecke nach unten zunächst mit mehreren Seilen. Denn dieser Abstieg hat es in sich: zunächst etwa acht Meter hinab über in den Fels eingeschlagene U-Eisenprofile, die zu allem Überfluß auch noch schräg untereinander angebracht sind. Am unteren Ende dieses Abstiegs ist nun eine Vierteldrehung nach links erforderlich, denn nun erwartet uns eine 25 m lange Eisenleiter; bestehend lediglich aus zwei rostigen, glitschignassen Holmen und endlos vielen, ebenso glitschigen Sprossen. Ist man erst einmal auf dieser Leiter, gibt es kein Zurück mehr! Nirgends eine weitere Stütze, nichts, nur das Ende tief unten, irgendwo im Dunklen.

Das alles wissen die Höhlen-Scouts von den Erzählungen derjenigen unter ihnen, die 1993 schon einmal in einer Kleingruppe, damals allerdings ohne Führer, hier hinabgestiegen sind. Allen bekannt ist auch, daß das Tageslicht mit jedem Meter abwärts schwächer werden wird, und daß man, wenn man Glück hat, auf dem Weg nach unten bereits mit den ersten kleinen Bewohnern der Unterwelt (auf deren etwas schleimige Beschreibung hier verzichtet werden soll) Kontakt haben wird: die Leiter und die nassen Felsen ringsum scheinen ihr angestammter Lebensraum zu sein.

Letzte Sicherheitskontrolle Es kann nach unten gehen...


Nachdem endlich alle Zweierteams (die sich gegenseitig sichern müssen) festgelegt sind und auch Martin für sein eventuell doch etwas höheres Fallgewicht einen Sicherungspartner gefunden hat, wagen sich Philipp und Nina als erstes mutiges Doppelgespann nach unten. Schritt für Schritt; gesteuert im Tempo durch Zurufe Angelos, der darauf achtet, daß die Sicherungsleine immer schön straff gespannt ist und niemand mit dem Fuß drauf tritt, steigen die Paare ab.

Schon oben hat Angelo die Karbidlampen mit Wasser gefüllt und die Funktion dieser offen brennenden Beleuchtung genauestens erläutert. Durch einfaches Regulieren der Wasserzufuhr lassen sich die Lampen in der Helligkeit regeln. Allerdings muß man ein wenig aufpassen, daß man seinen Mitmenschen mit der offenen Flamme nicht zu nahe an die Kleidung kommt....

Alles doch ein wenig ungewohnt für uns... Die Höhle entschädigt für die Strapazen des Abstiegs


Als alle unten sind, geht es zunächst durch die Cattedrale. Hier erklärt Angelo in gutem Deutsch einiges zur Entstehungsgeschichte der Höhle. Danach mit vorsichtigen Schritten, fast schon mehr tastend, weiter. Kein Vergleich zu deutschen Tropfsteinhöhlen; mit ihren ausgetretenen Wegen und der hellen Beleuchtung. Hier muß sich jeder seinen Weg über und zwischen großen und kleinen Tropfsteinen hindurch selbst suchen; geleitet von den Fußtritten des Vordermannes und der doch recht mageren Beleuchtung auf seinem Helm. Auch sollte man dem Boden genaueste Aufmerksamkeit schenken, denn dann und wann hat sich in den Vertiefungen schon mal eine mitunter beträchtliche Pfütze angesammelt. Angelo erklärt, daß man mit Farbstoffen den Weg des Wassers durch die Höhle verfolgt hat; tief unten, in der Nähe des Örtchens Sigillo, von uns aus gesehen über 1000 m tiefer, wäre das gefärbte Wasser wieder zu Tage getreten; in einer Quelle, die je Sekunde 200 Liter Wasser aus dem Berg sprudeln läßt. Trotzdem will Angelo von dem Vergleich des Monte Cucco „mit einem löchrigen Käse“, wie es in vielen Reiseführern steht, nichts wissen. Er rechnet uns vor, welche ungeheure Menge und Masse an Gestein der Monte Cucco im Gegensatz zu seinen Höhlen zu bieten hat.

Immer tiefer tasten wir uns vor



Inzwischen hat sich der Weg immer mehr verengt. Ein canyonartiger, tiefer See versperrt zunächst das Weitervordringen: Angelo zeigt uns, wie man sich, mit Händen und Füßen gegen die nassen Seitenwände gestemmt und ein, zwei aus dem Wasser herausragende Tropfsteinkuppen nutzend, ohne allzu nasse Füße trotzdem weiterkommen kann. Dies bleibt nun allerdings nur noch den ganz Geschickten und Mutigen vorbehalten! Sie gelangen bis in eine weitere große Höhle, wo ein See dem weiteren Fortkommen ein Ende setzt. Angelo läßt nun alle Lichter löschen, damit man sich ein etwas deutlicheres Bild von der ewigen Dunkelheit hier unter machen kann. Danach geht es auf den Rückweg.

Der Weiterweg bleibt den Mutigeren unter uns überlassen


Jeder ist froh, als er nach etwa zwei Stunden Höhlenexkursion beim Hinaufklettern der Leiter wieder das Tageslicht vor Augen hat. Nach halbstündigem Fußmarsch erreichen wir unseren Transit und lassen uns in der warmen Mittagssonne zu einem Imbiß nieder: Salami und Käse, dazu unser erstes Dosenschwarzbrot und ein Schlückchen Wasser oder auch Wein. Nach unserem gemeinsamen Mahl verabschieden wir uns von unseren beiden Führern und versprechen, ihnen aus Deutschland zu schreiben.

Frühstück mit unseren Führern am Startplatz der Drachenflieger Gulasch mit Semmelknödeln: unser traditionelles Lageressen


Per Bus oder alternativ bei dem schönen Wetter auch zu Fuß geht es zurück ins Val di Ranco. Hier steht nun ein weiterer Höhepunkt des Tages bevor: das Mittagessen - nach alter Pfadfindertradition aus Klößen und einem Spezialgulasch bestehend. Dazu sind umfangreiche Vorarbeiten zu leisten; angefangen beim Putzen und Schneiden des frischen Gemüses, bis hin zur Herstellung der exquisiten Sauce. Zwischendurch wirft Philipp unter allgemeinem Interesse seine Runensteine, die für das Wetter des nächsten Tages allerdings nichts Gutes verheißen. An diesem Tag läßt es sich Jan nicht nehmen, die Sauce nach Vermengen aller Zutaten mit dem obligatorischen Saucenbinder zu verfeinern. Und tatsächlich - der nachfolgende Test beweist es: der Kochlöffel bleibt in der inzwischen auch wohlriechenden Sauce stehen! Nun läßt sich keiner mehr lange bitten, herzhaft zuzugreifen. Wer weiß, wann es wieder ein derartiges Essen gibt? (Außerdem wissen wir ja auch genau, welche Tütennahrung wir für die nächsten Tage ein gepackt haben...)

Über all diesem ist es Abend geworden - Zeit, uns von Jürgen und Sebastian zu verabschieden - und gleichzeitig auch von unserem Transit. Also heißt es gut nachgedacht, was vom jetzigen Material alles mit nach Assisi zurück kann - angefangen bei den großen Kochtöpfen, der Gasflasche bis hin zu denjenigen Lebensmitteln, die wir erst wieder nach Beendigung unserer Trekking-Tour benötigen werden. Was jetzt vergessen werden sollte, müssen wir ab morgen tragen!

Der Abend auf Albertos Terrasse wird noch lang und zunehmend lustiger. Gegen Mitternacht gelingt es uns sogar, die draußen stehende Musicbox in Schwung zu bringen. Gut, daß keine anderen Gäste da sind!

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