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Reisetagebuch Sardinien 1997
21.3. – 10.4.97
Mit dem Rad 450 Km entlang der „Orientale Sarda“ und der Südküste
Freitag, 21.3.97, 1. Tag
Die Fahrt beginnt genauso wie die letzten beiden Oster-Touren (`95 und `96) nach Sardinien: um 15 Uhr geht es los ab Kückelheim mit unserem Pfadfinder-Transit. Die letzte Sitzbank ist ausgebaut; dafür thronen dort auf dem eigens konstruierten Zwischenboden unsere Fahrräder. Darunter die Verpflegungskisten und sonstige Ausrüstung.
Eine Änderung gibt es bei den Teilnehmern: Neben Marianne, Martin, Jan und Svenja vom Vorjahr ist Christoph neu dabei; Sarah muß dafür leider aussetzen. Neu ist auch die kleine Videocamera, die das unhandliche 4-Kilo-Modell ablöst.
Der erste Osterferien-Stau stoppt uns kurz vor Frankfurt; bald darauf losen wir aus, ob wie die A5 oder die A67 nehmen sollen. Diese gewinnt; zum Glück, denn kurz darauf meldet der Verkehrsfunk mehrere längere Staus auf der A5.
Um Mitternacht haben wir den Gotthard-Tunnel durchquert. Auf der Alpennordseite lag noch eine Menge Schnee neben der Straße. 20 Km hinter dem Tunnel biegen wir erleichtert auf „unseren“ Parkplatz ab – vor allem Martin als Fahrer freut sich auf`s Schichtende nach 713 Km Non-Stop-Fahrt.
Vor einem letzten Schlummertrunk müssen noch schnell die Betten hergerichtet werden: 2 Leute können mit Isomatten auf den beiden Sitzbänken schlafen; die anderen machen es sich auf der Empore gemütlich. Die Fahrräder müssen dazu natürlich ausgeladen werden. Vorsorglich ketten wir sie an der vorderen Stoßstange fest.
Samstag, 22.3.97, 2. Tag
Die Übernachtung im Transit mit 5 Leuten war nicht besonders komfortabel; vor allem aber schweinekalt! Gegen sechs Uhr lässt uns die Kälte nicht mehr länger schlafen; eine Stunde später sind wir schon wieder unterwegs. Die erste gute Tat des Tages haben wir als Pfadfinder auch schon hinter uns: der Fahrer eines Wohnmobils hatte über Nacht wohl zu viele Stromverbraucher laufen – wir leisten ihm mit unserem Fahrzeug gerne Starthilfe.
Bald darauf verlassen wir die Schweiz und fahren in beständigem Tempo (na ja, mehr als 120 – 130 Km/h gibt der Transit ja nicht her) über Mailand und Modena in Richtung La Spezia. Die Durchquerung des Apennin ist wie immer eine tolle Sache mit vielen interessanten Ausblicken. Während Martin sich auf die teilweise ganz schön holprige Fahrbahn konzentriert, zählen die anderen derweil schon mal die vielen „Galeria“. Auch sonst frischen die Schilder an und neben der Autobahn unsere minimalen Italienisch-Kenntnisse auf.
An den Marmor-Steinbrüchen von Carrara vorbei erreichen wir bald Pisa und machen selbstverständlich einen Kurzbesuch beim „La Torre“. Zeit haben wir ja noch genug; bis zum Fährhafen von Livorno sind es nur noch ein paar Kilometer und unsere Fähre geht ja erst am Abend. Also nix wie rein mit dem Transit in das Verkehrsgetümmel von Pisa. Schon bald haben wir einen bewachten Parkplatz in der Nähe des Turmes gefunden.
Die meisten von uns kennen den Turm ja schon von den vorigen Fahrten. Dennoch – es ist immer wieder ein wirklich beeindruckendes Bild, wenn man um die Ecke kommt und plötzlich das schiefe Ding vor sich sieht!
Wir schlendern über die Wiese näher ans Bauwerk heran und machen natürlich jede Menge der üblichen Touristenfotos. Auf Hinweistafeln wird erklärt, wie man mit den durch Stahlseilen abgespannten Gegengewichten den Torre wieder etwas aufrichten möchte. Schade, 1989 war der Turm noch zugänglich, da haben wir die Gelegenheit zum Besteigen leider verpasst.
Danach bummeln wir ein wenig durch das Viertel rund um den Turm. In einer Schaufensterscheibe steht ein Pappplakat des Turmes; darin überlagert das Spiegelbild des „echten“ Torre. Grund für ein weiteres Foto.
In diesen Gassen wird man natürlich überall von den vielen fliegenden Händlern angequatscht. Svenja lässt sich auf einen Handel ein und ist bald darauf stolze Besitzerin eines Ledergürtels.
Wir schauen uns dann noch ein wenig das bunte Treiben auf der Wiese rund um den Turm an; die vielen Schilder, die das Betreten der Rasenfläche verbieten, werden von allen ignoriert. Noch ein Eis und es geht langsam zurück in Richtung Transit.
Um 15 Uhr erreichen wir nach 1180 Km den Fährhafen Livorno; noch sind wir ganz allein auf dem Parkplatz. Es gibt Gulaschsuppe und Würstchen; dazu ein paar Döschen Karlsquell. Eros Ramazotti unterhält uns dazu aus dem Cassettendeck. So stellt sich langsam das italienische Feeling ein und wir machen uns auf zur Stadterkundung. Wir bummeln zuerst durch den alten Hafen mit seinen malerischen Kanälen und betrachten das quirlige Leben. Die restliche Zeit bis zum Abend verbringen wir in der Innenstadt von Livorno und lassen es uns einfach gut gehen. Nach dem Streß der langen Transit-Anreise kommt jetzt langsam die richtige Urlaubs-Stimmung auf.
So ab 19 Uhr beginnt dann das Einschiffen; wir haben leider einen schlechten Standplatz erwischt und müssen noch warten. Und dann bleibt ein deutscher Reisebus unglücklicherweise mitten auf der Rampe stecken! Er hängt mit den Vorderrädern und dem Heck auf der schrägen Auffahrt fest; seine Antriebsräder leider ohne Bodenhaftung.
Interessant zu beobachten, was die ziemlich ratlose Schiffsmannschaft in den nächsten 1 ¼ Stunden nun versucht, um den Bus irgendwie von der Rampe zu bekommen: zuerst versuchen sie es von vorn mit einer Seilwinde, danach von hinten mit einer Zugmaschine und schieben. Das bewirkt aber nur durchdrehende, qualmende Reifen bei der Zugmaschine.
Schließlich kommt ein fahrbarer Container-Kran und will den Bus mit seinem Greifer oben an der Dachreling hochheben – das geht dem deutschen Fahrer dann aber doch zu weit! Irgendwie schafft er es dann doch noch aus eigener Kraft und mit über zwei Stunden Verspätung setzt sich die Fähre der Moby-Line dann doch in Bewegung: wir sind endgültig auf dem Weg nach Sardinien!
An Bord bekommen wir unsere Kabinen zugewiesen. Wir richten uns ein und stehen dann noch ein wenig an der Reling und genießen den Blick über das nächtliche Meer.
Sonntag, 23.3.97, 3. Tag
Um 7 Uhr werden wir geweckt. Draußen erwartet uns ein strahlend blauer Himmel. Sardinien liegt bereits in Sichtweite; kurz darauf läuft unsere Fähre in die weitläufige Bucht von Olbia ein. Ein Beginn, wie wir ihn uns nicht besser hätten vorstellen können.
Wir packen in der Kabine die wenigen Sachen zusammen, die wir für die Nacht mitgenommen hatten und suchen unseren Transit auf. Jetzt heißt es noch etwas warten, ehe sich am Bug das Tor langsam hebt und helles Tageslicht hereinströmt.
Um 8 Uhr betreten – besser gesagt: befahren – wir dann nach einem Jahr Pause wieder sardischen Boden. Unser erster Weg führt uns in Olbias Innenstadt zum zentralen Brunnen. Dort gönnen wir uns einen heißen Cappuccino und sitzen danach mit einem ersten sardischen Bier in der prallen Sonne am Brunnen der Piazza.
Wir bummeln danach noch ein wenig in diesem Stadtviertel herum und starten dann zur letzten Etappe nach Monti, zu unserem Bauern. Pinuccio und seine Familie kennen wir schon seit 1991; in den letzten beiden Jahren haben wir diese Bekanntschaft vertieft. Wir wissen, dass wir bei ihm unser Fahrzeug stehen lassen und mit den Rädern beruhigt auf Tour gehen können.
Gegen 11 Uhr haben wir die 2o Km bis kurz vor Monti zurückgelegt; nun heißt es gut aufpassen, dass wir die Feldweg-Einfahrt zu seinem Bauernhof nicht verpassen. Jetzt noch 500 m über eine sandige Schlagloch-Piste und wir rollen auf den Hof. Antonello, Pinuccios Sohn empfängt uns freudestrahlend. Und natürlich lädt er uns gleich zu einem Vino ins Haus ein. Na gut, wir wollen ja nicht unhöflich sein…
Aus dem einen Glas werden mehrere, und so verzögert sich der eigentlich für diesen Tag bereits geplante Start zur Radtour bis zum nächsten Morgen. Martin und Jan müssen dabei die Hauptlast tragen … Merke: sardische Gastfreundschaft ist intensiv! Neben vino und pane wird auch jede Menge an Salscicca aufgetischt.
Montag, 24.3.97, 4. Tag
Martin und Jan sind schon ab 6 Uhr auf und kochen Kaffee, haben ansonsten aber gewisse Schwierigkeiten, den Tag zu beginnen. Sie schwören auch, dass nachts der Mond total rot gewesen sei (war er tatsächlich, denn es gab just eine Mondfinsternis). Zu allem Überfluß regnet es doch tatsächlich auch noch! Es hilft aber nichts – heute müssen wir endlich los! Mehr Spielraum haben wir nicht.
In der Scheune bauen wir die Räder zusammen und verteilen dann das Gepäck auf die vier Radtaschen, die Lenkertasche und den Ortliebsack hinten auf dem Gepäckträger. So an die 25 Kg kommen da für jeden zusammen.
Schon vor der Abfahrt haben wir ausgewogen, wer sich um welches Gruppengepäck kümmern muß. Dazu kommt noch einiges an Verpflegung, da wir ja oft abseits der Einkaufsmöglichkeiten unterwegs sein werden und so ein gewisses Maß an Lebensmitteln, insbesondere aus platzsparender und leichter Tütennahrung bestehend, mitnehmen müssen.
Zuletzt werden noch die Spiegel montiert – die haben sich bei den vergangenen Touren im Kolonnen-Fahren bestens bewährt. Dann noch eine erste Fahrprobe mit Überprüfung des Luftdrucks – und schon sind wir abfahrbereit. Im Transit lassen wir alle nicht unbedingt wichtigen Sachen zurück.
Wir erklären Pinuccio noch, wann wir wieder zurück sein werden und schieben die Räder dann so gegen 11 Uhr mit den besten Wünschen der Familie (sowie einem Fläschchen selbstgemachten Limonen-Likör) versehen zur Straße hoch. Ans Fahren ist bei diesen Wegverhältnissen mit unseren schwer bepackten Rädern nicht zu denken. Leider spielt auch unser Wettergott Güpi immer noch nicht richtig mit: Regen, Regen, Regen. Gut, dass wir alle eine komplette Regenausrüstung mit dabei haben! Oben, an der SS 199 angekommen, kann unsere diesjährige Radtour dann losgehen. Noch wissen wir natürlich nicht, was uns alles so erwarten wird und wie weit wir in diesem Jahr kommen werden. Aber das macht ja auch den Reiz einer solchen Tour aus!
Nach den beiden Fahrten 1995 (als wir das Inland bis Arbatax durchquerten und dann über Barumini an der Westküste von Oristano über Bosa, Alghero, Porto Torres und Castelsardo wieder nach Monti fuhren) und 1996 (wo wir in Oristano starteten, über die Insel San Antioco und die Südküste bis Cagliaris radelten um dann quer durch`s Inland bis Monti zurück zu kommen), haben wir uns in diesem Jahr die Ostküste vorgenommen. Wir wollen die alte „Orientale Sarda“, also die heutige SS 125 bis Cagliari fahren und dann irgendwie wieder durch`s Inland hoch nach Norden kommen.
Jetzt aber hängen erst einmal drohend schwarze Wolken über uns, als wir uns aufmachen in Richtung Olbia. Doch so drohend sich der Himmel auch gibt – es bleibt nun auf den ersten 20 Kilometern bis Olbia zumindest trocken! Vorsichtshalber lassen wir die Regenanzüge aber an – zumal es beständig bergab geht. An die 250 Höhenmeter verlieren wir auf diesem Stück zur Küste. Und Jan und Martin durch den frischen Fahrtwind gleichzeitig die Kopfschmerzen, die sie sich am Vortag eingehandelt haben.
Olbia selbst steuern wir gar nicht an; am Abzweig zum Aeroporto Costa Smeralda biegen wir ebenfalls rechts ein auf die SS 125. Die Kilometersteine zeigen noch weit über 300 Km bis Cagliari. Nun gut, nehmen wir die Strecke bis dahin unter die Räder! Vorher aber erst einmal ein ausgiebiges - wenn auch verspätetes - Frühstück! Die Gelegenheit bietet sich an einem Alimentari, der uns mit allem Notwendigen versorgt. Was wollen wir mehr: frische Panini, dazu Schinken, Mortadella und Käse; zum krönenden Abschluß noch ein süßes Teilchen – das steigert die Stimmung und bringt Energie für die vor uns liegende Strecke. Gelegentliche Blicke zum Himmel lassen das Stimmungs-Barometer weiter steigen – Gott Güpi scheint jetzt voll und ganz auf unserer Seite zu sein!
Ein weiterer Blick auf die Karte zeigt uns bei der Frühstückspause, daß auch keine nennenswerten Steigungen auf den nächsten Kilometern zu erwarten sind. Die Pause dehnt sich aus bis etwa 13:30 Uhr – dann geht es gut gestärkt an den nächsten Streckenabschnitt. Der fährt sich trotz der immer noch angelegten Regenanzüge erfreulich leicht – kaum Steigungen und auch nicht übermäßig viel Verkehr. Nach links haben wir einen guten Blick auf den dominierenden Monte Tavolara; ein gewaltiger Bergklotz, der sich immerhin über 500 Meter aus dem Meer erhebt.
Zügig geht es auf der SS 125 voran; der nächste größere Ort heißt San Teodoro. Daran fahren wir allerdings vorbei; wir haben in einem Supermarkt inzwischen zusätzliche 6 Liter Trinkwasser gefasst und sind jetzt auf der Suche nach einem schönen Freicamper-Plätzchen. Als kurz darauf die neue Autostrada beginnt, verringert sich auch der Verkehr auf der – nunmehr alten SS 125 – nochmals spürbar und wir sind guter Hoffnung, bald was zu finden. Aber – wie so oft in solchen Situationen – es tut sich nichts. Wir fahren zwar unter die Brückenüberquerung der Autostrada und suchen da ein wenig herum – allerdings ohne Erfolg. Zu hoch die Zäune, zu tief die Straßengräben für unsere Fahrräder. Schade – so manch grüne Weide müssen wir so links liegen lassen!
Martin meint auch, man könne es durchaus bis „La Pineta“ schaffen, einem der Plätze, an denen er 1991 schon mal gezeltet hat. Damals ist er mit fünf Jugendlichen bereits die SS 125 entlang gefahren. Das sind aber noch etwa 25 Kilometer, und wir haben schon über 40 Tageskilometer auf dem Tacho. Gegen diesen Plan sprechen auch die dräuenden Wolken, die sich langsam, aber unerbittlich hinter den Bergen bei Olbia herauf schieben. So rauschen wir mit beachtlichem Tempo durch den Touristenort Budoni und stoßen auf einen Strandhinweis. Und Pineta ist schließlich Pineta! Also nix wie zum Meer abgebogen. Der Schotterweg dorthin endet schon bald an einer Bar, die allerdings noch im Winterschlaf liegt. Und da auch sonst weit und breit nichts zu sehen ist, bleiben wir über Nacht hier.
Wir laufen natürlich zuerst mal zum Strand – das Rauschen des Meeres ist beeindruckend. Kein Gedanke an Baden! Wohl aber immer wieder sorgenvolle Blicke hoch zum Himmel! Das sieht wirklich nicht gut aus!
Und beim anschließenden Zeltaufbau nimmt das Schicksal dann tatsächlich seinen Lauf! Wir haben zu lange gewartet! Ein Zelt schaffen wir gerade noch, dann bricht ein gewaltiges Unwetter über uns herein! Wir ziehen uns in den Schutz des bereits hochgezogenen Zeltes zurück und lassen einen prasselnden Hagelschauer über uns ergehen. Merke: erst die Zelte für die Nacht aufbauen – danach einen Strandbummel machen.
Zu allem Überfluß fehlen dann auch noch die Häringe beim zweiten Zelt. Wir werden sie doch wohl nicht beim Bauern im Transit gelassen haben?? Zum Glück nicht, Marianne findet sie nach längerem Suchen in einer der Satteltaschen. Das ist beim Fahrradfahren auch ein Problem: in welcher der vielen Taschen ist nun eigentlich das Gesuchte. Es müsste rein statistisch zwar eigentlich anders sein, meist aber findet man das, was man sucht, erst in der letzten Tasche, die man aufmacht. Nach einigen Tagen unterwegs spielt sich das aber normalerweise ein.
Angesichts der nassen Stimmung um uns herum verzichten wir an diesem Abend auf das eigentlich geplante umfangreichere Abendessen und bereiten stattdessen Carbonara-Nudeln aus der Tüte.
Tageskilometer: 58 Km Gesamtfahrtdauer: 3:30 Stunden im Sattel
Dienstag, 25.3.97, 5. Tag
Wir hatten eine stürmische Nacht; dazu rauschte das Meer so laut, dass man glauben konnte, es käme näher an die Zelte heran. Kam es natürlich nicht! Ein Blick auf die Karte zeigt, dass wir quasi am Punto del Asino genächtigt haben. Bis zum nächsten Ort Tanauella sind es nur wenige Kilometer, und hier legen wir an einem winzigen Alimentari unsere Frühstückspause ein. Um 10:30 Uhr geht es dann weiter; die Sonne lacht vom Himmel und es geht zügig voran. In Posada biegen wir auf die Nebenstrecke nach La Caletta ein; hier eine schöne Pause an der Strandpromenade und bald erreichen wir den echten „La Pineta“ kurz hinter Santa Lucia.
Hier legen wir eine längere Mittagsrast ein und holen das gestern verschobene Essen mit Knödeln und Gulasch nach. Wir sitzen dabei direkt am Strand; genießen das angenehm warme Wetter und beobachten das Treiben der Wellen am felsigen Strand. Beim Spülen gibt es mit diesen Wellen dann auch einige Probleme. Man muß schon höllisch aufpassen, dass man nicht unvermittelt von einer etwas größeren Woge erfasst wird. Das wäre aber auch nicht ganz so schlimm; wir fahren inzwischen in Sandalen und so können die Socken unterwegs gleich wieder am Fuß trocknen...
Wir durchfahren jetzt die Region „Baronia“ und planen die nächste Übernachtungsstelle noch vor Orosei ein. Dort können wir morgen früh dann einkaufen. Kurz nach Cala Liberotto findet sich dann auf einer Hochebene ein relativ verlassenes Gelände: eine Wiese mit einem einladend offenen Tor lädt uns ein; es steht zwar ein Haus drauf, das scheint aber ein Neubau zu sein, an dem schon lange nicht mehr weitergearbeitet worden ist. Genau das Richtige für uns!
Wir ziehen die Zelte im Schutz einer Steinmauer hoch; nebenan stehen drei Kühe und beobachten stumm unser Treiben. Durch Lücken in der Steinmauer erleben wir dann einen blutroten Sonnenuntergang. Wer noch etwas länger draußen ist und die Kälte ignoriert, kann bald darauf einen beeindruckenden Sternenhimmel erleben.
Tageskilometer: 40 Km 2:30 Stunden im Sattel
Mittwoch, 26.3.97, 6. Tag
Frühmorgens werden wir durch ein „Temporale“ aus dem Schlaf gerissen. Während über dem Meer die Sonne aufgeht, zieht von Land her eine schwarze Wolkenfront heran. Dummerweise entlädt sie sich direkt über uns.
Und jetzt stellt sich heraus, dass Marianne und Martin ihr Sierra Leone leider in einer kleinen Senke aufgebaut haben. So heißt es bei ihnen schon nach kurzer Zeit: Land unter! (was im Nachbarzelt für Erheiterung sorgt). Der Spuk ist zum Glück bald vorbei und so wird das ganze Zelt zum Trocknen einfach auf den Kopf gestellt.
Um 8:25 Uhr sind wir bereits wieder auf der Straße unterwegs; das Frühstück in Orosei lockt! Eine knappe halbe Stunde später halten wir am Ortseingang von Orosei vor dem Crai-Supermarkt und decken uns ausgiebig mit allem ein. Vorher hatten wir eine schöne Schussfahrt von der Hochebene hinunter bis fast auf Meeresniveau. Das bringt natürlich viele Kilometer in kurzer Zeit!
An der Haupt-Piazza von Orosei lassen wir uns dann zum Frühstück nieder. Wir sitzen vor einer Art Freitreppe in der Sonne; um uns herum wie schon gewohnt viele alte Männer, die uns interessiert beobachten. Nach dem Frühstück verfahren wir uns kräftig in den Einbahnstraßen von Orosei, ehe wir die Ausfallstraße nach Dorgali erreichen.
Und jetzt geht es gleich steil bergauf! Auf den nächsten 20 Kilometern bis Dorgali haben wir einen Mini-Paß von 225 m vor uns. So halten wir kurz noch einmal an und ziehen kurze Klamotten an. Und dann heißt es strampeln! Einzige – und willkommene – Unterbrechung sind die vielen Marmorsteinbrüche beiderseits der Straße. Wir stellen unsere Räder ab und beobachten das emsige Treiben tief unten in den bereits ausgegrabenen Höhlen. Allerdings hat dieser sardische Marmor nicht die gleiche Qualität wie der aus Carrara.
Das Wetter verändert sich nun zunehmend; leider nicht positiv. Als wir endlich Dorgali erreichen, sind die Straßen naß; dummerweise sind wir zu spät dran – alle Läden haben bereits über Mittag geschlossen – und das heißt damit leider bis 17 Uhr! In einer Bar finden wir zwar Unterschlupf und Getränke; leider aber nichts zu essen. So trösten wir uns mit einigen Süßigkeiten.
Danach sitzen wir im Park und beobachten das über Mittag ziemlich spärliche Treiben auf den Straßen. Die Sarden scheinen sich über Mittag alle in ihren Häusern zu verkriechen. Bis 17 Uhr wollen wir auf keinen Fall warten: Martin kennt die nun folgende Strecke und mahnt zur Eile. So schieben wir durch die Einbahnstraßen des Ortskerns, vorbei an den vielen Souvenir-Läden. man merkt, dass Dorgali ein Touristen-Ort ist.
Am Ortsausgang holen wir bei einem Privathaus noch fünf Liter Trinkwasser als Koch- und Trinkreserve für den Abend. Vor uns liegt nun nämlich ein 19(!) Kilometer langer Passanstieg bis zum Genna Silana – auf immerhin 1030 m Höhe! Das wollen wir heute natürlich nicht mehr fahren. Probleme bereitet allerdings der passende Übernachtungsort. Martin hat hier 1991 schon mal schlechte Erfahrungen gemacht, als die damalige Gruppe zu spät aus Dorgali abfuhr.
Als wir an der Übernachtungsstelle von 1991 ein Erinnerungsfoto machen, hält ein Wagen der Corpo Forrestale. Ein freundlicher Ranger erkundigt sich, ob wir Hilfe brauchen – er hat das auf der Straße liegende Erste-Hilfe-Set gesehen, dass dort beim Auspacken der Kamera gelandet ist.
Wir erzählen ihm von unseren Plänen und er gibt uns den entscheidenden Tip: einige Kilometer weiter soll ein verlassenes Haus stehen; dort könnten wir gut zelten. Vor der letzten Etappe gibt es noch eine Vitamintablette in den Trinkbecher; und dann heißt es wieder einmal kräftig in die Pedalen treten.
Noch vor Einbruch der Dämmerung haben wir es dann geschafft: auf knapp 800 m Höhe erreichen wir ein weißes, einzeln stehendes Haus – das erste seit Dorgali. Und tatsächlich: hinter dem Haus eine kleine, grasige Terrasse mit guten Aufbaumöglichkeiten für zwei Zelte. Während des Aufbaus können wir das Licht- und Schattenspiel der untergehenden Sonne in der Gole di Goroppu genießen. Erst Jahre später werden wir in unseren Reiseführen über diese fantastische Schlucht nähere Einzelheiten nachlesen.
Zum Kochen lassen wir uns auf der windgeschützten Terrasse des Hauses nieder und genießen leckere „Rollini bolognese“ aus der Tüte. Das war heute die erste wirklich anstrengende Etappe! Wir spüren unsere Hinterteile!
Tageskilometer: 44 Km 4:30 Stunden im Sattel
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