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Per Rad über die Alpen im Sommer 2006

Reisetagebuch, Teil 3

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Mittwoch, 12.7.2006, 10. Tag

Bei bestem Wetter packen wir unser Material und fahren schon frühzeitig los. Wir wechseln auf die andere Innseite hinüber, da sich dort der Radweg befinden muß. Im ersten Dorf gibt es kein Lebensmittelgeschäft; eine nette junge Dame beschreibt uns aber die Lage eines Supermarktes im nächsten Ort. Dorthin fahren wir auf der Landstraße weiter; kaum Verkehr, kaum Steigungen.

In Inzing treffen wir dann auch am Ortsausgang auf einen M-Preis und frühstücken am Dorfbrunnen im Zentrum. Leider ist es inzwischen schon wieder unangenehm heiß in der Sonne und wir sind dankbar für etwas Schatten am Brunnen.

Jetzt gilt es, den Radweg zu finden! Da er sich eigentlich ja nur im Tal, direkt am Inn, befinden kann, fahren wir Richtung Bahnhof bergab; haben da aber zunächst das Problem, daß wir nicht über die Gleise kommen. Wieder helfen uns zwei Frauen weiter, die uns einen Tip zu einer Unterführung, ein kleines Stück zurück, geben. Und schon sind wir auf dem richtigen Weg.

Der Radweg ist gleichzeitig wieder der Jakobusweg; wir treffen hier auch auf die ersten Pilger zu Fuß (später werden wir an diesem Tag noch häufiger welchen begegnen). Wir genießen die Fahrt durch die sonnendurchflutete Landschaft und machen im Laufe des Vormittags eine längere Rast am Innufer, gegenüber liegt der Beginn der Landebahn des Innsbrucker Flughafens. Es gibt tatsächlich Leute, die hier baden! So ganz sauber sieht das Innwasser ja nicht aus.

Während wir unsere doch recht warmen Getränke genießen, kommt eine Fußpatrouille der österreichischen Armee vorbei; in kurzen Hosen, wie Florian und Christian verwundert feststellen. Das gab es während ihrer Wehrdienstzeit nicht!

Bei der Weiterfahrt erreichen wir zügig die Außenbezirke von Innsbruck und fahren immer tiefer am Flußufer entlang ins Zentrum hinein. Wir fragen uns zur Altstadt durch und landen auf einem großen Platz. Hier befindet sich ein einladender Biergarten, an dem wir nicht vorbei kommen. Endlich mal wieder was Kaltes zu trinken! Marianne gönnt sich dazu einen merkwürdig aufgeblähten Knoblauch-Pfannkuchen. Im Biergarten ist jede Menge los und wir haben unseren Spaß an den unterschiedlichen Leuten ringsum; insbesondere eine Mädchengruppe samt einer adlernasigen Aufpasserin fällt uns auf.

Fast unbemerkt hat sich inzwischen der Himmel verfinstert; ein heftiges Gewitter bricht los und verscheucht die Gäste entweder ins Innere des Cafes oder vorübergehend unter die großen Sonnenschirme. Die Kellner sammeln ungerührt die noch nicht verzehrten Getränke und Speisen ein (schade um die leckeren Schnitzel auf den Tellern...). Wir können das alles von einem trockenen Plätzchen hinter der Fensterscheibe beobachten und lernen nebenbei den neckischen Türöffnungsmechanismus kennen.



Als der Gewitterschauer vorbei ist, machen wir uns zu Fuß auf in die Altstadt und schieben die Räder durch die schon wieder gut gefüllten Gassen. Schon von Weitem ist das „Goldene Dach“ zu erkennen; ein Stück weiter finden wir die „Kristallwelten“, wo Marianne es sich nicht nehmen läßt, ein kleines, glitzerndes Souvenir in Form eines Widder-Anhängers zu kaufen.

Wir fahren nun ein Stück weiter bis zur Anna-Säule, machen die notwendigen Erinnerungsfotos und haben jetzt nur noch das Schloß auf dem Programm.

Da dort aber gerade eine Bühne aufgebaut wird, setzen wir uns noch einmal in einen Biergarten und lassen den Touristentrubel an uns vorbeiziehen. Auf einer Reliefkarte können wir nun gut erkennen, wie unser Routenverlauf durch die Alpen war. Wir sind tatsächlich an der breitesten Stelle vom Beginn der ersten Berge am Gardasee unterwegs gewesen und werden in Brannenburg wieder ins absolute Flachland kommen. Der Weg war natürlich nicht geradlinig, sondern durch den Verlauf der Adige und des Inns vorgegeben.

Wir schieben die Gassen zurück zum Dom und stoßen dabei auf einen Laden, vor dem „Free Schnaps tasting“ steht. Was verbirgt sich denn da hinter? Schnell sind die Räder vor dem Laden aufgebockt und in Zweiergruppen geht es hinein. Tatsächlich – hier kann man jede Menge an unterschiedlichen Likören und Bränden probieren; und das wirklich kostenlos! Das tun wir dann auch ausgiebig! Danach kaufen wir für die Daheimgebliebenen gleich einige Fläschchen als Souvenir.

Vorbei am Dom geht es nun aus Innsbruck hinaus; in der Nähe des ehemaligen Olympiadorfes treffen wir auf den ersten „Hofer“, den österreichischen Aldi und decken uns hier gleich für den Abend ein.

Die Außenbezirke Innsbrucks ziehen sich dahin und gehen langsam in Industriegebiete über. Während einer Pause müssen wir leider schon wieder bemerken, daß Petrus, bzw. Gott Güpi, es heute wohl auf uns abgesehen hat! Wir schaffen gerade noch, die Regensachen anzuziehen, da bricht auch schon ein neues Gewitter los; verbunden mit Starkregen. So fahren wir nur bis zum nächstbesten Unterschlupf – in diesem Fall in Form einer ICE-Trasse, die auf einer Brücke den Radweg quert. Hier sammeln sich nach und nach noch andere Radfahrer. Die haben allerdings nicht unsere Regenausrüstung und sind dementsprechend klatschnaß!



Zum Glück geht auch dieses Intermezzo bald vorüber – schon sitzen wir wieder im Sattel. Die Luft hat sich merklich abgekühlt; dennoch müssen wir unsere Regenmontur bald ausziehen, weil es darunter einfach zu warm wird. Wir kommen an der Swarowski-Fabrik vorbei und sehen von Weitem den berühmten Wasserfall, der fast alle Fremdenverkehrs-Prospekte ziert.

In Kolsaß stoßen wir mal wieder auf die gute alte Tiroler Bundesstraße und folgen dieser B 171 der Einfachheit halber bis zum nächsten Ort Weer. Hier soll der für heute eingeplante Campingplatz liegen. Da es leider keine Beschilderung gibt, lassen wir uns von Einheimischen den Weg weisen; ganz am Ortsausgang rollen wir dann bald auf das Gelände des Campingplatzes. Der scheint ein großes Freizeitangebot zu haben: Reiten, Klettern an einer Kletterwand (am ehemaligen Silogebäude installiert); dazu viele Ausflugsmöglichkeiten – hier kann man bestimmt in einem mehrwöchigen Urlaub sein Geld recht einfach loswerden!

Man weist uns einen Platz auf einer saftiggrünen Wiese zu; hier ziehen wir unsere Zelte hoch und können vor dem nächsten Schauer noch schnell im Freien kochen und Essen, ehe wir uns in die Schlafsäcke zurückziehen.

Tagesstrecke: Pettnau - Weer, 51,8 Km bei einem Schnitt von 13,5 Km/h, 3:50 h im Sattel


Donnerstag, 13.7.2006, 11. Tag

Das Wetter ist wieder mal sonnig; Marianne und Martin müssen nun aber erst einmal zu Fuß in den Ort, um dort am Automaten Bargeldnachschub zu organisieren.

Dann sitzen wir aber auch schon im Sattel und fahren über die B 171 bis zum nächsten Örtchen namens Pill. In einem kleinen Supermarkt bekommen wir sogar frischen, warmen Fleischkäse – zusammen mit Joghurt und Dosenfisch zwar eine etwas ungewöhnliche Mischung, aber durchaus nahrhaft und wohlschmeckend.

So gestärkt geht es weiter nach Schwaz und Stans; hier müssen wir leider einige Umwege in Kauf nehmen, da der eigentliche Wegeverlauf durch Bauarbeiten blockiert ist. Um Punkt 10:47 Uhr haben wir an diesem 13.7. dann ein kleines Jubiläum zu feiern: Mariannes Gesamttacho zeigt 500 Kilometer! Immerhin, und das mit nur einer einzigen Reifenpanne bei vier Leuten! Christian opfert zu diesem Anlaß seinen letzten Wein, den wir brüderlich untereinander aufteilen – er stammt noch vom Reschenpaß (ist aber immer noch genießbar...)

Kurz darauf geht es über eine erst vor kurzem errichtete Holzbrücke über den inzwischen schon recht breiten Inn; der Brunnen auf der anderen Seite dient zunächst zum Kühlen unserer Getränke, lädt aber dann auch recht schnell zu einer weiteren Wasserschlacht ein. Das bringt bei dieser Temperatur wenigstens kurzfristig ein wenig Abkühlung.



Auf der Karte können wir sehen, daß rechts von uns nun das Zillertal abzweigt; nun gut, das haben wir somit auch mal gesehen. Unser Weg führt aber immer dem Inn folgend entlang.

Einige Dörfer weiter weist ein Schild auf eine Radler-Gaststätte hin. Und wo wir nun schon mal gerade da sind.... Wir lassen uns samt Rädern im Gartenlokal unter schattigen Bäumen nieder und beschließen, gleich mal die Küche zu testen. Alle sind damit zufrieden, vom „Schweizer Wurstsalat“ bis zu „Spaghetti Bolognese“ finden alle Gerichte Anklang. Unsere Tour wird langsam zu einer Genießer-Tour!

Der weitere Wegeverlauf ist unproblematisch: den Innradweg kann man hier nicht mehr verfehlen. Auf einem Damm geht es direkt am Fluß entlang. Bald stoßen wir auf eine Staustufe, und dahinter taucht dann erstmals unser Tagesziel auf: die schon von weitem sichtbare Burg oberhalb von Kufstein. Kurz nach fünf erreichen wir dieses Städtchen; ein Schild lenkt uns über den Fluß zu einem auf den ersten Blick merkwürdigen Campingplatz: quasi nur als Anhängsel zu einem Hotel. So bezahlen wir auch an der Hotelrezeption und bekommen dort den entscheidenden Tip, wo wir in Kufstein eine neue Gaskartusche herbekommen können. Denn ohne Gasnachschub wird die Küche heute kalt bleiben!

Leider soll dieses Eisenwarengeschäft schon um 18 Uhr schließen; jetzt wird es aber Zeit: wir haben 17:48 Uhr!! Christian, Florian und Martin laden schnell ihr Gepäck ab; Marianne bleibt als Wache zurück und die anderen flitzen im Eiltempo an der Innpromenade entlang und hoch in die Stadt. Drei Minuten vor sechs stehen wir vor dem Geschäft; man ist bereits dabei, die Auslagen zusammen zu packen. Und tatsächlich: wir bekommen unsere Gaskartusche.

Da gegenüber praktischerweise ein Supermarkt liegt, kaufen wir alles für ein umfangreiches „Spaghetti-Carbonara“ ein (und sind erschrocken über die hohen Preise!! Ein 125 g Päckchen Schinkenspeck kostet fast 2,50 €! Aber natürlich immer noch billiger, als im Restaurant zu essen.

Zurück im Camp strecken wir uns erst einmal müde auf unseren Zeltunterlagen aus und genießen die Abendsonne, ehe wir uns an den Zeltaufbau machen: heute zum letzten Mal, wie wir wehmütig feststellen müssen! Morgen Abend werden wir schon in einem weichen Bett in Brannenburg schlummern.



Sozusagen als Abschluß-Festessen geht es dann an die Zubereitung der Spaghetti Carbonara. Weil wir nur einen Brenner haben, muß alles in der richtigen Reihenfolge ablaufen: zuerst bräunen wir etliche Zwiebeln mit viel Öl und dem Schinken an; parallel dazu werden schon mal die Eier angerührt und mit viel Parmigiano angedickt. Zuletzt folgen die Nudeln; weil alle Hunger haben, gönnen wir uns mehr als die normal üblichen 500 Gramm! Und so wird an diesem Abend mal wieder jeder rundum „genudelt“.

Später sitzen wir noch vor den Zelten und schauen unseren Nachbarn zu, die mit Knicklichtern und Leucht-Federbällen spielen. Nachts werden wir kurz mal durch lautes Gegröle aus dem Schlaf gerissen; das scheint aber auf der naheliegenden Straße zu sein.

Tagesstrecke: Weer – Kufstein, 64,8 Km bei einem Schnitt von 14,6 Km/h, 4:26 h im Sattel


Freitag, 14.7.2006, 12. Tag

Das gewohnte tolle Wetter – haben wir ein Glück!! So können wir die Zelte ganz trocken für den Transport nach Hause verstauen. Denn in den nächsten 60 Stunden werden sie nicht mehr aus ihren Packsäcken heraus kommen.

Wir dagegen sind wieder mal ganz früh aus den Zelten gekommen; gemächlich wird gepackt, noch einmal geduscht – dann auf der Straße bis zum nahegelegenen Aldi, pardon: Hofer. Mann, was für Preise im Gegensatz zu den vielen kleineren Geschäften der Vortage!

Unsere Inn-Promenade, auf der wir unser Frühstück einnehmen, liegt leider noch im Schatten; es ist doch etwas frisch heute früh! Nach dem ausgiebigen Frühstück schieben wir die Räder durch eine enge Gasse hoch zum Marktplatz; unterwegs ein kleines Denkmal für den Komponisten des „Kufsteiner-Liedes“.



Auf dem Marktplatz lassen wir uns auf den Stufen, später auf Bänken, nieder und beobachten das quirlige Treiben um uns herum. Auch erstaunt uns die Art, wie Kufsteiner auf einem Anhänger ohne Seitenwände völlig ungesichert Pakete transportieren. Viele andere Radwanderer treffen auf dem Platz ein; unter anderem eine ganze Gruppe älterer Herrschaften, die wir heute noch mehrmals sehen werden.

Florian und Christian machen sich noch kurz auf den Weg hinauf zur Burg; danach fahren wir zum Bahnhof. Hier haben wir eine Verabredung mit dem „Kufstein“-Schild am Bahnsteig... Aber die dahinter stehende Geschichte gehört nicht in die Öffentlichkeit... Wir bleiben eine ganze Zeit auf dem Bahnsteig, lesen Zeitung und schauen dem Zugverkehr zu. Andere sind noch verrückter und fotografieren jeden vorbeifahrenden Zug!

Als wir Kufstein mittags schließlich nordwärts am Inn entlang verlassen, können wir noch dem eigenartigen Spiel der „Helden-Orgel“ lauschen; der Klang ist noch weit den Inn flußabwärts hörbar. Und plötzlich sind wir ganz unbemerkt wieder in Deutschland angekommen! Nicht mal ein Hinweisschild darauf gibt es!



Hinter Kiefersfelden geht es an einem kleinen See vorbei hinauf zum Inndamm – nanu, das Wetter sieht gar nicht mehr so gut aus; alles ziemlich diesig, schon fast nach Regen aussehend. Und tatsächlich fallen auch bald erste Tropfen!

Bei Oberaudorf wechseln wir die Flußseite und kommen so wieder zurück nach Österreich. Kurz vor Erl holt Florian an einem Freibad Wasser; damit lassen wir uns in Sichtweite von Erl an einem Wegkreuz häuslich nieder und lassen die heute Morgen im Aldi erstandenen Weißwürste ziehen. Sogar süßer Senf ist mit in der Packung.

Eine Frau kommt zum Kreuz und gießt die Blumen. Dabei spricht sie uns an und erzählt, heute Abend wäre eine Vorführung auf der Erler Freilichtbühne. Irgendwas von Wagner (später sucht Marianne im Internet und findet im Spielplan für 2006 das richtige Stück: „Tristan“, mit Spitzenbesetzung, nur vom 14.-16.7.2006). Als zwei nette junge Damen an uns vorbei kommen, in weiße Gewänder gehüllt, tippen wir darauf, daß das eventuell welche von den Schauspielern sein könnten (Isolde?)...

Bei der Weiterfahrt am rechten Ufer entlang gerät das Kranzhorn (hier waren wir 2001 während unserer Fronleichnams-Tour mit Rudi) immer deutlicher in den Blick. Leider auch die schwarze Wolkenwand, die sich unaufhaltsam näher schiebt! Das sieht nicht gut aus; hinter uns (zum Glück), in Richtung Kufstein, ist alles schwarz. Immer wieder zucken dort Blitze über den Himmel. Aber auch der Inn sieht nicht mehr gut aus – was haben sie bloß mit dir gemacht? Alles schnurgerade mit stark befestigten Ufern – kein schöner Anblick mehr.

Vor uns die Radlergruppe aus Kufstein (die hatte uns am Wegkreuz überholt); scheinbar mit einer Panne. Wir bieten Werkzeug-Hilfe an; die haben aber auch alles dabei; wollen heute vielleicht noch bis Rosenheim und kommen schon vom Oberlauf des Inns aus der Schweiz.

Wir fahren weiter – jetzt wird es auch vor uns finster; eigentlich überall um uns herum. Wir biegen vom Inndamm auf die Nußdorfer Straße ein. Jetzt müssen wir uns beeilen! Mein Gott, nur noch zwei Kilometer bis zum Ziel!

Aber Gott Güpi hat kein Einsehen mit uns: Marianne und Martin erwischt es an der Autobahnbrücke, die beiden anderen sind schon zweihundert Meter weiter. Zunächst sind es nur einzelne, dicke Tropfen, die schwer herunter klatschen. Wir springen vom Rad und kramen die Regenanzüge heraus; für ein Wechseln der Sandalen zu festen Schuhen bleibt keine Zeit mehr! Denn urplötzlich bricht das Unwetter los! Martin hat es gerade noch rechtzeitig geschafft; Marianne hat nicht ganz so viel Glück; sie findet die Regenhose nicht so schnell. Ans Weiterfahren ist nicht mehr zu denken; so bocken wir die Räder am Geländer der Brücke auf und stellen uns hinter die Leitplanke. Die vorbeifahrenden Autos überschütten uns jedes Mal mit einem meterhohen Wasserschwall. Aber das ist jetzt auch egal! Wasser von oben, Wasser von unten, Wasser von allen Seiten! Dazu tobt das Gewitter mit seinen Blitzen und Donnerschlägen direkt über uns. Ergeben stehen wir da und können nur noch abwarten! Glück im Unglück: es ist nicht kalt; so ist der Regen auf den bloßen Füßen in den Sandalen nicht störend. Martin muß feststellen, daß sein Fahrradhelm leider nicht so ganz dicht ist...

Nach etwa 20 Minuten klärt es sich auf; beim Weiterfahren treffen die beiden auf die Jungen, die sich zunächst in einer Bushaltestelle untergestellt hatten, später dann in einen Hauseingang hereingebeten wurden. Sie können schließlich überredet werden, weiterzufahren, da es ja fast aufgehört hat. Als wir dann aber unterwegs sind, fängt es erneut an zu gießen! Uns bleibt wirklich nichts erspart.



Und so fahren wir dann bei strömendem Regen vor unserem Gasthof vor! Zum Glück drückt Florian geistesgegenwärtig auf den Auslöser der Kamera – sonst hätten wir von diesem Ereignis nur unsere Erinnerung...

Welche Ausdrücke kann man für unseren Zustand finden, als wir uns unter dem Eingang aus den nassen Regenklamotten schälen? Klatschnaß, pitschnaß, naß bis auf die Haut, naß wie eine Katze? Egal, sie treffen alle zu! Lediglich Martin ist, bis auf die Füße und die nassen Haare wegen des undichten Helms, weitgehend trocken geblieben. Um uns herum bilden sich Pfützen auf dem Boden – so können wir ja gar nicht hinein!

Also alles erst mal ausziehen und ablegen. Mit der Zimmerreservierung hat anscheinend nicht alles so richtig geklappt; wir bekommen zwar zwei Doppelzimmer, allerdings in verschiedenen Stockwerken. Und auch der Preis ist um sechs Euro höher als eigentlich vereinbart. Na, egal, das kann uns jetzt auch nicht mehr stören!

Wir richten uns kurz häuslich ein und genießen eine heiße Dusche; dann treffen wir uns im Schankraum wieder und trinken ein erstes Bier auf den erfolgreichen (wenn auch nassen) Abschluß unserer Alpenfahrt. Wir haben es geschafft! Und sind auch dementsprechend stolz darauf. Das „Projekt Hanni¬bal“ ist nun bereits Geschichte. Hannibal selbst hätte vielleicht damals unsere Route nehmen sollen; dazu auch auf die Elefanten verzichten und statt dessen seine Armee mit Fahrrädern ausrüsten sollen – dann hätte sein Zug über die Alpen vielleicht weniger als zwei Jahre gedauert.

Klar, jetzt wird auch schon erzählt: wißt ihr noch, wie wir in .... usw., usw. Wir können es selbst kaum glauben, daß wir völlig plangerecht heute Abend hier in Brannenburg angekommen sind. Und so geht das ganze dann zügig in ein kleines Fest über...



Um halb sieben erscheint Rudi aus Rohrdorf. Zusammen machen wir uns über die Speisekarte her und lassen uns mit bayrischen Köstlichkeiten verwöhnen; vom Leberkäse mit Spiegeleiern über Knödel mit Haxenfleisch reicht die Palette. Dazu leckeres Bier vom Faß oder ein guter, trockener Rotwein. Und Rudi unterhält uns blendend mit seinen urigen Geschichten! Es wird dann doch recht spät, bis alle in den Betten liegen...

Tagesstrecke: Kufstein - Brannenburg, 30 Km bei einem Schnitt von 13,2 Km/h, 2:20 h im Sattel


Samstag, 15.7.2006, 13. Tag

Nach einer ruhigen Nacht müssen wir feststellen, daß draußen alles in grauem Nebel verhangen ist. Das wird so schnell nichts mit gutem Wetter! Wir packen unseren Krempel zusammen und bringen die Taschen nach unten; unsere Räder standen angekettet über Nacht unter dem Dach der Garage. Mariannes Ledersattel hat durch die Feuchtigkeit doch arg gelitten, er ist ganz stumpf geworden.

Wir lassen uns das Frühstück im Speiseraum schmecken und fahren dann, zum Glück wenigstens trocken, zum Bahnhof. Die Verbindungen für die Rückfahrt haben wir uns zu Hause vorher aus dem Internet zusammengesucht; wir werden heute Abend eine Zwischenübernachtung in Lohr am Main einlegen.

So ziehen wir uns nun am Automaten ein 30-Euro-Ticket und die dazu gehörenden Rad-Tickets. Kurz darauf können wir mit dem Zug, es ist ein „City-Shuttle“, den wir schon seit Innsbruck immer wieder mal gesehen haben, bis Rosenheim fahren. Dort klappt es trotz kurzer Umsteigezeit mit der Weiterfahrt nach München reibungslos. Leider ist der Zug ziemlich voll; wir müssen also stehen. Florian setzt sich kurzerhand auf sein Fahrrad...

In München haben wir dann genug Zeit, um kalte Getränke und etwas zum Essen für die Weiterfahrt zu kaufen; im Zug nach Nürnberg geraten wir mit einem jüngeren Mann gegenüber aneinander, der uns erklärt, wie wir uns als Radfahrer „sozial“ richtig zu verhalten hätten. Auslöser des Disputs sind die zunächst noch am Rad befindlichen Taschen, die man anscheinend im Zug abmachen soll. Tja, dieser Typ hat wirklich einen Haß auf Lehrer, wie sich bald herausstellt.



Der letzte Zug dieses Tages bringt uns dann noch bis Lohr. Der Bahnhof liegt hoch über dem Maintal; wir müssen also hinunter und in der Altstadt ein wenig nach unserem vorbestellten Quartier suchen. In der Pension Müller werden wir vom Hausherrn freundlich empfangen und bekommen gleich noch eine kostenlose Erklärung zur Geschichte des malerischen Fachwerk-Ortes.

Für 21 Euro kommen wir in einem Haus aus dem 16. Jahrhundert unter; dazu gibt es am nächsten Morgen noch ein dermaßen umfangreiches Frühstück, wie wir es bislang auf dieser Tour noch nicht gesehen haben!

Uns steht der Sinn nach der langen Bahnfahrt natürlich nach einem guten Essen – wir schlendern durch den Ort und finden genug Möglichkeiten, wo wir den Abend verbringen können. Wer die Wahl hat, hat bekanntlich die Qual! Und so brauchen wir lange, bis wir uns für die „Rose“ entschieden haben.

Dort lassen wir uns auf gemütlichen Holzbänken vor dem Gasthaus im Freien nieder und probieren diesmal die fränkische Küche; angefangen bei verschiedenen Flammkuchen bis hin zu spanischen Vorspeisen oder guten, deutschen Schnitzeln. Auch hier wird jeder satt!

Auf dem Rückweg bummeln wir noch durch verschiedene Gassen der Altstadt, ehe wir uns in unsere Zimmer zurückziehen. Schon merkwürdig, inmitten einer Stadt zu schlafen. Jeder kann einem ins Fenster schauen. Das macht aber nichts, weil wir sowieso bald eingeschlafen sind und gar kein Licht mehr brauchen. Nachts flackert die Neonreklame der gegenüberliegenden Geschäfte über unsere Zimmerdecke. Nervig ist allerdings eher ein wenig das laute Schlagen der Kirchturmuhr nebenan.


Sonntag, 16.7.2006, 14. und letzter Tag

Dank der Kirchenglocken sind wir schon recht früh auf; Marianne und Martin nutzen das schöne Wetter zu einem Erkundungsgang hinunter zum Mainufer. Punkt acht sitzen wir dann am liebevoll gedeckten Frühstückstisch – und hier gibt es alles, was man sich wünschen kann! Wir langen kräftig zu, wissen wir doch, daß es bis zu Hause vermutlich nichts mehr geben wird.

Nach dem Abschied von Herrn Müller geht es hoch zum Bahnhof; hier überlegen wir, ob wir spontan unsere Reisepläne ändern und über Frankfurt fahren sollen. Zuletzt bleibt es bei der Lösung über Gmünden und Kassel-Wilhelmshöhe.

Heute haben wir mehr Glück und finden immer weitgehend leere Abteile. Vielleicht liegt es auch an der frühen Uhrzeit. Wir erwischen problemlos die Anschlüsse in Gmünden und Kassel-Wilhelmshöhe. Florian macht uns darauf aufmerksam, daß unser Zug nur bis Meschede fahren wird. tatsächlich – die Strecke ist bis Arnsberg wegen Gleisbauarbeiten gesperrt. „Schienenersatzverkehr“ lautet das heutzutage auf neudeutsch.

Für uns heißt das aber noch etwas anderes: ab Meschede können wir noch ein letztes Mal auf`s Rad und über die Ruhrstrecke bis nach Hause fahren. Aber – ob von Meschede oder von Freienohl – darauf kommt es nun auch nicht mehr an!



Die Zunge hängt doch ziemlich klebrig im Rachen, als wir schließlich bei Christians Haus in Berge vorfahren. Und dort sitzen wir mit seinen Eltern im Garten und werden mit frischem Veltins und einem Imbiß verwöhnt.

Danach fallen die letzten Kilometer bis Wenholthausen nicht mehr ins Gewicht; in Bergerhammer können wir auf den 600. Kilometer der Fahrt mit einem letzten, lauwarmen Bier, anstoßen. Wir sind (vorübergehend...) wieder zu Hause.



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