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Freitag, 6.10.2000, 8.Tag
Wir haben uns schon morgens beim Frühstück in zwei in etwa gleich starke
Gruppen aufgeteilt; beide Gruppen sind mit einem Höhenmesser, mit Uhren,
Kartenmaterial und Schreibzeug ausgerüstet. Dazu natürlich trotz des
schönen Wetters ein Daypack mit Regenzeug und Verpflegung. Jede Gruppe
wird einen anderen Weg erkunden; damit nutzen wir die nun zur Verfügung
stehenden drei Tage optimal aus. Innerhalb der Gruppe übernehmen die
Jufis jeweils spezielle Aufgaben zur Protokollierung der Wegstrecke.
Diese Aufzeichnungen müssen exakt sein, wenn wir später dann daraus
etwas Vernünftiges machen wollen. Der Start ist exakt um 9:35 Uhr.
Auf eine detaillierte Beschreibung der Wegstrecken soll hier verzichtet
werden; das kann man später im Infoheft genau nachlesen. Rinaldo bricht
mit seiner Gruppe von Colle zunächst in Richtung Costa auf; steigt von
dort hoch bis zum Passo del Termine (schon in der Nähe von Alago) und
kehrt dann über den Trivio di Luticchio am Spätnachmittag ins Lager
zurück.
Die zweite Gruppe um Alvaro, den Vorsitzenden der ProLoco, steigt über
die kleine Ortschaft Col San Angelo nach Boschetto bis zum Sanctuario
S. Giovanni. Weiter über den Trivio hoch fast zum Monte Penna; von dort
in einer langen Schleife zurück durch das Pian di Faeto über den Trivio
und ein Pinienwäldchen abwärts direkt nach Colle. Im Handy-Zeitalter
halten beide Gruppen untereinander sogar Kontakt! Ist das jetzt Fortschritt???
Gegen 17:30 Uhr ist dann auch diese zweite Gruppe wieder zurück im Lager;
müde, aber mit einer guten Ausbeute an ersten Informationen. Den Leitern
wird klar, daß die Herstellung des Infoheftes doch noch eine ganze Menge
an Nacharbeit bedeuten wird. Anna hat mit den ersten Jufis bereits begonnen
zu kochen: es gibt als Vorspeise heute Vanillepudding mit Früchten;
dazu jede Menge Schlagsahne. Die Jufis wollen danach noch runter zum
Alimentari nach Colle (inzwischen ist bei unseren Jufis das Überraschungsei-Fieber
ausgebrochen, und man gibt teilweise sein Taschengeld in großen Mengen
dafür aus). Sie wissen, daß sie rechtzeitig zurück sein müssen, wenn
sie vom eigentlichen Abendessen etwas mitbekommen wollen. Die Reste
vom gestrigen Gulasch mit Spätzle werden dafür im Bräter angebraten.
Anschließend gibt es noch frischgeschmorte Pilze, die Peter gestern
mit Joe gesammelt hat.
Samstag, 7.10.2000, 9.Tag
Wie ausgemacht, stehen wir heute bereits ziemlich früh auf. Ab 7 Uhr
sind die ersten von uns munter; es wird geduscht und schon mal Wasser
für den Kaffee aufgesetzt; dann stehen die Frühaufsteher um`s Zelt von
M&M herum und genießen den ersten heißen Cappuccino des Tages in der
morgendlichen Stille (und Frische, da wir alle noch in den luftigen
Schlafsachen herumstehen!)
Nach und nach gesellen sich unsere Jufis dazu; Martin und Pietro machen
sich an die Zubereitung der versprochenen Samstagsmorgen-Rühreier. Neben
drei Packungen Frühstücksschinken müssen dafür 40 Eier dran glauben.
Da nicht alle unbedingt Rührei wollen, gibt`s alternativ auch noch Spiegeleier.
Inzwischen sind Sabine und Janine vom Alimentari mit dem vorbestellten
Brot zurück. Das Frühstück kann also beginnen.
Mitten hinein platzt Luciano, unser heutiger Führer, mit dem wir eigentlich
erst für 9 Uhr verabredet waren. Luciano kennen wir schon lange: schon
1998 waren wir in seinem Haus in Colle mit der ganzen Mannschaft zu
Gast und wurden von ihm und seiner Frau, die gleichzeitig die Köchin
bei Franco im Restaurant ist, mit Polenta al sugo bewirtet. Luciano
hilft auch immer wieder bei Franco mit und ist wohl auch Mitglied im
Vorstand der ProLoco.
Wir sind natürlich noch nicht startbereit! Im Gespräch stellt sich auch
langsam heraus, daß heute gar nicht mehr alle mitwandern wollen. Eigentlich
sind es nur ganz wenige - von den Jufis bleiben nur Sabine, Dominik
und Thomas übrig; der Rest ist krank (Halsschmerzen) oder hat einfach
keine Lust (es wird von Ferien usw. gemurmelt). Der Standpunkt der Leiter
ist schnell klar: da nur eine Gruppe heute aufbricht, ist es wohl besser,
wenn nur die tatsächlich Interessierten mitlaufen. Einige Leiter bleiben
auch im Camp zurück. Klar ist aber, daß die zurückbleibenden Jufis sich
im Lagergelände aufhalten müssen; die Kranken (die über Tag mit weichem
Brot, Honig und Tee gefüttert werden) sollen möglichst im Zelt bleiben,
um bald wieder fit zu sein. Unser Lagerarzt übernimmt dafür die notärztliche
Betreuung.
Um 9:10 Uhr ist dann Aufbruch zur zweiten Wanderung. Die heutige Strecke
beginnt wiederum am weißen Kreuz oberhalb von Colle. Luciano zeigt uns
die verborgenen Grabhöhlen neben dem Weg; wir biegen bald vom Schotterweg
in die steilen Serpentinen nach links ab und queren den Hang unterhalb
des Pinienwäldchens wieder in Richtung Boschetto. Da Luciano perfekt
französisch spricht, erfahren wir so eine ganze Menge an Hintergrundinformationen.
Die große Fabrik, die unterhalb Colles liegt (und deren Hallen mehr
Fläche bedekken als die gesamte Ortschaft) heißt "Merloni". Hier arbeitet
Luciano und schließt die Verkabelung an den Motoren an. 700 - 800 Spülmaschinen
und Kühlschränke verlassen täglich die 5 Montagebänder. Die Firma, in
der über 1600 Menschen arbeiten, ist weit und breit der größte Arbeitgeber;
die Produktion geht vorwiegend nach Deutschland. Luciano erzählt, daß
je nach Wunsch deutsche Markennamen wie "Grundig", "Philips" oder "AEG"
montiert werden.
Der Weg führt uns nun ins tief unter uns liegende Boschetto, was wir
ja schon vom gestrigen Tag her kennen. Viele kleine Dinge können wir
währenddessen links und rechts des Weges erleben. Zuerst kommt uns ein
winziger Fiat 500 in der alten Originalbauweise entgegen; besetzt mit
zwei wohlbeleibten Italienerinnen. Aber weder Insassengewicht, Steigung
noch die geröllige Wegbeschaffenheit können den kleinen Fiat auf seinem
Weg nach oben aufhalten. Etwas weiter Weinberge, die zu einer Zwischenmahlzeit
einladen. Im Dorf dann große Büschel getrockneter Maiskolben in den
Gärten.
In Boschetto ist auch die kleine Pfarrkirche sehenswert. Im Innenraum
werden derzeit Malereien aus dem 12. Jahrhundert freigelegt und restauriert;
für die Jufis interessanter ist das Kriegerdenkmal; eingerahmt von zwei
beeindruckend großen englischen Fliegerbomben aus dem 2. Weltkrieg.
Unverhofft treffen wir auf der Piazza Antonio mit Frau. Antonio, eigentlich
in Rom wohnhaft, sorgt als rüstiger Rentner während der Sommermonate
auf Francos Platz für Ordnung. Leopoldo ist auch mit dabei.
Und während wir an einem Alimentari, erdbebenbedingt in einem Container
untergebracht, eine Zwischenrast einlegen, legt sich Leopoldo mit den
Hunden des Dorfes an. 4 bis 5 davon stehen auf einem Balkon und kläffen
Leopoldo wütend an. Der bleibt ganz cool, da die Köter ja nicht vom
Balkon runter können.
Am Ortsausgang von Boschetto treffen wir auf eine rot-weiße Wegmarkierung,
der wir bis zum nächsten Dorf, Roveto, folgen. Am dortigen Waschhaus,
was immer noch in Benutzung ist, zögern wir, ob wir vielleicht doch
besser Regenkleidung anlegen sollten. Denn leider hat sich das bislang
sonnige Wetter allmählich verabschiedet. Luciano prophezeit sogar ein
Gewitter für den Nachmittag oder Abend. Erste Regentropfen drängen uns
zur Rast unter dem Dach des Brunnenhauses. Hier machen wir auch gleich
Mittagsrast. Kleine Spielchen mit Taschenmessern, die in den Brunnen
geworfen werden, machen die Rast interessanter....
Dann sind wir auch schon auf dem Rückweg: wir wählen die Route über
die alte "Via Flaminia", die zu römischen Zeiten in dieser Gegend die
Hauptverbindungsstraße darstellte. Zwischen den Dörfern Gaifana und
Col San Angelo geht es zurück nach Colle und zum Lagerplatz. Es ist
mittlerweile halb zwei; etwas über vier Stunden waren wir einschließlich
Pausen unterwegs; ein durchaus empfehlenswerter Rundgang.
Die Daheimgebliebenen haben sich inzwischen an die Vorbereitungen für`s
Essen gemacht; riesige Mengen an Zwiebeln, Speck und Cabanossis sind
bereits als Grundlage für die nun zu kochende Erbsensuppe bereits in
kleine Stücke geschnitten. Peter (jun) und Sebastian haben diesmal die
Rolle der Chefköche übernommen. Als Nachtisch hat Svenja mit einigen
Jufis Kirschen mit viel Schlagsahne vorbereitet.
Nach dem Essen können wir dann ein kostenloses Schauspiel der Natur
genießen! Luciano hat Recht behalten: über dem langgestreckten Rücken
des Monte Subasio hat sich inzwischen eine tiefschwarze Wolkenfront
entwickelt, die langsam auf uns vorrückt. Erste Blitze zucken aus dieser
Gewitterfront; der Donner rollt über das Tal hinweg auf uns zu. Wir
stehen am Rand des Weges und beobachten, wie das Gewitter langsam, aber
unaufhaltsam näherrückt. Hügelkette um Hügelkette zwischen uns und dem
Subasiomassiv versinkt in den Regenschauern.
Wir halten so lange aus, bis uns die ersten Regentropfen erreichen.
Und dann geht es doch recht schnell: unsere Flucht vor dem plötzlich
einsetzenden, sintflutartigen Regen verläuft ungeordnet, aber sehr schnell!
Küchenvordach und Transit sind die beiden Refugien, in deren Schutz
wir nun dem Gewitter trotzen.
Ein weiterer Programmhöhepunkt findet nun im Transit statt: während
es draußen dunkel wird, läuft vom Cassettenrecorder "Der Hügel der Gehenkten"
von John Sinclair; passend umrahmt von den pausenlos aufzuckenden Blitzen,
die das Gelände für Bruchteile von Sekunden in gespenstisch blaues Licht
tauchen, und den zugehörigen Donnerschlägen. Das Gewitter tobt nun direkt
über uns; verbunden mit einem heftigen Wind, der an den Bäumen und leider
auch an unserem Überdach zerrt. Diejenigen Leiter, die keinen Platz
mehr im Transit gefunden haben (in ihm drängen sich mittlerweile so
an die 14 Leute im Halbdunklen zusammen) können dem Fortgang des Hörspiels
durch ein spaltbreit geöffnetes Fenster folgen. Es fällt somit leicht,
an passenden Stellen den Transit mit einem Hagel von Tannenzapfen zu
bombardieren um so die Cassetten-Dramatik wirkungsvoll zu steigern.
So kommt jeder auf seine Kosten.
So klingt der Abend aus; einige Leiter sind für 21 Uhr noch von der
ProLoco in das neue Zentrum eingeladen. Hier können sie sich davon überzeugen,
wofür das vor zwei Jahren gespendete Geld verwendet worden ist. Die
Räume der ProLoco liegen an der Piazza von Colle direkt über dem Alimentari;
neben den Büroräumen gibt es eine Bibliothek; Jugendliche des Ortes
können hier nachmittags z.B. auch im Internet surfen. Geplant sind noch
demnächst die Einrichtung von weiteren Aufenthaltsräumen. Vielleicht
können wir künftig hier mal mit kleineren Gruppen unterkommen. Martin
wird zum Ehrenmitglied der ProLoco ernannt und bekommt einen Mitgliedsausweis
überreicht.
Im Gegenzug stellen wir unser geplantes Projekt vor: die Entwicklung
des Wegenetzes; die Anfertigung von Skizzen und Karten für den Bereich
um Colle samt einer deutschsprachigen Beschreibung. Von Franco wissen
wir, daß immer wieder deutsche Gruppen hier in Colle für eine Woche
Station machen - vielleicht hat von denen der eine oder andere demnächst
ja vielleicht mal Interesse, einen der Wandervorschläge dann auszuprobieren.
Das Infoheftchen soll auch Hintergrundinformationen über Colle und Umgebung
enthalten, damit Deutsche, die sich hier erstmalig aufhalten, zumindest
einen kleinen Eindruck von der Gegend bekommen, in der sie gerade Urlaub
machen. Und vielleicht können unsere Informationen ja auch künftig für
andere deutsche Jugendgruppen interessant sein.
Sonntag, 8.10.2000, 10.Tag
Der gestrige Abend zog sich zumindest für die Leiter noch bis Mitternacht
hin; Luciano fand in der ProLoco keine Gläser und lud die Leiter kurzerhand
zum Abendtrunk in sein Haus ein; hier erfuhren sie eine Menge über Lucianos
umfangreiche Waffensammlung (er zeigte uns seine 15 Jahre alte Berretta)
sowie seine Jagdleidenschaft (die nicht mal vor Vögeln haltmacht; Vögel
auf Polenta sind bei ihm eine Delikatesse). Zum Wein gab`s jede Menge
aufgeschnittenen, selbsthergestellten Schinken. Marianne und Martin
waren danach noch unten bei Franco und stellten die bisherigen Projektergebnisse
vor; gleichzeitig fragen sie nach, ob Pietro und Flobö morgen früh schon
ab 8 Uhr den Fernseher laufen lassen können (Formel I-Rennen).
Flobe läuft an diesem Sonntagmorgen zur Hochform auf. Verabredungsgemäß
soll er sich ja um das Frühstück kümmern; heute, am 10. Tag hat er das
voll im Griff und überwacht als Meister der Cornflakes hinter der Selbstbedienungstheke
(= Klappbank) das morgendliche Treiben.
Für 10 Uhr ist eigentlich ein weiteres Treffen mit einem Führer geplant;
als der nicht eintrifft, beschließen wir kurzerhand, eine Wanderstrecke
mal auf eigene Faust zu erkunden. Zielgebiet ist diesmal das Talgelände
unterhalb von Colle; hier liegen unter anderem die beiden vom Erdbeben
1997 völlig zerstörten Ortschaften Molina und Isola. Diesen Einblick
sollen unsere neuen Umbrienfahrer auf jeden Fall auch noch erhalten!
Die Rundtour wollen wir zusätzlich ein wenig in das gegenüberliegende
Hügelland unterhalb von Lanciano ausdehnen - es soll ein nicht allzu
anstrengender Sonntagsspaziergang werden. Noch ahnen wir nicht, daß
wir an diesem Tag ein junges Leben retten werden!
Um 10:30 brechen wir auf; hinunter zur Via Flaminia; vorbei an der riesigen
Fabrik. Erste Station ist die schon erwähnte Ortschaft Molina; zu identifizieren
lediglich an dem noch stehenden Ortsschild. Von den ehemaligen Wohnhäusern
sind nur noch Schutthügel übriggeblieben, die auch heute, im Jahr 2000,
noch so liegen wie nach dem Beben vor drei Jahren. Seinerzeit wurden
noch stehende Grundmauern wegen der drohenden Einsturzgefahr durch Bagger
und Planierraupen ganz niedergerissen. Das Tal, in dem wir uns jetzt
befinden, hat damals die gesamte Wucht des Bebens mitbekommen. Franco
hat uns erläutert, daß sich genau in diesem Bereich zwei rechtwinklig
aufeinander zubewegende Wellen getroffen haben. Dieser geballten Naturkraft
haben keine Hausmauern widerstehen können. Der Beweis liegt nun vor
uns.
Wir verlassen das Tal unter der Eisenbahnbrücke hindurch, queren das
Flüßchen und steigen auf einem ziemlich verwachsenen Pfad bergan. An
einem verwilderten Anwesen verzweigt sich der Weg; wir wählen den rechten
Pfad weiter bergauf. Leider endet der auf einer Wiese; umgeben von Dornenhecken.
Während Andree (als Initiator für diese Wegvariante verantwortlich)
verzweifelt einen Ausweg aus den Dornenhecken sucht, machen wir eine
Frühschoppenpause in der warmen Sonne.
Und als Martin gerade seinen Thermobecher austrinken will, stößt er
auf dem Boden beim letzten Schluck Wein auf einen unerwarteten Gast:
eine junge Heuschrecke, so an die 4 cm lang, hat sich wohl mit einem
todesmutigen Sprung in den Weinbecher gestürzt, als er auf der Wiese
stand. Jetzt liegt sie bleich und bewegungslos am Boden des Bechers.
Sebastian weiß Rat! Beherzt ergreift er das kleine Tierchen, legt es
mit dem Rücken auf seinen Schuh und beginnt mit einer behutsamen Herzmassage.
Bange Minuten tut sich nichts - dann, es ist fast nicht zu glauben,
bewegen sich zittrig die kleinen Fühler. Nach weiteren Minuten beginnt
die Heuschrecke sich richtig zu bewegen. Sie hat allerdings anscheinend
Koordinationsprobleme und torkelt ziellos durch`s Gras davon, von unseren
guten Wünschen begleitet! Immerhin - dieses Leben hat Sebastian zweifelsfrei
gerettet - wenn auch sicher für den Preis gewaltiger Kopfschmerzen.
Unser Weg führt uns nun also wieder zurück bis zur Wegverzweigung am
Haus; diese Variante müssen wir aus unserem Routenheft streichen! Und
siehe da - der zweite Weg führt uns nahezu problemlos am Gegenhang nach
oben bis zu einer Schotterstraße. Das hier befindliche Anwesen muß laut
Karte Castiglione heißen. Unübersehbar auch hier überall die Erdbebenfolgen:
der Bauernhof ist einsturzgefährdet; die Familie wohnt nebenan in Containern.
Das Leben aber scheint seinen gewohnten Gang zu gehen.
Von hier aus müsste man eigentlich eine sehr gute Aussicht auf die gesamte
Bergkette bis hin zum Monte Cucco haben - leider haben wir nur die Sicht
auf ein von dort heraufziehendes Unwetter mit bleigrauen Wolken. Zu
unserem ja bereits gewohnten Leben gehört nun mal wieder das schnelle
Anlegen der Regenkleidung; Umbrien im Oktober scheint nicht unbedingt
nur aus Schönwetterperioden zu bestehen.... So gerüstet geht es die
Schotterstraße in einigen Serpentinen bergab bis hinunter in die Ortschaft
Isola. Hier hat man uns 1998 eine riesige Containersiedlung gezeigt;
inzwischen haben die Menschen aber schon teilweise neue Häuser bezogen.
Dementsprechend sind viele Container seit 1998 abgebaut worden. Geblieben
aber sind immer noch die Schutthalden des ehemaligen Isola - hier machen
wir Mittagsrast.
Es gibt die schon gewohnte Standardverpflegung aus Brot, Wurst, Käse;
dazu Nüsse. Und da der Regen wohl doch nicht kommt, wird mal wieder
das Regenzeug ausgezogen. Teilweise sieht man in den Ruinen noch die
Fliesen an den Wänden ehemaliger Badezimmer; ein Haus sieht von vorn
völlig unversehrt aus; geht man herum, weiß man, warum es unbewohnbar
geworden ist.
Gegen 14 Uhr machen wir uns auf den Weiterweg. In Molina schwenken wir
ab in Richtung Via Flaminia. Über eine "Strada bianca" mit guter Aussicht
auf Colle geht es zurück zum Lagerplatz, wo wir gegen 15 Uhr eintreffen.
Das Abendessen lassen wir heute ausfallen; wir sind von der ProLoco
in das Containerdorf zum Gemeinschaftscontainer eingeladen worden.
Dieser Container ist zwar äußerst kahl und spartanisch; die Bewirtung
durch die Leute der ProLoco aber umso herzlicher! Selbst die Jufis dürfen
vom Wein aus den 5-Liter-Flaschen kosten. Wir halten ein argwöhnisches
Auge darauf, daß diese Kostprobe nicht allzu ausgedehnt ist! Dazu gibt
es zunächst Brot und aufgeschnittenen Schinken; anschließend werden
bergeweise gegrillte Würstchen aufgetischt - und die sind wirklich geschmacklich
vom Allerfeinsten. Aber irgendwann paßt halt nichts mehr hinein! Die
Stimmung (und die Lautstärke) steigt zunehmend; wir Deutschen bedanken
uns bei all unseren neuen Freunden und überreichen als kleine Geste
unser letztes Fäßchen Veltins. Zwischendurch tauchen immer mehr Leute
aus Colle auf; Rinaldo; zuletzt sogar Joe. Es ist für uns quasi schon
der Abschiedsabend von Colle. Marianne und Martin teilen dabei auch
mit, daß sie im nächsten Sommer hier in Colle heiraten wollen und sprechen
schon mal die Einladungen an Luciano, Alvaro und Co. für die Hochzeitsfeier
aus.
Die müden Jufis verlassen als erste den Container, von einigen Leitern
sicher zu den Zelten hochbegleitet. Dann beginnt für die restlichen
Leiter und die Herren der ProLoco der gemütliche Teil des Abends....
Was an Wurst, Fleisch, Brot und Wein an diesem Abend noch übrig bleibt,
wird uns am Ende für morgen als Wegzehrung eingepackt!
Montag, 9.10.2000, 11.Tag
Unser letzter Tag in Colle! Aber noch ist unser Wegeprojekt nicht abgeschlossen!
Um 10:15 Uhr (zugegebenermaßen etwas spät - der gestrige Abend macht
allen etwas zu schaffen) macht sich eine Gruppe Unentwegter auf einen
letzten Weg: wir wollen eine Wanderstrecke bis nach Gualdo Tadino erkunden!
Das sollen so zwischen 7 - 10 Kilometern sein. Zurück wollen wir dann
aber doch den Transit nehmen. Der muß ja auf jeden Fall heute noch zum
Einkaufen nach Gualdo.
Über einen rot-weißen Weg geht es in Colle los; bald erreichen wir in
Gaifana dummerweise die Hauptstraße, weil wir uns an einer Weggabelung
für die falsche Abzweigung entschieden haben. Freundliche Gaifaner erklären
uns den Weg durch die Felder hinauf zur "Via Flaminia vecchia". Dabei
können wir zwischendurch schnell wieder einige Rebstöcke plündern.
Punkt 12 Uhr erreichen wir bei Glockengeläut einen Ausläufer von Petroia;
leider schon wieder an der Hauptstraße. Erneut heißt es ein wenig den
Hang hinaufsteigen bis zum Ortskern von Petroia. Hier bringt uns eine
nette Italienerin mit einem schnellen Wortschwall wieder auf den richtigen
Weg. Der führt vorbei am Alimentari von Rigali (mit ausgiebiger Pause)
bis in die Außenbereiche von Gualdo Tadino. Hier wählen wir den Weg
durch die Schlucht, dann hinauf in die Altstadt und dort auf einen "Balkon"
hoch über Gualdo, von wo man eine gute Aussicht über die Stadt hat.
br> Nach einer weiteren Pause, gekoppelt mit einem ausgiebigen "4-Gewinnt"-Spiel
geht es dann hinunter zum Treffpunkt am Supermarkt. Unterwegs entwickelt
sich noch eine ziemlich heftige Tannenzapfen- und Kastanienschlacht,
bei der mancher schmerzhafte Treffer eingesteckt werden muß! Egal -
Spaß hat es auf jeden Fall gebracht. Und selbstverständlich haben unsere
Jufis auch diesen Weg genauestens protokolliert; damit endet das "Projekt
Colle"; zumindest was die Phase der Materialsammlung angeht. Der Rest
bleibt für Deutschland und die langen Wintermonate.
Am Supermarkt von Gualdo wartet schon der Transit; vor der Rückfahrt
ist aber erst einmal ausgiebiges Shopping angesagt. Und in diesem Supermarkt
bleibt kaum ein Wunsch unerfüllt! Dazu noch sehr gute Preise! Außerdem
gibt es hier natürlich Dinge, die man bei uns in Deutschland höchstens
in Feinkostgeschäften erhält. So laden sich insbesondere Peter und M&M
den Einkaufswagen voll; sei es mit Pesto-Saucen, speziellen Olivenölen,
Sardellen usw. Peter ersteht dazu noch einige Original-Espresso-Maschinen,
wie sie hier oder auch auf Sardinien in Gebrauch sind.
Dank des Transits ist das alles transportmäßig nach Deutschland kein
Problem. Recht vollbeladen startet der Transit dann schließlich wieder
zurück nach Colle. Für die Jufis heute hier ihr letzter Besuch; morgen
werden sie mit dem Zug in die andere Richtung fahren. Die Transitgruppe
wird hier aber noch einmal Station machen, um z.B. einige komplette
Schinken einzuladen....
Zurück im Lager ist das Programm des heutigen Tages aber noch nicht
beendet. Die Jufis beginnen mit dem Packen, während Peter, Flobö und
Martin von Luciano zu einem Sonderauftrag herangezogen werden! Es gilt,
von Francos großen Weideflächen einige Rehe auf eine andere Weide "umzusiedeln".
An und für sich eine einfache Angelegenheit, sollte man meinen.
Doch dann dauert es fast 2 Stunden, ehe die widerspenstigen Tiere sich
zum Umzug entschlossen haben; eine Zeit, die wir drei vorwiegend damit
verbringen, regungslos als Postenkette in der Gegend herumzustehen und
als Abschreckung für die Tiere zu diesen.
Just in dem Moment, als es fast geschafft ist, bekommt Flobö einen Handy-Anruf
von zu Hause! Diese Story ruft noch Tage später Gelächter bei den anderen
hervor! Als die Arbeit getan ist, setzt auch schon die Dämmerung ein.
Jetzt wird noch das meiste an Gruppengepäck verpackt; insbesondere der
Hänger wird schon mal beladen und in Fahrtrichtung gedreht.
Gegen 20 Uhr machen wir uns langsam auf den Weg hinunter zu Francos
Restaurant. Für heute Abend haben wir bei ihm ein Abschiedsessen bestellt:
er soll uns möglichst viele umbrische Spezialitäten zum Kosten vorsetzen.
Wir haben da von den bisherigen Besuchen noch gute Erinnerungen.
Der Abend beginnt gleich mit einem Mißverständnis: Franco ist sehr erstaunt,
daß wir schon so früh auftauchen; Martin hat sich wohl mit otto mezzo
und nove mezzo vertan! Egal; ein großer Tisch in seinem Keller ist schon
für uns eingedeckt. Franco bittet uns um Mithilfe beim Servieren - und
dann startet das Mahl!
Los geht es natürlich mit geröstetem Brot (mit Knoblauch und Olivenöl);
es folgen Linsengerichte und jede Menge verschiedener Erbsen- und Bohnenarten.
Gerösteter Dinkel steht danach auf dem Programm; für uns ein weitgehend
unbekanntes Gericht. Schüsseln mit Erbspürree schließen sich an. Wenn
man allerdings unsere schnöggeligen Jufis beobachtet, kommen uns Zweifel,
ob sich die Mühe Francos lohnt: es wird kaum was gegessen. Die Leiter
bemühen sich nach Kräften (und halt deutscher Tischmanier) die jeweiligen
Schüsseln wenigstens einigermaßen zu leeren....
Scharf gewürzte, angeröstete Leber und Nieren erscheinen nun; eigentlich
fast wie ein Gulasch und doch recht gut schmeckend. Dann endlich strahlen
die Jufis auf: Nudeln erscheinen in dampfenden Schüsseln; so eine Art
Maccaroni mit Tomatensauce und viel Parmigiano drüber. Dementsprechend
häufen sich die Jufis die Teller voll. Pietro grinst still vor sich
hin; das wiederum macht Martin nachdenklich. Er hält sich erst einmal
zurück und wartet die Reaktion der Jufis ab: "Iiiihhh, das sind ja gar
keine Nudeln". Nein, sind`s auch wirklich nicht! Aber was ist es dann,
was sich da so recht wabbelig zwischen den Zähnen befindet???
Pietro klärt uns auf: natürlich sind es Kuddeln, also im Klartext kleingeschnittene
Därme usw., welche dummerweise wie Nudeln ausgesehen haben. Jetzt müssen
sich einige Jufis doch mit viel Mut und Beherrschung durch ihren Teller
kämpfen....
Alle (bis auf Peter, der noch schnell die letzten Teller der Jufis leert)
sind froh, als mit dem nächsten Gericht ein anderer Geschmack auf den
Tisch kommt: Polenta mit eingebackenen Pilzen; das ganze im Ofen überbacken
mit Käse. Das schmeckt jetzt allen; dementsprechend wird reingehauen
(allerdings erst nach einer vorsichtigen Kostprobe - aus Erfahrung wird
man bekanntlich klug!). Und kaum sind diese Schüsseln leer, steht der
nächste Gang auf dem Tisch: "Bigoli" heißt er - das sind kleine Würstchen
aus einer Spinat-Käsemischung; gewälzt in Mehl und dann im Wasser gegart;
ähnlich wie bei uns Klöße. Und dann doch noch Nudeln - grüne Tagliatelle.
Tja, und danach sind wirklich alle rundum satt; kein Wunder bei den
Kalorien des Maisbreis. Leider haben wir sozusagen "die Rechnung ohne
den Wirt gemacht": das alles sollten eigentlich nur die Vorspeisen sein;
jetzt wird das Hauptgericht serviert: Wildschweinragout in Honig! Pech
für uns - es geht nichts mehr hinein - wir müssen passen. Selbst Wein
wird heute Abend bei diesem opulenten Mahl kaum getrunken; nur so an
die 4 bis 5 Flaschen. Mineralwasser ist heute der Renner.
Franco setzt sich jetzt zu uns; es wird Zeit für den Abschied. Franco
hat dafür ein paar passende Worte parat: er vergleicht uns mit Zugvögeln,
die kommen und wieder gehen. Aber - wenn sie, wie wir jetzt, im Herbst
davonziehen, denkt man im Winter immer wieder daran zurück, daß man
Freunde in der Ferne hat. Und dies würde ein Stück weit den Frühling
über den Winter tragen. Das erinnert uns ein wenig an die Geschichte
von der Maus Frederik. Auch wir bedanken uns jetzt "offiziell" bei Franco
und seinen Leuten. Als sichtbare Geste sind wieder zwei Fäßchen Bier
aus unserer Heimat dran. Wir versprechen, bald wiederzukommen (na ja,
im nächsten Sommer auf jeden Fall mit der Hochzeitsgesellschaft).
Nach dem Essen sitzen die Leiter noch ein wenig im Transit zusammen;
M&M erledigen noch die Abrechnung bei Franco - und hier muß man wirklich
hervorheben, daß auch die Preise für Platz und Restaurant sehr gruppenfreundlich
sind! Auch dies ein Hinweis für andere Gruppen, daß Colle unbedingt
eine Reise wert ist. Die Nacht bleibt trocken; sogar ein prächtiger
Sternenhimmel zeigt sich (was auf der diesjährigen Fahrt ja sicher nicht
die Regel war)
Dienstag, 10.10.2000, 12.Tag
Der Morgen begrüßt uns mit Sonne über dem Tal; kurze Hosen werden aus
dem Gepäck gekramt. Vielleicht ist ja jetzt ein Wetterumschwung da?
Unser ursprünglicher Plan war eigentlich, von hier aus jetzt ohne großes
Gepäck in zwei Tagen bis nach Assisi zu laufen; Rinaldo wollte uns dabei
begleiten. Er kennt auch einen geeigneten Übernachtungsplatz an der
Nordflanke des Subasio. Dieser Plan mußte leider kurzfristig verworfen
werden, da derzeit eine große Jagd an den Hängen des Monte Subasio stattfindet
und unser betreffendes Waldgebiet zu gefährlich für eine Durchquerung
wäre. Also haben wir umdisponiert: die Hauptgruppe wird über Foligno
mit dem Zug nach Assisi fahren. Die Karten dafür haben wir ja schon.
Der Transit wird die Strecke über Gualdo und durch`s Gebirge nehmen;
Marianne hat sich schon um die Aufteilung der Fahrtgruppe gekümmert:
Pietro und Sebastian (mit defektem Fuß); Flobö und M&M werden diesmal
den Gepäcktransport übernehmen. Los geht es heute schon um 7 Uhr! Soweit
zum Thema "Ferien"... Aber die Zeit in Umbrien ist halt beschränkt,
das ist allen klar. Wer also was erleben will, darf die Zeit nicht verschlafen
(auch nicht, wenn es am Vorabend recht lang wurde...)
Viel ist zu tun: nach dem Frühstück heißt es packen, packen, packen.
Ein Begleittransit mit Hänger ist zwar bequem, beschert einem aber auch
eine Menge an zusätzlichem Gepäck, welches man bei einer reinen Trekking-Tour
oder einer Radfernfahrt nicht dabei hätte. So muß z.B. der Bräter gereinigt
und in seinen Transportkoffer verpackt werden; die Gasflaschen müssen
demontiert und für den Transport gesichert werden; dazu die Küchenkiste
wieder mit allen Töpfen usw. platzsparend ineinandergepackt werden.
Und in der Verpflegungskiste muß auch mal wieder dringend Ordnung geschaffen
werden.
Dazu noch das ganz "alltägliche" Material: alle Zelte, mit Überdächern,
Innenzelten, Bodenplanen, Gestängen, Heringen - mein Gott, es ist schon
eine Menge an Material. Und dieses Material, insbesondere die Zelte,
haben in den letzten Tagen viel durchmachen müssen. Dementsprechend
lang wird am Ende der diesjährigen Fahrt auch die Liste der "Verluste"
sein: 2 Stangenbrüche, mehrere defekte Reißverschlüsse; verbogene Häringe
- das Isfjell 2, gerade mal im letzten Jahr angeschafft, müssen wir
wegen der Schäden wohl als Totalverlust verbuchen. Eine Folge des schlechten
Wetters, der starken Winde oder einfach durch unsachgemäße Behandlung.
Aber das kann man alles später reparieren, ersetzen und der Versicherung
melden. Jetzt sind erst einmal alle Hände gefragt. Und das ist zum Glück
bei dieser Mannschaft kein Problem: jeder weiß, daß er sich nicht auf
Kosten der anderen drücken kann. Wieder ein Zeichen, daß eine solche
Fahrt, die dermaßen unter dem schlechten Wetter leiden mußte, nicht
nur auf gutes Material angewiesen ist, sondern vor allem auf die Einstellung
und Übereinstimmung der Teilnehmer untereinander und zur gemeinsamen
Sache.
Und diese Sache erfordert nun eigentlich den Aufbruch der ersten Gruppe
per Transit zum Bahnhof nach Nocera Umbra so gegen neun Uhr. Diesen
Zeitplan können wir zwar nicht ganz einhalten; um Viertel nach neun
sind aber die ersten 10 Leute unterwegs. Und da der Verkehr keine Probleme
macht, ist Martin schon kurz darauf wieder zurück und kann die zweite
Gruppe einladen. Pietro fährt als Beifahrer bei dieser 2. Tour mit.
So muß Martin nicht allein zurückfahren (man weiß ja nie genau, wie
der doch schon recht betagte Transit - er möge uns diese fiese, unterschwellige
Bemerkung verzeihen - reagiert; und mit Sicherheits-Handy ist man in
dieser Situation halt besser abgesichert).
Zurück im mittlerweile komplett abgebrochenen Camp müssen wir nur noch
den Hänger abkoppeln und uns natürlich von unseren Freunden verabschieden.
Schnell noch 5 Kisten Wein für die nächsten Tage sicherheitshalber eingeladen,
die Müllsäcke im Container versenkt - dann geht`s ein letztes Mal den
holprigen Feldweg im Schrittempo hinunter zur Via Flaminia.
Gestern Abend hatte uns Luciano bereits die ersten Schinken von Alvaro
gebracht; sie hängen schon gut verschnürt am Dachgestänge der Anhängerplane.
Hier dürfte eigentlich kein ungebetenes Tier dran können. Dennoch halten
wir noch einmal in Gualdo Tadino; wir haben sogar eine spezielle Adresse,
die qualitativ gute Wurst und Schinken günstig anbietet. Hier schlägt
vor allem Pietro noch einmal kräftig zu, bis der Hänger mit seinen innen
aufgehängten Schinken und Würsten eher einem Fleischer-Verkaufswagen
als einem Pfadfinder-Transport ähnelt (Aber das ist erst der Anfang!
In wenigen Tagen wird der Transit samt Anhänger noch eine weitere Metamorphose
als Lastesel durchmachen - aber davon später!)
Jetzt beginnt eine schwierige Fahrt durch das Gebirge hinüber nach Assisi;
über 800 Meter liegt der Paß, den wir dazu überwinden müssen. Dazu kommt
die elende Kurbelei am Lenkrad in den pausenlos aufeinanderfolgenden
Serpentinen; denn leider verfügt unser Wagen nicht über eine Servolenkung.
Neben der grandiosen Landschaft werden wir aber durch die Musik entschädigt,
die wir nun ohne die Jufis endlich mal in Ruhe hören können: "Laß mich,
bitte, bitte laß mich, dein Sklave sein!" Dieser Song der Ärzte hatte
bislang bei den Jufis immer wahre Begeisterungsstürme erzeugt - jetzt
wollen wir mal ohne Jufigeschrei mitbekommen, wovon der Text eigentlich
handelt. Na ja, dazu braucht man keinen weiteren Kommentar abzugeben.
Für unsere Ohren vertrauter klingen da schon die Songs der Ärzte zum
Thema Claudia usw.
So etwa gegen 14 Uhr rollen wir in Assisi durch`s Stadttor ein. Sofort
geht es weiter hoch bis zum Campingplatz von Franco mit dem klangvollen
Namen "Fontemaggio" (= Maibrunnen). Hier erwarten uns schon die Jufis.
Leider können wir "unsere" Terrasse nicht mehr zum Zeltaufbau benutzen:
inzwischen wurde hier ein gigantisches Toilettenhaus errichtet.
So bleibt uns nur die Terrasse darunter übrig; zum Glück durch keine
anderen Camper besetzt. Doch der Untergrund erweist sich beim nun folgenden
Aufbau der Zelte als äußerst tückisch: Häringe lassen sich nur mühsam
im steinigen Boden verankern. Das klappt aber schließlich doch. Andree
kümmert sich um die Installation der Lagerküche, während Marianne und
Martin sich einige passende Worte anhören müssen, weil sie jetzt ihren
"Altersbonus" geltend machen und auf eigene Kosten das vorbestellte
Hotelzimmer im Hotel oben auf dem Platz beziehen. Hier werden sie bereits
von Benito, einem langjährigen Bekannten und dem "Mädchen für alles"
auf dem Platz herzlich begrüßt.
Gegen 17 Uhr verblassen alle bisherigen Wetterprognosen zum heutigen
Tag. Der Himmel verfinstert sich und es beginnt wie aus Kübeln zu schütten.
Und da zeigt sich doch glatt ein weiterer Nachteil der Zeltterrasse:
der Boden ist nicht nur steinig, nein, er ist auch ziemlich wasserundurchlässig!
Das hat zur Folge, daß sich in kürzester Zeit große Pfützen auf dem
Gelände bilden (na ja, es werden eher schon kleine Seen). Das wäre ja
an und für sich nicht schlimm, hätten da nicht einige Zeltgemeinschaften
ihre Zelte just an dieser Stelle aufgebaut. In Windeseile versucht man
nun (mit durchaus unterschiedlichem Erfolg), sich mit dieser entwickelnden
Seen-Platte zu arrangieren. Gräben sind da keine schlechte Methode,
vorausgesetzt, man kann die enormen Wassermengen nicht nur in die Gräben
einleiten, sondern anschließend auch vom Zelt schnell genug wegleiten.
Not macht auch hier erfinderisch! Wahre Kanalsysteme werden nun in kürzester
Zeit - und zwar im Live-Einsatz bei Dauerregen! - aus dem Boden gestampft,;
besser ausgedrückt: aus dem Boden gehoben. Von der Suppenkelle bis zum
simplen Löffel - alles muß als Grabewerkzeug herhalten. Bei einem unserer
Zelte nützt das aber alles nichts: Wasser sammelt sich nun mal gern
zuerst in Bodensenken - und wer dort unvorsichtigerweise sein Zelt aufgebaut
(und bereits eingerichtet) hat, dem nützen nun auch keine ausgeklügelten
Gräbensysteme mehr. Hier hilft nur noch eine Radikallösung: Abspannungen
und Häringe am Außenzelt lösen und im Laufschritt das ganze Gebilde
mit mehreren Trägern (unter den anfeuernden Rufen der im Trockenen unter
dem Küchenvordach Sitzenden) zu einem erhöhten Platz tragen und dort
wieder neu am Boden fixieren.
Groß ist die allgemeine Erschöpfung danach; man sitzt gemütlich unter
dem Überdach oder im Transit im Trockenen und läßt sich die Tortellini
schmecken. Dabei können wir in Ruhe unsere weiteren Pläne durchsprechen.
Alle wollen morgen erst einmal einen Tag zum Ausruhen haben; außerdem
ist die Stadt Assisi für alle Jufis noch ein völlig unbekanntes Terrain
- klar, daß sie sich hier zunächst einmal orientieren wollen. Verschiedene
Kirchen, die Rocca oder einfach der mittelalterliche Stadtkern - das
alles sollte man zumindest gesehen haben, wenn man schon nach Umbrien
fährt.
Pietro, Marianne und Martin wollen allerdings darauf verzichten - zu
oft sind sie schon mit verschiedenen Gruppen im Laufe der letzten 10
Jahre durch Assisi gebummelt. Sie haben sich etwas anderes vorgenommen:
Dumler beschreibt in seinem Buch einen weitläufigen Spaziergang hinunter
in die Ebene - ihm wollen sie morgen folgen. Unsere jungen Leiter haben
sich bereiterklärt, die Rolle des Fremdenführers für die Jufis zu übernehmen.
Eigentlich hatten wir sogar ein Stadtspiel geplant; das würde aber jetzt
zeitlich zu viel an genauer Vorbereitung kosten. Donnerstag ist dann
eine letzte Wanderung geplant (falls das Wetter zumindest ein wenig
mitspielt). Durch den Wegfall der Zwei-Tages-Tour haben wir genügend
Spielraum gewonnen für eine Wanderung über den Monte Subasio hin bis
nach Spello. Ganz nebenbei werden unsere Jufis dabei noch die Einsiedelei
des Franziskus, den Subasio selbst und das Städtchen Spello kennenlernen.
Allerdings nur, wie gesagt, wenn Gott Güpi wettermäßig mitspielt. (Auf
Güpi sind die meisten inzwischen übrigens nicht mehr gut zu sprechen.....)
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