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Montag, 8.10., 3. Tag
Schon frühzeitig sind wir heute auf – wir wollen schnell alles zusammengepackt
haben, ehe man uns vom gegenüberliegenden Hang orten kann! Als Zelt
und Isomatten verstaut sind, lassen wir uns aber noch jede Menge Zeit;
wir genießen mehrere Cappuccino-Becher, ehe wir uns so gegen Viertel
vor neun auf den Weg nach unten machen. Wir sind uns einig: die Burg
von Hora Sfakion ist ein Geheimtip für freie Übernachtungen!!
Bei Andreas hatten wir uns gestern noch zwei große Brote vorbestellt;
als wir aber sehen, welch leckeren Baguettebrote er mit diversen Köstlichkeiten
belegt anbietet, weichen wir gerne darauf aus. Gefrühstückt wird wiederum
an unserem Tischchen. Wir wundern uns ein wenig über die Dunkelheit
im Market; Andreas klärt uns auf, dass zur Zeit an der gesamten Südküste
ein Stromausfall ist. Der Grund wäre der starke Sturm in der letzten
Nacht. Davon hatten wir oben auf „unserer“ Burg gar nicht so viel mitbekommen
– gut, es war über Nacht stark windig gewesen; das war uns aber eigentlich
ganz recht, da dieser Wind auch den Mücken stark zugesetzt hatte.
Durch den fehlenden Strom funktionieren natürlich weder Kühlschränke
noch Registrierkassen – für Geschäfte natürlich ein Problem. Für uns
dagegen weniger. Nach einem zweiten belegten Brot machen wir uns auf
einen Rundweg durch Sfakion auf die Suche nach der Stelle, wo man die
Tickets für das Schiff kaufen kann. Wir wissen, um 10:30 Uhr soll das
Schiff nach Agia Roumeli ablegen. Die bekommen wir dann auch; 1500 Drachmen
pro Nase; ebenfalls durchaus bezahlbar.
Frühzeitig finden wir uns danach am Schiffsanleger ein und beobachten
die Ankunft unserer Fähre. Wir sitzen in der wärmenden Sonne am Hafen
und beobachten das bunte Treiben um uns herum. Das ist Urlaub! Kurz
darauf sind wir als einige der ersten an Bord. Wir machen es uns oben
auf dem offenen Deck gemütlich und harren der Dinge, die da kommen sollen.
Das Schiff legt überpünktlich ab – zwei Minuten zu früh nach unseren
Uhren. Das ist wohl auch der Grund, warum es plötzlich wieder kehrtmacht
und zum Anleger zurücksteuert! Hier wartet ein Betonmischer, dem das
Schiff wohl zu früh weggefahren ist! Im Laufe der Zeit bemerken wir,
dass diese tägliche Schiffsverbindung die einzige Verkehrsanbindung
für mehrere Orte entlang der Südküste ist – und dass mit dem Schiff
eben auch ganze Betonladungen ans Ziel gebracht werden.
Was nun folgt, lässt sich am einfachsten mit dem Wort „Küstenpanorama“
ausdrücken. Bucht um Bucht zieht an uns vorbei; über uns strahlendblauer
Himmel; an Land gewaltige Gebirgsketten bis weit über zweitausend Meter
Höhe; rings um uns kristallklares Wasser in allen möglichen Grün- und
Blautönen. Nicht nur bei uns herrscht da Urlaubsstimmung pur!
Allerdings geraten wir bei dem Gedanken ein wenig ins Grübeln, wo da
an der vorbeiziehenden Steilküste denn ein Wanderweg herführen könne
– denn laut Karte führt dort am Ufer auf jeden Fall der E4 vorbei. Erst
nach und nach entdecken wir die teilweise abenteuerliche Routenführung
bei ganz scharfem Hinsehen. Da sollen wir mit den schweren Rucksäcken
demnächst entlangwandern??
Und jetzt sehen wir auf dem Pfad auch immer wieder einige bunte Pünktchen
– es scheint sich doch um einen recht stark begangenen Wanderweg zu
handeln. Na, dann werden wir das auch noch schaffen! Wir kommen ins
Gespräch mit einem niederländischen Ehepaar, die unsere Pläne mitverfolgt
haben. Sie sind schon seit vielen Jahren hier unterwegs und kennen die
verschiedenen Wanderwege, die wir uns ausgesucht haben, sehr gut. Klar,
dass wir wieder einmal zusätzliche Informationen erfragen. Ganz wichtig
für den heutigen Tag ist für uns, dass wir in „Aios Pavlos“ (nicht „Agios
Paulos“, wie wir es immer bislang ausgesprochen haben) Wasser und auch
etwas zu essen bekommen können.
Damit ändern sich sofort unsere weiteren Pläne: wir werden die jetzt
geplante Tour in zwei Tagesetappen aufteilen: heute von Agia Roumeli
bis Agios Pavlos; morgen weiter bis hinauf nach Anopolis. Das bringt
nur Vorteile! Einmal brauchen wir nicht so viel an Trinkwasser mitschleppen;
außerdem gäbe es tagsüber auf dem bevorstehenden Steilanstieg von ca.
800 Höhenmetern keinerlei Schatten. So können wir morgen früh noch ganz
zeitig im Schutz einer Felswand den Aufstieg im Schatten machen.
Zwischenstation machen wir jetzt in Loutro; einem malerisch gelegenen
Örtchen; nicht per Straße zu erreichen, sondern nur über einen schmalen,
beschwerlichen Fußweg über das Gebirge oder halt mit diesem Schiff.
Das Schiff legt sogar an zwei verschiedenen Stellen an, da die Uferpromenade
unterbrochen ist und die Hotels bzw. Minimarkets voll vom Schiff versorgt
werden. So etwas haben sonst noch nirgends gesehen!
Während Flobe am liebsten gleich hier bleiben würde um zu Schnorcheln,
bedauern wir anderen die armen Leute, die nun per Sackkarre alle möglichen
Verpflegungsgüter (einschl. Bierfässer!) vom Schiffsanleger zu den einzelnen
Hotels transportieren müssen. Wir sehen zwar auch ein einsames Auto
am Hafen; können uns aber nicht vorstellen, wohin es eigentlich fahren
will – denn Straßen aus dem Ort hinaus gibt es nicht!
Bei der Abfahrt kommen wir wieder einmal an einer Burg, oberhalb von
Loutro gelegen, vorbei – und da hat jeder von uns spontan den gleichen
Gedanken: schau an, schon wieder ein passendes Freicamper-Plätzchen
für uns. Allerdings nicht auf der nun anstehenden Tour – da werden wir
lieber dem Rat der Niederländer folgen und den Umweg über das Gebirge
und das winzige Örtchen Agios Johannis nehmen.
Dann erreichen wir auch schon Agia Roumeli; es ist inzwischen sehr heiß
geworden, also machen wir im Zentrum des Ortes noch eine längere Rast.
Es sieht hier fast so aus wie im Wilden Westen; Hotels und Bars in großer
Anzahl; eigentlich sonst gar keine anderen Häuser. Und alle Geschäfte
haben auch hier das gleiche Problem: Stromausfall! Nun, dies ist zum
Glück für uns als Rucksackwanderer kein besonders wichtiges Problem:
wir sind ja doch mehr auf das Leben in der freien Natur eingestellt
und Selbstversorger – da reichen uns die noch halbwegs kühlen Getränke
aus den dunklen Regalen des Minimarkts. Das ist immer noch besser als
das lauwarme Wasser in unseren Trinkflaschen!
Zum Sitzen bietet sich hier leider nur der Rinnstein an – auch das für
uns kein Problem. Wir amüsieren uns aber doch ein wenig über die Blicke
der vorbeikommenden „Normal-Touristen“, die entweder zur Samaria-Schlucht
unterwegs sind, oder gerade von dort zurückkommen. Tja, Leute, mit Euren
Hoffnungen auf ein warmes Mittagessen in einem der Restaurants hier
wird es heute wohl nichts!!
„In Agia Roumeli lohnt es sich, den Abend in dem kleinen Ort zu verbringen
und die faszinierende Abend-stimmung mitzuerleben, wenn die untergehende
Sonne die gewaltige Felsküste beleuchtet.“
Das würden wir wohl auch ganz gerne; nach unserer Trinkpause müssen
wir uns aber doch langsam auf den Weiterweg machen: unsere Abendstimmung
wollen wir heute ja in Agios Pavlos erleben. Und das sind laut Wegbeschreibung
doch noch einige Kilometer:
„Wir verlassen Agia Roumeli in östlicher Richtung und überqueren
den aus der Samaria-Schlucht führenden Bach, was im Winter oft nur durch
einen gewagten Sprung oder durch Waten im reißenden, eiskalten Wasser
des Samariabaches möglich ist. Von dort geht es gut markiert (E4-Zeichen)
zuerst etwas mühsam durch feinen Sand, später auf etwa 40 m Höhe und
in etwa 1 ½ Stunden über Sanddünen hinab zur Agios-Pavlos-Kirche direkt
am Strand. Die Geschichte behauptet, dass hier der Apostel Paulus auf
seiner Reise als Gefangener der Römer von Cäsarea nach Rom an Land ging,
um Neubekehrte zu taufen. An mehreren Stellen dieses Strandabschnitts
tritt aus dem klaren Kies kaltes Quellwasser aus dem Boden. Nahe dem
Kirchlein wurde ein kleines Restaurant gebaut, das im Sommer geöffnet
hat und den durstigen Wanderern eine willkommene Einkehr gewährt. Leider
ist dadurch die Einsamkeit dieses Küstenabschnittes und die Harmonie
des alten, aus Kieselsteinen errichteten Kirchleins mit den Felsen und
der Meeresbrandung nachhaltig gestört.“
Um es vorweg zu nehmen: die Beschreibung des Weges ist sehr exakt; die
Sichtweise der „nachhaltigen Störung“ scheint uns aber übertrieben.
So viele Touristen sind hier sowieso nicht unterwegs – wenn, dann als
Wanderer, die sich auf diesem Wegabschnitt eine Einkehrmöglichkeit wirklich
durch viel Schweiß verdient haben.
Nachdem wir mit Hilfe des Mini-Stativs und der Fernsteuerung eine Videoaufnahme
gemacht haben, auf der wir mal alle gleichzeitig zu sehen sind, packen
wir unsere Sachen wieder zusammen und müssen uns nun nur noch um das
wichtige Trinkwasser für unsere Wasserflaschen kümmern. Eine passende
Zapfstelle dafür haben wir schon ausgemacht: gegenüber unserer Rinnstein-Loge
befindet sich ein Hotel (in dem auch unsere beiden Niederländer untergebracht
sind). Und hier hängt außerhalb ein Schlauch, an dem schon mehrere Leute
zwischendurch getrunken haben.
Wir fragen also höflich nach, ob wir unsere Wasserflaschen ebenfalls
füllen dürfen – kein Problem! Wir erfahren, dass dieses Wasser direkt
aus der Samaria-Schlucht stammt. Der Wirt ist darauf ziemlich stolz.
Er staunt allerdings nicht schlecht, als wir unsere Unmengen an Flaschen
hervorkramen. Jeder hat ja mindestens Kapazitäten für zwei bis drei
Liter (wenngleich auch nicht unbedingt nur für reine Wasserreserven
vorgesehen....). Nach einem letzten Gespräch mit den beiden Niederländern,
die gerade aus dem Hotel kommen, machen wir uns auf in Richtung Osten;
so, wie in der Wegbeschreibung beschrieben. Schon nach wenigen Metern
sind wir außerhalb des Ortes; die Sonne brennt heiß auf uns herab und
lastet zusätzlich zum Rucksackgewicht auf uns.
Nach kurzer Zeit nochmals eine willkommene Unterbrechung: wir sind auf
unseren Betonmischer von der Fähre gestoßen! Bauarbeiter sind gerade
dabei, einen Weg anzulegen: in das Betonbett verlegen sie dabei runde
Kiesel, etwa von der Größe eines Salatkopfes. Das scheint eine echte
Knochenarbeit zu sein! Die Riesenkiesel stammen aus dem nun nicht mehr
weit entfernten Samaria-Bach. Der entpuppt sich aber bald darauf eher
als Bächlein als ein rauschender Fluss, den es zu überspringen bzw.
durchwaten gilt. Wir stehen dafür vor einem anderen Problem: unsere
Wegrichtung scheint verkehrt zu sein: wir steuern geradewegs auf den
Eingang der Samaria-Schlucht zu – und mit der haben wir ja nun wirklich
nichts am Hut! Immer wieder kommen uns kleine Grüppchen erschöpfter
Samaria- Wanderer entgegen. Irgendwie haben wir unseren Abzweig zur
Küste hin schon auf den ersten Metern verpasst. Das ist nun allerdings
nicht so ganz tragisch: bei der guten Übersicht haben wir ja das Meer
direkt vor Augen und müssen nun halt etwas querfeldein zur Küste zurück.
Dabei stoßen wir unterwegs auf einen schattigen Hain, der uns verlockend
zu einer längeren Mittagsrast einlädt. Sollen wir – oder besser doch
nicht? Ein erneuter Blick auf die Wegbeschreibung gibt den Ausschlag:
1 ½ Stunden bis zur Kirche bzw. bis zum Restaurant – das schaffen wir
auch noch nach einer ausgiebigen Rast! Und nebenan liegt das azurblaue
Meer – wenn das mal keine Einladung zum Schwimmen ist!
Gut, der Pausenbeschluss ist schnell einstimmig gefasst – jetzt fehlen
uns dafür noch einige kühle Getränke. Flobö und Martin erklären sich
bereit, nochmals zurück nach Agia Roumeli zu gehen; weit ist es ja nicht.
Mit einem Tragebeutel ziehen sie los und kehren kurz darauf schwerbeladen
zurück. In Agia nahmen sie sich trotzdem Zeit für einen Preisvergleich
– und stellten dabei erstaunliche Unterschiede fest.
Dann aber hält uns nichts mehr vom Wasser zurück! Bis auf Marianne –
aber die übernimmt dafür die Videodokumentation. Das kristallklare Wasser
ist dann auch wirklich so warm, dass die verschiedenen Schreie beim
Eintauchen in die Fluten eher symbolischen Charakter haben. Unangenehmer
sind da schon die großen, mit Algen und Moos überzogenen Felsen, über
die man ins tiefe Wasser hineinwaten muss. Die beiden Florians schwimmen
noch um einen Felsvorsprung herum und finden dort einen schönen, vorspringenden
Felsen, von dem aus man gut ins Meer springen kann.
Anschließend liegen wir im Schatten und genießen die unverhoffte und
eigentlich nicht eingeplante Siesta. Hier zeigt sich nun auch ein großer
Unterschied zu Touren mit einer größeren Gruppe: bei vier Leuten kann
man schnell mal in völliger Übereinstimmung von seinen Plänen abweichen.
Auf der anderen Bachseite lagert ein anderes Pärchen; wir werden es
später noch einmal an der Kirche wiedersehen.
Die Sonne steht schon bedenklich tief, als wir uns doch endlich auf
die Socken machen. Es ist genau vier Uhr, und schon auf den ersten Metern
erleben wir die Übereinstimmung mit der Wegbeschreibung: der ausgetretene
Weg ist so staubig, dass die Füße tief einsinken und man bei jedem Schritt
leicht bergauf immer wieder ein Stück zurückrutscht. Hinzu kommt, dass
sich der grauweiße, puderförmige Staub gnadenlos überall an den Füßen
absetzt: in jeder Ritze unserer Trekking-Schuhe, auf den Socken und
auf den nackten Unterschenkeln. Mit jedem Schritt wirbeln wir kleine
Wolken um unsere Füße auf. Wir können nur hoffen, dass das nicht die
gesamte Strecke über so geht! Denn dieses Vorwärtskommen ist äußerst
anstrengend; als ob man durch Tiefschnee laufen würde.
Entschädigt werden wir dafür aber durch die grandiose Aussicht. Die
Küste in der spätnachmittäglichen Sonne bietet klare, leuchtende Farben.
Dadurch kommen wir an einige schöne Fotos und Videoaufnahmen. Im Schatten
eines großen Felsens legen wir nach einer Stunde Fußmarsch eine kurze
Zwischenrast ein; dabei begegnen uns Engländer, mit denen wir natürlich
auch schnell ins Gespräch kommen. Und die sehen wirklich fertig aus!
Von Loutro aus sind sie heute Morgen gestartet; an der Kirche haben
sie eine längere Mittagsrast gemacht. Jawohl – dort sei geöffnet und
es gäbe zu Essen und Trinken. Gute Nachricht, denken wir! Die schlechte
Nachricht: ab der Kirche ist die Gruppe nun schon wieder über eineinhalb
Stunden unterwegs – und wir dachten, wir würden es in knapp einer halben
Stunde erreichen. Uns dämmert, dass wir mit unserem Gepäck dafür vielleicht
noch etwas länger brauchen werden. Stimmt die Routenbeschreibung denn
so schlecht mit der Wirklichkeit überein? Wir sind ab Agia Roumeli doch
auch schon eine Stunde mindestens unterwegs?
Zu unserem Glück stimmt die Routenbeschreibung doch! Unsere Wanderkollegen
waren wohl nach dem langen Marsch schon so erschöpft, dass der Küstenweg
ihnen doch arge Schwierigkeiten bereitet hat. Unser einziges Hindernis
auf den letzten paar hundert Metern stellen wir uns dann nur noch sozusagen
selbst in den Weg: weil es sich am Kiesstrand besser laufen lässt als
auf dem teilweise immer noch recht staubigen E4 Weg (die gelbschwarzen
Stangen samt Beschilderung sind ab Agia Roumeli unsere treuen Begleiter
gewesen) wollen die beiden Florian lieber weiter am Meer entlanglaufen,
als sich der Weg plötzlich weit nach oben schwingt. Marianne und Martin
folgen dagegen lieber den Wegzeichen. Zuerst geht es zwischen den großen
Uferfelsen auch ganz gut voran; dann aber drängt sich das Meer zunehmend
zwischen die Felsen und bringt unsere beiden Florians in arge Bedrängnis.
Schließlich müssen sie doch noch hinauf zum Wanderweg; dazu jetzt erst
richtig steil bergauf über loses Geröll. Anschließend sind sie um eine
Lernerfahrung reicher!
„Ja, von jetzt ab sehen wir natürlich schon Agios Pavlos vor uns liegen;
aber uns interessiert jetzt mehr die Kneipe dort. Der Weg ist jetzt
einfacher; durch Zypressen- und Kieferbestände, lässt sich leichter
laufen, wenn`s auch immer wieder leicht bergauf und bergab geht. Aber
es ist halt nicht mehr so rutschig. Ja und dann die letzten Meter: Flobe
kann`s nicht abwarten, rennt vor und hat schon die erste Flasche am
Hals, als wir ankommen.“
Wir anderen folgen gemächlicher; einen steilen, sandigen Abhang hinunter
zum Strand, wo wir noch vor der Kirche auf das nun schon langersehnte
Lokal treffen. Ein großer Hund kommt uns schwanzwedelnd entgegen.
Das Lokal scheint fest in deutscher Hand zu sein. Ein Paar, etwa in
M&M`s Alter, ist wohl schon seit dem Nachmittag hier und hat es sich
mit Büchern auf der Veranda bequem gemacht. Klar, dass wir auch mit
ihnen schnell ins Gespräch kommen. Als Trekking-Wanderer in einer unbekannten
Gegend unterwegs heißt auch: immer alle Informationsmöglichkeiten über
die weitere Strecke nutzen. Die beiden Deutschen kommen uns sozusagen
auf unserer Route entgegen. Sie scheinen im Wandern noch etwas extremer
zu sein als wir. Später kommt noch ein junges Pärchen dazu; die sind
aber eher wortkarg; nun gut, jeder, wie er will. Weiter am Strand entlang
sieht man ein rotes Kuppelzelt; wir denken erst, es gehöre zu einem
der deutschen Paare; später stellt sich heraus, dass das noch ganz andere
Leute sein müssen.
Auf jeden Fall kommt man hier ganz gut unter! Wir jedenfalls sind froh
über diesen – für unsere Verhältnisse doch sehr bequemen – Übernachtungsplatz.
Die Frage des eigentlichen Lagerplatzes ist schnell geklärt: die beiden
Florians wollen dem Beispiel der älteren Deutschen folgen: mit zwei
Liegestühlen direkt am Strand schlafen. Marianne und Martin setzen auf
das bewährte Innenzelt des Salewa. Ihnen ist noch die letzte Nacht mit
den Mücken in Erinnerung. Sie wollen es hinter der kleinen Kirche (die
wir – eigentlich zu Unrecht – bislang völlig links liegen gelassen haben)
im Schutze eines Felsen aufstellen.
Dann haben wir aber inzwischen einen so großen Hunger bekommen, dass
wir vorweg schon mal bei der Chefin des Hauses (einer jungen Maid in
adrettem T-Shirt) für alle griechischen Salat bestellen. Und dieser
Bauernsalat ist wirklich hervorragend! Hier schmecken Gurken noch nach
Gurken und Tomaten nach Tomaten. Das weitere Dressing ist einfach: jede
Menge Olivenöl! Natürlich mischen auch noch eine Menge Zwiebeln und
Gewürze mit; dazu einige schwarze Oliven – gekrönt wird das Ganze durch
je zwei Scheiben Fetakäse. Wirklich hervorragend!!
Dazu gibt es Brot, um das Olivenöl aufzutunken – und bei keinem bleibt
auch nur ein Krümelchen bzw. Tröpfchen Öl auf dem Teller übrig! Natürlich
soll dazu der passende Wein nicht fehlen – ½ Liter kann man bestellen.
Geliefert werden zwei kleine Weißweinfläschchen – beim Öffnen denkt
Martin unwillkürlich an die Farbenabteilung des OBI-Baumarktes: der
Wein (es muss sich wohl um den für Kreta berühmten Retsina handeln)
riecht nach Pinselverdünnung und schmeckt leider auch so ähnlich. Das
ist nun wirklich nicht unser Weingeschmack! Da bleiben wir besser bei
dem bewährten „Mythos“!
Die Chefin erkundigt sich bei uns, ob wir jetzt noch etwas haben wollen
– danach schließt sie das Lokal ab und geht mit ihrem Mann hinunter
zum Wasser. Dort machen die beiden ein offenes Boot klar und fahren
ein Stück hinaus auf`s offene Meer; vermutlich, um den Fisch für den
heutigen Abend zu fangen. Nun, frischer geht es wirklich nicht.
Eine große Katze hat scheinbar nur auf diesen Moment gewartet! Kaum
sind die beiden Fischer draußen auf dem Meer, klettert sie an der Holztür
hoch und springt oben durch einen offenen Spalt hinein in die Küche.
Was dort passiert, können wir nur ahnen! Jedenfalls ist die Katze rechtzeitig
wieder draußen, ehe das Boot zurück ist. Die beiden Jungs wollen nun
gleich dableiben und weitere Gerichte bestellen; M&M möchten doch lieber
am Zelt kochen. Unterwegs überlegen sie sich das dann aber doch noch
und verzichten auch auf diese zusätzliche Arbeit; zumal man dafür auch
sämtliche Topfutensilien auspacken müsste – irgendwie ist man nach dem
umfangreichen Salat auch schon ziemlich satt.
Da sie die Zeit auf der Veranda doch ziemlich vertrödelt haben, müssen
sie ihr Zelt schon bei einbrechender Dunkelheit hochziehen; hier geht
das mit der Dämmerung wirklich ziemlich fix! Der Zeltaufbau ist aber
kein Problem – gerade dieses Zelt haben die beiden schon unzählige Male
irgendwo aufgebaut. Die Rucksäcke bleiben vor dem Eingang draußen stehen
– man muss nur höllisch aufpassen, dass kein Sand ins Zeltinnere kommt!
Leider stellen sie dann bei der ersten Liegeprobe auch fest, dass sich
der an und für sich so weich aussehende Sand hart wie Beton anfühlt.
Das regelt sich im Laufe der Nacht aber wohl von allein, denn am nächsten
Morgen gibt es über den Untergrund keine Klagen. Außerdem immer noch
besser als spitze Steine!
Inzwischen ist ihnen auch eingefallen, dass die Jungs ja gar nicht genug
Geld für`s Restaurant haben! Und holen können sie es auch nicht, weil
sie gar nicht wissen, wo sie in der Dunkelheit denn nach dem Zelt suchen
sollten. Also kramen M&M ihre Lampen hervor und machen sich noch einmal
auf den Weg zur jetzt schon von einigen nackten Glühlampen malerisch
beleuchteten Restaurant-Veranda. Diesmal wählen sie den Weg direkt am
Strand entlang; zwar ein Umweg, wegen der vielen Felsen weiter oben
aber weitaus sicherer. Und jetzt kommt auch erstmals Martins neue Leuchtdioden-Stirnlampe
zum Einsatz: wirklich wesentlich heller als der Glühwurm von Mariannes
Mini-Maglite!
Am Tisch ist gerade serviert worden: es gibt Fritten und Kotletts; wir
legen für das gesamte Essen gerade mal 7200 Drachmen hin. Für den nächsten
Tag kaufen wir schon mal 3 große 2-Liter-Flaschen Wasser – die werden
wir auf der morgigen Etappe sicher brauchen! Wein wäre auch schön gewesen
– nicht aber dieser Retsina!! Da bleiben wir dann doch lieber bei klarem
Wasser. Vielleicht aber auch angesichts der zu erwartenden Steigung
keine schlechte Entscheidung.
Danach ziehen sich die beiden wieder ins Zelt zurück – das Alter fordert
seinen Tribut! Es ist eine schöne Nacht, direkt am Meer – das Rauschen
der Wellen wiegt uns schnell in den wohlverdienten Schlaf.
Die beiden Jungen machen es sich nach ihrem abendlichen Kneipenbummel
direkt am Strand in zwei Liegestühlen bequem – für beide sicher der
bislang kürzeste Heimweg ihres Lebens nach einem Besuch in einer Pinte!
Dienstag, 9.10., 4. Tag
Vor 7 Uhr haben wir bereits den ersten Kaffee getrunken; Frühstück wird
es nicht geben, da wir nichts mehr dabei haben. Der Himmel über uns
ist bereits wieder strahlendblau, obwohl von der Sonne, zumindest hier
am Strand – zum Glück – noch nichts zu sehen ist! An der linken Bergflanke
wird es aber schon bedenklich hell! Wir wissen aus der Wegbeschreibung,
dass heute ein anstrengendes Stück vor uns liegt: 800 Höhenmeter an
einer steil aufragenden Felswand hoch – und das wollen wir mit unserem
Gepäck möglichst lange im Schatten erledigen.
Unser Ziel heute heißt Anopolis; hoch oben im Gebirge gelegen. Unterwegs
müsste noch das kleine Örtchen Agios Johannis am Wege liegen (Kafenion?
Restaurant?) Vor dem Zeltabbau gönnen wir uns noch einen zweiten Morgenkaffee.
Die Jungen haben es mit dem Packen einfach: Schlafsack von der Liege
zusammenrollen und im Rucksack verstauen: fertig! Sicher eine außergewöhnliche
Art, am Strand zu schlafen. Beim Zeltabbau ist das schon schwieriger:
man muß höllisch aufpassen, dass nicht der allgegenwärtige Sand mit
ins Gepäck gelangt.
Die zwei jungen Deutschen, die ihr Zelt wohl oberhalb von uns im Wald
aufgestellt haben, gehen zum Steg hinunter und nehmen ein erfrischendes
Bad im Adams- (bzw. Evakostüm) im Meer. Marianne und Martin hatten sich
das zwar auch vorgenommen, verzichten angesichts der morgendlichen Frische
dann doch darauf. Nach dem Packen statten wir der Paulus-Kirche dann
noch einen kurzen Pflichtbesuch ab – viel zu sehen gibt`s da allerdings
nicht. Schon um 8:45 Uhr sind wir wieder auf dem E4 unterwegs! Um uns
herum liegt immer noch alles im Schatten. Ab jetzt befinden wir uns
im Wettlauf mit der hinter der abschirmenden Felsschulter direkt vor
uns immer höher steigenden Sonne. Ein ungleicher Wettkampf, den wir
natürlich nicht gewinnen können – wohl aber können wir den Zeitpunkt,
zu dem uns die Sonne erreichen wird, etwas hinauszögern: die Felswand
rückt schnell näher; und damit braucht die Sonne natürlich auch noch
ein wenig länger, um uns beim Aufstieg zu erwischen.
„Nach der Kapelle wieder über die steilen Dünen hinauf auf den oben
verlaufenden Weg. Im Kiefernwald geht es auf gleicher Höhe Richtung
Osten. 30 Minuten nach der Agios-Pavlos-Kirche zweigt ein Weg halb links
nach Agios Johannis ab; der E4 geht geradeaus weiter. Ein paar Minuten
später neben dem Weg eine große Zisterne.“
Nun, wir haben uns ja schon im Vorfeld für die obere Wegvariante entschieden.
Nach Loutro, dem nächsten Ziel auf dem eigentlichen E4-Trail, werden
wir uns später noch von Osten her nähern. Und zur Zisterne müssen wir
auch nicht, da wir ja gestern genug Trinkwasser kaufen konnten.
Wir können jetzt auch gleich mal abchecken, wie sich die Wegzeitangaben
im Reiseführer mit unserem echten Lauftempo decken. Sowohl in Norwegen
als auch in Umbrien haben wir damit ja unsere ganz eigenen Erfahrungen
machen müssen! Im Prinzip haben wir dort fast immer die doppelte Zeit
gebraucht als in den Beschreibungen angegeben. Der Weg verläuft angenehm
flach; auf dem Waldboden lässt es sich auch bequem gehen; wirklich ein
angenehmer Wanderweg! Die Sicht reicht nun schon weit zurück auf die
bereits sonnenbeschienene Küste bei Agia Roumeli.
Und siehe da: die Abzweigung erreichen wir exakt nach 25 Minuten – also
schneller als angegeben! Das lässt uns für die weitere Strecke hoffen!
Dann die nächste Eintragung im elektronischen Logbuch: „So, es ist jetzt
Viertel nach zehn; wir sind bereits auf 307 m Höhe angekommen. Eine
erste Pause war bei 136 Metern; in den letzten 30 Minuten sind wir 170
Meter angestiegen!“
„Es ist kurz vor halb zwölf; wir sind inzwischen auf über 500 Metern.
Wunderbarer Ausblick von der sogenannten „gepflasterten Straße“ die
wir inzwischen erreicht haben runter in die Bucht von Agia Roumeli.
Beide Schiffe sind von oben zu sehen; auch unsere gesamte gestrige Wanderstrecke.“
Zuvor hatten wir noch eine ganz außergewöhnliche Begegnung! Es kamen
uns zwei ältere Herren entgegen; von weitem sah einer aus wie ein Seeräuber;
der andere erinnerte uns an Franco. Natürlich kamen wir miteinander
ins Gespräch; zuerst mal auf englisch. Dann stellte sich heraus: es
sind Italiener! Leute, die normalerweise Expeditionstouren leiten, und
diesmal außergewöhnlicherweise allein entlang der gesamten Südküste
unterwegs sind, da nahezu die gesamte vorgesehene Reisegruppe wegen
der Vorfälle am 11. September die schon gebuchte Reise storniert hatten.
Wir reden lange mit ihnen, tauschen e-mail-Adressen aus und bekommen
sogar einen Prospekt von ihnen über ihre angebotenen Aktivitäten. Und
schau an: unsere bisherigen E1-Aktivitäten in Umbrien haben sie ebenfalls
im Programm! Die Welt ist doch klein.
„Steil schlängelt sich der Weg in Kehren nach oben. Steineichen und
Zypressen mischen sich in die Vegetation, Felswände rücken näher, der
Blick hinunter wird immer tiefer. Agia Roumeli liegt bereits weit unten,
eng an den Felsen gedrückt vor dem blauen Meer. Nachdem wir etwas mehr
als eine Stunde gestiegen sind, wird der Weg breiter, altes Steinpflaster
kommt zum Vorschein, es ist erstaunlich gut erhalten.“
Und so war es dann auch! Der Weg wurde wirklich sehr steil und serpentinig
– und erstmals auch in die Sonne hinein. Nach einer letzten Rast im
Schatten tauchen über uns auf den Felsen Zäune auf – sollte das vielleicht
schon das Ende des Anstiegs sein? Unsere Schätzungen reichen von 575
bis 680 Gesamthöhenmetern. Hoffentlich gewinnt der erste!
Nach wenigen Minuten wissen wir es genau: alle Schätzungen lagen zum
Glück noch weit zu hoch! Bereits bei 540 Metern erreichen wir eine Bodenschwelle
und stehen plötzlich auf einem weitgestreckten Hochplateau.
Leider sind wir damit auch der typischen „kretischen Gipfeltäuschung“
erlegen! Eigentlich dumm von uns, dass wir alle Warnhinweise ignorieren
und uns am gelungenen Aufstieg erfreuen. Schon in der Routenbeschreibung
hätte uns der harmlose Satz „leicht ansteigend, unter Kiefern- und Zypressenbeständen
geht es weiter vorbei an der Kapelle der Panagia bis zur Schule (jetzt
Kafenion) des Dorfes Agios Johannis am östlichen Ortsende“ stutzig machen
müssen. Vermutlich haben wir uns mehr auf den Teil mit der angekündigten
Kneipe konzentriert... Daß wir aber zusätzlich die eigentlich viel zu
geringe Höhe auf unserem Höhenmesser einfach vernachlässigen, liegt
wohl daran, dass wir uns angesichts der erreichten Bodenschwelle eine
Art selbsterfüllende Prophezeiung geschaffen haben. Was soll jetzt noch
großartig an Steigung kommen?
Nach einer kurzen Pause geht es jetzt auf einem recht flachen Weg zwischen
niedrigen Steinmäuerchen hindurch; alles gut rot-weiß markiert. Dann
aber sehen wir am Hang, weit weg und sehr hoch über uns gelegen etwas,
dass uns an unser weißes Großzelt „Nepal Vario“ erinnert. Uns dämmert,
dass es sich dabei wohl um eine Kirche handeln muß – das wird doch nicht
etwa die angekündigte Kapelle der Panagia sein??
Der immer mehr ansteigende Weg spricht dazu eine deutliche Sprache.
Wir resignieren und folgen fluchend dem Pfad. Die Sonne brennt inzwischen
wirklich unangenehm heiß auf uns herab; die Rucksackgurte drücken; wir
schwitzen arg unter unserer Last. Unterwegs kommen uns zwei leicht bekleidete
Touris entgegen; den Fotoapparat locker am Riemen tragend. Nur noch
eine gute halbe Stunde, machen sie uns auf englisch Mut!
Von wegen! Der ansteigende Weg zieht sich endlos dahin; Bienen summen
um uns herum und die Zunge klebt immer mehr am Gaumen. Vor uns tauchen
langsam Visionen von eiskalten Mythos-Flaschen auf; schön mit Tropfen,
die außen am Glas herunterrinnen. Na ja, das Ziel ist erkannt! Kafenion
– wir kommen!
Natürlich wollen wir nicht als Kulturbanausen an der einzigen Sehenswürdigkeit
der Gegend achtlos vorbeigehen. Unterhalb der Kapelle lassen wir die
Rucksäcke zurück und steigen die letzten Meter ohne Gepäck hinauf. Und
im Gegensatz zu Agios Pavlos gefällt uns diese Kapelle recht gut!
Leider ist innen eine Menge von den früher sicher sehr schönen Wandgemälden
abgeblättert; die Kapelle scheint auch mehr eine Art Ruheraum für Hirten
zu sein (versteckt finden wir eine Menge an halbvollen Wein- und Schnapsflaschen,
an denen wir uns in Hinblick auf die bevorstehenden Genüsse im Kafenion
aber nicht vergreifen). Stattdessen zünden wir zwei Kerzen an. Flobe
kommt dabei noch auf die gute Idee, ein wenig von dem bereitliegenden
Weihrauch zu entzünden, um die heimelige Atmosphäre noch zusätzlich
mit wohlriechenden Gerüchen zu verschönern. Leider lässt sich das einmal
entzündete Material nicht mehr richtig löschen – und ehe wir Tischdecken
und andere Ausstattungsgegenstände der Kapelle abfackeln, entschließt
er sich, das Zeug auf der Steinschwelle mit dem Fuß zu löschen. Diese
Schwelle ist nun allerdings im gleichen strahlenden Weiß gestrichen
wie die gesamten Außenwände der Kapelle – und Florian findet schnell
heraus (Learning by doing!), dass glimmender Weihrauch beim Löschen
eine extreme Schwarzfärbung makellos weißer Flächen verursacht! Nach
einigen mahnenden Worten der anderen reicht es dann zeitlich noch für
eines der seltenen Gruppenfotos.
Jetzt drängt es uns aber auch gewaltig! Schnell sind wir wieder bei
unseren Rucksäcken (laut Höhenmesser haben die auf inzwischen über 700
Metern geduldig auf uns gewartet) und machen uns an die letzten Meter
hinauf zum Dorf. Es geht vorbei an der eigentlichen Dorfkirche und dann
taucht vor uns auf einer Anhöhe ein schon von weitem sichtbarer Coca
Cola Kühlschrank auf. Ein Leuchten breitet sich auf unseren erschöpften
Zügen aus! Je nach Alter und damit verbundenen Restkondition streben
wir in unterschiedlichem Tempo die letzten Meter dem Kafenion entgegen.
„Wir freuen uns tierisch, als endlich vor uns – man kann`s eigentlich
gar nicht anders beschreiben, welche Freude aufkommt, als von weitem
ein Coca Cola Automat zu sehen ist. Also das war eine Erleichterung!
Wir strömen auf das Ding zu, die beiden Florians vorne weg; da fährt
gerade ein Pickup ab, es scheint Verständigungsprobleme zu geben – als
wir hinkommen, ruft Florian von oben, ob wir wohl auch Fisch essen würden?“
Na ja, warum nicht! Das Meer ist ja nicht weit; dann gibt`s zum Mittagessen
heute halt frischen Seefisch. Als wir dann näher kommen, die Enttäuschung
des Tages: der Schuppen hat zu! Niemand weiß, wann der Besitzer zurückkommt
– das ist aber nicht das Schlimmste! Der Automat stellt eine einzige
Provokation dar! Wohlgefüllt mit Wasser, Cola und Bier; dazu gut gekühlt,
steht er vor uns und lacht uns höhnisch an – denn an seinen Inhalt kommen
wir nicht ran: eine mehrfach um den ganzen Apparat gewundene Eisenkette
mit einem soliden Ziffern-Vorhängeschloß versperrt uns den Zugang zu
den ersehnten Getränken! Wir überlegen kurz, wie lange es dauern könnte,
ein Schloß mit drei Ziffern zu knacken....
Auf den Bänken neben dem Automat lassen wir uns an einem wackligen Tisch
nieder und kramen aus unseren Rucksäcken heraus, was man so gegen ein
Uhr nun als Frühstück auftischen könnte. Wir entscheiden uns für eine
Aldi-Cervelatwurst, eine Dose Thunfisch und leckeren Tomatenfisch aus
der Dose; in Ermangelung von Brot halt pur zu genießen. (Das Bild spiegelt
die Freude wieder) Es kommen immer wieder Leute vorbei, die sich ebenfalls
nicht auskennen – Einheimische treffen wir nicht! Und leider verdichtet
sich immer mehr die Gewißheit, dass wir zumindest bis Aradhena, vielleicht
sogar bis Anopolis weiterlaufen müssen, ehe wir neues Trinkwasser bekommen
können. Dann findet Marianne aber nebenan einen Friedhof samt zugehörigem
Wasserkran. Hmm, woher kommt dieses Wasser? Grundwasser oder Wasserleitung
– das ist hier die Frage!
So stehen wir vor dem Wasserkran und haben Durst! Und dieser Durst ist
dann doch größer als etwaige Bedenken! Wir trösten uns mit dem Gedanken,
dass wir das Wasser ja abkochen können! Zumindest können wir ja erst
einmal ein richtiges Mittagessen kochen – Wurst und Dosenfisch haben
uns eher noch hungriger werden lassen. Schnell ist die Entscheidung
getroffen: die „Rollini ai pesto“ werden in Kürze auf dem Speiseplan
stehen.
Als alle Kochutensilien ausgepackt sind, bahnt sich leider auch schon
neues Unheil an: unser Gasbrenner (alte Bauart, für Stechkartuschen
geeignet), macht Mucken! Das dürfte nun weiß Gott eigentlich nicht sein!
Wir kennen nichts an Brennern, was leichter zu bedienen wäre und funktionssicherer
ist. Und dennoch: heute kommt nur ein zaghaftes, blaues Flämmchen aus
dem Brenner. Das kann nur bedeuten, dass die kretischen Gaskartuschen
kein vernünftiges Butan-Propan-Gemisch enthalten. Nun, wir müssen uns
damit abfinden. Notfalls können wir ab morgen immer noch auf den Benziner
wechseln, den wir aus Gewichtsgründen bei Andreas in Hora Sfakion am
Supermarkt zurückgelassen haben.
So ziehen wir uns zum Kochen in den Windschutz des Kafenion-Einganges
zurück und warten mehr oder weniger geduldig darauf, dass der Brenner
die zwei Liter Friedhofswasser zum Kochen bringt. Das tut er aber nicht;
also schütten wir die Instantnudeln schon vorab ins heiße Wasser – ein
Fehler, wie sich kurz darauf herausstellt. So gut die deutsche Chemie
auch die Fertignahrung konzipiert hat – die Tüten sind wohl wirklich
nur für kochendes Wasser geeignet! Wir lassen die Nudeln zwar mehr als
die doppelte Zeit im heißen Wasser quellen – Konsistenz und Geschmack
überzeugen dann beim Essen aber keinen so richtig( Auch dies zeigt das
Foto recht deutlich....). Bis auf Martin sind sich alle darin einig,
dass dieses Nudelgericht nicht mehr auf der Speisekarte weiterer Touren
auftauchen sollte. Dies scheint nicht unser Tag zu sein! Erst später
wird Marianne eine Visitenkarte wiederfinden, die wir von unseren italienischen
Gesprächspartnern bekommen haben – und darauf werden wir eine Skizze
und den Namen eines Agriturismo finden; gerade mal fünfhundert Meter
entfernt, der für uns in dieser Situation das Paradies gewesen wäre:
Essen & Trinken, dazu, wenn wir es wünschen würden, eine Übernachtung
in einem einfachen Zimmer für umgerechnet acht Mark!
So bleibt es bei einem letzten Videoschwenk über den für uns unerreichbaren
kühlen Inhalt des Colaautomaten; Marianne spült das Kochgeschirr auf
dem Friedhof und danach schultern wir wieder unsere Rucksäcke. Die Nudeln
liegen uns wie Blei im Magen!
„An der ehemaligen Schule beginnt die neue Asphaltstraße. Der alte,
teilweise kopfsteingepflasterte Weg nach Aradhena verläuft parallel
rechts unterhalb der Straße. Es ist aber bequemer, auf der Straße zu
laufen, auf der wir nach einer Stunde Aradhena (4,8 Km) erreichen. Das
Dorf, das an der Stelle des antiken Araden liegt, ist halb verlassen
und wirkt selbst schon wieder antik. Von der einstigen Bedeutung zeugt
die Kirche des Erzengels Michael, ein kreuzförmiger Kuppelbau aus antiken
Steinen mit Fresken."
Über eine neu erbaute Eisenbrücke führt der von Agios Johannis kommende
Fahrweg direkt an Aradhena vorbei bis nach Anopolis (nochmals 3,5 Km
Fahrweg). Von der Brücke eröffnet sich uns ein prachtvoller Blick in
die Schlucht hinein.“
Ganz ehrlich gesagt: der kreuzförmige Kuppelbau und der schöne Ausblick
sind uns momentan ziemlich egal! Was zählt, sind die 4,8 + 3,5 Kilometer
bis Anopolis! Also über acht Kilometer auf der Teerstraße; dazu bei
drückender Hitze und mit direkter Sonneneinstrahlung.
Nun, jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. So machen wir uns auf;
nebeneinander laufend und uns mit Gesprächen über die kommende Anstrengung
hinwegtröstend. Aber: zwei Hoffnungsschimmer gibt es dann doch! Eine
Teerstraße bedeutet Verkehr – wenn vielleicht auch nur spärlich – aber
immerhin. Und das könnte im günstigsten Fall eine Mitfahrgelegenheit
und damit Verkürzung der Wanderstrecke bedeuten. Und noch wichtiger
ist die Information, dass es an der Eisenbrücke einen geöffneten Kiosk
geben soll!
Und so laufen wir die Straße entlang; langsam bergab über verschiedene
Kehren. Die Gespräche werden einsilbiger; die Themen konzentrieren sich
immer mehr auf Pickups und geöffnete Kioske. Und dann wendet sich tatsächlich
das Blatt, als wir etwa zwei Drittel der Strecke zurückgelegt haben!!
Von hinten nähert sich ein Motorengeräusch und ein Pickup biegt um die
Kurve, die wir soeben noch durchschritten haben. Wir geben mit dem Daumen
eindeutig unseren Mitfahrwunsch zu erkennen – und der Wagen hält tatsächlich!
Zu unserer Enttäuschung befindet sich auf der Ladefläche schon ein großer
Wassertank sowie zwei riesige Hunde, die uns mit ihren Sabbermäulern
angrinsen. So wollen wir vom Fahrer nur wissen, ob es unten an der Brücke
tatsächlich einen Kiosk gibt – das klappt aber mit der Verständigung
nicht so leicht, da er kein englisch versteht und wir mit unseren wenigen
Wörtern griechisch in dieser Situation am Ende sind.
Der Fahrer beendet die Diskussion indem er lakonisch auf die beiden
Jungen und die Ladefläche zeigt und mit weiteren Gesten Marianne und
Martin ins Führerhaus einlädt. Also gut! Besser schlecht gefahren als
gut gelaufen! Blitzschnell sind die beiden Jungen oben; die vier Rucksäcke
folgen und Marianne und Martin quetschen sich zum netten Fahrer ins
enge Führerhaus. Im Rückspiegel können sie beobachten, wie sich hinten
Menschen samt Rucksäcken und Hunde den restlichen Platz rund um den
Wassertank brüderlich teilen.
Die folgende Verständigung vorne im Führerhaus ist natürlich ziemlich
einsilbig, da es keine gemeinsame Sprache gibt. So erklären wir mit
Gesten und Ortsnamen, dass wir zur Brücke wollen. Der Fahrer nickt verstehend.
Und so lässt es sich natürlich leichter durch Kreta reisen! Aber Anstrengungen
und Entbehrungen haben wir heute wahrlich schon genug auf uns nehmen
müssen, da sei uns diese Fahrt gegönnt! Und außerdem müssen wir von
der Brücke ja noch einige Kilometer weiter bis zum Tagesziel. Nach wenigen
Minuten sind wir auch schon am Zwischenziel: die Brücke ist wirklich
eindrucksvoll – vor allem, weil sie ziemlich zerbrechlich wirkt! Es
ist eine Eisenträgerbrücke, auf der als Fahrbahn nur lose Holzbohlen
aufliegen – durch die Zwischenräume der Bohlen kann man einen schwindelerregenden
Blick hinunter in die Aradhena-Schlucht werfen.
Uns interessiert nun aber mehr der tatsächlich geöffnete Kiosk. Klar,
dass wir unseren Fahrer zu einem Bier einladen. Marianne stellt an den
übereinstimmenden Ringen fest, dass die junge Bedienung im Kiosk wohl
die Frau des Fahrers sein muß. Und da so ein kleines Bierdöschen (natürlich
Mythos) nach einem so heißen Tag ziemlich schnell geleert ist, gönnen
wir uns noch eine zweite Ration.
Zwischendurch halten schon mal andere Fahrzeuge hier kurz an und lassen
Leute aussteigen – das muß hier so eine Art Verkehrsknotenpunkt zwischen
den Dörfern sein! Und auf fast jedem Wagen (denn es sind überwiegend
verbeulte Pickups) befinden sich Hunde. So kommt in uns die Hoffnung
auf, dass wir auch für die letzten Kilometer heute noch eine weitere
Mitfahrgelegenheit finden werden.
So gegen 17 Uhr machen wir uns bei inzwischen schon tiefstehender Sonne
zu Fuß auf über die Brücke in Richtung Anopolis. Nach einigen hundert
Metern hat man einen schönen Ausblick zurück auf die das enge Tal überspannende
Brücke und weit hinein in die Schlucht in Richtung Meer. Wenn alles
gut geht, werden wir diese Schlucht noch in den nächsten Tagen durchwandern.
Danach müssen wir uns entscheiden, ob wir die letzten Kilometer den
im Reiseführer beschriebenen Weg (dem alten Fußweg von Aradhena nach
Anopolis) anvertrauen oder doch lieber auf der kleinen Teerstraße bleiben
wollen. Leider sind seit unserem Aufbruch keine Fahrzeuge mehr in unserer
Fahrtrichtung vorbeigekommen, wir geben die Hoffnung aber nicht auf
und bleiben so auf der Straße.
Es geht an Olivenhainen und eingezäunten Schafsweiden vorbei; zunächst
ansteigend, dann doch glücklicherweise sanft abfallend in Richtung Anopolis.
Dieses Örtchen können wir zwar noch nicht sehen, es muß aber vor uns
irgendwo in der weiten Hochebene liegen. Und die Glückssträhne reißt
tatsächlich heute nicht mehr ab! Wieder nähert sich von hinten ein Pickup
und hält auch sofort. Da schon zwei Leute vorne sitzen, müssen wir diesmal
alle hinten auf die Ladefläche. Hier warten natürlich schon die obligatorischen
Hunde auf uns! Martin muß sich noch arg sputen, dass er über die hintere
Ladefläche auf den bereits anfahrenden Wagen hinaufkommt.
Aber immer noch besser als mit dem inzwischen doch recht schwer gewordenen
Rucksack zu laufen! Der Fahrtwind pfeift uns um die Ohren und wir nähern
uns zügig dem Ort Anopolis. Er ist weit auseinandergezogen; mehrere
Kilometer sind wir bereits an einzelnen Häusern links und rechts der
Straße entlanggefahren, ehe unser Wagen abbremst und auf den einzigen
Dorfplatz einbiegt. Passenderweise hält er direkt vor einem Kafenion,
zu dem wohl auch eine Herberge gehört.
Mit der Wirtin der Herberge werden wir schnell einig: schon haben wir
für die Nacht ein Drei-Bett-Zimmer gebucht. Einer muß dabei leider auf
dem Boden auf der Iso-Matte schlafen; Martin übernimmt dies für diese
erste Nacht. In der Herberge scheint allerhand los zu sein; insbesondere
viele Wanderer haben sich hier niedergelassen.
Nach der Einrichtung des Zimmers und einer lauwarmen, aber dennoch sehr
willkommenen und erfrischenden Dusche geht es hinunter in die Kneipe
zu einem ersten Umtrunk. Florian bestellt sich dazu einen Schokoriegel,
Marke „Milka Nussini“, der von uns aber schnell in „Madenbütterchen“
umgetauft wird, da er neben den normalen Zutaten aus Schokolade auch
schon eine Menge an tierischem Eiweiß enthält. Man sollte halt immer
genau auf das aufgedruckte Verfallsdatum achten.....!
Nach den ersten Getränken erfasst uns nun natürlich mit Macht der Hunger!
Auf der Suche nach einem zweiten Lokal schlendern wir durch den abendlichen
Ort und kommen ins Gespräch mit einem älteren französischen Ehepaar.
Wir diskutieren dabei auf französisch über Gott und die Welt; insbesondere
über die aktuelle Lage in Afghanistan. Nur ein vernünftiges Restaurant
finden wir bei diesem nächtlichen Bummel leider nicht. So lenken wir
unsere Schritte wieder zurück zur heimatlichen Herberge, um dort unser
Glück zu versuchen. Und hier werden wir tatsächlich fündig!
Die Wirtin eröffnet uns leider, dass nicht allzu viel im Angebot sei.
Wir bekommen zwei verschiedene Salate hingestellt; zum einen den schon
gut bekannten griechischen Bauernsalat (wenn auch mal wieder in einer
etwas anderen Form); dazu einen Blumenkohl-Möhrensalat; mit saurer Geschmacksrichtung
angemacht und zusammen mit einer Schale Tzaziki zu genießen. Danach
kommt ein großes Schweineschnitzel von ehemaligen Anopolis-Schweinen;
dazu Bratkartoffeln. Beim Wein müssen wir uns entscheiden zwischen zwei
einheimischen Sorten; da wir uns nicht schlüssig sind, trägt die freundliche
Wirtin kurzerhand beide Sorten auf. Beide sind wohlschmeckend und stammen
direkt aus dem Dorf; die Geschmacksrichtung ist aber völlig unterschiedlich.
So kann jeder nach eigenem Gusto in den lauen Abend hineinfeiern. Und
bei den sicher mindestens 14 Prozenten der Weine geht das natürlich
ziemlich schnell. Die Stimmung steigt unaufhaltsam, erhält dann noch
einen letzten Kick durch einen Ouzo als Absacker, bis wir uns gegen
11 Uhr dann doch die steile Treppen zu unserem Zimmer hinaufbegeben.
Für Martins Isomatte ist schon beim Zimmerbezug dadurch Platz geschaffen
worden, dass die drei Betten etwas enger zusammengerückt wurden. Leider
hat das Zimmer kein echtes Fenster; das einzige Licht fällt durch die
große Glasschiebetür herein. Die müssen wir zwar schließen; auf ein
Herunterlassen der Rolladenlamellen verzichten wir aber, um uns nicht
völlig eingesperrt zu fühlen. Andererseits muß man halt auch den Preis
dagegenhalten: umgerechnet etwa 12 DM je Person – wahrlich kein Grund
zur Klage.
So verbringen wir eine geruhsame Nacht, trocken (was aber egal ist,
da es draußen sowieso nicht regnet), warm und vor allem ohne Mücken
(was durchaus in Anbetracht der vorletzten Nacht auf der Burg von Vorteil
ist).
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