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Freitag, 28.4.2000, 14. Tag, Svenjas 18. Geburtstag

Svenjas 18. Geburtstag; und da werden wir mit leichtem Nieselregen geweckt! So ein Mist. Aber wir wollen ja anstoßen und gratulieren; also raus aus den Zelten und warmgezittert! Die Zelte sind naß, das Gras auch! Zum Glück hört der Regen dann auf; wir frühstücken an der Mauer neben der Nuraghe. Nach der Stärkung dann zur Nuraghe; Svenja will eine Opferung auf Videoband haben - kann sie bekommen. Außerdem will sie das im Bikini machen; o.k, wir spielen mit (trotz Nieselregen). Einige Hirten bestaunen von weitem das Treiben.

Danach klettern wir wie gewohnt ein wenig in der Nuraghe herum. Wir kennen sie nun schon seit vielen Jahren, und inzwischen ist es auf Sardinien „unsere“ Nuraghe. Dann heißt es packen; heute wollen wir natürlich bei Pinuccio eintreffen. In Budduso weist uns beim Einkaufen eine Politesse „Parkplätze“ zu; wir entledigen uns der Regenanzüge und rollen nun flott in Richtung Ala dei Sardi. Unterwegs halten wir an einem Granit-Stein­bruch und schauen uns die ganze Sache mal etwas näher an (1999 wurden wir leider weggeschickt).

Granitgewinnung bei Budduso Granitsteinbruch Granitsteinbruch Granitskulptur in Budduso

Die Kräne sind schon beeindruckend groß; gigantisch auch die Löcher, die man hier in den Boden gräbt! So, wie wir uns das zusammenreimen, wächst der Steinbruch im Laufe der Zeit immer tiefer, Ebene um Ebene in den Boden hinein. Der Lärmpegel der Bohrer, Sägen, Bagger und Kräne ist dementsprechend hoch. Zum ersten Mal sehen wir, woher die großen, ca. 30 Tonnen schweren Granitblöcke stammen, die wir unterwegs so oft sa­hen. Wir stehen und schauen ein wenig den Arbeitern zu (obwohl so viel an Leuten hier gar nicht zu sehen ist). Es scheint eine mühselige Arbeit zu sein! Ein Arbeiter kommt auf uns zu und winkt uns näher heran. Manca Tomaso; er stammt aus Nule (in der Gegend waren wir gestern noch) zeigt uns einige Stellen des Steinbruchs. Wir erzählen ihm von unserer Tour, und er schenkt uns fertig polierte Granitplatten (30x30); das gibt ein ganz schönes Zusatzgewicht auf dem Gepäckträger! Zum Schluß ein Erinnerungsfoto in der riesigen Raupenschaufel.

Der Arbeiter hat uns übrigens gestern auf seinem Nachhauseweg gesehen, als wir von den Kühen aufgehalten wurden. Inzwischen geht es schon auf ein Uhr mittags zu - wenn wir noch den Sekt für Svenja kaufen wollen, müssen wir uns sputen.

Wieder übernimmt Flobö die Vorhut und fährt in etwas schärferem Tempo voraus nach Ala dei Sardi; dem letzten größeren Ort vor Monti. Das gleiche Spiel wie gestern: als wir im Ort ankommen, ist von Flobö nichts zu sehen. Wir fahren langsam durch den Ortskern und halten dann am Ortsausgang an.

Hier lassen wir uns am Straßenrand im Schatten nieder und Flobe zieht zweimal mit dem Rad los, um nach dem Vermissten (bzw. dem Sekt) zu suchen. Endlich vereint, stoßen wir stilvoll und mit aller gebotenen Feierlichkeit auf Svenjas Volljährigkeit an. Sie ist froh: endlich nach Hause kommen können, wann man will und in jede Diskothek gehen können (das muß sie aber sicher erst einmal mit ihrer Mutter abklären….)

Nach längerer Pause geht es dann in das stete Auf und Ab auf der Strecke nach Monti. Die Straße ist inzwi­schen neu gestaltet (aber immer noch wegen der vielen Berge anstrengend zu fahren). Nach einiger Zeit langen wir an der Cantoniera Mazzinaiu an; hier wohnt eine bekannte, Mareike, mit ihrer Familie. Wir schellen an und treffen auf ihre Tochter. Von ihr müssen wir leider bestürzt erfahren, dass Mareikes Mann, Otaviano, im letzten Jahr gestorben ist. Mareike selbst ist derzeit in ihrem Geburtsland Holland zu Besuch. Die Tochter erinnert sich aber noch an unseren letzten Besuch.

Svenja wird heute 18 Bei den Großeltern von Andreana Noch 4 km bergab bis Monti

Unser nächster Stop ist an der Cantoniera Zuighe; hier zweigen wir zu Andreanas Eltern ab; uns ebenfalls von vielen Fahrten schon bekannt. Am ersten Abzweig verhauen wir uns und haben alle Mühe, den richtigen Bau­ernhof zu finden; mehrere Sarden beschreiben uns den Weg zum Hof von Antonio und Raimonda Isoni.

Hier werden wir von kläffenden Kötern und einigen (friedlicheren) Schweinen empfangen; leider ist nur Anto­nio da, mit seinen 85 Jahren noch sehr rüstig. Er holt uns in die Stube; es gibt natürlich 2 Vino; Mama ist beim Kniespezialist in Olbia. Als wir uns gerade verabschieden, fährt Annalisa mit der Großmutter vor; und die lässt uns natürlich nicht so schnell fahren! Wir müssen wieder mit in die Stube; das Feuer im Kamin wird kräf­tig entfacht und wir sind auch ganz froh darüber: es hat auf dem Weg zum Bauernhof angefangen zu regnen - und jetzt können wir die Regenanzüge abtrocknen lassen. Dazu tischt Raimonda eine „Colomba“ auf; das tradi­tionelle sardische Ostergebäck in Form einer Friedenstaube. Wir überreichen ein kleines Geschenk und machen uns dann wieder auf den Weg (leider durch strömenden Regen) nach Monti. Das Straßenschild „Monti 4 Km“ zeigt uns an, dass wir es nun wirklich bald geschafft haben; noch einige letzte Anstiege, dann geht`s runter!

Und diese letzten dreieinhalb Kilometer sind wahrlich leicht zu fahren: immer nur bergab. Leider macht das bei strömendem Regen aber nicht allzu großen Spaß. Die Felgenbremsen laufen wegen der Nässe zwar nicht heiß (dieses Problem hätten wir bei trockener Abfahrt genau so wie unsere „großen Brüder“ mit den 30-Tonnen Gra­nitblöcken hinten drauf Wir kennen die Strecke bei Hitze aber auch anders herum - und das macht genau so wenig Spaß!

Und Flobö wird sie im nächsten Jahr nur zur Hälfte schaffen, bis wir die Tour abbrechen und zum Bauern zu­rückfahren, da er hohes Fieber bekommen hat (die Vorboten seiner Scharlacherkrankung). Aber auch dies wis­sen wir zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht.
Inzwischen verweilen unsere Augen immer öfter bei unserem treuen Begleiter in den schweren Stunden der Anstiege: unser Höhenmesser geht jetzt auf eine wichtige Zahl zu - werden wir es noch schaffen, vor Monti die Höhe des Mount Everest (als Gesamthöhenmetersumme) zu erreichen??
Jawohl - es klappt! Kurz vor Montis Ortseingang - dazu noch mit schönem Blick über Stadt und Ebene - springt der Höhenmesser um auf 8848 m; wir sind mit dem Rad einmal auf den Mount Everest gefahren! Na also! Und das wir die Gipfelbesteigung mit Rädern (sind wir die „Erstbefahrer“) natürlich an Ort und Stelle ein wenig feiern, versteht sich von selbst. An unserer Freude über dieses Ereignis kann auch der Regen nichts ändern.

Wir fahren jetzt durch den Ort; einkaufen ist heute nicht mehr nötig; morgen können wir dann hier in Monti in aller Ruhe frühstücken. Dann geht es eine letzte Steigung aus Monti hinaus und über den etwa drei Kilometer langen Fahrweg bis zum Bauernhof von Pinuccio.
Und hier schließt sich nach 12 reinen Fahrttagen nun der Kreis: 554 Kilometer haben wir in dieser Zeit auf den Straßen und unter der Sonne Sardiniens zurückgelegt; viele neue „Erfahrungen“ dabei gesammelt und viele neue Menschen getroffen. Und nebenbei sind wir ganz schön braun geworden! Und hier mal alle Pannen auf einen Blick: Gepäckträgerstrebe gebrochen (Flobe); Reifenpanne & Spanngurt (Flobö); Bremszug, Spanngurt & Satteltaschen aufgerissen (Svenja); Schaltwerk & mehrfach Kette abgesprungen (Christoph).

Und jetzt freuen wir uns auf den Aufenthalt bei Pinuccio und seiner Familie zum Ausklang der diesjährigen Radtour. Und damit geht es gleich richtig los! Natürlich wissen unsere Gastgeber, dass Svenja heute Geburtstag hat und haben sich dafür ein besonderes Festessen ausgedacht! Und so sitzen wir nach dem Zeltaufbau bald in der warmen Küche und schauen zu, wie Andreana jede Menge Kotletts am offenen Feuer vorbrät. Das sieht schon mal ganz toll aus und uns läuft beim Duft des röstenden Fleisches das Wasser im Mund zusammen - das ist mal was anderes als die normalerweise jetzt im Topf erscheinenden Tütensuppen!

Kotellets am offenen Feuer bei Pinuccio und Andreana Die Geburtstagsfete steigt-tanti auguri a te, Svenja! Andreana hat sogar eine Geburtstagstorte gebacken

Tja, und zu den folgenden Bildern ist eigentlich kein Kommentar nötig: wir erleben und genießen die umwer­fende Gastfreundlichkeit der Familie Nieddu. Annalisa, Salvatore und Antonello sind inzwischen auch dazu gestoßen und damit sind wir komplett. Die ersten Flaschen erscheinen auf dem Tisch und die Party geht los! Zuerst heißt es nun allgemein: hoch die Tassen! Wir trinken auf das glückliche Ende der Tour und erzählen natürlich - inzwischen äußerst routiniert auf italienisch - von unseren Erlebnissen. Dazu kommen so um 21 Uhr die ersten Vorspeisen auf den Tisch: Penne al ragu und frisches Brot; dazu grüne und schwarze Oliven. Lecker!
Und nach den leckeren Kotletts wird das Licht im Raum gelöscht - und dann erscheint Annalisa mit einer riesi­gen Geburtstagsüberraschung: eine Sahnetorte samt brennenden Kerzen und einer „18“ aus Kirschen! Und wir können alle einstimmen in die italienische Version von „Happy Birthday“: „tanti auguri a te!“ Svenja kann mit dieser Feier wirklich zufrieden sein!

Aber - sie ist ja noch nicht beendet! Die Torte muß ja schließlich noch verspeist werden. Dazu hat Pinuccio eine Zweiliter-Flasche Astispumante kaltgestellt! Und die wird nun von Salvatore ausgeschenkt - praktischer-­ weise in kleinen Pappbechern (2 Jahre später wird dieser Brauch verschwunden sein; denn mit dem Beginn des Agriturismo stellt Pinuccio auf edlere Gläser um). Anschließend greift Andreana zum Messer und wir rücken mit vereinten Kräften (bzw. großem Appetit) der Torte zu Leibe. Nach dieser Radtour schaffen wir so einiges! Und so nimmt die Feier ihren Verlauf und geht in das gewohnte gesellige Beisammensein bei Pinuccios Familie über….. Zu diesem Zeitpunkt versprechen Piniccio und Andreana, uns im nächsten Jahr einmal in Deutschland zu besuchen! Ehrenwort! Wir sind gespannt darauf. Es ist ein schöner Ausklang der anstrengenden Tour! Es wird spät an diesem Abend, ehe wir uns in unsere Zelte zurückziehen. Und für morgen haben wir uns vorge­nommen, doch mal etwas länger auszuschlafen. Die bisherige Alltagsroutine ist ja nun auch vorbei!
Tagesstrecke: 51,95 Km; Schnitt: 14,98 Km/h; Max: 48; Gesamt HM bergauf: 8885m, bergab: 8709m Gesamtstrecke: 554 Km; Wetter: sehr viel Nieselregen; gegen Abend stärker werdend


Samstag, 29.4.2000, 15. Tag

Wir gönnen uns die verdiente Pause und bleiben etwas länger liegen. Der Hunger treibt uns dann aber doch ir­gendwann im Laufe des frühen Vormittages mit dem Rad nach Monti. Und das ist vielleicht ein seltsames Ge­fühl, so ohne jedes Kilogramm am Rad zu fahren! Man meint, das Rad würde vorne hochgehen! In Monti fin­den wir zum ersten Mal einen richtigen Markt - sonst waren wir ja auch nie an einem Samstag in Monti.

Mit frischem Obst, Paninis und sonstigen Zutaten versehen, lassen wir uns dann am Ehrenmal von Monti nieder und machen uns über ein ausgiebiges Frühstück her. Das zieht sich so eine Stunde lang hin. Wir wollen aber noch vor der Mittagspause an der „Cantina Sociale“ von Monti vorbei und wenigstens ein wenig unsere Trink­flaschen auffüllen.
Vorher fahren wir noch kurz bei Pinuccio vorbei. Er hat uns gestern erklärt, er wäre heute mit Andreana zu ei­ner Hochzeit nach Olbia eingeladen. Wir sollten uns aber auf seinem Bauernhof ganz wie zu Hause fühlen und die Küche benutzen. Bei Pinuccio erleben wir dann eine Überraschung: wir kennen ihn ja sonst nur in seiner normalen „Arbeits­kluft“, was man halt so zum Schafe melken anzieht….

Unsere Gastgeber-Andreana und Pinuccio Was braucht man mehr im Leben? Ein deutsches Essen für alle-Semmelknödel mit Gulasch

Jetzt aber stehen die beiden wie aus dem Ei gepellt vor uns. Klar, dass wir davon erst einmal ein Foto machen! Danach fahren wir weiter zur nahegelegenen Cantina und überraschen wie immer die ältere Frau, die uns dort schon seit vielen Jahren bedient, mit unseren Trinkflaschen. Normalerweise werden hier ja ganze Kanister abge­füllt, aber die können wir ja nicht auf dem Fahrrad mitnehmen…. Aber auch wir sind immer wieder begeistert von dieser „Tankstelle“. So was müsste man zu Hause bei uns auch haben!

Wieder zurück beim Bauernhof erkunden wir einmal ausgiebig das gesamte Gelände - und das ist riesig! Da­nach machen wir uns an die Vorbereitungen des Abendessens, zu dem wir Antonello nach dem Melken einge­laden haben. Es soll Gulasch mit Klößen geben! Zwischendurch bleibt Zeit für einen ersten Becher Wein. Nach dem letzten Sonnenuntergang hinter den Limbara-Bergen wird es wie gewohnt schnell ziemlich kühl und wir ziehen uns in die Küche zurück. Flobe übernimmt heute die Rolle des Chefkochs und wacht souverän über Töpfe und Pfannen. Bald zieht ein aromatischer Geruch von gerösteten Zwiebeln durch den Raum.
Während in dem einen Topf langsam ein leckeres Gulasch entsteht, sieden im anderen Topf friedlich die Semmelknödel vor sich hin. Wir anderen schauen dem Treiben aufmerksam zu (wollen wir alle das Essen ja schließlich zu uns nehmen); Flobö hat inzwischen die Aufgabe des Feuermeisters übernommen und stochert im Kamin herum. Dort flackert bald darauf wirklich ein wärmendes Feuerchen. Auf jeden Fall ist es hier gemütli­cher als beim Kochen im engen Zeltvorbau. Das Essen steht pünktlich auf dem Tisch, als Antonello vom Melken zurückkommt. Wir machen uns mit Appe­tit darüber her, und auch Antonello scheint das deutsche Gericht zu munden; er nimmt mehrmals nach. Danach tischt Antonello noch den gewohnten Nachtisch auf: Wein, Brot, Käse, Wurst - und damit beschließen wir den heutigen Abend. Schade, morgen müssen wir Abschied nehmen!


Sonntag, 30.4.2000, 16. Tag

Heute ist also der letzte Tag unseres Aufenthalts auf Sardinien. Wir werden mittags mit vollbepackten Rädern aufbrechen und die Nacht am Flughafen verbringen. Der Flieger geht morgen früh um sechs; das würden wir so früh nicht von Monti aus schaffen.
Antonello hat sardische Osterspezialitäten besorgt Dazu gibt es einen edelen Tropfen-Aldiola!

Pinuccio ist früh wieder bei der Arbeit; für ihn gibt es keinen Sonntag! Antonello ist zur Bäckerei in Monti ge­fahren und überrascht uns mit leckeren sardischen Spezialitäten. Wir stehen darußen um sein Auto herum und bedienen uns direkt von der Motorraumhaube. Dazu gibt es einen edlen Tropfen: Aldiola, einer der etwas besse­ren Weißweine der Cantina.

Das Wetter zeigt sich an diesem Sonntagmorgen wieder von seiner besten Seite. Es fällt schwer, sich vorzu­stellen, dass wir morgen schon wieder im sicher noch ziemlich kühlen Sauerland sein werden.
Wir ziehen noch ein wenig mit Pinuccio durch das Gelände; er hat eine Menge damit zu tun, die vielen Tiere zu versorgen. Es sind ja nicht nur die vielen Schafe; dazu warten ja noch die Schweine auf ihr Futter und zuletzt sind die vielen Hunde dran. Danach zeigt er uns, wie man Weinstöcke richtig veredelt. Das hat keiner von uns bislang gesehen. Martin will es auch einmal versuchen - und gemeinsam mit Pinuccios Hilfe klappt es sogar. Vielleicht können wir von diesem Rebstock in ein paar Jahren unseren Wein trinken!

Gemeinsam veredeln wir einen Weinstock Ein letzter Imbiss- Pane, selbstgemachte Wurst und Schafskäse, dazu natürlich ein Rosso Die Stunde des Abschieds ist mal wieder gekommen

So langsam machen wir uns dann an den Zeltabbau; alles wird flugfertig verpackt; die Zelte werden wir auf dieser Tour nicht mehr benötigen. Nur noch die Isomatten und die Schlafsäcke bei der Übernachtung am Flughafen. Die gepackten Räder schieben wir dann von der Wiese zum Bauernhof rüber vor die Scheune.

Pinuccio bittet uns ein letztes Mal in seine Küche und lädt uns zum Mittagessen ein. Nach sardischem Brauch wird ja erst am Abend warm gegessen - jetzt gibt es sardische Wurst, Schafskäse, frisches Brot und natürlich einen selbstgekelterten „Vino Rosso“ aus Pinuccios eigener „Cantina“ unten im Keller. Ein köstliches Essen!

Tja, und uns schmeckt es natürlich so gut, dass Pinuccio immer wieder mit seinem scharfen Messer neue Schei­ben abschneiden muß. Vielleicht wollen wir dadurch auch nur den Augenblick hinauszögern, an dem wir uns endgültig verabschieden müssen.
Wir lassen Pinuccio nochmals sein Versprechen erneuern, uns auch einmal zu besuchen - wir drohen ihm sogar an, vorher nicht mehr wieder zu kommen! Aber diese Drohung werden wir natürlich nicht wahr machen….
Und dann geht es gemeinsam hinaus ins helle Sonnenlicht: das rituelle Abschiedsfoto steht an. Und dieser Mo­ment ist - man kann es an den Gesichtern sehen - auch mit etwas Trauer verbunden. Zu gut kennen wir uns inzwischen! Zu viele Gläser haben wir in Freundschaft miteinander geleert. Dennoch: die Zeit ist gekommen!

Na ja, wir wollen den Kopf nicht hängen lassen - wir hatten in diesem Jahr 2000 einen tollen Aufenthalt auf Sardinien - und vielleicht wird der eine oder andere ja bald schon wieder mal zurückkommen (werden wir 2001, wissen wir aber momentan noch nicht).
Pinuccio lässt es sich nicht nehmen, die letzten Winkel der Satteltaschen noch mit Käse, Wurst, Wein und sei­nem selbstgebrannten Schnaps vollzustopfen („für die Reise unterwegs“, meint er)
Und dann heißt es: Ciao! Und für uns ist nochmals der Zeitpunkt gekommen, mit bewegter Stimme für alles zu danken, was wir an Gastfreundschaft bei dieser Familie mal wieder erleben durften. Die Leute hier sind im Laufe der letzten neun Jahre zu echten Freunden geworden.

Ciao, Andreana und Pinuccio, ciao Annalisa, Antonello und Salvatore und die vielen anderen! Wir müssen los; Deutschland und das normale Leben wartet auf uns. Und in diesem Moment sind wir uns alle ziemlich sicher: wir werden zurückkommen!!!

Mit einem letzten Klingeln fahren wir zum Tor hinaus; müssen aber kurz darauf auf der ausgefahrenen Sand­kiste natürlich schon wieder absteigen. Zu schwer sind die Räder, um auf diesem Untergrund die lange Steigung hoch zur Straße zu bewältigen. Der Weg zurück nach Olbia verläuft dann ohne Probleme; in Olbia steuern wir „unseren“ Brunnen an und plün­dern ein wenig die von Pinuccio mitgegebenen Vorräte. Danach kurven wir bei strahlendem Sonnenschein durch das sonntägliche Olbia; weil aber nicht viel los ist, fahren wir rein spaßeshalber hinaus zum Fährterminal.

Nur noch bergab bis Olbia Meridiana und Fahrräder-2 Welten treffen aufeinander

Hier warten wir den Sonnenuntergang ab und kochen noch einmal - die Gaskartusche müssen wir sowieso ab­schrauben und zurücklassen. Bei einsetzender Dämmerung geht es dann zurück nach Olbia; dort auf der „Pro­menade“ (besser gesagt: Schlaglochpiste) entlang über eine lange Brücke bis zum „Aeroporto Olbia“.

Dieses Gefühl - so mit bepackten Fahrrädern vor dem Haupteingang eines Flughafens vorzufahren - kennen wir schon von der Sizilien-Tour her. 1998 kamen wir so in Catania an. Damit enden nun aber die Übereinstim­mungen - denn damals ging mit dem Rückflug alles glatt - uns erwarten in diesem Jahr Schwierigkeiten am laufenden Band. Wir stellen unsere Räder in einer Ecke der Abflughalle zusammen und lassen uns auf den Sitzen nieder. Unser weiterer Plan ist es, abzuwarten, bis die letzte Maschine heute gegen halb zehn gelandet ist; starten wird gar keine mehr. Danach, so hoffen wir, wird Ruhe einkehren und wir können es uns mit Isomatten und Schlafsä­cken für die letzte Nacht auf sardischem Boden bequem machen. Leider wird daraus nichts! Sicherheitsbeamte geben uns unmissverständlich zu erkennen, dass wir nicht über Nacht in der Halle bleiben dürfen. Also heißt es: hinaus in die Dunkelheit! Auf dem Rasen vor dem Gebäude wollen wir auch nicht campieren; da käme mit Sicherheit das nächste Problem mit den Wächtern.
Gut, wenn wir nicht in der Halle bleiben dürfen, dann halt direkt draußen vor der Halle! Zwei Meter neben dem Hauptportal stellen wir die Räder in einem Halbkreis auf und rollen im geschützten Innenraum Isomatten und Schlafsäcke aus. Ab und zu kommen die zwei Wächter, die uns vorhin rausgeschickt haben, vorbei; sagen aber nichts. Irgendwo müssen wir ja schließlich auch bleiben. Und stören werden wir keinen, da der gesamte Flugha­fen inzwischen in die Nachtruhe versunken ist. Wir sind gerade eingeschlafen, da werden wir durch starke Ta­schenlampen geblendet und aus dem ersten Schlaf geschreckt: „Dokumenti!“, lautet die barsche Aufforderung. Schau da, unsere beiden guten Bekannten sind wieder da! Und die Papiere hätten sie auch schon vor zwei Stun­den kontrollieren können - nicht jetzt, mitten in der Nacht. Einwandfrei eine pure Schikane. Wir sind stink­sauer, suchen aber schweigend und ohne große Bemerkungen dazu unsere Reisedokumente hervor. Danach haben wir endlich Ruhe bis morgens um fünf!


Montag, 1.5.2000, 17. Tag

Eigentlich wäre heute ja die traditionelle Maiwanderung zu Hause dran - die fällt erstmals seit vielen Jahren aus - wir werden sie als „Mai-Flug“ verbringen. Wir fliegen zurück, wie wir gekommen sind: zuerst mit der Meri­diana bis Milano-Malpensa; von dort mit vier Stunden Aufenthalt später mit der Alitalia nach Düsseldorf. Bevor aber das Foto hier beim Ausstieg aus der Meridiana-Maschine in Malpensa entsteht, haben wir noch viel Ärger!

Nachdem wir schon gegen fünf Uhr alles reisefertig verstaut haben, schieben wir die Räder zum Sonderschalter und geben sie dort ab. Als wir dann aber am normalen Schalter stehen und unsere Taschen abgeben wollen, kommt der erste Schock des Tages. „Libero“ ist nur eine einzige Radtasche; für alle weiteren sollen wir 30.000 Lira (30,-DM !!) zahlen - pro Mann also an die 120,-DM zusätzlich. Es komme nicht auf das Gewicht an, son­dern auf die Anzahl der Gepäckstücke. Und da sei nur ein einziges Stück erlaubt, basta!

Jetzt kommen die vielen „Notfall-Faxe“ zum Einsatz, auf der wir im Vorfeld die Gepäckfrage mit der Alitalia abgeklärt hatten. Die Dame hinter dem Schalter verschwindet irgendwo; vermutlich geht sie zum Chef, und nimmt die Faxe mit (die sind zum Glück zwar mit dem Briefkopf der Alitalia versehen, aber natürlich auf deutsch). Und die scheinen gewirkt zu haben, denn plötzlich ist alles kein Problem mehr!

Dafür taucht ein neues Problem auf: wir können nicht - wie auf dem Hinflug, bis Düsseldorf durchchecken; in Mailand müssen wir komplett raus und die gesamte Prozedur von Neuem beginnen. Toller Service! Als wir endlich im Flieger sitzen, hat Martin die ersten Magenschmerzen des Tages.
Der einstündige Flug nach Mailand verläuft ohne nennenswerte Vorkommnisse; in Malpensa müssen wir also erst einmal das gesamte Gepäck und danach die Räder abholen; damit geht es in die Abflughalle, wo wir erst einmal ratlos vor den vielen Schaltern stehen.
Der für uns zuständige (Sonderschalter) öffnet erst zwei Stunden vor Abflug; wir müssen uns also einige Stun­den irgendwie die Zeit vertreiben. Mit Fahrrädern und jeder Menge Gepäcktaschen haben wir keinen allzu gro­ßen Aktionsradius. Also warten wir auf den Sitzen vor dem Sonderschalter die Zeit geduldig ab. Wenigstens können wir durch die Fenster ein wenig vom Flughafenbetrieb draußen mitverfolgen. Und Malpensa ist natür­lich schon etwas größer als Olbia - dementsprechend viel gibt es zu sehen.

Dann müssen wir wieder einmal geduldig erläutern, warum wir kein Übergewicht bezahlen müssen (bei der Meridiana spielte das Gewicht keine Rolle, da wir ja für die Räder extra gezahlt haben). Zunächst gibt man sich damit zufrieden, doch dann kommt plötzlich die Dame vom Eincheck-Schalter auf uns zu und sagt, sie hätte in Olbia angerufen, und da hätten wir extremes Übergewicht gehabt. Diese alten Petzen!! So erklären wir ihr treu­herzig, unsere Räder wären mal leichter, mal schwerer, man müsse das als Gesamtgewicht sehen….

Und als Durchschnitts-Rad darf sie Flobes Rad nun mal hochheben und wiegen (und das ist natürlich das leich­teste….). Endlich haben wir auch diese Klippe umschifft und können ins Flugzeug nach Düsseldorf einsteigen.
Doch damit ist unser heutiger Leidensweg noch nicht zu Ende. Gut, der Flug ist angenehm und daran ist nichts zu kritisieren (mal abgesehen davon, dass wir dafür so ca. 600 DM bezahlt haben - drei Jahre später werden wir die gleiche Strecke für nur 28 Euro erneut fliegen; diesmal aber mit Ryanair!
Noch ahnen wir nichts Böses, als wir in Düsseldorf stehen und nach und nach unsere Gepäcktaschen vom Band fischen. Der Schock kommt erst, als wir die Räder abholen: an Svenjas Rad sind einige Kleinigkeiten defekt; vor allem aber hinten das Schaltwerk verbogen - damit wird sie nicht mehr fahren können.
Das wesentlich größere Problem zeigt sich allerdings bei Martins Rad! Es hat völlig klaglos die Sardinien-Tour ohne Pannen durchgehalten - und jetzt bewegt es sich keinen Meter mehr von der Stelle! Der Grund ist schnell ausgemacht: das gesamte Hinterrad ist irreparabel verbogen - die müssen unterwegs mit dem Gabel­stapler rangegangen sein!
So führt nun unser erster Weg direkt zum Reklamationsschalter, wo alles protokolliert wird. Fairerweise muß man sagen, zahlt die Alitalia später mehr als 600 Mark für die Reparaturkosten - aber im Moment steht Martin erst einmal mit einem nicht einmal mehr schiebbaren Rad da - und muß beim Umsteigen zwischen den Zügen auf dem Nachhauseweg das Rad hinten immer hochheben.
Und so endet die Tour dann doch noch ziemlich aufregend. Heute, mit einem Abstand von fast drei Jahren, wiegen diese Unannehmlichkeiten aber nicht mehr viel. Was bleibt, sind die vielen positiven Erinnerungen an einen wunderbaren Sardinienaufenthalt.

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