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Donnerstag, 17.10.96, 8. Tag

Gegen 7 Uhr werden wir wach - und der Sturm hat immer noch nicht nachgelassen. 12 Stunden Dunkelheit, Sturm und Sorge um das Wohlergehen unserer Zelte liegen hinter uns. Jetzt, beim ersten Tageslicht ist Zeit für eine Schadensbilanz: das Dovrefjell hat es am Schlimmsten erwischt: ein Riß in der Außenhaut. Hauptverantwortlich dafür dürfte das nächtliche Drehen der Windrichtung gewesen sein, die das langgestreckte Tunnelzelt von der Seite getroffen hat. Das große Basefox und das kleine Denali haben keinerlei Schäden zu melden; bei den beiden Salewa-Zelten Sierra und Leone ist jeweils eine der Sturmleinen abgerissen. Glück gehabt!!

Uns allen reicht es nun aber auch hier oben - von wegen Sonnenaufgang und so! Wir haben nur noch einen Wunsch - raus aus dem Nebel, der Kälte und dem Sturm; hinunter ins warme Tal nach Assisi. Von den hier mit uns verabredeten Jungpfadfindern ist natürlich auch nichts zu sehen - das hätte uns auch gewundert! Selbst wenn sie am Morgen hier aufgetaucht wären, hätten sie uns im Nebel sicher verpaßt.

Wir verzichten auf`s Frühstück hier oben; freuen uns über unsere winddichten Funktionsjacken und legen gemeinsam die Zelte flach. Mit den eisigen Fingern ist es gar nicht so leicht, das kalte Zeltmaterial in die Packsäcke zu zwingen.

Nur mit vielen Händen gleichzeitig bekommt man die Zelte in diesem Sturm runter Frösteldn wird noch schnell ein verwaschenes Erinnerungsfoto gemacht


Dann ein letztes Erinnerungsfoto am Gipfelstein; ein Videoschwenk auf den Windmesser am Antennenmast; danach geht es zügig los. Und siehe da: wenige hundert Höhenmeter tiefer kommen wir aus der Nebelschicht über dem Gipfel heraus - unter uns liegt Assisi in klarem Licht. Und wärmer ist es mit jedem Meter hinunter inzwischen auch geworden.

Ein Wetter wie aus einer anderen Welt Ohne Sturm schmeckt das Frühstück besser!


Kurz hinter der Eremo, der Einsiedelei, in der Franziskus einige Zeit verbracht hat (die uns heute aber herzlich wenig interessiert) machen wir an einem Wegkreuz mit Sicht über Assisi hinweg Halt zur Frühstückspause: ein letztes mal Dosenbrot, Dosenwurst, Dosenfisch. Mein Gott, was freuen wir uns schon auf die Läden unten in Assisi! Und dann kommt da noch eine deutsche Reisegruppe aus Eversberg (!) an uns vorbei und gibt ihre Kommentare ab: „mit Rucksack und Zelt, nein, wie romantisch!“ Nach der letzten Nacht auf dem Monte Subasio haben wir dazu eine eigene Meinung.....

Und dann erreichen wir auch schon Fonte Maggio, „unseren“ Campingplatz. Aber, was heißt hier „Campingplatz“? Schon beim Frühstück haben wir Kassensturz gemacht und beschlossen, die letzten beiden Nächte in der Ostello, der angegliederten Jugendherberge von Franco, zu übernachten. Irgendwo ist man Regen, Sturm und Kälte langsam leid - wir haben das Gefühl, uns etwas Gutes gönnen zu müssen nach all diesen Strapazen.

So geht es schnurstracks in die Rezeption zu unserem alten Bekannten Benito, der uns herzlich willkommen heißt und uns erfreulicherweise freie Zimmer in der Herberge anbieten kann. Na, Glück muß man eben auch mal haben! Zielstrebig geht es die Terrassen hinab zur Herberge und wir beziehen unsere Zimmer - Platz genug für alle. Die Zimmer sind zwar nur mäßig, dafür aber im Vergleich zu den sonst notwendigen Platzgebühren auch nicht allzu teuer.

Nach dem Beziehen der Betten breiten wir draußen auf dem Balkon unsere Zelte zum Trocknen aus - drei weitere Tage wollen wir sie nicht naß in den Packsäcken lassen. Und dann lassen wir uns gemütlich auf Gartenstühlen und Betten nieder und genießen den Nachmittag bei einem kleinen Kartenspielchen - von Nina und Svenja verwöhnt durch ein weiteres opulentes Gulasch mit Knödeln - denn nun haben wir wieder Zugriff auf unsere „Lebensmittelreserven“, die wir dem Transit mitgegeben hatten. Und siehe da - die beiden Mädchen haben die Kunst der Zubereitung dieses traditionellen Stammesessens inzwischen auch perfekt gelernt; insbesondere, was den Umgang mit dem Saucenbinder angeht!

Wind- und regensicher in der Ostello in Assisi


Danach hält uns nichts mehr ab von einem ersten Stadtbummel in die Altstadt von Assisi hinein - Ziel ist natürlich das „Dal Carro“ - frei auf deutsch: „Zum großen Wagen“. Leider öffnet es erst um 19 Uhr; wir haben also genügend Zeit für einen Bummel durch die altvertrauten Gassen. Plötzlich einsetzender Regen erinnert uns daran, daß man seine Regensachen auch bei einem Stadtbummel nicht vergessen sollte. Und so sitzen wir dann schließlich hier im Dal Carro mit mehr oder weniger durchfeuchteten Hosen und genießen den ersten Krug. Und den inzwischen erwachten Hunger können wir hier natürlich auch stillen.

Zurück in der Jugendherberge geht es noch lange fröhlich weiter; insbesondere Ingo und Torsten haben beim Getränkekauf im „La Stalla“ das Geschäft ihres Lebens gemacht!


Freitag, 18.10.96, 9. Tag

Der erste - und gleichzeitig letzte - volle Tag für Assisi. Einen Tag wollten wir doch für diese Stadt einplanen. So geht es schon früh am Morgen los: mit dem Transit hinunter in die Neustadt, um zunächst einmal im „La Bottega“, unserem altvertrauten Supermarket, einzukaufen - auch schon für die morgige Rückreise. Wie immer stehen wir staunend vor der riesigen Auswahl an Spaghettis. Ein ganzes Regal davon gibt es hier!

Inzwischen regnet es mal wieder. Also nutzen wir die Zeit, die Basilika „Santa Maria degli Angeli“ zu besuchen. Achtgrößte Kirche der Christenheit - aber paßt dieser Monumentalbarock zu Franziskus? Uns kommen wie immer dazu Zweifel. Mitten in der Basilika, überbaut von der riesigen Kuppel, das winzig kleine Kirchlein „Portiuncula“, das Franziskus damals selbst wieder aufgebaut hat, nachdem er vom Kreuz in San Damiano die Worte gehört haben soll: „Geh hin, und baue meine Kirche wieder auf!“

Wir spüren instinktiv, daß Helmut Dumler in seinem Reiseführer recht hat, wenn er schreibt:

„ Ich meine, hier ist Franziskus grundfalsch, um nicht zu sagen, beleidigend, interpretiert worden, und pflichte dem namhaften deutschen Kulturhistoriker Ferdinand Gregorovius bei, daß der 1569 vom damaligen Papst Pius V. in Auftrag gegebene Bau zwar „ganz erstaunliche Summen gekostet haben muß“ jedoch „geistlos nüchtern“ ist. Manche sahen im Erdbeben von 1832, das Teile einstürzen ließ, späte Strafe für päpstliche Großmannssucht!“

Und so ist es - es fällt schwer, in diesem pompösen, 115 Meter langem Monstrum eine persönliche Beziehung herzustellen zu dem Franziskus, der in der gelebten Nachfolge Jesu Christi wirkte und sich hier, in der Nacht zum 4. Oktober 1226 nackt zum Sterben hinlegen ließ; mit Blick hinauf in sein geliebtes Assisi.

Vor der wenig beeindruckenden Basilika Maria degli Angeli Leider ist in San Damiano alles geschlossen


Wir verlassen ein wenig angewidert diesen Ort und fahren weiter nach San Damiano - wo alles noch etwas ursprünglicher an Franziskus erinnert. Leider haben wir hier kein Glück - wegen Renovierungsarbeiten ist hier alles dicht.

Zurück in der Herberge ist wieder Relaxen angesagt; einige Freiwillige kümmern sich um unser Mitt
Endlich mal nicht auf einem Mini-Gasbrenner kochen müssen!


Zurück in der Herberge ist wieder Relaxen angesagt; einige Freiwillige kümmern sich um unser Mittagessen: Spaghetti Bolognese. Da wir ja schließlich in Italien sind, rechnet niemand nach, zum wievielten mal es jetzt eigentlich Nudeln gibt. Ganz im Gegenteil: für den Abend haben wir uns ein gemeinsames Abschlußessen im Dal Carro vorgenommen.

Doch zunächst einmal plagt uns eine ganz andere Sorge: unser Bargeld geht rapide dem Ende entgegen. Nun sollte dies im Zeitalter der Visa- und Euro-Cards in einer Touristenstadt wie Assisi ja wohl kein Problem sein - denken wir. Beim Einschieben unserer Visa-Card in den Automaten auf dem Marktplatz werden wir allerdings eines Besseren belehrt: „Außer Betrieb“ entziffern wir die freundlicherweise auf deutsch geschriebene Mitteilung. Also auf zum nächsten Automaten. Freundliche Auskunft bei mehreren Hotelportiers: es gibt keine weiteren Automaten in Assisi, die Visacards akzeptieren - nur italienische „Banco-Cards“. Gut, dann also zur Bank zum Direktumtausch - wozu hat man nicht vorausschauend noch deutsches Bargeld dabei? Nächste Fehlanzeige: italienische Banken schließen ab Freitagmittag übers Wochenende! (Na ja, das hätten wir ja von unseren Sardinienfahrten eigentlich noch wissen müssen). Und was ist mit unserer letzten Notfallösung - unserer EC-Card und Euroschecks??? Wird hier nirgendwo akzeptiert!

Nun ist guter Rat teuer! Da wir inzwischen unten an der Basilika angekommen sind, nutzen einige Unentwegte die Gelegenheit, der dreistöckigen Basilika über der Krypta von Franziskus einen Besuch abzustatten. Und schau an - wir können uns einer deutschen Reisegruppe anschließen, der ein Pater die Kunstwerke an Decke und Seitenwänden erklärt. Als er dann aber mit feurigen Worten schildert, daß das Schlechte auf der Welt daher komme, daß Kinder und Jugendliche nicht mehr genügend auf ihre Eltern hören würden, daß aber die Wurzel allen Bösen in der Rockmusik zu suchen sei, verlassen wir schleunigst die Basilika. Es reicht! Schuld sind wir also selber, unsere Musik - und die falsche Bank-Card natürlich.

Während wir uns trübselig wieder durch die Stadt hocharbeiten und an das verpaßte Abendessen im Dal Carro denken, nähern wir uns, ohne es zu wissen, der Wende! Denn siehe da, als wir nochmals die Visa-Card in den Schlitz am Automaten auf dem Marktplatz stecken - trauen wir unseren Augen kaum! Der Automat ist inzwischen wohl wieder mit Bargeld bestückt worden und nimmt gutmütig unsere Bestellung an!!! Fünf Minuten später herrscht kein Mangel an Bargeld mehr - die Gruppenkasse ist für die kommenden Auslagen gut bestückt und auch Taschengeld kann in ausreichender Menge vorgestreckt werden. Und Marianne kann sich endlich ihr heißersehntes Olivenbäumchen als Andenken an diese Fahrt kaufen - wenn für das Erinnerungsfoto auch mehrere Versuche notwendig sind, da immer wieder Leute durch`s Bild laufen.

Sightseeing in Assisi Abendstimmung vor der Santa Chiara Kirche


Nun, noch ist Zeit bis zum Treffen im Dal Carro - also sammeln wir uns nach und nach auf der Piazza vor der Kirche „Santa Chiara“, in der die Gebeine der Hl. Klara, Weggefährtin von Franz, ruhen. Auch hier ein kurzer Besuch in der Krypta und beim Kreuz, das zu Franziskus gesprochen haben soll.

Draußen auf der Mauer dann ein schöner Sonnenuntergang - denn unmerklich hat sich im Laufe des Nachmittags das Wetter gebessert und wir baden in den letzten Sonnenstrahlen des Tages.

Etwas Wehmut kommt schon auf, als wir hier sitzen und an die vergangenen Tage zurückdenken - was haben wir nicht alles in dieser doch sehr kurzen Zeit erlebt: vom Wetter mit all seinen Facetten angefangen (zum Glück blieb uns in diesem Jahr anders als 1994 wenigstens der Schnee auf dem Monte Subasio erspart); die vielen Eindrücke der umbrischen Landschaft; die umbrischen Küche, die wir bei Franco kennen gelernt haben, bis hin natürlich zu den vielen freundlichen Menschen, die wir unterwegs kennengelernt haben: Uschi und Alberto; Angelo und sein Freund; Franco und Benito und viele andere mehr.

Aber - die Fahrt ist ja noch nicht beendet! Jetzt kommt erst einmal das Essen im Dal Carro - und das genießen wir lang und ausgiebig! Wieder einmal wird es spät, bis wir in der Ostello eintreffen. Draußen sitzen wir noch auf der Terrasse mit den Jufileitern zusammen und erzählen uns gegenseitig von unseren Erlebnissen.


Samstag, 19.10.96, 10. Tag

Der Tag beginnt früh - bis zur Abfahrt unseres Zuges bzw. des Transits muß noch viel erledigt werden. Der Wagen ist auf Drängen von Jürgen bereits gestern gepackt worden; heute werden nur noch letzte Dinge eingeladen.

Abschied vom Platz Fontemaggio Mit dem Stadtbus geht es hinunter zum Bahnhof in der Neustadt


Wir genießen ein letztes Frühstück auf der Terrasse; machen uns Paninis für die Rückreise und verstauen unsere Ausrüstung ein letztes mal in den Rucksäcken. Danach kommt die große Endreinigung der Herberge, in die gestern auch die Jufis eingezogen sind.

Nach der Verabschiedung von Benito machen wir uns auf den Weg zum Piazza Mateotti, um von dort den Bus zum Bahnhof zu nehmen. Unterwegs können unsere starken Pfadfinder ihre erste gute Tat des Tages tun und einem Fiat-Fahrer helfen, der seinen Wagen in einem Kellereingang festgefahren hat. Mit vereinten Kräften wird der Pfiffi aus seiner Zwangslage befreit und herausgehoben. An der Bushaltestelle dann ein letzter Besuch im Alimentari. Hier treffen wir auch auf unsere Jufis, die gemeinsam mit uns die Heimreise im Zug antreten werden. Ihre großen Rucksäcke haben sie dem Transit mitgegeben.

Auf dem Weg zum Bahnhof treffen wir auf einen Pilgerzug hoch nach Assisi


Auf dem Bahnhof von Assisi bleibt noch etwas Zeit; wer möchte, holt sich einen letzten Capuccino oder ein süßes Teilchen; unsere Pfadfinder vergnügen sich damit, die Bank mit einem Edding zu verzieren und Ninas Adresse künftigen Reisenden zu überlassen. Auch die Erbschuldfrage wird nochmals ausführlich schriftlich festgehalten.

Die Stimmung wird immer ausgelassener... Hätten wir dieses gute Wetter mal unterwegs gehabt!


Die Reise nach Florenz per Bahn verläuft wie geplant; im Bahnhof von Florenz lassen wir das schwere Gepäck an der Gepäckaufbewahrung zurück (die werden von Jahr zu Jahr auch immer teurer!), ehe wir uns in zwei Kleingruppen zur Stadterkundung auf den Weg machen.

Auf dem Rathausturm von Florenz Glückskekse von Harakrishna-Jüngern


Wir besichtigen so ziemlich alles, was man in der Innenstadt sehen kann - Domkuppel, Rathausturm, viele Piazzas, der Flohmarkt und natürlich die Ponte Vecchio, die berühmte dreistöckige Brücke über den Arno.

Auch ein geparkter Ferrari findet großes Interesse bei den Jufis. Eine peruanische Musikgruppe hat auch den Weg nach Florenz gefunden und erfreut uns mit ihren Klängen. Bei den Hara-Krishna-Brüdern, die uns Plätzchen anbieten, dauert es schon etwas länger, bis unsere Damen sich trauen, ihre Geschenke anzunehmen.

Auf der Ponte Vecchio

Ingo und Philipp lassen sich als Karikatur malen; Svenja lieber als normales Portrait. Nach einem letzten Eis und letzten Verpflegungskäufen treffen wir uns am Bahnsteig wieder; holen unser Gepäck und warten auf unseren Liegewagenzug nach München. Hier gibt es zunächst einige Probleme, da unsere Wagennummer nirgends zu finden ist. Also besetzen wir kurzerhand die entsprechenden Abteile im einzigen nicht nummerierten Wagen. Was man hat, hat man! Schließlich stellt sich heraus, daß wir tatsächlich im richtigen Wagen gelandet sind.

Bei der Abfahrt stehen wir an den Abteilfenstern und lassen das nächtliche Florenz an uns vorübergleiten. Bis Bologna sind noch einige draußen im Gang wach; dann senkt sich der Schlaf endgültig über die Teilnehmer. Eine aufregende Woche liegt hinter uns!


Sonntag, 20.10.96, letzter Tag

München Hbf. - planmäßige Ankunft; Wechsel in den ICE; Weiterfahrt nach Kassel; dann mit dem Bummelzug nach Freienohl. Hier werden wir von Eltern erwartet, die uns bis zur Schule nach Wenholthausen bringen. Wieder ist Jürgen vor uns am Ziel gewesen und erwartet uns ebenfalls gesund und munter mit dem Transit am Bahnhof.

Unerwarteter Empfang in Wenholthausen


Zu unserer Überraschung erwartet uns Ingos Mutter mit einem gut bestückten Willkommenskorb. Wir stehen ein wenig müde, aber zufrieden, in der Pausenhalle und genießen das erste deutsche Bier.

Danach heißt es noch einmal richtig anpacken: alle Zelte usw. müssen auf dem Dachboden zum Trocknen ausgehängt werden (Feuchtigkeit haben sie in den letzten Tagen wahrlich genug abbekommen...); zwei Tage später muß dann alles wieder richtig zusammengepackt werden. Da liegen die Zelte nun in ihren Regalen und warten auf ihren nächsten Einsatz.
Ohne Materialpflege geht`s nicht



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