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Mittwoch, 10.10., 5. Tag
Heute ist also Mittwoch, der – ja wievielte eigentlich? – egal, draußen
wird es ab sechs Uhr ziemlich laut, weil sich die anderen Wanderer in
der Herberge schon fertig machen. Danach wird es erst mal ein bisschen
leiser auf dem Flur, bis wir um halb acht dann auch so richtig wach
werden. Der Blick aus dem „Fenster“ zeigt herrliches Sonnenwetter.
Mit Duschen ist es nicht mehr so ganz gut, weil das Wasser inzwischen
schon recht kalt ist und gerade noch zum Haare waschen taugt. Unten
im Kafenion bestellen wir uns ein Frühstück: Omelett; dazu Honig aus
Anopolis. Weil das mit der Vorbereitung noch ein wenig dauert, machen
wir erst einmal einen Spaziergang durch das Dorf.
Anopolis bei Sonnenschein sieht doch gleich wesentlich freundlicher
aus! Zwischen den kleinen Häusern verschwinden überall hin kleine Gassen;
wir folgen ihnen und begutachten die kleinen Gärtchen hinter den Häusern.
Überall wird Viehzeug gehalten; meist Hühner, die im Sand herumscharren.
Aha, das sind unsere Omelett-Lieferanten, sehr schön!
Zurück auf der Piazza drehen wir eine Runde um das Kriegerdenkmal herum.
Es zeigt den kretischen Widerstandskämpfer Dhaskalogiannis, der sich
seinerzeit mit den Türken erbittert angelegt hat.
Etwas am Rande der Piazza gelegen, entdecken wir noch eine große Übersichtskarte
über Westkreta. Hier können wir eine Menge an brauchbaren Informationen
entdecken (daher auch ein besonderes Bild für spätere Nachforschungen
oder weitere Planungen). Leider macht uns die Karte auch ziemlich deutlich,
wie klein doch der Ausschnitt von Kreta ist, den wir auf dieser Fahrt
zu Fuß erkunden können. Aber wir sind uns eigentlich schon zu diesem
Zeitpunkt sicher, dass wir irgendwann mal hierher zurückkehren werden,
um weitere Routen per pedes zu erforschen.
Dann lockt uns aber doch der Hunger! Ein Blick hinüber zu unserem Kafenion
zeigt, dass bereits alles für uns draußen gedeckt ist. Wir lassen uns
also nicht lange bitten und nehmen Platz. Wir genießen das Frühstück
in der warmen Morgensonne; zum Omelett gibt es frischen Kaffee – nach
den Aldi-Tütchen doch eine willkommene Abwechslung. Flobö lässt es sich
nicht nehmen, mit dem einheimischen Honig ein kleines Kunstwerk auf
sein Brot zu zaubern...
Danach geht es wieder hoch ins Zimmer zum Packen. Nun, mit einem einzigen
Rucksack hat man dabei nicht allzu viel Probleme. Dann zahlen wir unten
in der Wirtsstube; gerade mal 32500 Drachmen für alles; verabschieden
uns von unserer netten Wirtin und bekommen von ihr sozusagen als Wegzehrung
zwei Beutel mit unterschiedlichen Weintrauben – passend zu unserer gestrigen
Weinprobe.
Und schon sind wir wieder unter der kretischen Sonne unterwegs: Schlucht
Nr. 2 erwartet uns heute – die „Anopolis-Schlucht“. Erfreulicherweise
wieder einmal in Abwärtsrichtung zu laufen. Es ist der alte, ehemalige
Verbindungsweg von Anopolis nach Hora Sfakion. Am Ortsausgang kommen
uns zwei junge deutsche Mädchen entgegen, die uns nach dem Weg zur Aradhena-Schlucht
fragen.
„In Anopolis wandert man auf der Hauptstraße Richtung Hora Sfakion.
In der Rechtskurve unterhalb des Sendemastes geht es links in einem
Einschnitt einen geröllhaltigen Pfad abwärts (Markierung durch Steinmännchen).
Nach kurzer Zeit trifft man auf eine Pumpstation und dann auf eine Schotterstraße.
Auf dieser links zu einem langen, grau gedeckten Stall.“
Diese Beschreibung ist echt Dummler-würdig! Rechts, links, abwärts –
so weit, so gut! Wir folgen also der langen Ausfallstraße aus Anopolis
hinaus und kommen in eine erste 90-Grad-Rechtskurve. Die liegt aber
noch nicht unterhalb des Sendemasten. Den sehen wir deutlich vor uns;
allerdings aber noch ein gutes Stück entfernt. Also die nächste lange
Gerade unter die Beine genommen. Ohne es jetzt schon zu ahnen, kommen
wir an dem Hotel vorbei, in dem wir wenige Nächte später schlafen werden.
Dann sind wir unterhalb des Mastes – die Straße macht aber hier eine
Linkskurve(!) – also noch weiter. Dann sind wir aus Anapolis völlig
heraus – nur noch offenes Land liegt vor uns – mit vielen Links- und
Rechtskurven auf der Straße. Leider zweigt hier nirgendwo ein erkennbarer
Weg ab.
Deutsche Urlauber, die uns mit dem Wagen entgegen kommen, versuchen
uns mit ihrer Wegbeschreibung weiterzuhelfen. Auch sie beschreibt den
Einstieg in die Anopolis-Schlucht. Wir sind zumindest sicher: an diesem
Einstieg müssen wir auf jeden Fall bereits vorbei sein!
An zwei Kneipen fragen wir nacheinander an, wo denn wohl der Einstieg
in die Anopolis-Schlucht wäre. Wir bekommen auch ausgiebig (und unverständlich)
Antwort – wichtiger sind die eindeutigen Handzeichen, die uns nun weiterhelfen.
Wir queren ein privates Grundstück und folgen einem zugewachsenen Pfad
– unser letzter Führer steht noch vor seinem Haus und winkt uns ermutigend
weiter. Nun gut; der Weg endet an einem Zaun. Der ist schnell überklettert
und wir wandern nun querfeldein über leichte Blockfelder eine Rinne
empor. Geröllhaltig – so hieß es in der Beschreibung – stimmt! Abwärts
– stimmt im Moment nicht.
Aber die Einheimischen müssen es ja wissen! Und sie haben natürlich
recht! Als wir in einem sanften Sattel die höchste Stelle der Rinne
erreichen, öffnet sich uns ein weiter Blick hinunter ins Tal. Sogar
das Meer kann man von hier oben erkennen.
Wichtiger aber ist die deutlich erkennbare Topografie der vor uns liegenden
Schlucht. Das muß sie sein! Und siehe da – was glänzt von tief unten
herauf? Das ist eindeutig ein langgestreckter Viehstall mit einem ebenso
eindeutig grauen Dach gedeckt – na also, so blöd waren wir dann doch
nicht!
Sogar das Pumphäuschen ist von hier oben gut zu erkennen. Aus der Schotterstraße
ist zwar inzwischen eine Teerstraße geworden (die unseren weiteren Wanderweg
auch mehrmals zerschneidet); die grobe Richtung ist nun aber gut zu
erkennen.
Vorsichtig tasten wir uns mit den abwärtsdrückenden Rucksäcken den steinigen
Weg hinunter; gelegentlich ist noch die alte Verbindungsstraße mit ihren
Serpentinen zu erahnen.
Im kargen Schatten des Pumphäuschens – dem ersten Schatten seit längerer
Zeit – machen wir natürlich Rast. Es ist ein hartes Licht, dass die
Sonne auf uns herabwirft – der Hang über uns gleißt grell in der Sonne.
Zeit für einige Vitamintabletten, mit denen wir unsere Wasservorräte
etwas schmackhafter machen. Dazu gibt es einen Mittagsimbiß, bestehend
aus Käse, Salami und Wurst, natürlich auch noch ein Schlückchen Wein.
Wir beobachten die Gegend ringsum und sehen dann zwei schwitzende Damen
aus der Schlucht emporsteigen. Als sie uns erreichen, fragen wir zur
Sicherheit nochmals nach: jawohl – wir sind auf dem richtigen Weg! Die
beiden sind vor zweieinhalb Stunden unten in Hora Sfakion gestartet
und geben uns einen Bericht über die zu erwartenden Schwierigkeiten
auf der vor uns liegenden Strecke. Und hierin sind sich alle bisherigen
Berichte und sogar der Reiseführer einig:
„An einer zweiten Pumpstation endet der Fahrweg und geht in einen
schmalen Pfad über (Steinmännchen), der in eine Schlucht mündet. Er
führt zuerst am westlichen (rechten), dann am östlichen Rand und später
auf dem Grund der Schlucht weiter. Einige leichte Kletterstellen sind
zu überwinden.“
So, so, leichte Kletterstellen! Die beiden Damen meinen, für uns wäre
das bergab aber kein Problem – wir sollten uns einfach auf dem Hosenboden
hinuntergleiten lassen!
Um 14 Uhr sind wir dann mitten in der Schlucht unterwegs. Die Routenbeschreibung
mit den beiden abwechselnden Wegseiten stimmt; jetzt sind wir auf dem
Schluchtboden angelangt. Und da kommen auch schon die ersten „Kletterstellen“.
Gut, dass unsere beiden Floriane schon groß sind! Jetzt können sie Marianne
und Martin immer wieder Hilfestellung geben; zumindest aber schon mal
die Rucksäcke hinunterreichen. Die „Stufen“ im Schluchtbett sind doch
tatsächlich teilweise mehr als mannshoch! Jetzt verstehen wir die Schwierigkeiten,
die unsere entgegenkommenden Wanderer hatten, um diese Stellen zu überwinden.
Die Steine sind zwar nicht schlüpfrig (da trocken), aber doch recht
glatt. Die Idee mit dem Hosenboden erweist sich tatsächlich als tauglich!
Man muß nur dafür Sorge tragen, dass man unten beim Aufkommen auf einem
festen Stein landet. Am Schluchtausgang nochmals eine kurze Rast; dabei
versuchen wir Ziegen mit unserem Brot zu füttern, sie zeigen sich aber
als recht scheu.
„Auf den Resten eines alten, gemauerten Maultierpfades geht es abwärts
in die Inlingias-Schlucht und auf der anderen Seite wieder leicht aufwärts,
bis man oberhalb auf eine Schotterstraße trifft.“
Unsere Anopolis-Schlucht öffnet sich jetzt und von links stößt eine
größere Schlucht zu uns – das muß die Inlingias-Schlucht sein. Und da
haben wir ja auch schon die Überreste des angekündigten Pfades. Unten
kreuzen wir das querlaufende Schluchtbett und suchen den Anstieg – der
ist aber durch einen frischen Steinschlag verschüttet. Mühsam bahnen
wir uns einen eigenen Weg hoch.
„Auf der Schotterstraße nach links, leicht aufwärts bis hin zur nächsten
Gabelung. Hier läuft man nun rechts abwärts und biegt in der folgenden
Linkskurve rechts auf den alten Maultierpfad ein, der direkt nach Hora
Sfakion hinunterführt und an der Asphaltstraße endet. Von hier leiten
rechts Betonstufen zum alten Hafen.“
Gut, dass wir nicht auf einige Deutsche gehört haben, die wir oberhalb
der Inlingias-Schlucht trafen und die hier in der Gegend schon seit
Jahren Ferien machen. Die hätten uns prompt auf einen falschen Weg geschickt.
Und so stehen wir nun glücklich am Beginn der Betonstufen und wissen
wiederum nicht, dass wir in wenigen Minuten hier unser Nachtquartier
im ersten Haus finden werden. Wir sind uns allerdings einig: wir haben
nicht allzu viel an Kilometern an diesem Tag geschafft – dafür hat der
Weg uns geschafft ! Es werden wohl so an die zehn mannshohe, teilweise
auch schon doppelt so hohe Schwellen im Schluchtbett gewesen sein. Junge,
was muß es da bei der Schneeschmelze abgehen! Jetzt können wir uns auch
vorstellen, warum manche Schluchten erst ab Mai begehbar sind.
Und noch ein Nachtrag: am Ortsausgang von Anopolis haben wir an der
Wand eines Schuppens einen Spruch entdeckt, der uns als Motto für diese
Fahrt gut gefallen würde:
„Every day in every way we get better and better!
Und dazu passt noch der alte Spruch von Kreta 1994, damals gefunden
am Heck eines alten Pickup:
„The best never rest!“
Vorbei an einigen riesigen „Bougainvillea-Büschen (die heißen wirklich
so und befinden sich jetzt als Ableger, allerdings gekauft bei Aldi,
bei Marianne und Martin im Garten), an deren Farbenpracht sich Marianne
kaum satt sehen kann, geht es durch die Gassen von Hora Sfakion – uns
inzwischen fast schon vertraut – natürlich geradewegs zu Andreas und
einem wundervoll schmeckenden kühlen „Mythos“ (na ja, es waren wohl
eher gleich zwei....)
Auf die Frage, ob er nicht irgendwo eine ruhige Pension kennen würde,
hat Andreas schnell die richtige Antwort – 10.000 Drachmen für ein Dreibettzimmer
(diesmal ist Flobö turnusmäßig der Glückliche auf dem Fußboden....)
– ob das o.k. wäre? Klar, besser als wieder hoch zur Burg laufen. Und
die kennen wir ja nun auch schon.
Zehn Minuten später fährt – na was wohl? Klar, ein großer Pickup vor
und Martin und Flobe verstauen eilig die vier großen Rucksäcke und machen
sich mit dem Fahrer – der natürlich wiederum kein Wort deutsch oder
englisch versteht – durch das Straßengewirr immer höher hinauf in Hora
Sfakion. Groß ist die Überraschung, als der Wagen am Haus direkt oben
neben der gerade noch begangenen Betontreppe hält!
Die beiden laden alles aus und bringen die Rucksäcke schon mal ins recht
saubere Zimmer; danach gehen sie hinunter über die altvertrauten Wege
zum Hafen und holen Marianne und Flobö ab. Wir beraten kurz, ob wir
nun auf den Benzinbrenner umsteigen sollen – in Anbetracht der Tatsache,
dass die dazu notwendige Auffüllung der Benzinflasche nur an der weit
oberhalb von Hora Sfakion gelegenen Tankstelle möglich wäre, setzen
wir weiter auf den Gasbrenner.
Leider kein ganz glücklicher Entschluß – das Kochen unserer Linsensuppe
auf dem Balkon vor unserem Zimmer ist recht langwierig – es kommt einfach
keine rechte Hitze aus dem Apparat! Allerdings ist die Kartusche auch
ziemlich am Ende. Mal sehen, ob wir morgen bei Andreas was neues bekommen
können. Dafür können wir aber einen schönen Sonnenuntergang entlang
der Südküste beobachten. Nach dem Essen ziehen sich M&M schon mal zur
wohlverdienten Ruhe ins Zimmer zurück; die beiden Jungen sind noch nicht
richtig müde und machen sich „auf in die Kneipen“ von Hora Sfakion.
Und an denen mangelt es hier natürlich in keiner Weise! Der eine oder
andere Ouzo wechselt dabei – ihren Erzählungen nach - am Hafen seinen
Besitzer...
Donnerstag, 11.10., 6. Tag
Wieder ein strahlender Morgenanfang auf Kreta! Flobö hat es heute sehr
eilig – noch vor dem obligatorischen Kaffee verlässt er unser heimeliges
Zimmer und spurtet hinunter ins Dorf, um dort eine 1½ -Liter-Flasche
Mineralwasser zu erstehen. Flobe berichtet derweilen von den nächtlichen
Erlebnissen am Hafen.
Ansonsten fängt der Tag langsam und gemütlich an. In Ruhe und ausgiebig
wird geduscht; das Wasser ist noch einigermaßen temperiert – bei den
Außentemperaturen braucht man aber auch keine ganz heiße Dusche.
Dann mehrere Kaffees, aus den Thermobechern auf unserem Balkon genossen;
dazu Martins erste Frühstückszigarre. Dann machen wir uns ans Zusammenpacken
der Ausrüstung und entrichten unten im Garten bei der Wirtin unseren
Obolus im Austausch für unsere Ausweise.
Dann geht es die inzwischen schon altvertrauten Treppchen hinunter ins
Zentrum; dort statten wir dem kleinen Supermarkt einen ausgiebigen Besuch
ab und besorgen die notwendigen Nudeln für das Abendessen. Dazu soviel
an Getränken, wie wir tragen können.
Denn nun steht eine Strecke auf dem E4 an, entlang der Küste, die wir
in zwei Tagen bewältigen wollen. Und direkt daran anschließen soll sich
– nach unseren inzwischen recht festen Planungen – der Aufstieg durch
die Aradhena-Schlucht. Danach werden wir das jetzige Zielgebiet verlassen
und hinüber in die Gegend von Frangokastello wechseln. Heute heißt das
erst einmal, die Ausfallstraße hinaus in Richtung Anopolis nehmen –
und das bedeutet zunächst einmal eine starke Steigung. In einer der
Serpentinen geht es dann ab auf den E4; Richtung Sweetwater-Bay. Die
letzte gestrige Gruppe hat uns den Mund auf Sweetwater-Bay wässrig gemacht
– dort wollen wir eventuell heute abend direkt am Strand übernachten.
Der Grund liegt auf der Hand: „Sweetwater“ bedeutet frische Trinkwasserquellen,
die dort unmittelbar am Strand entspringen sollen. Und das bedeutet
für uns Wassersicherheit für den Abend und damit verbunden ein geringeres
Marschgepäck bis dahin.
Für die nächsten beiden Tage haben wir zumindest noch einmal in Loutro
Gelegenheit zum Nachkaufen von Lebensmitteln; wir brauchen also nur
Dinge für heute bzw. morgen früh. Beim Bäcker nebenan erstehen wir Brot
für`s Frühstück und gefüllte Schafskäse-Blätterteigtaschen; noch warm
(und nicht ganz billig)
Damit ziehen wir uns zurück zum Hafen, wo wir uns – noch schön im Schatten
gelegen – zum Frühstück niederlassen. Den beiden Jungen scheint es heute
nicht so richtig zu schmecken – auch die Getränkewahl zum Frühstück
deutet auf die etwas längere Nacht hin. Wir sitzen und beobachten die
Scharen der Touristen, die wie scheinbar an jedem Tag jetzt das 10:30
Uhr-Boot stürmen; vermutlich unterwegs zur Samaria-Schlucht. Wir können
von unserem schattigen Plätzchen auch sehr schön die ansteigende Straße
verfolgen, bereits in gnadenloser Sonneneinstrahlung liegend.
Wegen dieser wenig ermutigenden Ansicht lassen wir uns mit dem Frühstück
doch recht viel Zeit. Erst nach 11 Uhr beginnen wir mit den eigentlichen
Marschvorbereitungen. Und die bestehen in erster Linie aus dem Einreiben
mit Sonnenschutzmitteln mit starkem Lichtschutzfaktor. Stundenlang werden
wir jetzt ohne Schatten auskommen müssen.
Flobö ist froh, dass die Sonne ihn an diesem Tag vor allem von der linken
Seite bräunen wird (seine rechte Seite ist bereits etwas angegriffen).
Im Supermarkt dann ein letztes Getränkefassen: jeder nimmt 1½ Liter
Trinkwasser mit; je 1½ Liter Wein wird zusätzlich von jeweils 2 Leuten
in die Trinkwasserflaschen umgefüllt. So ausgerüstet geht es gegen halb
zwölf dann endlich los – eigentlich schon zu spät bei dieser Hitze!
Immer wieder kommen uns auf der Straße Grüppchen von Leuten entgegen
und grüßen freundlich; wir dagegen schleppen und mit unserem doch arg
schwer drückenden Gepäck kontinuierlich den Hang weiter hoch. Der erste
Taleinschnitt ist es dann dummerweise auch nicht; erst im zweiten Tal
stoßen wir auf den Ausgang der Inlingias-Schlucht (samt ziemlich leerstehendem
Hotel unten am Strand). Von hier aus ist es jetzt nur noch ein kleines
Stück – und dann geht es in einer Kehre geradeaus weiter auf den E4.
Hier macht sich gerade eine schweizer Wandergruppe fertig; wir lassen
sie vorziehen. Der Weg ist weit einsichtbar; und auch teilweise ziemlich
ausgesetzt! Trotzdem eine atemberaubende Kulisse! Links erstreckt sich
azurblau das Meer; rechts steigen die Felsen auf.
„Anschließend von der Straße nach Anopolis etwas mühsam über Felsplatten,
tiefen Kies und einem schön ausgebauten Weg das Steilufer 200 m hinunter.
An einigen Stellen ist der Weg in die Felsen hineingeschlagen.“
Der Weg hat es wirklich in sich! Aber auch ständig aussichtsreich. Wir
bleiben immer wieder stehen und genießen die Aussicht. Kurz vor Erreichen
der Sweetwater-Bay dann noch ein kleines Stückchen Kletterei über Blockfelder
(aber zum Glück nicht mit den norwegischen Blockfeldern zu vergleichen!),
und dann haben wir den Strand direkt vor uns. Als erstes springen einem
aber förmlich die vielen Nackten ins Auge, die sich hier tummeln! Nun
gut, warm genug ist`s ja dafür – und uns stört es nicht. Ein alter Mann,
um die achtzig, braunledrig von der Sonne gebrannt, fällt uns deswegen
besonders auf, weil er als Schutz gegen die Sonne einen Fahrradhelm
trägt.
Nach den letzten Felsen, unter deren Schatten sich überall Badelustige
aufhalten oder ihre Laken ausgebreitet haben, erreichen wir dann den
eigentlichen Strand. Wir haben ihn uns ein wenig anders vorgestellt;
aber wir nehmen ihn auch so hin, wie er sich uns jetzt präsentiert:
eine langgezogene Bucht; unterhalb eines gigantischen Berghanges – davor
ein ca. 30 m breiter Streifen aus Kieseln.
In regelmäßigen Abständen haben sich auch hier Nackte zum Sonnenbad
niedergelassen. Wir tun also gut daran, uns ebenfalls möglichst schnell
an einem freien Plätzchen unserer Kleider zu entledigen. Die beiden
Jungen sind etwas prüde und behalten die Hosen an; Marianne und Martin
passen sich schneller dem hier herrschenden Trend an. Klar, dass wir
danach als erstes zum Wasser hinuntergehen und ein erfrischendes Bad
nehmen. Und das ist bei diesen Lufttemperaturen erfrischend! Hilfreich
erweisen sich dabei die Teva-Sandalen – nicht nur beim Überqueren des
steinigen Strandes, sondern auch, weil sie einen durch die integrierten
Shock-Pads mit ihrem Luftpolster beim Schwimmen (besser gesagt: dümpeln)
auf dem Rücken gut über Wasser halten.
Martin lässt sich überreden, direkt vom Wasser aus Bilder zu machen
(weil er naturgemäß am besten über Wasser bleibt.....). Danach bauen
wir das Salewa-Innenzelt auf – stellen es aber schräg mit den Wanderstöcken
und erhalten so einen kleinen schattigen Platz. Ziegen stellen sich
bald darauf auch ein und inspizieren die Angelegenheit (oder wollen
sie eher Marianne begutachten, die sich hier nahtlos bräunen lässt?)
Also, mit dem Schatten hapert es hier am Strand natürlich ein wenig.
Das hochgestellte Salewa bietet gerade mal Schutz für ein bis zwei Personen
(je nachdem, wie klein man sich hinter dem Zeltboden macht); die Jungen
haben mit ihrem Rondane sogar unüberwindbare Schwierigkeiten – das bekommt
man einfach nicht hochkant gestellt!
Nach einiger Zeit trollen sie sich, gefolgt von Martin, dann zur Bar
am Ende des Strandes; hier gibt es kühle Getränke und auch ein kleines
Häppchen zu essen. Während Martin bald wieder mit einer kalten Limo
zu Marianne zurückkehrt, bleiben die Jungen an der Bar hängen. Marianne
und Martin nutzen dafür die Gunst der Stunde zu mehreren ausgiebigen
Schwimmanlässen.
Dabei beobachten sie Erstaunliches: auf einer Art „Liege“, aus zusammengetragenen
Felsbrocken und Kieselsteinen errichtet, beginnt einer der beiden Alten
eine meditative Yogaübung in der prallen Sonne; d.h., ausgestreckt,
Kopf nach unten, beide Beine wie eine Kerze in die Höhe gestreckt, das
Ganze etliche Minuten in der prallen Hitze (seine Badematte als Unterlage
muß sich der Mann vorher wiederholen, da Flobö sie als Badeboot zweckentfremdet
hat). Der zweite Mann macht das noch perfekter: er zieht sich eine Folie
wie eine Art Sack über den Körper und sitzt dort in seiner privaten
Sauna ebenfalls für viele Minuten völlig still und zufrieden. Für uns
bei diesen Temperaturen unvorstellbar!
So vergeht der Tag mit süßem Nichtstun. Nach geraumer Zeit kehren auch
die beiden Jungen zurück und wagen sich ebenfalls ins kühle Naß. Schön
ist es, dass man nach einem Bad im warmen Meerwasser direkt zu einer
der vielen Süßwasserquellen gehen kann, um sich dort ausgiebig das Salz
abzuduschen. Dafür stehen an den Quellen Eimer bereit. So kann man sich
das erfrischende Wasser direkt über den Körper schütten. Damit die Quellen
nicht verschmutzt werden, sind grobe Segeltuschplanen drübergelegt.
Nach und nach sinkt die Sonne im Westen tiefer. Gegen fünf Uhr setzt
rings um uns herum eine allgemeine Aufbruchstimmung ein. Die Nackedeis
kleiden sich an; Liegematten und Eßkörbe werden zusammengepackt und
allmählich setzen sich die Leute in Richtung Bar in Bewegung. Und dies
hat seinen guten Grund!
Vom dortigen Anleger aus starten nun nach und nach Boote in Richtung
Hora Sfakion oder Loutro. Für unsere Mitgäste war das also nur ein Tagesausflug
zu einem – zugegebenermaßen – schönen Strand. Zurück bleiben nur wir
und unsere beiden Eremiten. Der eine oder andere Wanderer taucht in
der folgenden Stunde noch kurz auf; nimmt eventuell ein kurzes Bad und
verschwindet dann wieder in den Felsen der anderen Strandseite.
Gegen 19 Uhr sind wir dann mit den Eremiten ganz allein. Und siehe da:
jetzt kommen wir mit ihnen problemlos ins Gespräch! Es sind zwei ehemalige
Piloten der griechischen Luftwaffe; beide über 80 Jahre alt. Sie verbringen
hier den Sommer; ab Mai, allein am Strand. Sie haben sich dafür die
oben offenen Hütten gebaut – jeder sein eigenes Haus – und ernähren
sich ausschließlich vom hier sprudelnden Süßwasser und frischen Nüssen,
die sie in Hora Sfakion kaufen. Sie sprechen gut englisch und versichern
uns, dass wir das Wasser gefahrlos trinken können.
Danach ziehen sie sich schon bald in ihre Refugien zurück. Ab und zu
sieht man noch ihre Köpfe über den niedrigen Steinmäuerchen auftauchen
– danach haben sie sich wohl zur Ruhe begeben.
Als die Sonne über uns die letzten Felsen aufleuchten lässt, ziehen
auch wir uns wieder etwas mehr an und treffen die Vorbereitungen für
die Nacht am Strand. Marianne und Martin nutzen dafür das Innenzelt
des Salewa – bei geöffneten Mückennetzen können sie so einen Teil des
Sternenhimmels genießen. Die Jungen verzichten ganz auf einen Zeltaufbau:
Boden und Innenzelt als Unterlage bilden sozusagen das Bett; darauf
liegen die Isomatten; ein wenig geschützt gegen die Steine. Im Licht
der untergehenden Sonne sitzen wir dann unter der majestätischen Felswand
und beginnen mit den Vorbereitungen für das Abendessen. „Nudelpfanne“
steht heute auf dem Speiseplan; wir sind inzwischen – außer den beiden
Eremiten, etwa 15 Meter von uns entfernt – ganz allein. Jetzt warten
wir darauf, was aus unserer Nudelpfanne wird – vielleicht wäre es doch
besser gewesen, den Benzinbrenner mitzunehmen? Aber vielleicht sind
die neu erworbenen Gaskartuschen ja auch besser – wir werden sehen!
Und hier einige wörtliche Sequenzen aus unserem elektronischen Reisetagebuch:
„Nachtrag. Florian Beste hat inzwischen ein Mini-Haus gebaut, mit Vorgarten
und einem gepflasterten Eingang und zwei wunderbaren, dorischen Säulen
links und rechts vom Eingang. Mal gucken, ob wir das bei diesem Licht
noch drauf kriegen auf`s Foto.“
„Noch ein Nachtrag zu Donnerstagabend: eigentlich sind es nur Hiobsnachrichten!
Als erstes brach Florians dorischer Tempel kurz nach dem Fotografieren
zusammen – man meinte, es hätte in Afghanistan sein können! Und als
nächstes klappte es mit der Nudelpfanne natürlich nicht – der Brenner
tat sein Möglichstes – das war aber leider ein bisschen wenig. Die Konsistenz
der Nudeln ließ also sehr zu wünschen übrig. Dazu kam noch eine Einzentimeterschicht
(andere sagten: zwei) unten auf dem Boden, der angebrannt war. Eine
gute Nachricht gibt`s aber auch noch: nach dem Weggang der Touristen
haben wir freie Möglichkeiten zum Toilettengang....“
Freitag, 12.10., 7. Tag
Und jetzt ist schon Freitagmorgen – wir stehen in der aufgegangenen
Sonne und haben einige Fototermine hinter uns. Martin hat versucht,
mit Ministativ und Drahtauslöser den Zauber der aufgehenden Sonne auf
Dias zu bannen – vielleicht ist es ja sogar was geworden. Besser als
viele Fotos ist es natürlich, diese Momente live mitzuerleben, wenn
sich die erste Dämmerung zeigt und der Himmel sich im Westen zu färben
beginnt. Und es ist schon en beeindruckender Moment, wenn sich die Sonne
dann tatsächlich hinter den Felsrücken emporschiebt und urplötzlich
alles in blendendes Frühlicht taucht. Etwas, was man weder mit Worten
noch mit Bildern richtig erfassen kann – schön, wenn man es – so wie
wir heute morgen – fast schon andächtig bei einem ersten dampfenden
Kaffeebecher – miterleben kann! Für solche Momente lohnen alle vorausgegangenen
Strapazen! Halb acht war Sonnenaufgang – um acht Uhr sitzen wir bereits
beim Frühstück zusammen.
Es gibt noch 14 Scheiben Brot – so viel konnten wir noch aus unserem
Leib schneiden; dazu eine dem Ort angepasste „Feinschmecker-Platte“
und ein kleines Leberwürstchen; beide weitgereist aus dem Esloher Aldi.
Was haben vorher alle geschrien – von wegen Separatorenfleisch usw.
Jetzt aber schmeckt es allen prächtig!
Wir sind nun ganz allein am Strand; unsere beiden Eremiten haben sich
schon bei Sonnenaufgang – ganz manierlich gekleidet und kaum wiederzuerkennen
– mit Rucksäcken auf den Weg nach Hora Sfakion gemacht. Marianne versucht
sich als Diskuswerferin: sie wirft von weitem eine Rolle Toilettenpapier
in unser Innenzelt und vergisst dabei, dass dort unser Gasbrenner aus
Windschutzgründen aufgebaut ist. Zum Glück ist sie nicht besonders zielsicher.
So bleibt dem Salewa das Schicksal der Abfackelung erspart!
Um halb neun lassen wir unsere Hüllen fallen (teils ganz, teilweise
immer noch ein wenig schamhaft verhüllt) und stürzen uns erneut ins
warme Mittelmeer. Und das ist, wie schon gestern, ein echter Genuß!
Das Wasser ist angenehm warm; wir paddeln träge herum und beobachten,
wie sich die Sonnenstrahlen immer weiter in die Felswand über uns vortasten.
Danach machen wir uns in aller Ruhe ans Abbauen und Zusammenpacken –
viel ist es ja heute nicht.
Als einige Frühwanderer in die Bucht kommen, kleiden wir uns auch wieder
züchtig an (bei diesem Wetter sind natürlich kurze Sachen angesagt)
und machen uns gegen 10 Uhr auf den Weiterweg nach Westen. Die uns begegnenden
Wanderer sind teilweise recht stur; einige nehmen die Bucht überhaupt
nicht wahr und stapfen verbissen von einem zum anderen Ende durch.
Der erste Anstieg des Tages ist zwar nicht besonders schwierig, aber
doch recht steil; der Weg führt hoch hinauf über den kleinen Fähranleger.
Wir geraten mit unserem Marschgepäck bald ins Schwitzen. Von oben dann
eine weite Aussicht hinauf auf`s Meer und eine noch etwas entfernt liegende
kleine Kirche , schneeweiß vor dem blauen Hintergrund. Es ist die „Agios
Stavros Kapelle“ und unser erstes heutiges Etappenziel.
„Nach dem Aufstieg vom Kiesstrand geht es über eine Halbinsel mit
der Agios-Stavros-Kapelle. Von dort wieder hinunter zu einem Kiesstrand,
wieder hinauf und in etwa 60 Meter Höhe Richtung Westen. Über eine Felsnase
hinunter zum ersten kleinen Haus von Loutro.“
Aber soweit sind wir noch nicht. Bei der Kapelle angekommen machen wir
eine längere Pause; die Kapelle selbst ist recht schlicht. Die vielen
Bänke ringsum zeigen aber, dass hier ab und zu wohl mal ein größeres
Fest gefeiert wird.
Nachdem wir den Innenraum erkundet haben – viel gibt es allerdings da
nicht zu sehen, lassen wir uns draußen auf den Stufen im Schatten nieder
und genießen den weiten Blick hinaus auf`s offene Meer.
Diese Südküste scheint im Oktober von der Sonne verwöhnt zu werden!
Uns ist sie aber beinahe schon zu viel – jedenfalls halten wir uns gerne
im Schatten auf, wann immer sich dafür eine Möglichkeit ergibt. Marianne
nutzt diese Gelegenheit zu einem Gruppenfoto mit Kapelle.
Der Weiterweg führt dann , wie beschrieben, an der Küste entlang. Loutro
kann man schon von weitem sehen – wir ahnen, dass wir bis dahin noch
einige Zeit brauchen werden. Das ist aber kein Problem, denn die heutige
Tagesetappe soll uns nur bis zur Marmara-Bucht bringen. Von dort wollen
wir morgen dann in die Aradhena-Schlucht hochschwenken.
Trinkwasser haben wir für die nächsten Stunden auch reichlich; wir können
also in aller Ruhe den Weiterweg unter die Füße nehmen und gleichzeitig
die tolle Aussicht genießen. So gegen elf Uhr nähert sich dann Loutro
das Fährschiff, von Hora Sfakion kommend. Vor wenigen Tagen waren wir
dort noch an Bord. Jetzt erleben wir von der Landseite her, wie nacheinander
die beiden Anlegestellen angelaufen werden.
Loutro ist dann doch bald erreicht und wir fragen uns zu einem kleinen
Minimarkt durch, wo wir uns dankbar draußen vor der Kühltheke auf dem
Boden niederlassen. Die Stimmung ist – auch angesichts der kühlen und
erfrischenden Getränke – auf einem ersten Tageshoch
Den Markt nutzen wir dann auch für ein ausgiebiges Frühstück. Wir holen
für jeden zwei Brote; dazu Tomaten und Gurken; Schinken und Schafskäse.
Damit stellen wir uns neben dem Minimarkt leckere, belegte Paninis her
– Marianne und Martin müssen schon nach dem ersten Brot aufgeben und
packen sich den Rest für ein zweites Frühstück ein. Allerdings haben
auch etliche Ameisen von unseren aufgebauten Vorräten Wind bekommen;
wir müssen Käse, Schinken und Tomaten eiligst vom Boden hoch auf unsere
an der Hauswand lehnenden Rucksäcke umquartieren.
Danach geht es weiter nach Loutro hinein. Und dieses Loutro besteht
eigentlich nur aus Restaurants und Hotels! Alles ist in Privatbesitz
(und dementsprechend gekennzeichnet). Wir nutzen den einzigen Baum an
der Engstelle zwischen den beiden Ortsteilen als Rastplatz – hier scheint
so eine Art Niemandsland zu sein. Flobe träumt immer noch davon, hier
mal zu schnorcheln oder zu tauchen. Von hier aus löst sich auch ein
Rätsel auf, dass sich uns früh am Morgen stellte: wir sahen mehrmals
Boote mit Müllsäcken, die ihre Fracht nebenan in einer kleinen Bucht
abluden. Wir waren schon enttäuscht, wie die Loutraner hier anscheinend
ihr Müllproblem durch wildes Abkippen beseitigen würden. Aber siehe
da: jetzt kommt ein größeres Fährschiff und legt ebenfalls dort an –
und auf der Fähre steht ein ausgewachsener Müllwagen, der vom Schiff
anscheinend an der Küste entlanggefahren wird, um unterwegs den Müll
einzusammeln. Gute Idee von den Leuten!
Klar wird uns auch, warum hier alles im Prinzip mit Sackkarren gefahren
wird – Straßen führen aus Loutro nirgendwo hin! Marianne und Martin
entdecken auf ihrem Rundgang am Ende des Ortes zwar ein Hotel, vor dem
zwei Autos stehen – die können aber nur vom Hafen ein paar Meter hoch
zu diesem Hotel fahren – mehr ist auch für Allradfahrzeuge nicht drin.
Die Festung, die wir vor kurzem vom Schiff aus gesehen haben, ist nicht
mehr als eine Ruine – zum Übernachten hätte das hier nicht getaugt.
Dafür liegt sie auch zu nahe am Ort.
Im Ort selbst ist nichts los – wenn man vom gigantischen Angebot an
Tavernen, Restaurants und Hotels absieht, wo die Kellner geduldig auf
Kundschaft harren. Die Preise sind aber auch dementsprechend. Allerdings
ist das Nahrungsmittelangebot überwältigend – wenn man genügend Geld
hat, braucht man hier nur zugreifen! Moussaka, Fischgerichte, alles
in großen Mengen! Das Ganze ist aber nicht unbedingt unser Fall; zumal
wir gerade ja noch gefrühstückt haben. Auf einem Großbildschirm versuchen
wir einige Neuigkeiten über den Krieg zu bekommen – viel ist aber nicht
zu sehen. Wieder zurück bei den Jungen schreiben wir Postkarten und
beobachten vereinzelte Schwimmerinnen (dabei fällt uns unwillkürlich
der Spruch ein: „Werft den Wal zurück ins Meer“). Andere versuchen sich
in offenen Paddelbooten. Ob die mit ihrer Minimaltechnik weit kommen
werden?
Gegen drei Uhr kaufen wir für den Rest des Tages ein; die normale Ration
Trinkwasser; jeder 1 ½ Liter; dazu die entsprechende Menge an Rotwein.
Der Weiterweg gestaltet sich etwas schwierig. Wir verpassen den markierten
Einstieg und müssen quer durch eine Hotelanlage hindurch. Schweißtreibend
geht es hoch hinauf zur Burg; dort machen wir pflichtschuldig einen
Rundgang und einige Fotos; eine lange Kette Wanderer bringt uns dann
wieder zurück auf den E4. Vor hier aus geht es ein staubiges Wegstück
hoch hinauf; dort haben wir eine schöne Aussicht hinunter ins Nachbarörtchen.
An dem müssen wir aber ebenfalls oberhalb vorbeilaufen; immer den E4-Zeichen
folgend. Wir wissen aber aus dem Reiseführer, dass sich im nun folgenden
Örtchen „Nico`s“ Kneipe befindet, über dessen Terrasse sich der E4 hinwegschlängeln
soll. Hört sich gut an!! Und schon sind wir im Abstieg hinunter ins
zweite Dörfchen (eigentlich nur zwei, drei Häuser, an denen kräftig
gebaut wird).
Und tatsächlich – über die Terrasse! Da kann keiner widerstehen! Eine
Bilderbuch-Taverne, wie man sich das in Griechenland vorstellt; mit
Efeulaub überdeckt; gedeckte Tische – und sofort sitzen wir dran!
Marianne weist darauf hin, dass es wohl kein Efeu ist, sondern eher
Weinranken – das klingt aber genau so gut! Katzen gibt es hier in rauhen
Mengen – schwarze, getigerte, braune; dazu eine großer Kater, der argwöhnisch
die Gäste im Auge und sein Revier fest im Griff hat.
Der Baulärm der Maschinen stört zwar ein wenig; wir kommen mit Nico
ins Gespräch und er erklärt uns, dass er die ganze Terrasse vergrößern
muß, da sonst die Kapazitäten nicht mehr ausreichen würden.
Und der „Verkehr“ an Wanderern, die hier durchkommen, ist wirklich gewaltig.
Und wir sind der einhelligen Meinung, dass jeder Wanderer, der hier
einfach nur durchläuft, selber Schuld ist! Nach einem ersten Bier gelüstet
es den Jungen nach Essen; sie bestellen einen griechischen Salat, der
mit seinen dicken Käsescheiben und dem Öl samt Kräutern auch wirklich
sehr gut aussieht. Dazu wird frisches Brot gereicht – alles sehr lecker!
Marianne und Florian gönnen sich dazu noch einen Eiskaffee; danach geht
es so gestärkt an das letzte Stück der heutigen Etappe; zusätzlich versorgt
mit Nico`s Informationen über den richtigen Weiterweg.
Nach diesen Informationen soll es bis zur Marmara-Bucht nur noch eine
gute halbe Stunde sein; allerdings schwierig zu laufen. Nun gut, bei
unserem Tempo wird das vielleicht eine knappe Stunde werden. Auch der
Reiseführer spricht dazu eine deutliche Sprache:
„Von den Häusern geht es zuerst am flachen Strand entlang, dann einige
Felsstufen hinaufklettern und dann eine hundert Meter lange luftige
Querung am 50-m-Abbruch – dann haben wir das schwierigste Wegstück der
Tour hinter uns. Über einige Felsplatten, immer den Wegmarkierungen
folgend, geht es dann abwärts zur Marmara-Bucht.“
Und so kommt es dann auch! Vor dem Aufbruch können wir noch beobachten,
wie zwei Bauarbeiter nach und nach vier große Laster und eine Raupe
auf das große Fährschiff fahren, das hier bei Bedarf anscheinend anhält.
Unser Weg führt also erst am Strand entlang und klettert dann steil
aufwärts; teilweise müssen wir die Hände zu Hilfe nehmen. Über einen
Felsenbogen geht es dann auf die angekündigte „luftige Querung“.
Und bei dieser Querung sollte man wirklich beim Laufen nicht unbedingt
hinunter zum tief unter uns liegenden Meer schauen! Irgendwelche Sicherungsseile
oder dergleichen gibt es nicht. Wirklich gefährlich ist es zwar nicht
– man muß halt nur höllisch aufpassen, dass man nicht über einen Stein
stolpert und aus dem Gleichgewicht kommt...
Aber auch dieses Wegstück ist bald geschafft und oben geht es einfacher
weiter. Es ist eine Art Felsenterrasse, über die wir nun laufen; die
gelb-schwarzen Markierungsstangen immer in Sichtweite. Bald schon senkt
sich der Weg und vor uns taucht ein Taleinschnitt auf. Sollte das schon
die Marmara-Bucht sein?
Sie ist es! Die Sonne ist inzwischen schon hinter den Felswänden verschwunden
– und wir sind zuerst ein wenig enttäuscht von der Bucht. Wir sehen
beim Näherkommen, dass es nur ein winziges Stückchen Strand ist (verglichen
mit der weitläufigen Sweetwater Bay); am Gegenhang sind einige Hütten
und zumindest ein kleines Restaurant. Deutsche, die uns entgegenkommen,
bestätigen uns, dass es sich hier tatsächlich um die Marmara-Bucht handelt
und preisen ihre Schönheit.
Der Strand ist aber wirklich nichts Besonderes! Wir nehmen ein kleines
Plateau oberhalb der Bucht für uns in Beschlag um darauf zu nächtigen,
und machen uns dann auf hinunter zum Wasser, um ein erfrischendes Bad
zu nehmen. „No nudism“ steht auf einem Schild; ein Hinweis, den eine
junge Dame in den Felsen aber kalt lässt...
Wir dagegen schwimmen züchtig bekleidet und finden neben dem Strand
einige Felsenhöhlen, in die man gut hineinschwimmen kann. Dennoch –
so etwas würden wir nicht als schönen Strand bezeichnen! Danach geht
es wieder hinauf zum Lagerplatz; hier bauen wir unser Salewa auf; die
Jungen wollen auf den herumstehenden Campingliegen nächtigen. Eine Nachfrage
bei den Leuten der Taverne ergibt, dass dagegen wohl niemand Einwände
hat; auch nicht gegen unser freies Campen hier.
Morgen können wir dort oben ab acht Uhr Frühstück bekommen; auch Trinkwasser
– das ist gut, denn wir haben auch kein Brot mehr! Kochen wollen wir
heute nicht mehr; die Jungen sind noch vom Salat satt. So genießen wir
den inzwischen schon nächtlichen Blick aus dem Zelt heraus (ohne Überdach
aufgebaut) oder direkt von den Liegen auf`s Meer; die Lampe der Taverne
beleuchtet die Szenerie so, dass es wie Mondschein aussieht. Alles in
allem richtig romantisch! Wir genießen noch ein, zwei Becher Wein dabei.
Aber wie heißt es in einem Sprichwort so schön: „Wie man sich bettet,
so schläft man“? Damit hat Flobe nun ein gewisses Problem: seine Liege
klappt immer wieder zusammen. Fluchend sucht er unter den herumstehenden
anderen Liegen nach vollwertigem Ersatz; leider fehlen an den meisten
Liegen wichtige Schrauben und Muttern. Es dauert ein Weichen, bis er
zufrieden ist. Und man kann es kaum glauben: bereits um zwanzig Uhr
(es ist natürlich inzwischen schon richtig dunkel) beginnt für uns die
erholsame Nachtruhe!
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