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Per Rad über die Alpen im Sommer 2006

Reisetagebuch, Teil 2


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Samstag, 8.7.2006, 6. Tag

Endlich wieder Sonnenschein! Die Tour kann also in kurzen Hosen weitergehen. Lagerabbau und Packen der Taschen ist inzwischen zur Routine geworden. Bald schon sind wir unterwegs; machen dabei aber einen Fehler, weil wir nicht richtig auf den Stadtplan geguckt haben. Unser Weg entlang der Pferde-Rennbahn beschert uns einen unnötigen Umweg. Fast wären wir noch auf der Autoschnellstraße gelandet. Ein entgegenkommender Autofahrer gibt uns noch Zeichen, wir haben das Verbotsschild für Radfahrer aber auch gerade gesehen.

Inzwischen haben wir auch eine Landkarte und ein Verzeichnis der Campingplätze; damit können wir schon mal grob abschätzen, wie weit wir heute fahren müssen. Wir wollen auf jeden Fall noch eine Zwischenübernachtung vor dem Reschenpaß einlegen, sonst haben wir später das Problem und sind zu früh in Brannenburg.

Klar ist uns beim Blick auf die Karte aber auch, daß es jetzt langsam mit den Steigungen losgehen wird! Bis jetzt haben wir ja noch nicht allzu viel an Höhenmeter gemacht. Nach dem Frühstück am Wegesrand ändert sich das dann auch umgehend!

In einem kleinen Ort Plars ist mit dem Radweg erst einmal Schluß; wir müssen auf die Landstraße ausweichen, zum Glück auf die weniger befahrene SP 52 am rechten Talrand. Bei praller Sonneneinstrahlung geht es nun Meter um Meter höher. Auf der linken Talseite zieht sich die SS 38 ebenfalls hoch; dort fährt Auto an Auto.

Beide Straßen treffen sich am Rand einer Bodenschwelle; inzwischen sind wir über 500 m hoch. Florian und Christian sind schon mal vorgefahren und haben die imposante Staustufe der Adige erkundet.

Nach einem ausgiebigen Fotostop führt ab hier die Strecke wieder über einen separaten Fahrradweg weitgehend eben weiter. Plötzlich taucht rechts eine Sportanlage auf, auf der anscheinend etwas los ist. Viele junge Leute beim Ballspiel, aber auch Sonnenschirme und Bänke, die auf einen Getränkeausschank schließen lassen.

Klar, daß wir das genauer unter die Lupe nehmen! Und so kommen wir um zwölf zu einem samstäglichen Frühschoppen. Martin erhält sogar noch ein Gratisbier, weil ihm zunächst nur 0,3 statt 0,4-Krüge gebracht werden.



Marianne fährt schon mal vor. Wir anderen brauchen doch einige Kilometer, bis wir sie wieder einholen. Unterwegs sehen wir den Wohnsitz von Reinhold Messner, Schloß Juval, hoch über uns am Berg liegen. Interessant auch ein Brunnen am Wegesrand, der „belebtes Wasser“ liefern soll.

Es folgt eine recht unangenehme Fahrt über holprige, schmale Feldwege, die uns dummerweise viel höher am Berghang hochführen, als eigentlich notwendig wäre. Die Beschilderung läßt auch zu wünschen übrig. Nur die entgegenkommenden Radfahrer deuten noch darauf hin, daß wir auf dem richtigen Weg sind.

Unsere Adige ist inzwischen nur noch ein recht kleines Flüßchen. Man sieht ihr an, daß sie von weit oben aus dem Gebirge kommt!

Einige Kilometer vor Lasa (Laas) wird es dann noch einmal richtig steil. Zum ersten Mal sehen wir am Wegesrand ein Höhenprofil für Radfahrer! Informativ aber nicht unbedingt tröstlich (wenn man bergauf unterwegs ist). Kurz vor Laas setzt auch mal wieder Nieselregen ein; es lohnt aber nicht mehr, das Regenzeug rauszuholen.

Also geben wir noch einmal Gas und fahren im Wettlauf gegen den Regen die letzten Höhenmeter hinauf in den Ort.



Den von uns eingeplanten Campingplatz in Laas finden wir problemlos; er ist ziemlich futuristisch mit seinem runden Service-Bau im Zentrum angelegt. Hier treffen wir auch wieder auf Marianne, die kurz vor uns angekommen ist. Nach einem kühlen Bier geht es an den Zeltaufbau. Der Rasen ist weich und grün; der Platz fast leer. Wir erfahren später, daß er ganz frisch in diesem Jahr angelegt worden ist. Die Toiletten und Duschen sind vom Feinsten; alles wird elektronisch geregelt – das ist doch etwas gewöhnungsbedürftig. An leise Musik auf den Toiletten und den Duschen sind wir allerdings schon von vorausgegangenen Plätzen gewöhnt. An¬dererseits hat dieser Service natürlich seinen Preis – und so sind die Gebühren auf diesem Platz auch an der oberen Grenze der Kosten, die wir während dieser Alpenüberquerung zu bezahlen haben.

Da am Abend das Fußballspiel um den dritten Platz stattfindet, müssen unsere Jungs mal wieder an einen Fernseher heran kommen. So machen wir uns abends auf in den Ortskern und finden dort im Gasthof zur Sonne ein gutes Angebot an Speisen. Für 12,50 Euro nehmen wir das Tagesmenü, lassen uns das Salatbüffet schmecken, danach Nudeln mit Pilzen und einem Schnitzel mit Pommes; Christian und Florian werden sich sicher auch noch lange an den leckeren Nachtisch erinnern.

Auch sonst ist Laas ein sehenswerter Ort, bekannt als die „Marmor-Stadt“. Wir schlendern noch ein wenig herum und stoßen natürlich überall auf weißen Marmor – selbst die Bürgersteige sind damit gepflastert. Gegenüber am Berghang sehen wir einen über siebzig Jahre alten Schrägaufzug, mit dessen Hilfe man die riesigen Marmorblöcke noch heute ins Tal bringt. Christian und Florian bleiben noch im Gasthof und erleben mit, wie unsere Nationalmannschaft wenigstens den Platz 3 erreicht.

Tagesstrecke: Meran – Laas (Lasa), 50 Km bei einem Schnitt von 11,87 Km/h, 4:12 h im Sattel


Sonntag, 9.7.2006, 7. Tag

Heute steht also die Bergetappe an! Wir befinden uns momentan auf etwas über 800 m Höhe; gut 600 m müssen wir heute also hinauf zum Paß. Wettermäßig paßt das heute auch ganz gut; der Himmel ist nicht wolkenlos, aber es ist trocken. Auch die Morgentemperatur ist auf dieser Höhe wesentlich niedriger als gewohnt.

Das Packen geht heute recht schnell; leider müssen wir die Zelte ziemlich feucht einpacken. Dafür brauchen wir nicht spülen.

Gezahlt haben wir schon gestern Abend; jetzt ist alles noch geschlossen, als wir die Räder kurz nach acht vom Platz schieben. Zeit genug also für eine kurze Rundfahrt durch den Ort. Gegenüber der Kirche finden wir auch die Marmor-Statue des letzten österreichischen Kaisers Franz-Josef, die seinerzeit bestellt worden war, aber nicht mehr benötigt wurde. So hat man sie als Andenken direkt in Laas aufgestellt.

Auf dem Radweg geht es nun zunächst recht flach weiter, es sind aber ja auch noch so an die dreißig Kilometer bis zum Paß. Ein kleines Stück fahren wir zur Abkürzung entlang der Hauptstraße. So haben wir Gelegenheit, die „letzte Tankstelle vor dem Reschenpaß“ anzusteuern. Nicht zum Tanken, sondern um in der Bar ein Hörnchen und einen Cappuccino als erstes kräftigendes Frühstück zu uns zu nehmen.

Die Hauptstraße verlassen wir dann wieder recht bald – der Verkehr nervt doch gewaltig. Der Fahrradweg führt nun weiter entlang der Adige und steigt auch auf den nächsten Kilometern nicht viel. Spaßeshalber setzen wir uns jetzt ein Höhenmeter-Ziel: 900 m um neun Uhr; 1000 um zehn, usw., also pro Stunde einhundert Meter.

Dann müßten wir kurz nach 15 Uhr oben sein. In den ersten beiden Stunden schaffen wir diese Marken nicht ganz; später „überholen“ wir uns allerdings selbst. Im nächsten Ort gönnen wir uns einen kleinen Frühschoppen; weiter geht es dann, immer noch auf einem ganz neu angelegten Radweg. Und jetzt beginnt dieser Weg spürbar zu steigen. Der Höhenmesser bestätigt es. Gleichzeitig wird es leider auch heißer – die Wolken haben sich verzogen und gestatten nun eine ungehinderte Sicht auf die Sonne.

Zwei Dinge wundern uns: zum einen haben wir gar nicht mehr mit einem Radweg gerechnet; viele Leute haben uns im Vorfeld erzählt, daß die Paßstraße eng, kurvenreich und für Radfahrer nicht ungefährlich sei; zum anderen hatten wir auf der Karte vermutet, die Adige käme aus einem anderen Seitental. Aber sowohl Radweg als auch Adige bleiben uns nun treue Begleiter bis ganz hinauf! Und so kommt Marianne wohl auch auf die Idee, gerade von dieser Stelle einen Stein mitten aus der Adige als Andenken mitzunehmen. Martin watet barfuß in das inzwischen doch sehr kleine Flüßchen und holt einen passenden Stein heraus.



Etwas weiter können wir mal wieder unsere Kenntnisse in Erster Hilfe anwenden. Ein kleines Kind ist gestürzt und blutet am Knie; die Mutter ist froh, daß wir ihr mit unserem Verbandszeug weiterhelfen können. Zwischen Schleis und Burgeis geht es dann in praller Hitze wirklich zur Sache. Dazu ist der Weg noch recht schmal und man muß ständig damit rechnen, daß einem Mountain-Biker beim Sonntagsausflug in halsbrecherischem Tempo entgegen kommen; teilweise sogar ohne Helm. In der Sonne haben wir sicher weit über 50 Grad; Marianne und Martin steigen vom Sattel und schieben lieber an einigen besonders steilen Passagen. Entschädigt werden wir für diese Anstrengungen durch einen umwerfenden Ausblick über das schon tief unter uns liegende Venosta-Tal und die weiter hinten liegende Ortler-Gruppe. Was für eine Landschaft! Das sind jetzt „echte“ Alpen!

In Burgeis machen wir dann vor dem Verkehrsbüro Frühstück bzw. besser schon Mittagsrast. Da leider weit und breit kein Schatten ist, verweilen wir aber nur so lange wie nötig an diesem Ort. Nicht einmal einen Mülleimer findet man hier; im ganzen Dorf nicht. Und die privaten Mülltonnen sind mit Ketten verschlossen. So müssen wir den Müll in einer Plastiktüte weiter mitschleppen. Am Ortsausgang finden wir dann endlich einen Müllbehälter, der aber nur für Hundekot (!) gedacht ist. Egal, unsere Tüte werden wir hier los. Wäre ja noch schöner, wenn wir ihn jetzt bis zum Paß mit hoch schleppen sollen.

Hochschleppen müssen wir uns ab Burgeis nun selbst: von 1200 m geht es stetig bergauf; wir erkennen auf der Landkarte jetzt auch unser genaues Ziel: den Ort St. Valentin (San Valentino hört sich das auf italienisch eigentlich viel schöner an); zwischen den beiden Seen am Paß gelegen. Höhe: 1464 m! Dort muß sich der Campingplatz befinden, auf den wir uns geeinigt haben.

Und so fahren wir immer weiter hinauf; wenn`s gar nicht mehr laufen will, auch mal ein paar Meter schiebend. Aber: auch langsam kommt man irgendwann an! An einer kleinen Brücke über die Adige machen wir noch mal kurz Pause und widmen uns dem letzten Wein in Christians Flasche. Jetzt müssen wir nur noch den südlicher gelegenen See, den Haidersee, linksseitig umrunden – und schon sind wir in San Valentino! Leider fordert diese Umrundung auf dem Fahrradweg auf der Westseite noch einmal etwas zusätzliche Muskelkraft (warum kann man einen Weg an einem See entlang eigentlich nicht schön flach anlegen?). Unterwegs treffen wir immer wieder auf Heerscharen von Sonntagsspaziergängern; ihre bewundernden Kommentare nehmen wir dankend entgegen.

In San Valentino dann noch schnell hoch zur Hauptstraße – und schon haben wir am Ortsausgang den Campingplatz erreicht; ein ganz kleiner Platz, leider ohne Kiosk. Anmeldung ist nur zwischen fünf und sechs; man soll sich inzwischen selbst einen Platz suchen.

Das tun wir auch; die beiden Jungs zwischen zwei Wohnmobilen hinter einer Betonmauer; Marianne und Martin am Kinderspielplatz. Zeit und genug Sonne, um die klitschnassen Zelte vor dem Aufbau zu trocknen und auch die Schlafsäcke ausgiebig zu lüften.

Danach ziehen Marianne und Martin los, um schon mal ein passendes Ristorante für den Abend auszukundschaften; der Holländer in Meran hatte uns die Pizzeria „Aladin“ wärmstens empfohlen. Auf der Terrasse eines Hotels genießen sie den wohlverdienten Feierabend. Es ist (fast) vollbracht! Morgen früh dürften es nur noch wenige Höhenmeter bis zum eigentlichen Paß sein.

Um halb sechs melden wir uns an – gerade mal 24 Euro nimmt uns die freundliche Chefin ab; dazu gibt`s gleich einen Insider-Tip für eine gute Pizzeria namens „Kathrin“ in einer Seitenstraße des Ortes. Christian und Florian haben sich derweilen mit Kicker-Spielen auf das abend¬liche WM-Endspiel Italien gegen Frankreich eingestimmt; hungrig starten wir nun zur Pizzeria.

Dort sitzen wir draußen und lassen es uns nach den Strapazen des Tages gut gehen. Da stören uns auch die Preise nicht mehr. Der Insider-Tip entpuppt sich übrigens als Verwandschafts-Tip... . Wir stehen schließlich kurz vor dem Ziel der Tour: der Überquerung des Reschenpaßes. Zur Feier des Tages bzw. als Beigabe zum Endspiel, welches plötzlich sogar Marianne sehen will, kauft Martin am Ende noch ein gut gekühltes Literfläschchen „Kalterer See“ für das Fernsehspektakel auf dem Platz. Denn die haben zwar keinen Kiosk dort, dafür aber einen großen Aufenthaltsraum mit Fernseher.

Und dort finden wir uns dann pünktlich ein. Weil das Spiel an und für sich aber nicht so richtig spannend ist, ziehen sich Marianne und Martin dann nach der ersten Halbzeit ins Zelt zurück; die Jungs werden später Zeuge des italienischen Sieges. Das kann man dann aber auch so gegen zwölf Uhr anders mitbekommen: ein paar ganz Fußballbegeisterte (besser: Verrückte) meinen, den Sieg mit einem Hupkonzert feiern zu müssen.

Tagesstrecke: Laas (Lasa)– San Valentino, 31 Km bei einem Schnitt von nur noch 9,94 Km/h, 3:09 h im Sattel


Montag, 10.7.2006, 8. Tag

Schon früh machen wir die ersten Bilder von der Ortlergruppe bei aufgehender Sonne. Heute können wir die Zelte trocken einpacken. Die Jungs brauchen nach der langen Nacht etwas länger.



Zunächst geht es ein Stück an der Bundesstraße hoch bis hinauf zum Damm des Reschensees, ab dort ist aber zwischen Ufer und Straße ein Fahrradweg angelegt, auf dem wir nun dem gesamten Seeverlauf folgen können. Selbst bei den verschiedenen Tunnelabschnitten hat man an uns Radfahrer gedacht! Hier führt der Weg meist aufgeständert neben dem Tunnel her (allerdings ohne Steinschlagschutz von oben...)

Gespannt sind wir nun natürlich auf die Hauptattraktion dieses Sees: in Curon Venosta steht ein einsamer Kirchturm mitten im See. Bilder davon haben wir schon bei unserer Routen-Recherche gesehen.



Noch ein paar Wegbiegungen, und dann taucht der Turm vor uns auf. Natürlich ist jetzt auch für uns ein ausgiebiger Fotostop angesagt. Soweit weg vom Ufer steht dieser Turm eigentlich gar nicht; es kommt halt darauf an, aus welchem Blickwinkel man fotografiert. In einem Schaukasten ist das Gebiet vor der Anlage des künstlich aufgestauten Sees dargestellt und einiges zur Geschichte beschrieben. Das muß damals, noch unter Mussolini, eine Nacht- und Nebelaktion gewesen sein. Und schon waren ganze Dörfer verschwunden. Der Turm ist das letzte steinerne Zeugnis einer menschenverachtenden Politik.



Nach diesem Stop steht uns der Sinn langsam nach einem herzhaften Frühstück. Wir fahren weiter bis in den Ort Reschen und streifen durch den Alimentari an der Hauptstraße. Hier erfahren wir leider auch, daß auf sämtlichen Forst-Bier-Flaschen der letzten Tage jeweils 20 Cent Pfand gewesen wäre. Vorbei, zu spät! Auch hier bemerkt Florian, daß man ihm nicht nur überhöhte Preise, sondern auch längst abgelaufene Ware andrehen will. Kein guter Eindruck in den letzten Stunden unseres Italienaufenthaltes. Aber die wollen sich hier ja auch gar nicht als richtige Italiener sehen...

Ein letztes Brötchen mit dick geschnittener Mortadella direkt am Seeufer, dann machen wir uns an die eigentliche Paßüberquerung – denn die haben wir immer noch nicht erreicht! Und seltsamerweise fällt ab jetzt unser Fahrradweg beständig ab. Ein merkwürdiger Paß! Und dann kommt die Ankündigung: Passo Resia/Reschenpaß: 500 Meter.

Und dann haben wir es geschafft: die Alpenüberquerung ist gelungen, zumindest, was den Anstieg betrifft – ab jetzt kann es eigentlich nur noch abwärts gehen. Über 300 Kilometer liegen bereits hinter uns – bislang völlig pannenfrei, sieht man einmal von einer abgesprungenen Kette bei Christian ab. Der Routenplaner hat dafür 233 Kilometer berechnet, die man mit dem Auto in 2:45 Stunden schaffen könnte. Wir sind jetzt genau eine Woche unterwegs und uns wird klar, daß die Strecke wohl länger als 480 Kilometer sein wird... Aber das ist kein Grund zur Besorgnis: wir haben ja noch Zeit bis zum Freitagabend!

Und natürlich ist das Paß-Schild wiederum ein wichtiger Fotostop für uns. Wir begießen den Augenblick mit einem Glas Rotwein (immer noch Kalterer See) und unsere Jungs gönnen sich eine extra für diesen Moment mitgebrachte Havanna! Marianne wird leider bei den vielen Verkaufsständen im zollfreien Gebiet zwischen Italien und Österreich nicht fündig.



Auch auf der nun folgenden Abfahrt haben wir zunächst noch Glück und können einen sanft abfallenden Radweg durch grüne Almwiesen nutzen. Wir unterqueren Seilbahnen und müssen erst kurz vor Naunders unsere Bremsen strapazieren.

In Naunders selbst finden wir keine Fahrradwegsymbole mehr; entweder endet der Radweg hier, oder wir haben ihn verloren. Wir trösten uns mit dem Gedanken, daß es bis zum Inn und dem damit verbundenen Inntal-Radweg nicht mehr weit ist.

Und nun folgt eine rauschende Abfahrt, bei der wir durch Serpentinen und Tunnel immer tiefer hinabstoßen. Der Autoverkehr ist erträglich; wenngleich das Brausen der heranrasenden Autos in den Tunnelabschnitten sich doch recht aufregend anhört. Ab und zu begegnen uns schwerbepackte Tourenradler, die sich die gleiche Straße in umgekehrter Richtung den Berg hochquälen. Gut, daß wir nicht diese Fahrtrichtung gewählt haben!!

Vorbei geht es an der Festungsruine Naunders und plötzlich taucht rechts ein langgestrecktes Gebäude auf; fast aus dem Berg heraus gewachsen, was eindeutig nach Kneipe aussieht. Kurzer Kontakt untereinander und schon schieben wir die Räder ein paar Meter zurück und bocken sie vor dem Eingang auf. Sieht alles ziemlich einsam und verlassen aus, ist es aber nicht. Auf unser Schellen an der halb offenen Tür erscheint eine ältere Dame, die uns freundlich auf eine Veranda bittet. Und kurz darauf stehen kalt beschlagene Biergläser vor uns auf dem Tisch.



Die Frau, die sich später als Besitzerin des Gasthofes Hochfinstermünz vorstellt und einfach nur Emmi genannt wird, erzählt uns viel von ihrem Leben in dieser Abgeschiedenheit hier, aber auch von der Geschichte und den vielen Auseinandersetzungen hier im Dreiländereck zwischen Italien, Österreich und der Schweiz. Wir versprechen ihr spontan, bei einer künftigen Fahrt mit dem Auto nach Italien hier einen Übernachtungsstop einzulegen. Vorab versprechen wir ihr auch schon mal, unser gemeinsames Erinnerungsfoto zuzusenden.

So erfrischt geht es weiter steil bergab, bis sich das Tal schließlich weitet und wir den Inn erstmals richtig sehen können. Trotz Gefälle müssen wir jetzt schon wieder in die Pedalen treten. Auch hier in Österreich wölbt sich ein makellos blauer Himmel über uns. Wir haben echtes Glück mit dem Wetter auf dieser Tour!

Weniger Glück scheint jemand vor uns gehabt zu haben: die Straße hat eine Vollsperrung und wir müssen links auf eine ziemlich steil ansteigende Nebenstraße abbiegen. Überall Schaulustige, die sich den Einsatz des Rettungshubschraubers von oben anschauen. Ein besonders dreister Gaffer samt Frau parkt dazu seinen Wagen direkt auf unserer Fahrbahnseite, so daß wir Mühe haben, beim steten Gegenverkehr daran vorbei zu kommen. Mit drastischen Worten machen wir ihm begreiflich, wie wir ein solches Verhalten bewerten! Ein entgegenkommender Fahrer wiederum fühlt sich von uns langsam fahrenden Radlern gestört; wir bieten ihm an, das Fahrzeug mit unseren Rädern zu tauschen und mal selbst den Berg hinauf zu fahren.

Als wir auf dem Scheitelpunkt der Straße angekommen und mal wieder richtig durchgeschwitzt sind, wird unten natürlich prompt die Sperrung nach dem Abheben des Helikopters aufgehoben. Na ja, immer noch besser, als jetzt ins Hospital geflogen zu werden.

Nach einiger Zeit erreichen wir wieder die Hauptstraße, nur um festzustellen, daß sie in unserer Fahrtrichtung für Radfahrer gesperrt ist. Wir nehmen an, daß es gegenüber, am Innufer, auf kleinen Wegen weitergeht. Wir fahren an einem Betonwerk vorbei und kommen auf immer schlechtere Feldwege, bis wir schließlich in einer Sackgasse landen, direkt am Innufer. Das war`s wohl also eher nicht! Immerhin nutzen wir die Gelegenheit zu einer längeren Siesta und halten unsere Füße ins kühle Wasser des Inn. Bei dieser Temperatur eine wahre Wohltat!

Danach also wieder zurück zur Straße. Andere Tourenfahrer kommen uns dabei entgegen – lassen wir sie ihre eigenen Erfahrungen machen. Auf der anderen Straßenseite gibt es dann kein Problem, den richtigen Weiterweg zu finden. Warum haben wir das vorhin eigentlich übersehen??

Gegen Abend erreichen wir Ried und bleiben dort auf dem Campingplatz. Der ist fest in der Hand von Wohnwagenfahrern oder Wohnmobilisten. Die Chefin führt uns zum hinteren Ende des Platzes und weist uns ein doch recht großes Wiesenstück zu; direkt am Zaun zu einer großen Gärtnerei. Wir sitzen vor dem Zeltaufbau zunächst noch in der warmen Abendsonne und entspannen uns. Dann wird aufgebaut, gekocht und gegessen; alles unter den Augen der umliegenden Platzgäste. Aber auch wir beobachten, was so rings um uns herum passiert. Haben die Leute nebenan vielleicht ihren Opa vergessen? Der sitzt die ganze Zeit im Schatten neben dem Wohnwagen und rührt sich kaum.

Tagesstrecke: San Valentino - Ries, 50 Km bei einem Schnitt von 14,08 Km/h, 3:30 h im Sattel


Dienstag, 11.7.2006, 9. Tag

Wir warten noch eben den Sonnenaufgang ab, um ein wenig die feuchten Zelte zu trocknen; danach geht es nach dem Morgenkaffee und ausgiebiger Dusche („Country roads“ tönt dabei aus den allgegenwärtigen Lautsprechern) weiter innabwärts. Im Ort müssen wir erst einmal den weiteren Verlauf des Fahrradweges erkunden; so ganz deutlich ist das hier nicht beschildert.

In Prutz fahren wir ins Zentrum und kaufen in „Rudis Dorfladen“ ein. Der Name ist zwar lustig, die Preise eher nicht! 1,79 Euro für ein Päckchen Butter ist nicht wirklich billig... Wir ziehen uns zum Frühstück in den etwas mickrigen Kurpark zurück. Na ja, hier gibt es wenigstens eine halbwegs schattige Bank.

Die weitere Strecke führt uns nun zunächst auf einem Feldweg, später auf einer kleinen Nebenstraße auf der linken Innseite weiter. So haben wir keine Probleme mit dem Verkehr auf der „Reschen-Bundesstraße“ auf der anderen Innseite.

An der nächsten Brücke müssen wir dann auch kurz hinüber auf diese Seite wechseln; hier befinden sich ein Mahnmal und auch eine Informationstafel, die über die leidvolle Geschichte und die Kämpfe hier unterrichtet.

Schon nach kurzer Zeit können wir aber erneut zur linken Seite wechseln; der Radweg führt durch einen schmalen Metallkäfig quer durch die Anlage einer Staustufe. Kurze Zeit später landen wir dann aber doch noch auf der Reschenstraße – irgendwie haben wir wohl eine Markierung verpaßt. Nach einem unnötigen Anstieg in praller Sonne geht es dann aber auf dieser Straße recht zügig abwärts bis hinunter nach Landeck. Die Gebirgswelt um uns herum ist doch schon sehr beeindruckend. Wir fragen uns, wie die Menschen in die Dörfer hoch über uns kommen. Zum Radfahren scheinen manche Gegenden Tirols eher nicht geeignet.

Aber auch uns sollen Anstiege an diesem Tag nicht erspart bleiben. Das wissen wir aber zum Glück noch nicht, als wir in Landeck an einer Bäckerei Station machen und uns ein leckeres Fleischkäse-Brötchen genehmigen. Marianne nutzt die Zeit für einen kleinen Stadtbummel.

Bei der Weiterfahrt verpassen wir mal wieder den Einstieg in den Inntal-Radweg; so fahren wir über die stark befahrene Straße bis Zams. Hier finden wir endlich wieder die grünen Radschilder.

Die folgenden Kilometer sind purer Radgenuß; leicht wellig geht es durch das Inntal, durch saftige Wiesen entlang der Bahnstrecke und gut abgeschirmt vom starken Verkehr auf der A12, die in Zams begonnen hat und der B171, die jetzt „Tiroler Bundesstraße“ heißt.

Wir dagegen haben nur ganz selten Gegenverkehr anderer Radfahrer und entdecken stattdessen die eingegrabenen Fahrspuren einer alten Römerstraße. „Spuren für die Ewigkeit“ oder klangvoller auf italienisch „Tracce perenni“ sind die eindrucksvollen Spuren der einzigen römischen Kaiserstraße über die Alpen, unserer altbekannten Via Claudia Augusta. Wir messen selbst und sind gebührend beeindruckt!



Am Ortsausgang von Schönwies lockt ein Brunnen zu lustigen Wasserspielen; bei dieser Hitze aber ein wahrer Genuß! Durch ein Gatter kommen wir dann in einen Auenbereich entlang des Inn, in dem leider fast alles verboten ist, einschließlich freiem Zelten. Schade, das wäre ein schönes Plätzchen dafür! Leider kommt danach ein langes Wegstück, bei dem wir eingezwängt zwischen Inn und Autobahn fahren müssen. Der Straßenverkehr ist doch recht störend. Auf diese Weise können wir aber auch die Autobahnschilder mit den Entfernungsangaben bis nach Innsbruck und Kufstein sehen – so weit ist das gar nicht mehr!

An der Radwegabzweigung nach Imst schlägt das Schicksal dann zu: zuerst einmal müssen wir eine lange Steigung mit 15 Prozent hinauf; damit aber nicht genug: die Schilder leiten uns nun auf einen Hangweg, zum Glück durch einen schattigen Wald, fast 120 Höhenmeter hinauf. Das kann doch nicht der richtige Weg sein? Wäre doch die blöde Tiroler Bundesstraße für Radfahrer freigegeben! So quälen wir uns bis in den hoch oben liegenden Ort Karres hinauf und entdecken dort zu unserer Freude den Gasthof „Traube“, der gleichzeitig eine Pilgerherberge für den Jakobsweg ist.



Sind wir nicht auch irgendwie Pilger? Auf jeden Fall nach diesem Anstieg durstig! Wir hören uns noch geduldig die genaue weitere Wegbeschreibung eines Einheimischen an, ehe wir uns auf der Veranda der Traube niederlassen. Das schmeckt!

Nach ausgiebiger Rast geht`s weiter; leider sind wir immer noch nicht ganz oben. Am Ende haben wir fast 170 Höhenmeter zurückgelegt. Es folgt eine steile Abfahrt, die auch nicht so recht Freude macht, weil man immer in Sorge um die Bremsbeläge ist.

Nach dem Überqueren der schön flach verlaufenden Bundesstraße kommt ein Wegstück, an dem sogar Gefahrenschilder signalisieren, daß man das Rad besser schieben soll: es geht sehr steil über groben Schotter nach unten und dann direkt ohne Abgrenzung am Innufer entlang. Wer hier vom Weg abkommt...

Na ja, zum Glück wird der Weg dann aber auch bald wieder breiter und asphaltiert; ein Tretbecken holt uns hier aus dem Sattel. Aber was heißt hier „Tretbecken“? „Römerbadl“ steht über dem Häuschen, das in Form eines römischen Tempels über dem Becken errichtet ist. Genau das Richtige für heiße Füße, aber auch genau so gut geeignet zum schnellen Kühlen unserer warmen Getränke aus den Gepäcktaschen.



So kommt es, daß wir hier schon wieder eine längere Rast einlegen. Ist bei dieser Affenhitze aber auch ratsam. Während wir nach dem Fußbad auf einer Bank im Schatten ausruhen, kommen mehrmals Schlauchboote auf dem Inn vorbei; später auch eigenartig geformte Kajaks.

Außerdem gesellt sich noch ein Österreicher zu uns, der kurz zuvor ein Vollbad im Tretbecken genossen hat. Er glänzt mit seinen detaillierten Kenntnissen über Spiele und Spieler früherer Fußballweltmeisterschaften.

So vergeht diese Pause wie im Flug. Als wir wieder unterwegs sind, kommt nach hundert Metern eine Weggabelung. Sollen wir dem geteerten Weg links hinauf folgen, oder lieber die Schotterpiste weiter am Ufer entlang wählen? Da wir auf einen zweiten Anstieg an diesem Tag nicht unbedingt erpicht sind, fährt Florian nochmals zurück und fragt bei den Männern am Tretbecken nach. Und schon schwingt sich einer in den Sattel und begleitet uns. Da er natürlich ohne Gepäck schneller ist, fährt er mit Florian und Christian vor und gerät bald außer Sichtweite.

Und da es dummerweise doch der links ansteigende Weg war, stehen Marianne und Martin, die langsamer unterwegs sind, nach einiger Zeit vor einem Problem: an einer Weggabelung weist das grüne Inntalschild unmißverständlich nach rechts. Also ihm folgen – leider wieder steil bergab. Und wenige Minuten später sind die beiden wieder am Inn; an einer Fußgängerbrücke, wieder in Sichtweite des Tretbeckens. Und hier steht eine große Informationstafel mit einer Luftbildaufnahme der Gegend. Und was sieht man darauf: es gibt zwei Inntalradwege, auf beiden Flußseiten ist der Weiterweg nach Telfs, unserem für heute vorgesehenen Etappenziel, möglich.

Guter Rat ist nun teuer. Wo sind Florian und Christian entlang gefahren? Hier unten über die Brücke wäre doch wohl besser ab Tretbecken der Weg am Fluß entlang gewesen. Das gibt den Ausschlag! Also wieder zurück, die verlorenen schönen Höhenmeter wieder hinauf. An der Weggabelung oben dann weiter rechts und nach einiger Zeit treffen wir uns wieder. Erleichterung bei allen!

Kurz vor Hairning lädt ein Radfahrertreff zur kurzen Trinkpause ein; hier treffen wir wieder auf zwei Frauen, die schon am Tretbecken kurz Rast gemacht hatten. Die scheinen Probleme mit der Quartiersuche zu haben und fahren rüber auf die andere Flußseite in Richtung Stams.

Wir kommen mit den Einheimischen ins Gespräch und berichten von unseren Erfahrungen mit dem Verlauf des Radweges. Von ihnen erfahren wir, daß der Radweg noch ziemlich neu ist und auch sie mit der Ausschilderung nicht so recht zufrieden sind. Es hätte zu unserem Mittagsanstieg auch eine Alternativroute am Inn entlang gegeben, die wäre aber dafür mit vielen kleinen Anstiegen gewesen.

Entscheidend für uns der Tip für einen Campingplatz. Florian hatte vorgeschlagen, den Platz in Stams zu nehmen; im Schatten der Klostermauer. Davon rät man uns ab; das würde vorher wieder hinauf führen. Besser sei der Platz etwas weiter in Telfs. Nun gut, warum nicht diesem kostenlosen Rat folgen?

Und so wird eine verhängnisvolle Entscheidung getroffen... Wir bleiben zunächst auf der linken Innseite und folgen einem wirklich gut zu fahrendem schmalen Sträßchen. Die Strecke verläuft eben; die ärgste Tageshitze hat nachgelassen und wir gönnen uns eine Fahrt mit freiem Oberkörper. Hinzu kommt eine imposante Bergkulisse auf unserer linken Seite.

Wir passieren Stams und finden, daß das Kloster gar nicht so hoch am Berg liegt. Aber jetzt werden wir die paar Kilometer bis Telfs auch noch machen. Kurze Zeit später ein weiteres Ori¬entierungsproblem: eine Frau deutet uns im Vorbeifahren an, wir sollten links hinunter eine Autobahn-Untertunnelung nehmen. Okay, machen wir auch: aber auf der anderen Seite geht nur ein halb zugewachsener Feldweg weiter. Also vorsichtshalber nochmals zurück und ein Stück dem breiteren Originalweg gefolgt. Leider ist das nach kurzer Zeit eine glatte Sackgasse: Ende an der Einfahrt zum städtischen Bauhof vom Stams. Da war der Tip vorhin doch richtig gewesen! Verdammt, die Beschilderung läßt wirklich zu wünschen übrig!



Bei der Weiterfahrt auf dem arg holprigen Feldweg sind plötzlich Christian und Florian außer Sichtweite zurückgeblieben. Christian hat vorher schon mehrfach den Vorderreifen aufgepumpt – ist das jetzt die erste Reifenpanne unserer Tour? Nach einiger Zeit wenden Marianne und Martin ihre Räder und wollen gerade zurück fahren, als die beiden weit hinten, zum Glück fahrend, auftauchen. Doch keine Panne!

Kurz darauf kommen uns andere Tourenradler entgegen, sie meinen, wir wären auf dem falschen Weg und müßten auf die andere Seite der Autobahn zurück. Aber warum sind die dann auch hier unterwegs? Wir folgen also ihrem Rat und überqueren die Autobahn bei der nächsten Brücke. So geraten wir zwangsläufig auf die Tiroler Bundesstraße B 171, die hier zum Glück nicht für Radler gesperrt ist.

Und da wir die Umwege und Suche nach dem richtigen Verlauf des Inntalradweges leid sind, fahren wir ab jetzt über die schnurgerade B 171. Bis Telfs ist es ja nicht mehr weit. Man kann schon auf der linken Seite vor uns Kirchtürme erkennen. Über eine langgezogene Brücke geht es dann über Autobahn, Inn und Bahn hinüber nach Telfs; dort biegen wir am ersten Kreisverkehr zu einem M-Preis Supermarkt ab, der wegen seines markanten roten Würfel-Logos gut zu erkennen ist. Wird auch Zeit, denn die schließen in wenigen Minuten!

Da noch nicht klar ist, ob Marianne und Martin vielleicht heute Abend in Telfs ins Restaurant wollen, kaufen wir sicherheitshalber vier Spaghetteria-Tüten von Knorr, sozusagen als Notreserve, falls wir nichts finden sollten. Dazu gibt es ein Sonderangebot an Löwenbräudosen zu würdigen.

Als schließlich alles draußen verstaut ist, stellt sich die Frage, wo den jetzt in Telfs genau der Campingplatz liegt. Zwei Mofafahrer vor dem Laden machen uns wenig Hoffnung: sie kennen hier keinen Platz. Da am Kreisverkehr ein Hinweisschild zur Polizeistation ist, fahren wir nun direkt dorthin. Die müssen das ja wohl wissen!

Wir parken unsere Räder vor der Station und haben zunächst mal das Problem, hinein zu kommen. Alles hermetisch abgesperrt. man hat uns aber wohl schon kommen sehen, denn kurz darauf öffnet sich die Tür und wir werden hereingebeten. Den zwei Wachhabenden erläutert Martin nun das Problem. Und dann der Schock des Abends: in Telfs gibt es tatsächlich keinen Platz! Den hat es zwar mal gegeben, er ist aber vor einigen Jahren schon geschlossen worden.

Die beiden Polizisten beraten ein Weilchen untereinander und machen uns dann den Vorschlag, noch bis Pettnau weiter zu fahren. Wie weit das noch wäre? So etwa sechs bis sieben Kilometer! Wir sollen einfach immer der B 171 folgen. Wir hören das zwar nicht gerne, was bleibt uns aber anders übrig, als diesem Vorschlag zu folgen? Wir bedanken uns und teilen den Wartenden draußen die frohe Botschaft mit.

Wir haben ja schon über 70 Kilometer auf dem Tageszähler; der Hintern tut entsprechend weh – jetzt wollen wir nur noch den Platz erreichen. Und so fahren wir zügig aus Telfs hinaus, immer der Tiroler Bundesstraße entlang. Und die zeigt nun wahrlich ein Herz für uns! Schnurgerade geht es entlang; keine Steigungen, kein Gegenwind. Das rollt natürlich prächtig. Von den Poli¬zisten wissen wir, daß es mehrere Pettnaus gibt; und der Platz selbstverständlich, wie könnte es auch anders sein, am Ortsausgang des allerletzten Ortsteiles liegt. Mit weit mehr als 20 Km/h rollen wir durch die einzelnen Ortschaften und werden sogar mit Glockengeläut empfangen. Und tatsächlich taucht dann nach so etwa acht Kilometern das ersehnte Hinweisschild auf: Camping 150 Meter rechts!

Es ist ein ganz kleiner Platz; man kann auf einem einzigen Kiesweg einmal im Kreis rumfahren; die meisten Stellplätze sind aber belegt. Am Ende des Platzes winkt uns ein Belgier zu seinem Wohnwagen heran. Das ist wohl die Rezeption. Wir sollen uns einen Platz suchen, aufbauen und dann mit den Ausweisen zu ihm kommen.

Ein passender Platz ist schnell gefunden, schön am Rand gelegen, vor einem Maisfeld. Genug Platz für beide Zelte und genug Abstand zu den anderen Gästen, die natürlich alle unsere Ankunft beobachtet haben. Radfahrer mit vollem Gepäck scheinen hier nicht oft Station zu machen.

Während Marianne und Martin nun fix ihr Zelt hochziehen, geht Christan an die Reparatur seines anscheinend doch defekten Schlauches. Er findet im Mantel einen ziemlich langen Dorn – da versagte auch der für viel Geld aufgezogene Marathon-Reifen mit extra Pannenschutz.

Danach melden wir uns offiziell an (was mit viel Papierkram verbunden ist) und zahlen mit 24 Euro den niedrigsten Preis auf der ganzen Tour. Dafür verzichten wir doch gerne auf Musik in der Dusche. Gut, der Standard der Toiletten und Duschen ist nicht unbedingt so wie bei den bisherigen Plätzen, aber sauber und für uns völlig ausreichend. Der Platzwart erzählt uns noch, daß viele Wohnwagenfahrer trotzdem weiterfahren würden, weil ihnen das noch zu teuer wäre. Na, die sollen mal nach Südtirol fahren!

Da es vor den Zelten zu windig ist, zieht Martin sich zum Kochen ins Zelt zurück. Die freundlichen niederländischen Nachbarn haben uns zwar erklärt, wo man in der Nähe, so etwa zwei bis drei Kilometer weg, gut essen könnte – wir aber sind für heute mit dem Radfahren fertig! Also begnügen wir uns mit den Nudeln in Tomatensauce. Martin holt in Erinnerung an alte Zeiten sogar ein Fläschchen Lambrusco aus der Packtasche. Nun, Erinnerungen können schon mal trügen – zumindest dieser Lambrusco schmeckt einfach nur süß und ziemlich scheußlich; vielleicht liegt`s auch an der Temperatur.

Unser Nachbar hat Mitleid und bietet uns seinen Wein an, was wir allerdings dankend ablehnen. Wir unterhalten uns ein wenig und tauschen Reiseanekdoten aus. Darüber wird es dunkel und wir ziehen uns müde in unsere Zelte zurück.

Tagesstrecke: Ries - Pettnau, 82 Km bei einem Schnitt von 14,23 Km/h, 5:45 h (!) im Sattel



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