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Montag, 7.4.97, 18. Tag

Nun, zum Glück hat sich das Wetter wieder beruhigt – das Innenzelt ist aber erst einmal naß. Wir nutzen Pinuccios Schlauch an der Milchküche und reinigen uns großzügig. Bei dem schönen Wetter kann man auch das kalte Wasser einigermaßen vertragen…

Heute steht ein neuer Ausflug an: wir wollen endlich mal auf die Monti Limbara hinauf! Vorher im Park von Monti ein Frühstück; leider ist es inzwischen ziemlich windig und dadurch auch recht kühl, trotz der Sonneneinstrahlung. Ein Abenteuer ist es auch, Geld bei der „Banco di Sardegna“ zu bekommen!

Statue auf dem Limbara-Gipfel

Über Oschiri geht es dann weiter; danach 10 Kilometer bergauf, teilweise mit 10% Steigung. Unterwegs immer wieder Kreuze und Kapellen; wir stoppen an einer Madonnen-Statue, die über und über mit Rosenkränzen und dergleichen mehr behängt ist. Auf dem Gipfel eine weitere Kirche; hier tragen wir uns ins Gäste-Buch ein.

„Monti Limbara: höchstes Gebirgsmassiv der Gallura, knapp südlich von Tempio Pausania. Zum höchsten Gipfel Punta Balisteri (1359 m) führt eine Straße: bei klarem Wetter einer der umfassendsten Rundblicke Sardiniens: Korsika, Gallura und nach Süden bis zum Gennargentu. Großartig auf halber Höhe die unendlichen Korkeichenwälder mit einer reichen Macchia (Erdbeerbaum, Thymianpolster, hohe Farnbüsche). Oben gewaltige Sendemasten für TV, Telefon sowie militärische Anlagen. In der Gipfelregion, wo die Natur unangetastet geblieben ist, kann man ohne Schwierigkeiten zwischen Granitblöcken, Steinfeldern und Felsbastionen seinen Weg suchen: großartige Szenerie!“

Die stark durch Antennen verschandelte Spitze der Monti Limbara

So ist es! Leider ist der Haupt-Gipfel des Limbara-Massivs durch die vielen Antennen wirklich arg verschandelt. Wir strolchen ein wenig durch`s Gelände, treffen überall auf intensive Wildschwein-Wühlarbeit und machen dann in den Felsen Mittagspause. Jan und Christoph machen sich auf zum Kreuzgipfel; mit dem Tele der Videocamera können wir die letzten akrobatischen Kletterübungen Jans dann mit verfolgen.

Danach führt uns die Route nach Tempio Pausania, der früheren Hauptstadt der Gallura. Bausenhardt schwärmt zwar davon in höchsten Tönen; wir können dem Städtchen so viel aber nicht abgewinnen. Zumindest Svenja wird jedoch noch längere Zeit an diesen Ort zurückdenken, weil sie sich hier neue Schuhe leistet, die sie in einem Schaufenster entdeckt und die sie spontan zum Kauf reizen. Marianne steht kurz vor dem Kauf eines neuen, schön schwarzen Nachthemdes, kann sich aber schließlich doch nicht dazu durch ringen. Dafür bekommen wir jetzt genügend Postkarten. Unserem Schreib-Elan ist somit keine Grenze mehr gesetzt.

Über Calangianus und Telti kommen wir dann wieder zurück nach Monti. Wieder ein Tag, den wir auf diese Art mit Rädern nicht erlebt hätten (zumindest, was den Besuch der Limbara angeht, denn Tempio, Calangianus und Telti haben wir per Rad `95 durchfahren.

Vor unseren Zelten beginnen wir dann mit den Vorbereitungen unseres Abendessens: wir wollen Pinuccio und seiner Familie heute Sauerkraut mit Kartoffelpüree anbieten, dazu Mettwürstchen und Kassler. Alle Zutaten haben wir aus Deutschland mitgebracht; das Fleisch gut in Pinuccios Kühlschrank gelagert, da in Folie eingeschweißt. Und so schwitzen wir nun kräftig bei den Vorbereitungen.

Um halb neun ist es dann so weit. Auch Tonino, einer von Pinuccios Brüdern, sitzt mit am Tisch und kämpft sich tapfer durch das für seinen Gaumen sicher fremd schmeckende Gericht. Das Stimmungsbarometer steigt während des ausgiebigen Mahles von Stunde zu Stunde, ehe wir uns mit entsprechender Bettschwere um halb zwölf verabschieden. Im Reisetagebüchlein haben wir an diesem Abend auch einige sardische Wortspezialitäten notiert, die man in geeigneten Situationen drauf haben muß.


Dienstag, 8.4.97, 19. Tag

Zwischen sechs und sieben sollte Martin eigentlich zum Melken erscheinen, um fachgerecht angelernt zu werden; leider verschläft er ein wenig und so übernehmen Jan und Christoph diese Verpflichtung. Anschließend lassen wir uns von Pinuccio die Einzelheiten seiner Arbeit vom Melken bis zur Abholung der Milch durch einen Tankwagen erklären. Das Ganze eine wahre Knochenarbeit – allein, wenn man an die schweren Milchkannen denkt, die Pinuccio und Antonello immer auf den kleinen Transporter wuchten müssen. Am Hof unten gibt es dann einen großen, an die 500 Liter fassenden Vorratsbehälter, der die 30 Grad warme Frischmilch auf 4 Grad herunterkühlt.

Harte Handarbeit beim Melken der 160 Schafe

Der Tankwagen bringt von der Molkerei übrigens die nicht verarbeitbare Restmilch zurück. Wir gehen mit Pinuccio durch`s Gelände und füttern damit die vielen Hunde und die Schweine. Zwei kleine, weiße Hirtenhundwelpen haben es uns besonders angetan; in den Folgejahren werden wir miterleben, wie aus ihnen „richtige“ Hütehunde werden.

An unserem letzten Tag hier wollen wir Monti und Umgebung näher kennen lernen. Zuerst aber fahren wir rüber nach Monti, kaufen für`s Frühstück ein und machen dann Rast im Pineta oberhalb von Pinuccios Stadthaus. Von dort holen wir dann Annalisa, Pinuccios Tochter, ab und fahren gemeinsam zur „Cantina del Vermentino“ in Monti.

Da der Transit ausreichende Transportkapazitäten aufweist, laden wir etliche Kartons Abbaìa, Pascal und Bálari ein. Als Mitinhaber der Cantina bekommt Annalisa zudem noch recht günstige Preise für uns eingeräumt. Interessant aber auch die „Weintankstelle“, wo man an Stelle von Benzin oder Diesel halt „rosso“ oder „bianco“ frisch abzapfen kann. Na ja, und weil unsere Trinkwasserkanister inzwischen alle leer sind, probieren wir das natürlich auch aus….

Zurück auf dem Bauernhof können wir beobachten, wie ein süßes, kleines Schweinchen (tot natürlich!) gerade auf einen Spieß gesteckt wird. Dieser Spieß kommt dann auf eine Korkplatte als Standfuß und steht wenige Minuten später senkrecht am Kaminfeuer. Sollte das etwa für uns gedacht sein??

Pinuccio zeigt uns dann seine „Schatzkammer“ unten im Keller: Würste, Schinken, Käselaibe – wohin man schaut. Dazu Weinfässer und große Flaschen für die flüssigen Köstlichkeiten. Alles selbstgemacht! Klar, daß wir alles mal probieren müssen. Das ist aber sozusagen nur der Aperitif!

In der guten Stube geht es anschließend an ein gigantisches Mittagessen! Andreana tischt zuerst eine „Zuppa di brodo“ auf, eine feste Mischung aus in Brühe eingeweichtem Fladenbrot, durchsetzt mit viel Käse und im Ofen überbacken, das Ganze mit viel Petersilie gewürzt. Danach gibt es Wildschwein-Ragout. Der Hauptgang kommt aber noch: das ist jetzt das inzwischen knusprig gegrillte Spanferkel, von Pinuccio in mundgerechte Stücke zerlegt. Dazu eine große Schüssel grüner Salat (s. Einbandfoto). Ein umwerfendes Abschiedsessen – denn das ist es nun leider! Morgen werden wir unterwegs nach Deutschland sein.

Man spürt: wir gehören inzwischen zur Familie

Als fast nichts mehr rein geht, gibt es noch einen Nachtisch: Andreana hat so eine Art Berliner Ballen gebacken, allerdings mit Zitronengeschmack und nicht rund, sondern als ca. 30 cm lange, fingerdicke Würste. Schmeckt auf jeden Fall auch toll.

Das Essen war aber auch ein Abschied von Annalisa. Wir bringen sie anschließend zur Stazione Monti-Telti. Sie muß wieder zurück zur Uni nach Sassari. Auf dem Rückweg treffen wir Antonello an der Hauptstraße. Er lädt uns ein, mal seine Weinberge zu besichtigen. Und so streifen wir durch bis zu 25 Jahre alte Weinberge und lassen uns über die Arbeit eines sardischen Winzers aufklären.

Antonello zeigt uns auch einen kleinen, verborgenen Teich, der von einer auch im Sommer sprudelnden Quelle gespeist wird. Neben der Quelle liegt schon eine der typischen Korkschalen bereit, mit der wir das Wasser kosten: vorzüglich! Auf dem Rückweg gibt Martins Fotoapparat den Geist auf – dafür lernen wir aber noch, wie man frischen, wilden Spargel findet (und den kann man tatsächlich so einfach roh essen!

Jan und Christoph steigen nun zu Antonello auf den Trecker um; wir anderen fahren mit dem Transit zum Bauernhof zurück. Für den Nachmittag hat uns Andreana zu einer Tour durch das Bergland eingeladen. Mal gespannt, was sie uns zeigen will. Im Vorjahr waren wir mit ihr oben auf dem „Punto Panoramico“ oberhalb von Monti.

Auch heute führt der Weg zunächst in diese Richtung. Dann deutet sie aber die Straße nach Ala dei Sardi hinauf; wir sollen ihr zunächst mal folgen. So kommen wir noch einmal in den Genuß, die 5 Kilometer lange Bergstrecke hinaufzufahren, die wir vor wenigen Tagen per Rad zurückkamen. Zum Glück jetzt mit Motorunterstützung!

Oben irgendwann dann mal ein kleiner Abzweig nach links, Richtung „Chiesa San Paolo“. Das winzige Sträßlein windet sich um verschiedene Berghänge herum (einmal haben wir dabei einen tollen Ausblick runter auf die Bucht von Olbia) und zielt dann in ein enges Tal. Und hier stehen wir plötzlich mitten in der Einöde vor der Chiesa San Paolo. Da rings herum keinerlei Häuser stehen, kann es sich nur um eine Art Wallfahrtsort handeln. Die vielen Rastmöglichkeiten um das Kirchengelände herum deuten auch darauf hin. Andreana bestätigt uns unsere Vermutung. Am Festtag von San Paolo muß hier richtig was los sein; natürlich gleich verbunden mit einer riesigen „Outdoor-Fete“. Andreana zeigt uns die Anlage und führt uns auch ins Innere der tatsächlich geöffneten Kirche. Schon beeindruckend! Und so haben wir ein Kleinod entdeckt, daß nicht einmal bei Bausenhardt erwähnt wird.

Zurück geht`s zur Hauptstraße und ein kleines Stück weiter wieder rechts rein. Andreana will uns ihre Eltern vorstellen. Vorher halten wir an einem kleinen Santuario, das nach dem Tod von Andreanas Schwester errichtet wurde. Sie hatte hier vor ihrem Tod Stimmen gehört, die um die Errichtung des kleinen Altars baten.

Ein kleines Stück weiter ist das kleine Bauernhaus von Andreanas Eltern; beide schon weit über 80 Jahre alt, aber immer noch sehr rüstig. Sie lassen es sich nicht nehmen, uns mit „Mirto“, dem speziellen sardischen Likör, zu bewirten. Dazu wird der traditionelle Osterkuchen angeboten. Vor dem Haus dann noch ein Erinnerungsfoto.

In diesem Jahr lernen wir endlich auch die Großeltern kennen

Zurück auf dem Bauernhof in Monti versucht sich Martin nun doch beim Melken; immerhin schaffte er beim 2. Versuch einen kleinen Strahl. Antonello weist Jan und Martin dann ins Fahren mit dem kleinen Goldoni-Kettenfahrzeug ein – und Jan hat den Bogen auch schnell raus. „Bogen“ im wörtlichen Sinn, denn er schafft mit der unterschiedlichen Steuerung der beiden Raupenketten die Kurvenfahrt.

Wir erleben eine letzte Abenddämmerung über dem Limbara-Massiv; zum Abendessen gibt es dann Reste vom Mittag und unserem gestrigen Essen. Lange bleiben wir nicht sitzen, da wir morgen ziemlich früh raus müssen. Zum Abschluß holt Pinuccio jede Menge Geschenke für uns; „per il viaggio“ meint er: vino und formaggio, salsicca und dolce; sogar für Sarah sollen wir etwas mitnehmen. Und natürlich eine harmlos aussehende Flasche mit „fil e ferru“. Wir sind überwältigt!

Auch an diesem Abend lernen wir wieder italienisch; heute sind vor allem die Jahreszeiten und Wochentag dran. Pinuccio verspricht, uns morgen früh um sechs Uhr zu wecken.


Mittwoch, 9.4.97, 20. Tag

Wie versprochen werden wir von Pinuccio um sechs geweckt; wieder einmal Eis auf den Zelten und auf dem Auto – hier, bei Pinuccio, allerdings eine Seltenheit, dazu noch Mitte April. Andreana hat Kaffee und Kuchen für uns bereitgestellt; wir sitzen ein letztes Mal am Kaminfeuer und frühstücken.

Dann schnell noch zum Stall hinunter, um uns von Antonello zu verabschieden; er hat noch weitere Geschenke für uns: selbstgeschnitzte Korkschalen und eine Trinkflasche aus einem kleinen Kürbis.

Dann ist mal wieder der traurige Zeitpunkt des Abschieds gekommen: wir versprechen aber, beim nächsten Mal mit allen Pfadfindern wieder zu kommen (und das werden wir 1999 dann auch tatsächlich machen).

Um kurz nach neun sind wir dann auf der Fähre. Die Tagesüberfahrt ist recht langweilig; außer viel blauem Meer und blauem Himmel ist nichts zu sehen. Wir vertrödeln unsere Zeit in den Liegestühlen auf Deck und lassen uns ein letztes Mal bräunen. Einziger Zeitvertreib ist das Schreiben der Postkarten; davon schaffen wir so etwa 40 Stück.

Und diese Postkarten bereiten uns später ein letztes Problem: wir finden in Livorno keinen Briefkasten. Wir hoffen auf einen Briefkasten bei einer der Raststellen auf der Autobahn – aber auch da ist nichts. Wie sollen wir unsere Karten jetzt loswerden?? Runterfahren in den nächsten Ort würde bedeuten, erneut Maut bezahlen zu müssen.

Die Lösung ergibt sich durch hilfsbereite Carabinieri. Die sprechen wir an der Raststelle an und schildern unser „Problem“. Der freundliche Beamte nimmt das ganze Kartenbündel mit, setzt sich zu seinem Kollegen ins Auto und braust schwungvoll los. Und schon drei Tage später sind alle Karten in Deutschland bei ihren Empfängern! So schnell ist das noch nie gegangen!

Es folgt nun eine eintönige Nachtfahrt über die italienischen Autobahnen. In den Alpen machen wir dann ab Mitternacht eine kurze Schlafpause im Wagen.


Donnerstag, 10.4.97, 21. und letzter Tag

Ab acht Uhr sind wir wieder unterwegs; ohne Probleme legen wir in knapp sechs Stunden die restliche Strecke durch Deutschland zurück. In gut zwei Monaten wir es nach Norwegen zu einer vierwöchigen Trekking-Tour gehen; im Herbst dann in die Abruzzen zum Wandern.


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