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Gründonnerstag, 27.3.97, 7. Tag

Beim Öffnen der Zeltklappe lacht uns ein blauer Himmel entgegen. Die Sonne kommt nach einiger Zeit auch über die Bergkette im Osten und taucht das gesamte Tal in gleißendes Licht. Allerdings ist es zunächst noch empfindlich frisch. Kein Wunder, sind es doch bis zur 1000-Meter-Marke nicht mehr weit!

Wir packen zügig zusammen und sitzen bereits um 8:20 Uhr im Sattel. Na ja, der weitere Wegverlauf ist uns ja leider deutlich vor Augen: immer weiter bergauf! Wir sind aber dann angenehm überrascht, wie leicht es dann doch mit dem Anstieg ist. Das liegt natürlich daran, dass die Steigung sich immer noch über einige Kilometer gleichmäßig hinzieht und dadurch erträglich ist.

Andererseits ist man am frühen Morgen natürlich auch noch ausgeruht. Egal, wieso und warum – für uns zählt jetzt nur das Ziel – und das ist natürlich zunächst mal der „Passo Silana“. Leider ist er nicht dort, wo wir ihn seit gestern Abend vermutet haben; dort, wo man die Straße oben am Berg verschwinden sieht.

Dort folgt zunächst eine zwei bis drei Kilometer lange, fast waagrecht verlaufende Straße, die uns in einem großen Bogen um einen Berg herum führt. Dabei stoßen wir erfreulicherweise auf eine munter sprudelnde Quelle am Straßenrand. Eine willkommene Waschgelegenheit, die sich in kürzester Zeit bei den jetzt schon recht warmen Temperaturen zu einem richtigen „Badefest“ entwickelt. Solche Gelegenheiten muß man natürlich ausnutzen!

Jede Quelle ist willkommen

Frisch und munter geht es dann zügig weiter. Und ganz plötzlich gibt die Straße nach rechts noch einmal einen weiten Blick zurück auf unsere gestrige Strecke frei. Bis weit nach Dorgali zurück reicht die Sicht. Und weiter links ein großartiger Rundblick über den Supramonte. Wir ahnen natürlich noch nicht, dass wir dort zwei Jahre später mit den Jungpfadfindern eine zweitägige Trekking-Tour machen werden. Eine letzte Kurve nach Süden, dann erscheint das ersehnte Schild: „Passo Silana, 1017 m“. Noch schöner ist die sich dort befindende Bar!

Blick zurück über den Supramonte

Klar, dass wir die jetzt erst einmal ansteuern. Cappuccino und Panini stillen den ersten Hunger; danach ein kühles Bier. Während wir beim Frühstück auf der Veranda sitzen, rauscht plötzlich ein weiterer Radfahrer heran.

Schnell kommen wir ins Gespräch. Es ist ein Niederländer, der seit zwei Jahren in Nuoro an einer Privatschule als Lehrer arbeitet. Und nebenbei seinem Hobby, dem Mountainbike fahren, viel Zeit widmet. Seit Nuoro ist er gerade einmal zwei Stunden unterwegs! Na gut, er hat aber natürlich auch keinerlei Gepäck am Rad hängen.

Er will jetzt noch weiter bis nach Baunei und dort über eine Stichstraße zum „Pietra Longa“. Und dann gibt er uns einen wichtigen Tip: es gibt zwei Möglichkeiten für uns, heute nach Arbatax zu kommen. Wir wollten ja eigentlich die normale Route über die „Orientale Sarda“ fahren – es gibt aber auch noch die Strecke über Urzulei.

Wir schauen uns das sofort mal auf der Karte an und erkennen auf Anhieb den Vorteil dieser Strecken-Variante: über Baunei und die SS 125 haben wir mehrfach Pfeile auf der Straße. Das heißt also, öfter mal Steigungsstrecken mit zwischenzeitlichen Abfahrten. Aber halt auch die Steigungen dazwischen.

Über Urzulei dagegen zeigt die Karte – so weit für uns erkennbar – einen kontinuierlichen Höhenmeter-Verlust; und zwar vom Passo Silana mit seinen gut tausend Metern bis hinunter nach Arbatax auf Meeresniveau. Da ist die Entscheidung natürlich schnell getroffen! Wir werden diese Nebenstrecke nehmen und somit kurzfristig mal die „Orientale Sarda“ verlassen. Gut, dass wir den Niederländer getroffen haben! Gut gestärkt machen wir uns nun auf den Weiterweg. Und der führt nun tatsächlich vorwiegend bergab; zunächst durch viele Galerien, die wohl vor Steinschlag schützen sollen. Ganz plötzlich öffnet sich der Blick weit in das Tal von Urzulei hinein.

Blick hinunter ins Tal von Urzulei - eine lohnenswerte Alternative zur SS 125 nach Arbatax

Und dann geht’s bergab - und wie! Serpentine um Serpentine rauschen wir hinunter, immer schneller. Radfahren in seiner schönsten Form! Sorgen dabei machen uns nur etwas die Bremsen. Kurz vor Urzulei plötzlich eine Carabinieri-Kontrolle am Straßenrand. Dahinter halten wir an und warten auf Jan, der von ganz oben unsere Abfahrt gefilmt hat. Die Carabinieri sind sichtlich überrascht, als nun kurze Zeit später Jan an ihnen vorbeirauscht. So etwas erleben sie hier wohl auch nicht oft! In Urzulei besorgen wir uns im Alimentari alles für`s zweite Frühstück. Wir haben in den verwinkelten Gassen einige Probleme, die „Ausfallstraße“ zu finden; freundliche Einwohner lotsen uns durch. Und weiter geht es bergab durch ein wirklich schönes, grünes Tal. Hier wären links und rechts jede Menge toller Lagerplätze; für uns aber heute noch zu früh. Bei einer Rast entdeckt Jan auf der Wiese nebenan ein kleines „Goldoni“-Kettenfahrzeug und absolviert darauf seine erste Fahrstunde (als Trockenübung).

Viele Höhenmeter bergab in kürzester Zeit

Etwas weiter geraten wir dann in eine gewaltige Ziegenherde, die sich nicht nur links und rechts im Gelände tummelt, sondern leider auch mitten auf der Straße. Die Fahrradklingeln schaffen uns Platz.

Die Straße ist gut - Vorsicht ist aber wegen der Ziegen geboten

Inzwischen flacht das Gelände merklich ein; wir fahren in östlicher Richtung auf Lotzorai zu. Am Straßenrand überall Orangenhaine. Und da die Bäume sich unter der Last der reifen Orangen förmlich biegen, erleichtern wir sie ein wenig. Man muß sich aber ganz schön strecken, um an die leckersten Früchte heran zu kommen! Dafür zuckersüß!

Frische Vitamine aus erster Hand...

Bald darauf ist Lotzorai erreicht; und damit wieder die SS 125. Über eine parallel verlaufende Nebenstrecke geht es nun am Stagno von Girasole vorbei nach Tortoli; hier haben wir etwas Schwierigkeiten, den Weiterweg nach Arbatax zu finden. Dort steuern wir den von anderen Fahrten vertrauten Campingplatz „Telis“ an. Schon um 16 Uhr stehen die Zelte und wir genießen eine Linsensuppe mit viel Speck.

Abends geht es dann hinüber zum Hafen von Arbatax; dort sitzen wir bei hereinbrechender Dunkelheit an den roten Felsen, ehe wir uns gegen 20 Uhr in eine Pizzeria begeben. Die heutige Etappe war alles in allem eher ein „Ruhetag“.

Tageskilometer: 63 Km
4 Stunden im Sattel


Karfreitag, 28.3.97, 8. Tag

Nun geht es also stramm auf Ostern zu – und für uns als Radfahrer unterwegs bedeutet das vor allem Schwierigkeiten mit dem Lebensmittelnachschub. Zum Glück ist hier in Italien am Karfreitag noch alles geöffnet. So werden wir heute damit also noch keine Probleme haben. Wir sind früh auf; bereits um 7 Uhr gibt`s den ersten Cappuccino auf den Felsen am schönen Strand des Campingplatzes. Entgegen der Wetterprognose des Platzwartes ist es sonnig und bereits angenehm warm. Nach dem Abbau und Beladen der Räder wechseln wir wieder zum Hafen von Arbatax; mit den schwer beladenen Drahteseln kommen wir nur mühsam über den steilen Berg zwischen Platz und Hafen. Wozu sich aber schon so früh quälen? Man kann schließlich ja auch schieben!

Am Felsen von Arbatax

So sitzen wir gegen halb zehn mit frischen Paninis schon wieder auf dem Rondell an den roten Felsen und lassen uns das Frühstück schmecken. Für Christoph wird dann vor den Gemälden an der Hafenmauer ein spezielles Foto nachgeholt; die anderen haben schon eins von der `95er Fahrt.

Dann studieren wir aufmerksam die Karte: aha, heute geht`s zur Abwechslung mal wieder bergauf! Der „Höhepunkt“ des Tages dürfte bei „Genna e Crésia“ liegen, einem Straßenabzweig an der SS 125 kurz vor Jerzu; exakt bei 267 Höhenmetern. Sogar ein Paßsymbol ist auf der Karte vermerkt; dummerweise auch mehrere Steigungspfeile bis dahin; sogar ein Doppelpfeil. Was sagt die Kartenlegende dazu? Wir haben es schon befürchtet: eine Steigung zwischen 7 und 12 %. Hoffentlich bleibt`s bei den 7 %....

Noch ein letztes Erinnerungsfoto mit den Rädern vor den roten Felsen, dann geht`s los. Zurück über Tortoli und bis nach Barisardo läuft es noch ganz manierlich; wenig Verkehr auf der Straße und relativ flach.

„Barisardo. Bauerndorf mit reichlich Sommer-Ferienbetrieb. Der Ort selber hat mit seiner Durchgangsstraße SS 125 wenig Ausstrahlung.“

Und in einem anderen Buch lesen wir, dass Barisardo den Beinamen „Remscheid“ hat: viele Leute aus Barisardo mussten bei uns in Remscheid lange Zeit arbeiten. Dementsprechend viele verstehen hier auch gut deutsch.

Für uns interessant ist der Skulpturen-Park vor dem Municipio. Wir sitzen hier in der warmen Vormittagssonne, betrachten die interessanten Skulpturen und genießen ein leckeres Eis. Wir wissen, gleich wird es ernst mit der Steigungsstrecke!

Die nächsten 5 Kilometer bis Cardedu läuft es dann noch flach; hier biegt die Straße ins Inland ab, vermutlich, weil man mit der SS 125 nicht an der Steilküste weiterkam. An der Brücke über den „Fiume Pelau“ haben wir fast Meeresniveau erreicht.

Und auf den nächsten 8 Kilometern meldet unsere Karte nun den Anstieg. Wir strampeln mehr oder weniger ergeben durch die Serpentinen hoch und machen zwischendurch immer mal wieder Pause. Das Trinkwasser verbessern wir geschmacklich durch einige Vitamintabletten.

Der Anstieg zieht sich hin

Inzwischen ist es so warm, dass sogar der Asphalt weich wird. Christoph bekommt dies zu spüren, als sich bei einer der Pausen der Ständer ganz allmählich in den Straßenbelag bohrt und das Rad schließlich dadurch umfällt. Jedes Fleckchen Schatten wird in der folgenden Stunde gern zur Pause genutzt!

Aber auch der letzte Steilanstieg ist dann irgendwie mal geschafft. Erleichtert streben wir der Bar zu, die sich genau an der Straßenkreuzung nach Jerzu befindet. Es ist inzwischen fast 16 Uhr; das Wetter hat sich urplötzlich geändert; schlechter leider; dazu bläst ein unangenehmer Gegenwind.

Aus der Bar heraus können wir beobachten, wie auf dem gegenüberliegenden Parkplatz irgendwelche Tauschgeschäfte ablaufen. Was da aber genau los ist, bleibt uns verborgen. Wir steigen wieder in den Sattel und machen uns an die Schlussetappe des heutigen Tages. Irgendwo müssen wir jetzt einen Übernachtungsplatz suchen.

Und der kommt nach etwa 5 Kilometern schöner Abfahrt. Ein Schild neben der Straße weist auf ein „Area Picnic“ hin. Wir fahren in den Feldweg rein und sind entzückt: genug Raum zum Zelten, dazu frisches Quellwasser aus einem Brunnen. Genau das, was wir schon immer gesucht haben! Ein tolles Gelände!

Er liegt leider schon im Schatten, das stört uns aber nicht besonders. Allerdings müssen wir uns nach dem Zeltaufbau doch von den kurzen Hosen und T-Shirts trennen – man spürt schon die abendliche Kühle. In aller Ruhe wird dann ein leckeres Gulasch mit Tortellini zubereitet. Und da wir dazu 1,25 Kg Tortellini verwenden, können wir uns heute rundum satt essen.

Tageskilometer: 41 Km
3:30 Stunden im Sattel


Karsamstag, 29.3.97, 9. Tag

Heute erreichen wir schon nach 5 Fahrtkilometern den nächsten Ort; Tertenia. Frühstück gibt es in einem recht hässlichen Park; auch die Gebäude rings herum haben ihre beste Zeit schon hinter sich; überall abblätternder Putz; gerissener Beton und geplatzte Fliesen. Es besteht für uns kein Grund, hier länger als für ein hastiges Frühstück zu verweilen. Gut 36 Kilometer sind es nun zum nächsten Ort, Villaputzu.

Und das wird nun zum Wettlauf gegen die Zeit! Wir müssen dort unbedingt alles für die Ostertage einkaufen. Und die Geschäfte werden sicher schon mittags schließen! Gut, dass es immer weiter leicht bergab geht. Die Räder rollen phantastisch! Schade nur, dass kurz vor Villaputzu ein Mini-Paß (83 m) mit dem schönen Namen „Arcu Genna Arela“ liegt. Aber den werden wir wohl oder übel fahren müssen.

Einer der typischen Kilometersteine an der Oriental Sarda

Unterwegs bleibt noch Zeit für ein „Doppelfoto“ eines der typischen Kilometersteine an den sardischen Staatsstraßen. Einmal von vorn, einmal von hinten. Die große „80“ gibt die Entfernung nach Cagliari an; zurück nach Olbia sind es aktuell 237 Km; der Rest zeigt die Nahziele Tertenia und Villaputzu. Nach dieser Momentaufnahme geht`s zügig weiter. Um 12:55 Uhr erreichen wir einen Supermarkt in Villaputzu und haben fünf Minuten Zeit für einen hastigen Ostereinkauf. Glück gehabt! Unter anderem bunkern wir 5 Liter Trinkwasser und 12 Eier. Die sollen heute Abend gekocht werden, damit wir morgen wenigstens den Ostersonntag gebührend feiern können.

Martin hat noch das Problem, dass er nun heimlich einige Süßigkeiten für Mariannes morgigen Geburtstag wegpacken muß. Schließlich ist alles in den Satteltaschen verstaut – und das Gewicht der Satteltaschen hat merklich zugenommen.

Über eine Brücke führt die Straße nun hinüber in den Nachbarort Muravera. Den kann man aber getrost schnell durchfahren – ein längerer Aufenthalt hier lohnt nicht. Wir haben nun aber bereits schon unser Tagesziel im Auge: wenige Kilometer weiter erreicht die SS 125 wieder die Küste. Dort, in der Nähe des Kirchlein San Giovanni, hat Martin schon mal 1991 Ostern am Strand gezeltet. Und dort wollen wir auch in diesem Jahr die Osternacht verbringen.

Kurz vor drei erreichen wir diesen Strandabschnitt. Er ist schön einsam gelegen und bietet recht gute Freicamper-Möglichkeiten direkt am Strand; zur Straße hin sichtgeschützt durch große Büsche. Dort ziehen wir die Zelte hoch, kochen ein leckeres Ratatouille (und entlasten somit wieder unser Gepäck vom vielen frisch gekauften Gemüse) und setzen uns dann an den schönen Sandstrand, um die Abendstimmung zu genießen und dem Rauschen der Wellen zu lauschen.

Tageskilometer: 50 Km
2:30 Stunden im Sattel


Ostersonntag, 30.3.97, 10. Tag

Mariannes Geburtstag! Wieder mal einer unterwegs; 45 Jahre jung wird sie heute. Gleichzeitig wurde in der Nacht die Uhr auf die Sommerzeit vorgestellt. So sind wir notgedrungen „früh“ auf: 6:15 Uhr neue Sommerzeit. Nach den Geburtstagsglückwünschen werden nun zunächst die Ostereier versteckt. 48 Schokoladen-Eier haben wir dafür aus Deutschland bis jetzt im Gepäck mitgeschleppt!

Aber was wäre ein Osterfest ohne eine richtige Eiersuche! Schon mehrmals haben wir dieses Ritual auf Sardinien durchgeführt. Und so machen wir uns dann lautstark mit unseren Mützen auf, um die versteckten Eier im Sand, hinter Grasbüscheln oder im Gesträuch wieder einzusammeln.

Das klappt auch ganz gut; die Kontrollzählung zeigt dann am Schluß aber leider erst 47 Stück. Das ist ärgerlich! Also nochmals alle Mann an die Suche. Durch Zufall wird das letzte Schoko-Ei dann von Martin gefunden – dabei versehentlich aber zertreten. Na, egal, Schokolade ist Schokolade, egal, in welcher Form.

Ostersonntag am Strand von San Giovanni

Danach lassen wir uns erschöpft in der warmen Morgensonne vor unseren Zelten nieder und tragen alles für ein zünftiges Osterfrühstück zusammen. Und da haben jetzt natürlich die gestern noch gekochten echten Eier ihren großen Auftritt. Selbst Majonaise haben wir dafür gekauft!

Während Marianne sich über ihre Mon Cherie-Dose freut, teilen die anderen gerecht alle Oster-Köstlichkeiten auf. Dann machen wir uns an ein opulentes Frühstück. Vor dem Abbau trödeln wir heute noch einige Zeit herum und gönnen uns noch einen ausgiebigen Strandspaziergang.

Heute müssen wir auch nicht hetzen; Villasimius ist das Oster-Etappenziel; bis dahin sind`s nur gut 40 Kilometer – und die müssten vorwiegend leicht zu fahren sein. Also lassen wir es an diesem Morgen langsam angehen.

Irgendwann im Laufe des Vormittags schieben wir die Räder dann durch den Sand zur Straße zurück und machen uns auf den Weg. Laut Karte folgt jetzt eine sehenswerte Strecke mit landschaftlichen Schönheiten. Und so ist es dann auch.

Im nächsten Örtchen, San Priamo, lassen wir uns zu einer ersten Pause auf der Piazza vor der Kirche nieder. Ein wenig irritiert uns dabei der Stern von Bethlehem, der noch am Kirchturm prangt. Etwas spät für eine Weihnachtsdekoration. Einige alte Männer sitzen neben uns in der Sonne und betrachten interessiert unsere Räder.

In San Priamo auf der Piazza

Hier, in San Priamo, verlassen wir nun wieder mal für längere Zeit die „Orientale Sarda“. Die SS 125 schwenkt hier ins Inland ab und hält direkt auf Cagliari zu. Wir aber wollen ja runter zum Capo Carbonara, dem südöstlichsten Zipfel Sardiniens.

Wir verzichten auf die „strada bianca“, die direkt zum Capo Ferrato führt und halten uns nun auch ein wenig ins Inland hinein.

Im folgenden Ort, Camisa, treffen wir dann auf eine Bar, in der tatsächlich „Warsteiner“ aus dem Sauerland verkauft wird. Nun gut, das ist normalerweise nicht unsere Art, nach heimatlichem deutschen Bier zu schauen – aber wo wir nun schon mal da sind….

Jedenfalls haben wir hier eine längere Mittagspause. Wir sitzen schön schattig draußen auf der Veranda und genießen die kühlen Getränke; je nach Geschmack als Warsteiner oder als Cola. Dazu noch ein Eis aus der Kühltruhe. Inzwischen ist es auch ziemlich heiß geworden. Ein wirklich schöner Ostertag!

In Olia Speziosa schwenken wir wieder zur Küste ab und fahren einen kleinen Umweg, um durch Monte Nai, dem Zentralort an der Costa Rei, zu kommen. Das hätten wir uns aber auch sparen können. Das Ganze ein Inbegriff von Hässlichkeit! Leerstehende Betonburgen, wohin man schaut – wir fahren mit Grausen weiter.

Schöne Strecke - leider aber die falsche Straße

Und dann passiert uns doch ein kleines Malheur: irgendwie verpassen wir den richtigen Abzweig zur Küstenstraße und kommen so auf eine „Inlands-Route“ nach Villasimius. So verpassen wir einerseits die Küstenstraße; andererseits müssen wir recht kräftig in die Pedalen treten, um durch die Hügellandschaft zu kommen.

Es geht jetzt schon auf 16 Uhr zu; bis Villasimius sind es noch etwa 8 Kilometer. Also kein Problem mehr – denken wir. So nach und nach merken wir aber, dass wir uns wohl ziemlich kräftig verfahren haben. Die Straße wird immer schlechter; es ist eigentlich schon mehr eine „strada bianca“. Und dann müssen wir uns auch noch Serpentinen ohne Ende hoch quälen. Hoch oben vom Paß können wir dann einen ersten Blick auf das tief unter uns liegende Villasimius werfen.

Und wie schon vorhin an der Costa Rei ist auch das jetzt ein erschreckender erster Eindruck: Feriensiedlungen scheinbar ohne Ende ziehen sich auf den Berghängen vom Meer weg ins Landesinnere. Wer soll da jemals Urlaub machen?

Villasimius selbst dann ein versöhnlicher Anblick. Der eigentliche Ortskern sieht nicht schlecht aus. Über eine Einbahnstraße (in verkehrter Fahrtrichtung, aber darauf können wir jetzt auch keine Rücksicht mehr nehmen) strampeln wir in den Ortskern hoch.

„Villasimius (2900 E.). Vor dem Bau der Küstenstraße war es einer der abgelegensten Orte Sardiniens und nur mit dem Schiff erreichbar. Hinter der Hauptstraße gibt es noch Straßen, die ein Bild vom alten, nach außen verschlossenen Hirtendorf geben. Das Zentrum mit der großen Piazza und dem breiten, von Läden und Bars gesäumten Corso ist modern, lebendig: im Sommer Trubel die ganze Nacht durch, den Rest des Jahres ruhig.“

So stehts im Reiseführer "Sardinien" von Hans Bausenhardt (Velbinger-Verlag, ab jetzt kursiv). Nur gut, dass jetzt erst Ostern ist! Wir beschränken uns auch auf einen kurzen Rundblick über die Piazza und den Corso und fahren gleich durch zum etwa 4 Kilometer in Richtung Capo Carbonara gelegenen Camping Comunale „Spiaggia di Riso“.

Niemand ist am Empfang; der Platz ist aber augenscheinlich geöffnet. So fahren wir hinein und suchen uns ein Plätzchen in der Nähe des Strandes. Martin ist aber arg enttäuscht, als er die vor sechs Jahren noch einsame Bucht wiedersieht: jetzt hat man sie weitgehend in einen Yachthafen umgewandelt. Der Strand ist zwar teilweise noch geblieben, der Campingplatz aber mit einem hohen Zaun, der die Aussicht nimmt, abgesperrt.

Während wir noch auf der Suche nach einem Zeltplatz herumstreifen, kommt eine Frau und sammelt unsere Pässe ein. Sie weist uns auch darauf hin, dass es Duschmarken an der Rezeption gäbe. Das hört sich gut an; sind wir doch jetzt schon wieder eine geraume Zeit ohne Duschmöglichkeiten unterwegs.

Jan und Christoph erbarmen sich und fahren nochmals in die Stadt zurück, um unsere Getränkevorräte aufzufüllen (wir wollen ja schließlich Mariannes Geburtstag noch ein wenig feiern). Martin macht sich derweil schon mal ans Kochen. Heute gibt es 1 Kilo Farfalle und passend zum Capo Carbonara natürlich auch eine Saucenmischung „Carbonara“.

Sonnenuntergang in Villasimius

Den Abend verbringen wir dann am Strand. Hier können wir einen tollen Sonnenuntergang miterleben, der uns den Yachthafen in der Bucht vergessen lässt.

Jetzt haben wir also den südöstlichsten Punkt unserer Reise erreicht. Weitergehen soll es morgen in Richtung Cagliari. Ob wir das aber überhaupt anfahren wollen, wissen wir noch nicht genau. Für Radfahrer hat diese Großstadt ihre Tücken. Heute aber genießen wir in Ruhe das Naturschauspiel des Sonnenunterganges.

Tageskilometer: 42 Km
3 Stunden im Sattel


Ostermontag, 31.3.97, 11. Tag

Gegen 9 Uhr lösen wir uns von den Kaffeebechern, holen uns Duschmarken und genießen heiße Duschen. Die Nachtruhe war mehrmals durch andere Camper gestört worden, die wohl noch etwas länger feierten.

Wir bummeln heute doch etwas länger herum und schauen nochmals am Strand vorbei. Einige von uns sammeln dabei die gleichen Erfahrungen, wie schon die Leute 1991: es kann problematisch werden, wenn man auf Felsen klettern will, die halb im Wasser liegen und dabei die hin- und herschwappenden Wellen nicht exakt berechnet….

Am späten Vormittag verlassen wir dann den Platz und fahren die Piazza von Villasimius an. Und hier sind zum Glück auch am Ostermontag einige Geschäfte geöffnet. Das bereichert unsere schmalen Frühstücksvorräte enorm. Und in einem Bazar erstehen wir sogar noch Ersatz-Kartuschen für unseren Gasbrenner. Klar, dass wir beim Frühstück auf der Piazza mal wieder von vielen Leuten ungläubig bestaunt und teilweise auch angesprochen werden. So ein Pulk bepackter Fahrräder fällt natürlich auch auf.

Dann geht es auf die Küstenstraße in Richtung Cagliari. Unser Entschluß steht fest: wir werden die Hauptstadt weiträumig nördlich umfahren. Aber zuerst wollen wir die gute Aussicht von der Küstenstraße genießen. Und das Wetter spielt dafür heute mal wieder prächtig mit. Unsere gute Laune verfliegt aber ziemlich schnell, als wir den Verlauf der Straße kennen lernen! Sicher, zwar immer an der Küste entlang und mit guter Aussicht – aber was für Steigungen! Das geht nun die nächsten Kilometer immer so auf 100 m rauf und gleich wieder bis auf Meeresniveau runter. Dazu nervt auf der engen Straße der starke Osterreiseverkehr. Martin sagt zwar bei jedem Berg, das wäre jetzt bestimmt der letzte – aber irgendwie stimmt seine Erinnerung wohl nicht mehr so ganz!

Unterwegs auf der Küstenstraße nach Cagliari

Na gut, aber die Aussicht ist dafür wirklich erstklassig. Wir spielen sogar mit dem Gedanken, von der Straße mal zum Strand runter zu fahren und dort eine kleine Badepause einzulegen. Schade, dass wir heute Morgen so lange herum getrödelt haben. Die Zeit drängt jetzt doch. Die verdammten Küstenberge bremsen unser Tempo.

Leider geht es auf der Küstenstraße ständig auf und ab

So etwa 20 Kilometer vor Cagliari nutzen wir die erstmögliche Gelegenheit und biegen bei Fiumini auf einer Nebenstraße nach Norden ab. Nach weiteren 10 Kilometern treffen wir noch kurz auf unsere alte SS 125; vermutlich zum letzten Mal auf dieser Reise. Die SS 125 führt nach Cagliari; wir fahren jetzt nach Norden.

Endlich weg von der stark befahrenen Küstenstraße - die sollte man als Radfahrer besser meiden

Leider ist die ganze Gegend rund um den Großraum Cagliari stark bevölkert bzw. auch stark landwirtschaftlich genutzt. Also fragen wir einfach bei einem Bauern nach und dürfen bei ihm neben dem Schafstall unsere Zelte auf einem steinigen Acker aufbauen. Aber besser als nix!

Der Bauer ist dann irgendwann weg und wir haben nur noch 80 Schafe und vier Hunde als Nachbarn. Die Schafe erdulden uns klaglos; die Hunde bellen noch ein wenig rum, bis auch sie sich mit uns als neuen Nachbarn abgefunden haben.

Im Hilleberg scharen wir uns zusammen und bereiten uns eine kräftige Linsensuppe, wieder mit viel Speck, zu. Marianne hat damit alle Lebensmittel aus der Tasche weg. Die anderen haben aber auch nur noch Reste. Dazu gibt es einen hervorragenden Vernaccia aus der 2-L-Flasche.

Tageskilometer: 44 Km
3:45 Stunden im Sattel (Jan nur 3 Stunden, da er die Berge schneller schaffte)


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