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Samstag, 13.10., 8. Tag

Wieder ein herrlicher Morgenanfang – obwohl doch anders als sonst! Die Sonne kommt recht rotgefärbt über einer kleinen Landzunge im Westen hoch; das deutet auf eine etwas anders geartete Wettersituation.

Und passend dazu quellen im Westen auch einige dicke Wolken über die Bergkämme, kommen aber zur Zeit zum Glück noch nicht näher. Was soll`s ? Wir müssen das Wetter ja so wie so hinnehmen, wie es kommt. Die Nacht jedenfalls war ruhig und ohne besondere Vorkommnisse.

Wir nehmen – entweder im Innenzelt sitzend und nach draußen schauend, oder bequem mit hochgestelltem Rückenteil auf einer Strandliege sitzend – die ersten beiden dampfenden Kaffeebecher zu uns; argwöhnisch die Wolkenwand im Blick, die aber nicht näher kommt.

Danach machen wir uns mal wieder auf zum morgendlichen Bad; in altbewährter Aufteilung: 2 Nudisten und zwei Konservative. Das Bad im Meer ist auch heute ein Genuß; diesmal trauen wir uns tiefer in die Höhlen hinein. Unterhalb der Wasseroberfläche weichen die Felsen zurück und werden von der Morgensonne wie mit Unterwasserstrahlern ausgeleuchtet. Und siehe da: am Ende der Höhle ist ein kleiner Durchbruch, durch den wir in eine Nachbarhöhle schwimmen können. Ein merkwürdiges Gefühl – in den schwappenden Wellen herumzuschwimmen und sich von der Strömung durch die Felsentore treiben zu lassen. Einhellige Meinung: im Gran Dorado ist es nicht besser!

Nun, im Gegensatz zum Gran Dorado ist das hier alles echt und im Prinzip umsonst; unseren „Eintritt“ werden wir gleich oben in der Taverne in Form eines Frühstücks entrichten. Und mit diesen Aussichten geht das Abbauen heute ziemlich schnell vonstatten! Der Hunger treibt halt!

Ein kleines Problem tut sich zwischenzeitlich noch auf: als wir vom Bad zurückkommen, werden wir von einer Unzahl von winzigkleinen Mücken umschwirrt. Diese sind urplötzlich mit einer merkwürdigen Windstille gekommen. Zuvor war es doch zwischendurch schon mal so windig, dass wir Sorge um unser Salewa hatten – kein Wunder, es ist ja nirgends abgespannt und wird nur durch das Gewicht der innenliegenden Rucksäcke an Ort und Stelle gehalten.

Sonnenaufgang in der Marmara-Bucht Blick über die morgendliche Marmara-Bucht Stärkendes Frühstück in der taverne der Marmara-Bucht vor dem Einstieg in die Aradhena-Schlucht


Oben hat man schon geöffnet – hmmm, uns läuft das Wasser im Mund zusammen bei dem Gedanken an schöne Omeletts und griechischen Salat. Und ein Mythos wird wohl auch schon schmecken. Marianne und Martin schultern schon mal die Rucksäcke und ziehen hoch; die Jungen sind heute etwas langsamer und kommen nach.

Und dann geht`s los! Wir starten mit einem deftigen Omelett; mit viel Schinken und Käse überbacken; dazu natürlich Brot. Danach gönnen wir uns alle noch einen ebenso umfangreichen griechischen Salat; verfeinert durch Unmengen Olivenöl, dass wir zusätzlich drübergießen und mit Brotstücken aufsaugen. An diese Sitte haben wir uns inzwischen richtig gewöhnt.

Während des Frühstücks setzt dann plötzlich starker Wind ein. Wir haben Mühe, das Tischtuch und unsere Teller und Gläser festzuhalten! Aus der Bar dazu griechische Musik – über uns spannt sich nach wie vor ein makelloser blauer Himmel – einfach ein herrlicher Tagesbeginn!!

Gegen elf Uhr tröpfeln dann aber allmählich die ersten Badetouristen ein; Zeit für uns, uns auf die Socken zu machen! Schnell werden noch ausgiebige Wasservorräte gefasst, dann verabschieden wir uns von den freundlichen Typen hinter der Bar und machen uns an die heutige Etappe: Schlucht 3, die berüchtigte Aradhena-Schlucht, von der die Reiseführer teilweise wegen der schwierigen Klettereien warnen. Aber inzwischen sind wir ja schon „alte Schlucht-Hasen“! Der Einstieg in die Schlucht ist leicht; ein breiter Kiesweg führt hinein. Die Felswände rücken aber schnell auf beiden Seiten näher; es wird bald enger als wir es von den anderen Schluchten gewohnt sind. Wir fotografieren viel, haben aber Probleme mit dem Gegenlicht und den harten Kontrasten. Es geht auch nur noch mit Hochkantformaten – aber selbst so werden die Fotos der Wirklichkeit nicht gerecht! So tasten wir uns Stück für Stück weiter in die immer enger werdende Schlucht hinein. Den letzten Schattenbereich nutzen wir noch für eine kleine Trinkpause. Danach geraten wir in die pralle Mittagssonne.

„Von der schön gelegenen Marmara-Badebucht geht es direkt im Kiesbett des Baches in die Schlucht hinein. Gleich zu Beginn bauen sich zu beiden Seiten bis zu 200 Meter hohe senkrechte, rötlich gefärbte Felswände auf. Diese Schlucht ist im unteren Teil wie ein Canyon gebaut, mit ebenem Talboden und absolut senkrechten Wänden.

Der sehr schattige erste Abschnitt verleitet auch an sehr heißen Tagen zu einer Begehung. Der ebene Talgrund steigt nach einer halben Stunde immer mehr an, Felsblöcke versperren den Weg und zwingen immer wieder zu kleinen Kletterpartien; wo es unübersichtlich wird, weisen Steinmännchen den Weg. Nach 45 Minuten ab Schluchtbeginn finden wir unter einem großen Felsblock eine Quelle, die fast das ganze Jahr über Wasser hat. Nach weiteren 15 Minuten weitet sich die Schlucht, und über den grünbewachsenen Hang auf der rechten Talseite führt ein schmaler Steig in 2o Minuten zum schön gelegenen Dorf Livaniana hinauf.“


Am Beginn der Aradhena-Schlucht Noch einige hundert Meter weiter - dann beginnen die Serpentinen hoch zur Brücke nach Anopolis


Und genau so ist es! Nicht in der Beschreibung enthalten ist allerdings der Hinweis, dass Wanderer mit vollem Marschgepäck ziemlich schnell ins Schwitzen kommen; spätestens, nachdem sie den Talboden verlassen und in der vollen Sonneneinstrahlung bergauf kraxeln müssen. Erfreulich allerdings ist die Tatsache, dass die Schluchtbeschreibungen in den diversen Reiseführern wohl die meisten Touristen eher abschrecken. Nur zwei sind in unserer Laufrichtung (also bergauf) unterwegs; so an die zwanzig weitere kommen uns im Laufe der gesamten Wanderung von oben entgegen. Eine dieser Kleingruppen beobachten wir interessiert: die haben teilweise den Weg völlig verfehlt und müssen sich jetzt durch dichtestes Gestrüpp durchschlagen. Aber auch auf uns wartet nun die „Herausforderung des Tages“.

Wir nähern uns nun der Stelle, auf die wir schon lange gewartet haben, und die uns schon bei den Vorplanungen Kopfzerbrechen bereitet hat. Die Aussagen in den Reiseführern dazu sind teilweise widersprüchlich: in einer älteren Ausgabe von unserem Bruckmann-Führer heißt es:

„Es gilt einen 12 m hohen Felsklotz zu überwinden. Ein entsprechend langes Seil als Sicherung ist mitzuführen.“

In unserer Ausgabe lesen wir:

„Nach 1 Stunde 45 Minuten erreichen wir die bislang schwierigste Stelle dieser Wanderung. Ein Felssturz hat mit gewaltigen Blöcken die Schlucht versperrt. Ein ca. 12 Meter hoher, blank geschliffener und senkrechter Felsblock musste früher mit Hilfe einer befestigten Eisenkette und mehreren alten Seilen überklettert werden. Über zwei stabile Eisenleitern wird dieser Felsabbruch heutzutage überwunden; nur schwindelfrei sollte man dabei sein.“

Dies alles reizt unsere Jungen natürlich sehr! Und so ist ihr Tempo kurz vor Erreichen der Stelle etwas schneller als von uns Alten; als wir die Stelle erreichen, sind sie bereits auf der Eisenleiter (der Weg dahin war durch quergelegte Baumstämme deutlich versperrt worden) und sind auf der gerade beschriebenen Route.

Marianne und Martin folgen der neu markierten Route: vor nicht allzu langer Zeit in die Felswand geschlagen und durch ein Holzgeländer gesichert (wenn man genau hinschaut, kann man diesen „Geländer-Weg“ auf dem vorletzten Bild im hellen Felsgestein erkennen). Diese neue Strecke bietet neben der Sicherheit auch einen etwas bequemeren Aufstieg, da der Weg mit festen Felsstufen angelegt ist. Diesen Komfort haben die beiden Jungen nun allerdings nach der leichten Erklimmung der Eisenleitern nicht mehr! Sie müssen sich am Rand eines riesigen, steilen Geröllhanges mühsam hochkämpfen; oben haben sie dann das Problem, wie sie von der rechten zur mittleren Talstelle über das brüchige Gestein hinüberwechseln sollen.

Insgesamt gesehen vielleicht recht erlebnisreich, auf keinen Fall aber zur Nachahmung empfohlen. Das geben die Jungen später auch zu, als sich unsere Wege bald darauf wieder oberhalb des Geröllfeldes treffen. Hier ist die Sperrung des alten Weges sogar noch durch zusätzliche rote Markierungen deutlich gemacht.

Vor uns liegt nun ein weiteres anstrengendes Wegstück. Einen ersten Blick darauf konnten wir ja schon vor einigen Tagen bei der Überquerung der Eisenbrücke werfen:

„Nach weiteren 20 Minuten sehen wir hoch über uns eine neu erbaute Eisenbrücke der Verbindungsstraße Anopolis – Aradhena. Und kurz darauf führt in vielen Serpentinen der alte Weg von der rechten Talseite herab, quert die Schlucht und zieht sich in ebenso vielen Kehren links hinauf in das alte Dorf Aradhena.“ Die Reste der ehemaligen großen Stadt Aradhena, die auf einer schönen freien Geländeterrasse (600 m hoch) liegen, zeigen nur noch wenig von den gewaltigen Ausdehnungen des früher dicht besiedelten Gebietes. Die minoische Stadt Aradhena hatte mehr als 30.000 (!) Einwohner und war bis in die römische Zeit hinein bewohnt.“

Wir laufen jetzt weiter den relativ ebenen Weg auf dem Schluchtboden entlang und warten auf den Anblick der Brücke, diesmal von unten. Als wir sie endlich nach einer Wegbiegung vor uns haben (besser gesagt: über uns), stellen wir ziemlich schnell fest, dass die Entfernungen in einer engen Schlucht doch sehr täuschen können!

Was wie ein kurzes Stück aussah, entpuppt sich dann doch noch als gehöriges Wegstück! Schuld daran sind auch die vielen Felsen, um die herum sich unser Wanderweg immer wieder schlängelt. Ab und zu dröhnt es von oben, wenn ein Auto die Brücke überfährt.

Dann tauchen wir kurz in den Brückenschatten ein und müssen nun nochmals ein längeres Stück weiterlaufen, ehe wir die beiden Serpentinenwege erkennen können. Und hier müssen wir nun eine wichtige Entscheidung treffen: wollen wir links aufsteigen und einen Umweg (ca. 1 Kilometer) über den Kiosk an der Brücke machen (ein kaltes Mythos käme uns nach dieser Wanderung doch sehr gelegen) oder lieber den rechten Aufstieg wählen, der uns direkt zur Straße nach Anopolis bringt?

„Zwanzig vor vier, also fast viereinhalb Stunden nach dem Start haben wir das Schluchtende erreicht; dummerweise noch nicht die Straße, denn jetzt müssen wir noch die Serpentinen rauf. Es war also wirklich eine anstrengende Schlucht; über Blockfelder geturnt; immer wieder bergauf, immer wieder die Hitze. Unser Trinkwasser ist zu Ende, der Wein sowieso schon.“

Die beiden folgenden Bilder zeigen recht deutlich, was für einen Weg wir noch vom Schluchtboden hinaufklettern mussten. Später erzählt uns Andreas, dass er aus Aradhena gebürtig ist und diesen Weg, von Hora Sfakion über Anopolis kommend, sehr oft mit seinem Pferd (als Lasttier) gemacht hat: die Serpentinen runter und auf der anderen Seite gleich wieder rauf; und das Tag für Tag. Damals gab es die Eisenbrücke noch nicht, und der Serpentinenweg war die einzige Verbindung.

Wir grübeln auch darüber nach, wie wohl früher die 30.000 Bewohner über diese einzige Verbindung versorgt wurden. Wir verzichten lieber auf ein kühles Bier und wählen den direkten Aufstieg rechts.

Wir hoffen natürlich wieder auf eine Mitfahrgelegenheit oben auf der Teerstraße nach Anopolis. Mit diesem beflügelnden Gedanken machen wir uns an den schweißtreibenden Aufstieg; der wird auch nicht viel gemildert durch den schönen Rückblick auf Schlucht und Brücke. Das diesige Gegenlicht verhindert leider klare Fotos.

Auf der Teerstraße haben wir kein Glück – wir müssen also bis Anopolis durchlaufen. Das macht uns aber nach den bisherigen Anstrengungen nicht mehr viel aus; Hauptsache, keine Blockfelder mehr! Kurz vor Anopolis hören wir das Hupen des Linienbusses und sehen ihn gerade noch rückwärts einparken. Wir fragen den Fahrer natürlich gleich, wann er morgen, am Sonntag, runter nach Hora Sfakion fahren wird. Seine Antwort: 6 Uhr morgens – einziger Bus ab Anopolis! Na, das ist uns aber nun wirklich zu früh! Wir wollen ja heute Abend ein Hotel oder eine Pension nehmen und am Sonntag nicht schon um fünf Uhr in der Frühe das Zimmer räumen!

Während wir weiter bis zum Ortskern laufen, beraten wir, was zu tun ist. Es gäbe die Möglichkeit, ein Taxi zu bestellen, was aber vermutlich ziemlich teuer ist. Zweite Möglichkeit: nochmals die Anopolis-Schlucht hinuntersteigen – dazu hat aber auch niemand so richtig Lust. Bleibt als dritte Alternative die Serpentinen-Teerstraße hinunter nach Hora Sfakion – immer mit dem Hintergedanken, dass uns ein Wagen als Anhalter mitnimmt. Dafür entscheiden wir uns dann kurzer Diskussion.

An der Piazza machen wir natürlich Station in „unserem“ Kafenion; die Wirtin selbst ist nicht da, das erspart uns Erklärungen, warum wir heute Abend noch weiterlaufen wollen. Wir haben uns nämlich dazu entschieden, bis zum Ortsende weiterzugehen und dort im uns ja schon von den Rückfragen zum Einstieg in die Anopolis-Schlucht bekannten Hotel-Restaurant zu übernachten und auch zu speisen. Unterwegs machen wir noch kurz Pause an einer Bäckerei; wer weiß, ob wir morgen Brot kaufen können, und erstehen ein normales Brot und ein Honigbrot, von dem wir vorher eine Kostprobe nehmen dürfen. Schnurstracks geht es dann weiter zum besagten Hotel; hier empfängt uns diesmal nicht die nette Chefin, sondern der Hausherr persönlich. Mit der Unterkunft gibt es kein Problem: zwei Doppelzimmer; jeweils für 5.000 Drachmen – das ist o.K. – diesen Preis hatten wir uns auch als Limit gesetzt. Die Zimmer erreicht man über eine Außentreppe hinauf zum 2. Stockwerk.

Die Räume selbst allerdings sind eine mittlere Katastrophe – noch nicht so richtig fertiggebaut; nackter Betonfußboden ohne Bodenbelag; auch keine Toilette oder gar Dusche auf den Zimmern. Diese liegen am Ende des Flurs und sind in noch schlechterem Zustand – aber man gewöhnt sich ja schließlich an alles...

Als wir schließlich unsere Verandatür aufbekommen haben, liegt draußen eine halbfertige Terrasse; laut eingekratzter Inschrift im Betonboden im Jahr 1989 hergestellt – seitdem ist die Zeit hier aber stehen geblieben. Das fehlende Schutzgeländer stört uns auch nicht weiter; wir holen uns unten im Restaurant kühle Getränke, sogar mit Gläsern(!) und lassen uns auf dem Beton der Terrasse nieder; mit dem Rücken an unsere Zimmerwand gelehnt. Und der Anblick der langsam über den Bergen dem Horizont entgegenstrebenden Sonne entschädigt uns für das karge Umfeld. Müde ziehen wir die Wanderstiefel aus und dann noch die Socken – es ist schön, die Beine einfach auszustrecken und die abendliche Ruhe zu genießen. Die Jungen gehen vorab schon mal in die Dusche, haben mit heißem Wasser aber nicht viel Glück. Egal, für den Staub und den Schweiß des Tages reicht uns auch lauwarmes Wasser! Flobö kann den Sonnenuntergang direkt beim Duschen aus dem kleinen Fensterchen beobachten.

Was uns als nächstes auffällt, ist die Abwesenheit von elektrischem Strom. So bereiten wir unser Lager bei einbrechender Dämmerung schon mal vor und duschen dann auch noch schnell, ehe es in den Duschräumen ganz dunkel ist. Wir müssen unten nachher mal fragen, ob vielleicht irgendwo die Sicherungen abgeschaltet sind.

Als wir uns gerade fertig machen zum Besuch im Restaurant, gehen schlagartig alle Lichter an; exakt parallel zu den Straßenlampen draußen. Wir kommen dadurch auf die Theorie, dass hier die Häuser erst Strom mit dem Einschalten der Straßenlampen bekommen – vielleicht sparen sich die Leute aber auch tagsüber den Strom, wer weiß? Unsere Theorie wird schlagartig über den Haufen geworfen, als plötzlich sämtliche Lampen wieder erlöschen. An diesem Spiel wollen wir uns aber nicht beteiligen und so schnappen wir unsere Maglites oder Stirnlampen und machen uns so gerüstet auf den Weg nach unten über die Außentreppe. Und unten sitzen unsere Wirtsleute schon mit ein paar Bekannten - lauschig um eine Petroleumlampe auf dem Tisch versammelt – und von ihnen erfahren wir, dass die gesamte Südküste mal wieder Stromausfall hat. Schuld daran ist der starke „Meltemi“, der warme Wind aus dem Gebirge. Den haben wir ja heute im Laufe des Tages schon öfter gespürt; der Wirt erklärt uns weiter, dass einige Strommasten im Gebirge wohl gebrochen seien – man würde aber fieberhaft daran arbeiten.

Dies ist nun allerdings eine schlechte Nachricht! Denn ohne Strom kein warmes Essen! Während Marianne die beiden Jungen ruhig hält, die schon mal vorab einen kalten Salat bestellen möchten (aber wie soll der in einer stockdunklen Küche zubereitet werden), flammt das Licht schon wieder auf. Mühsam halten wir die beiden Jungen nun noch zehn Minuten zurück; als dann aber der Strom immer noch da ist, stürmen sie los, um sich nach möglichen Gerichten zu erkundigen. Das ist eine Uraufführung: erstmals bestellen die beiden Jungen – das ist nun wirklich ein deutliches Zeichen auf ihren großen Hunger. Das letzte haben wir praktisch aber auch heute Morgen an der Marmara-Bucht gegessen.

Sie kommen zurück und geben eine Kurzbericht über die Speisekarte: Souflaki, also so eine Art Fleischspieß, mit Bratkartoffeln steht zur Wahl oder etwas, was sie nicht verstanden haben. Dazu natürlich ein Salatteller. Also ordern wir vier Portionen Souflaki samt Beilagen.

Nach kurzer Zeit starten wir mit dem Salat; diesmal etwas anders zubereitet: viel Weißkohl ist dabei, was uns aber nicht so ganz zusagt. Dafür ist das Brot hervorragend: schön weich und frisch mit krosser Kruste; dazu in großen Mengen. Und das in das gewürzte Olivenöl eingetaucht – eine Delikatesse!

Danach kommen auch schon die Souflaki-Teller, für jeden so an die vier Spieße mit kleinen Schweinefleisch(?)stückchen; recht wohlschmeckend und auch zart; dazu die schon bekannten, grobgeschnittenen Bratkartoffeln, in Olivenöl angebraten. Mein Gott, was haben wir hier auf Kreta schon an Olivenöl zu uns genommen – das muß ja schon bald in Litern gemessen werden (Exkurs: während ich heute, am 28.8.02 diese Zeilen schreibe, läuft mir dabei schon wieder das Wasser im Munde zusammen – zum Mittagessen werde ich mal selbst einen griechischen Salat fertig machen!)

Dazu gibt es natürlich Hauswein; hier wird in Karaffen ausgeschenkt; merkwürdigerweise aber nicht mit Litermaßen gekennzeichnet, sondern in Kilogramm! So bestellen wir im Laufe des Abends 4(!) Kilogramm wohlschmeckenden Rotwein. Das reicht für eine erholsame Nachtruhe!


Sonntag, 14.10., 9. Tag

Erst gegen acht wälzen wir uns ausgeschlafen aus den Federn (aus den Schlafsäcken, die wir benutzt haben) und lassen den Morgen ruhig angehen. Nach den ersten beiden Kaffees wird draußen auf der Terrasse gefrühstückt; wir haben ja genügend Brotvorräte, dazu gibt es einen Thunfisch und zwei Streichwürstchen; als Nachtisch noch das Honigbrot und danach sind alle gesättigt. Zwischenzeitlich sind wir auch in näheren Kontakt mit unseren Zimmernachbarn gekommen. Es ist ein englisches Paar, das auf Wandertour mitten durch die weißen Berge unterwegs ist.

Martin führt noch eine Notoperation am Gasbrenner durch – diese Idee ist ihm während der Nacht gekommen. Mit der Spitze einer Sicherheitsnadel versucht er die Brennerdüse zu reinigen – und er hat leidlichen Erfolg! Die Flamme zischt jetzt wesentlich stärker heraus. Auf diesen Erfolg gibt es noch einen nunmehr wesentlich schneller zubereiteten dritten Kaffee; dann packen wir alles zusammen; nehmen unten noch einen ersten Wein zu uns (samt kiloweiser Auffüllung der Trinkflaschen) und begleichen dann unsere Rechnung. Wenn man bedenkt, dass die Übernachtung je Person weniger als 15 DM gekostet hat, können wir wirklich nicht klagen! Auch die Preise für Essen und Getränke sind erfreulich gering. Beim Verlassen des Hotels haben wir noch einmal einen schönen Blick zurück auf die weißen Berge. Und dann sind wir wieder auf der Straße unterwegs!

Es lässt sich gut auf der Straße bergab laufen; das Wetter ist wie gewohnt hervorragend. Nach kurzer Zeit kommen wir an dem Abzweig vorbei, der in etwa einet Stunde hinunter nach Loutro führen soll. Na ja, das ist vielleicht mal eine Strecke für eine andere Tour. Denn das steht jetzt fest: wiederkommen wollen wir!

Gut gelaunt geht es also immer weiter die Straße entlang; wir schätzen die Zeit, die wir vielleicht bis Hora Sfakion brauchen werden – heute wollen wir ab dort auf jeden Fall noch ins nächste Zielgebiet nach Frangokastello wechseln; auch dort warten noch Schluchten auf uns!

So lassen wir auch die ersten Pickups an uns vorbeifahren, ohne den Daumen zu heben. Zu schön ist die Aussicht hinunter über die Gebirgskante auf das glitzernde Meer. Am Horizont kann man zwei größere Inseln ausmachen; dort muß es noch einsamer sein.

Wir umrunden eine größere Bergnase und haben von dort aus erstmals eine gute Aussicht hinüber nach Hora Sfakion. Oh je, das sind doch noch einige Kilometer zu laufen. So nutzen wir gerne die Möglichkeit zu einer Pause, als sich völlig überraschend ein weiter Blick hinunter auf unsere Sweetwater Bay öffnet. Wir müssen uns momentan ungefähr oberhalb der Felskante der Bucht befinden. Wir erkennen den weißen Kiesstrand und auch den Fähranleger mit der Bar. Weiter nach rechts ist auch ziemlich deutlich der E4 zu erkennen und die Halbinsel mit dem kleinen Kirchlein Agios Stavros. Wie lange ist das jetzt her – zwei, drei Tage? Schön, das alles mal aus dieser Perspektive zu sehen!

Unser Hotel am Dorfausgang von Anopolis vor der Kulisse der weißen Berge Blick von oben herab auf die Sweetwater Bay Mit dem Linienbus von Hora Sfakion nach Frangokastello


Gleich werden die kleinen Schiffe aus Loutro und Hora Sfakion wieder Sonnenhungrige dort unten absetzen; und unsere beiden Alten werden wieder ihrem Müßiggang nachgehen! Wir gehen jetzt auch wieder; zunehmend aber mit schleppenderem Gang. Arg drückt der Rucksack und noch ärger setzt uns die Sonne nun zu!

Schatten ist nirgendwo zu finden. Stattdessen haben wir nun einen Ausblick auf sämtliche noch vor uns liegende Serpentinen in all ihrer Pracht!

Gut, diese weite Aussicht ist schon schön! Ganz weit hinten im Dunst können wir sogar schon die Halbinsel von Frangokastello erahnen – besonders Flobö ist darauf gespannt, weil er den Anblick der dortigen Burg von seinem Bildband kennt.

Noch schöner wäre jetzt vielleicht aber doch eine Mitfahrgelegenheit! Einmal versuchen wir, eine Serpentine abzukürzen; das spart zwar einige Meter, ist aber durch die Kletterei über die Felsen insgesamt nicht leichter. Da bleiben wir doch lieber geduldig auf der Straße.

Leider ist um diese Tageszeit anscheinend der Verkehr von oben her zum Erliegen gekommen; lediglich von unten sehen wir auf der Straße ab und zu mal ein Auto hochkommen. Und daran, wie lange es dauert, bis uns ein solcher Wagen dann erreicht, können wir dunkel erahnen, wie lange die Wegstrecke noch ist! An einer Leitplanke machen Marianne und Martin dann mal kurz Rast; die beiden Jungen wollen das in der prallen Sonne nicht und laufen schon mal weiter. M&M sitzen also auf der Leitplanke in der wärmenden Sonne und genießen einen Becher Wein. Da tritt das Sonntagsglück in Form eines von oben kommenden Motorengeräusches in ihr Leben!

Als der Pickup um die letzte Kurve kommt, stehen die beiden schon mit geschulterten Rucksäcken und hochgerecktem Daumen bereit! Und der Wagen hält! Der Fahrer ist bereit, sie mitzunehmen; zuerst aber macht sich der auf der Ladefläche sitzende Köter davon und muß mühsam eingefangen werden.


Martin hält ihn dann auf der Fahrt nach unten fest an seinem Halsband. Fröhlich winkend geht es bald darauf an den Jungen vorbei. Die haben inzwischen bereits ein gehöriges Stück geschafft und werden nun wohl auch auf ein nächstes Fahrzeug hoffen. Der Treffpunkt ist auch ohne Verabredung klar: die Tische vor dem Supermarkt von Andreas, „unserem Mann“ in Hora Sfakion.
Beim Hinunterfahren wird uns erst bewusst, wie lang die Strecke tatsächlich ist. Um zwanzig vor zwölf sind wir oben losgefahren; also zwei Stunden wird man wohl von dort oben zu Fuß brauchen. Wir sitzen nach einem kurzen Fußweg von der Tankstelle, wo uns unser freundlicher Fahrer abgeladen hat, nun bei einem Mythos vor Andreas Geschäft und sehen die kleinen, glitzernden Punkte einzelner Wagen auf der Serpentinenstrecke hoch oben in Richtung Anopolis. Und irgendwo dazwischen müssen auch noch zwei kleine, grüne Pünktchen laufen!

„Und jetzt, während ich das gerade auf Band gesprochen habe, trifft mich fast der Schlag! Als ich sage, da oben müssen zwei kleine grüne Punkte laufen, da kommen diese beiden kleinen Punkte hier an, frisch wie immer – die sind mit Sicherheit auch getrampt! Also sie sind schweißnaß; die Schweißperlen stehen ihnen schon auf der Stirn – sie sind eben nicht getrampt, wie sie sagen, sondern voll durchgelaufen; in 17 Minuten vom Buchteingang, vom E4-Abzweig, bis hierhin. 13:48 Uhr sind wir also wieder vereint.“

Inzwischen haben wir von Andreas auch schon die notwendigen Informationen, wie es weitergehen kann: um Viertel vor vier geht ein Bus, direkt von Hora Sfakion bis Frangokastello; die Tickets dafür können wir schon nebenan im Verkehrsverein kaufen. Die für uns passenden Busse nach Chania, mit Umsteigen in Vrisses nach Heraklion, fahren jeweils ab 11 Uhr. Das ist für die Rückfahrt in einigen Tagen wichtig.

Wir haben jetzt also noch etwas Zeit und kaufen schon mal für den Abend ein. Für die geplante Linsensuppe besorgen wir einige Zwiebeln; das kleine Stück Bauchspeck soll umgerechnet 6 Mark kosten – da verzichten wir doch gerne! Stattdessen werden wir uns dazu ein Stück der noch im Gepäck befindlichen Sommerwurst klein schneiden. Flobö besorgt uns dann die Tickets, und nach der Verabschiedung von Andreas geht es mit dem pünktlich eingetroffenen Bus los.

Wir sind die einzigen Fahrgäste im Bus; im Führerhaus gibt es griechische Techno-Musik; und so fahren wir die Strecke über Komitades zurück, die wir vor einigen Tagen von Imbros her kommend schon einmal gemacht haben.

Unser Fahrer lässt uns dann im Zentrum von Frangokastello raus; jetzt wollen wir natürlich zuerst einmal dieses berühmte Kastell sehen! Einige hundert Meter laufen wir bis dahin auf der Teerstraße; überall sind hier Hotels und Restaurants; das alles ist schon recht stark touristisch geprägt!

Das Kastell samt Umgebung entpuppt sich dann leider als die Enttäuschung des Tages: die Postkartenidylle mag es hier ja vielleicht mal gegeben haben – jetzt sind rund um das Kastell überall Bettenburgen, fast schon so schlimm wie an der Nordküste! Ganze Ferienkolonien haben sich am Strand breitgemacht; teilweise mit eigenen Häfen.

Vor Erreichen des Kastells beschließen wir schon, es nicht zu betreten, falls man dafür Eintritt haben möchte. Das will man zwar nicht, der Grund wird uns aber auch schnell klar: Das Kastell besteht praktisch nur aus vier Außenmauern mit Ecktürmen; viel mehr als ein einziger, großer Innenhof ist innenseitig daher auch nicht zu bewundern.

„Frangokastello (zu deutsch Frankenburg) wurde 1371 von den Venezianern erbaut. Sie war 1828 Schauplatz einer erbitterten Schlacht, bei der 700 kretische Kämpfer einem Heer von 8000 Türken gegenüberstanden und unterlagen. Zur Erinnerung an die Schlacht und den Führer Hadzimichalis steht an der Ostseite ein Denkmal mit seiner Büste. Im Volksglauben lebt dieses Ereignis in einer sonderbaren Spukerscheinung weiter. Alljährlich, um den 17. Mai, bewegt sich kurz vor Sonnenuntergang ein langer Zug von schwarzgekleideten Reitern und Fußvolk von Agios Haralambos nach Frangokastello. Man nennt dieses Phänomen „Drossoulites-Erscheinung“ (Taumänner). Die Erscheinung dauert nur 10 Minuten und tritt nur auf, wenn nach einigen feuchten Tagen vorläufige Windstille herrscht, bevor Nordwind einsetzt. Wissenschaftlich versucht man das Phänomen als Luftspiegelung unter besonderen klimatischen Gegebenheiten zu erklären. Ganz abgesehen davon hat Frangokastello einen herrlichen Sandstrand, gute Möglichkeiten zu übernachten (keinen Massentourismus) und einige Tavernen zum Einkehren.“

Draußen finden wir dann diesen ersten richtigen Sandstrand auf Kreta; wir gehen aber nicht schwimmen, weil wir erst einmal die Zelte aufbauen wollen. Und das stellt uns doch ziemlich schnell vor ein Problem! Nahezu der gesamte Strand um Frangokastello herum ist durch Hotels oder Ferienanlagen schon besetzt; die Abschnitte dazwischen reichen für ein ungestörtes Wildcampen nicht. Wir wollen uns gerade zu einem kleinen Strandstück aufmachen, da hält ein Wagen neben uns. „Rooms?“ fragt eine nette Frau. Nein, aber vielleicht ein Tip, wo man am Strand sein Zelt aufbauen könnte. „No problem, three, four hundred meter in the other direction!“ Also machen wir uns auf in östliche Richtung, um außerhalb des Ortes den versprochenen Platz zu finden. Von weitem sehen wir auch eine Art eingezäuntes Ruinenareal, mit einer halbverfallenen Kirche. Das sieht nicht schlecht aus! Vor allem dürfte es dort windgeschützt sein, denn inzwischen hat sich der tagsüber schon beständige Wind zu einem echten Sturm entwickelt.

Die Burg von Frangokastello Auf der Suche nach einem Zeltplatz beim plötzlich aufgekommenen Sturm - hier am Friedhof wäre es zwar möglich, scheint uns aber nicht ganz passend... Abendstimmung über dem Ort Frangokastello - uns plagen andere Sorgen: wir haben immer noch keine Bleibe für die Nacht gefunden


Wir nähern uns also diesem wunderschön abseits gelegenen Gemäuer und schauen durch`s Tor: Fehlanzeige, ein alter Friedhof! Na ja, das wollen wir nun dann doch nicht.... Aber was sehen wir ein Stück weiter: hinter einer Art Bauschutthalde kommen wir wirklich zu einem einsameren Abschnitt; ein gutes Plätzchen finden wir an einem eingezäunten Areal, auf dem sich lediglich ein fensterloser, weißer Steinklotz befindet; oben mit einem Wasservorratsbehälter. Da das Tor aber weit geöffnet ist, gehen wir mal rein – das kann ja nicht ein zweiter Friedhof sein!

Von der Seeseite hat das Haus eine Tür, ebenfalls geöffnet, und einige Fenster – unbewohnt sieht es nicht gerade aus. Das ist uns dann auch etwas zu mulmig. Wir gehen also wieder vor den Zaun und versuchen unser Glück beim Aufbau des ersten Zeltes, so etwa hundert Meter von der fensterlosen Rückfront des Hauses entfernt.

Das erste Problem bekommen wir, als wir mit vereinten Kräften das Innenzelt des Salewa hochgezogen haben und es schon mal an den vier Ecken im Boden verankern wollen – Fehlanzeige bei diesem steinigen Untergrund. Als schiere Unmöglichkeit erweist sich dann allerdings der Versuch, das Überzelt drüber zu ziehen! Inzwischen bläst ein derartig starker Sturm aus dem Gebirge seewärts, dass wir das Überdach nicht aufbauen können!

Wir haben nun endgültig die Nase voll vom Zelten. Martin spricht den anderen aus der Seele, als er vorschlägt, doch heute Abend wieder ein Zimmer zu nehmen. Zuvor wollen wir aber gleich hier an Ort und Stelle unsere Vorräte dezimieren – wir hatten uns alle noch eine Flasche Bier eingepackt und auch jede Menge Trinkwasser mitgenommen – das werden wir ja alles nicht mehr brauchen, wenn wir ein Zimmer haben.

Zumindest wollen wir aber mal kurz Pause machen und in Ruhe – vor allem vor dem beständigen Sturm geschützt – genussvoll das Bier trinken (der Rucksack ist durch das viele Hin- und Hertragen auch nicht gerade leichter geworden...); und dazu bietet sich der Windschutz vor dem Haus doch recht gut an.

Wir gehen also zurück zum Haus und wollen uns gerade ermattet niederlassen, da tritt eine Art Maler/Bildhauer/Künstler?? aus der Haustür. Wir fragen artig, ob wir hier mal kurz Pause machen dürften. Seine Antwort wird für uns zum Spruch des Tages: „Not really – this is private ground!“

Na, nun wissen wir ja, woran wir sind. Was hätte der erst einmal geguckt, wenn er aus dem Haus gekommen wäre und unsere beiden Zelte auf dem Hof gesehen hätte! Auch sonst ist der Typ nicht unbedingt der Freundlichste! Auf unsere Frage, wo man hier ein Quartier bekommen könne, zeigt er auf die Ortschaften weit weg an den Berghängen. Dort – vielleicht, wenn wir Glück haben. Tolle Auskunft! Wir ziehen uns also zurück und steuern noch einmal den Windschutz der Friedhofsmauer an. Die Toten dort werden ja wohl nichts dagegen haben, wenn wir in ihrer Gesellschaft ein kleines Erholungspäuschen einlegen.

Gesagt, getan – und so erfrischt schultern wir dann wieder unsere etwas leichteren Rucksäcke (Wasser haben wir auch schon mal etwas weggeschüttet). Der Typ vom Haus sorgt noch lange für Gesprächsstoff (und hilft uns so unfreiwillig doch weiter, weil wir darüber den anstrengenden Rückweg kaum wahrnehmen). Einige von uns meinen, sie hätten ganz genau gesehen, dass der Bursche nur ein Auge hatte, mit dem er uns die ganze Zeit über stechend gemustert hat. Martin vertritt dagegen die Theorie, es müsse sich um den einsamen Maler am Strand handeln, der Mona Lisa malen wolle (in Anspielung auf einen Titel der Flipper).

Marianne drängte dann mit einem Blick auf die Uhr zum Aufbruch – oh ja, wir hatten die Zeit ganz aus dem Auge verloren – in Kürze wird schon Sonnenuntergang sein! So ziehen wir also auf einer Parallelstraße in die Ortschaft Frangokastello hinein; wir sehen einen schönen Sonnenuntergang mit der Kulisse von Frangokastello und machen einige Fotos davon.

Dann bemerken wir, dass wir auf dieser Straße am Ortszentrum vorbeilaufen werden; über eine Nebenstraße, vorbei an Ferienhaussiedlungen, die wohl fest in deutscher Hand sind, erreichen wir wieder die Hauptstraße. „Rooms to let“ steht auf Schildern, die nach links und auch nach rechts zeigen. Wir gehen geradeaus in einen kleinen, noch geöffneten Minimarket. „Do you speak english?“, „Yes, aber wir können uns auch auf deutsch unterhalten!“ meint die junge blonde Frau an der Kasse.

Als sie von unserer Herbergssuche erfährt, berät sie sich kurz mit ihrem Mann und telefoniert dann herum. Wir haben die Wahl zwischen einem Appartement für 15.000 (wir zeigen uns entsetzt) bis hinunter zu 9.000 (wir atmen erleichtert auf). Und so kommen wir an eine preiswerte und tadellose Ferienwohnung! Sie liegt etwa zweihundert Meter zurück im Hinterland, in der Nähe der Siedlung, an der wir gerade schon vorbeigekommen sind. Dort sollen wir auf die Besitzerin warten. Unsere vielen deutschen Nachbarn stehen in den Türen, und wir bekommen ermunternde Bemerkungen mit wie „So was ist richtig!“ Wenn die wüssten, wie schwer so ein Rucksack abends drücken kann!

Danach sitzen wir vor einer langgestreckten Häuserreihe von Ferienbungalows; alles blau-weiß gestrichen, aber schon verlassen und warten auf die Chefin und die Schlüssel. Flobe meint, das sähe hier ja fast aus wie die Umkleidekabinen einer Badeanstalt.

Die Chefin kommt auch bald – und zum ersten mal kommen wir nicht auf englisch weiter. Dafür spricht die Frau besonders gut griechisch in einem Mordstempo. Für uns ist das egal, weil wir auch langsames griechisch nicht verstehen könnten. Da der Preis aber schon ausgemacht ist, zahlen wir gleich für zwei Nächte und die Frau schließt uns einen der Bungalows auf. Und, man muß es so deutlich sagen: für unsere Verhältnisse der reinste Luxus!

Kurze Zeit später kommt die Wirtin nochmals zurück und bringt Bettzeug. Zusammen mit Marianne bezieht sie alle Betten. Als sie auch noch anfangen will, zu fegen und zu wischen, können wir ihr das mit Mühe ausreden. Auch im Hinblick auf den Preis von nur 9.000 Drachmen und dem Vergleich mit unseren bisherigen Zimmern ist das hier die mit Abstand feudalste Unterkunft!

Wir haben drei Betten; eine Dusche mit WC und sogar eine volleingerichtete Küche; einschließlich Dunstabzugshaube, die allerdings etwas merkwürdig ihre Abluft durch zwei Innenschränke bläst. Egal – hier sind wir sofort heimisch – und das für diesen Preis! Und so macht sich Martin schon bald an die Zubereitung einer leckeren Linsensuppe. Ein appetitlicher Geruch nach angebratenen Zwiebeln und gerösteter Sommerwurst breitet sich im Raum aus. Aber auch die anderen tragen zur Abendgestaltung bei: Marianne streckt sich schon mal auf dem Bett aus; Flobö zieht noch einmal zum Supermarkt los um die Bier- und Weinvorräte zu ergänzen; Flobe testet derweil schon mal die Dusche.

Von der Blonden im Minimarkt, übrigens eine Deutsche, die hierher geheiratet hat, haben wir auch nähere Informationen über den Sturm bekommen. Dessen Auswirkungen können wir draußen an den Büschen und Bäumen erkennen. Gut, dass wir nicht gezeltet haben!

Aber der Sturm beeinträchtigt auch das Leben innerhalb der Wohnung: Marianne ruft um Hilfe, weil sie gegen den Winddruck die Tür der Toilette nicht mehr aufbekommt, und die Erfahrung lehrt, dass man die Haupttür besser gar nicht aufmachen sollte, weil sonst alle leichteren Gegenstände durch den Raum gewirbelt werden.

Um Punkt Viertel vor neun geschieht dann das, womit wir eigentlich schon seit längerer Zeit gerechnet haben: der Strom fällt aus und wir haben wieder mal tiefe Dunkelheit. Zum Glück ist die Linsensuppe just in diesem Augenblick vom Ofen genommen worden.

So sitzen wir draußen auf der recht windgeschützten Veranda und genießen die Suppe angesichts der tobenden Elemente rings um uns herum. Auf Taschenlampen können wir dabei verzichten; Zum Essen reicht die Helligkeit draußen immer noch.

Danach schauen wir uns draußen ein wenig um. Unsere vielen deutschen Nachbarn in ihren Edelunterkünften sitzen jetzt ebenfalls in der Dunkelheit. Überhaupt sieht es draußen ziemlich gespenstisch aus: an der kompletten Südküste ist in beiden Richtungen kein einziges Licht zu sehen. Einzige Ausnahme sind ein paar Autoscheinwerfer, die man an den Berghängen herumkriechen sieht. Der Meltemi schafft anscheinend für die Stromversorgung hier erhebliche Probleme. Wir denken an die armen Restaurant- und Ladenbesitzer, die jetzt alle aufgeschmissen sind; natürlich auch sämtliche Touristen, die heute irgendwo zu Abend essen wollten. Tja, so kann`s gehen!

Urplötzlich ist der Strom wieder da und alles ist in blendendes Licht getaucht. Aber – wir kennen das ja schon vom gestrigen Abend – wie lange das dauern wird, weiß man nicht. Nach einem letzten Schlummertrunk ziehen wir uns in die frischen Betten zurück; die Verandatür ist weit geöffnet und wir hören beim Einschlafen dem tobenden Sturm zu.


Montag, 15.10., 10. Tag

Es war eine ruhige, friedliche Nacht. Wir haben der Wärme wegen nur unter den weißen Laken geschlafen und sind frisch für die heute geplante Doppel-Schlucht-Wanderung. Der Strom ist über Nacht wohl nicht mehr ausgefallen; die rote Betriebslampe am Boiler brennt. Zumindest, als wir uns gegen halb acht aus den Betten wälzen.

Während die beiden Jungen unterwegs zum Minimarket sind, geht die Lampe am Boiler aus – kurze Kontrolle am Deckenlichtschalter: jawohl, der Strom ist wieder weg. Die Jungen berichten nach ihrer Rückkehr, es hätte im Minimarket ein paar Mal kurz geflackert, dann wäre es mit dem Strom vorbei gewesen.

Sie bringen auch weitere Neuigkeiten über den Meltemi. Den nennen die Einheimischen hier auch „Borso“, den „guten Wind“, der vom Gebirge her bläst; im Gegensatz zum Schirokko, dem warmen, oft sandhaltigen „bösen“ Wind, der von Afrika her bläst. Weiterhin bringen sie die frohe Kunde, dass der Weg hinauf durch die Kalikratiano-Schlucht zum Ort Kallikratis nur etwa 2 ½ Stunden dauern soll.

Dieser Ort ist für heute das Ziel: hoch durch die erste Schlucht bis Kallikratis; von dort quer durch das Gebirge zum nächsten Ort Asfendou und dann durch die Asfendou-Schlucht wieder zurück nach Frangokastello. Auf der Karte sieht das ganz einfach aus; die Wegbeschreibungen halten auch keine unangenehmen Überraschungen bereit.

Ein gutes Frühstück soll uns dafür aber zuerst einmal die richtige Grundlage bieten. Erstmalig haben wir Margarine zur Verfügung; dazu leckeres, frisches Brot. Seinen letzten Schliff erhält das Frühstück durch eine Dose Heringsfilet in Pfeffersauce und ein kleines Teewürstchen.

Ohne schweres Gepäck(!) geht es dann bei bestem Wetter los; wir haben zwei Rucksäcke leergemacht und tragen nur die wichtigsten Dinge mit uns: genügend Wasserflaschen, Regenzeug, Fotoapparat, Routenbeschreibung und Erste-Hilfe-Ausrüstung.

Zuerst müssen wir mal aus unserer Ebene hin zum Dorf Patsianos bzw. seinem direkten Nachbarort Kapsodasos. Von hier aus wollen wir dem E4 folgen; allerdings in umgekehrter Laufrichtung als im Reiseführer beschrieben. Leider verlieren wir schon in der Ebene mehrmals den Weg. Wir steuern schließlich möglichst gradlinig auf den Ort zu und nutzen dabei die vielen Trampelpfade zwischen den Olivenhainen. An einem besonderen Exemplar eines uralten Olivenbaumes machen wir Rast.

Steil geht es dann hoch ins Örtchen Patsianos, wo wir ein wenig ratlos auf der einzigen Hauptstraße stehen und nach dem Einstieg in den E4 suchen. (Die Zitate aus der Routenbeschreibung sind jetzt natürlich auf unsere Laufrichtung angepasst)

„Von Patsianos kommt man über den linken Schluchteingang, von Kapsodasos über den rechten Schluchteingang vorbei an riesigen Oleanderbüschen in die Schlucht. Nach einer Stunde öffnet sie sich unverhofft zu einem Kessel. Kalkfelsen türmen sich hoch auf, bei einem ersten Blick könnte man einen Augenblick lang glauben, in den Dolomiten zu sein. Die Schlucht wird enger; der zum Teil zementierte Weg steiler. Der alte Weg ist klar und eindeutig zu verfolgen.“

Leider ist in unserer Ortschaft nirgendwo ein Hinweis auf den E4 zu sehen. Wir wählen also den nächsten Pfad durch den Ort bergauf. Das ist aber falsch, wie sich bald darauf herausstellt. Diese kleine Gasse führt bald wieder hinunter zur Hauptstraße. Eine alte Frau versucht uns den Weg zu erklären; leider scheitert das an unseren mangelnden Sprachkenntnissen.

So laufen wir durch Gärten und kleine Gassen zum Nachbarort Kapsodasos, um dort unser Glück zu versuchen. Dabei treffen wir auf eine deutsche Familie, die gerade ein Stück des E4 gelaufen ist. So kommen wir doch noch auf den richtigen Weg!

Unser letzes Schluchtprojekt: die Schluchten von Kallikratis (links) und zurück über die Asfendou-Schlucht (rechts) E 4 Einstiegs-Hinweis in die Kallikratis-Schlucht Unterwegs in glühender Hitze durch die windstille Kallikratis-Schlucht


Der Weg durch die Schlucht ist in der Routenbeschreibung auch ziemlich exakt beschrieben; auch das umgekehrte Lesen macht keine Mühe. Größere Probleme bereitet da schon eher die Sonne, die jetzt in den Mittagsstunden voll in die nach Süden gerichtete Schlucht knallt. Und zwischen den hohen Felswänden steht dazu noch die heiße Luft. Gut, dass wir viel Trinkwasser mitgenommen haben.

„Durch Farnwiesen neben einem ausgetrockneten Bachbett führt der Weg sacht ansteigend zum Schluchtanfang hoch. Wir erreichen bald darauf die tiefste Einsenkung des Hochtales von Kallikratis. Orientierungspunkt ist eine auf einem Hügel gelegene Kirche.“

Schritt für Schritt kämpfen wir uns durch die Hitze die Schlucht hoch; teilweise nutzen wir auch das ausgetrocknete Bachbett als Weg. Unterwegs findet Martin eine schöne, quietschgelbe Sonnenbrille. Wir verabreden eine Weinpause bei 400 Höhenmetern; das Laufen ist aber wegen des geringen Gepäcks heute trotz der Hitze fast schon genussvoll. Bei 660 Metern Höhe erreichen wir dann die Hochebene von Kallikratis. Wir schaffen dabei einen Rekord: 210 Höhenmeter in 30 Minuten!

Oben angekommen verläuft der Weg dann doch noch etwas anders als im Reiseführer beschrieben. Wir folgen der einzigen Schotterpiste; an einer Gabelung halten wir uns schon mal etwas nach links, weil wir dort wegen eines Kirchturms die „Ortsmitte“ vermuten. Von einem eigentlichen Dorf kann man aber nicht sprechen; dafür sind es zu wenig Häuser bzw. Stallungen, die zudem weit auseinander liegen.

„Im Ortskern von Kallikratis sehenswert ist die Kirche mit ihrer Sonnenuhr sowie die schöne Brunnenanlage. Zwei Kafenia sind den Sommer über geöffnet; im Winter ist das Dorf zumeist verlassen, die Bevölkerung zieht sich dann in die tiefergelegenen Orte zurück. Der Verbindungsweg zur Küste wird von den Bewohnern noch regelmäßig benutzt, sofern nicht größere Mengen an Gepäck zu transportieren sind. Mit dem Auto ist ein weiter Umweg notwendig, um die Küste zu erreichen. Die Bewohner von Kallikratis leisteten in der Zeit der Türkenbesetzung erbitterten Widerstand; das Dorf konnte nie besetzt werden.“

Auf uralten Wegen hinauf zur Kallikratis-Hochebene In die Beine gehender Steilabstieg durch die Asfendou-Schlucht Auf der Hochebene von Kallikratis - und das einzige Kafenion hat tatsächlich noch geöffnet!


Das ehrt die Bewohner von Kallikratis; uns interessiert nun aber immer mehr die Frage nach den „im Sommer geöffneten Kafenia“. Geht bei denen hier der Sommer bis Mitte Oktober?? Glücklicherweise ja, wie sich kurz darauf herausstellt! Zwei Tische und einige Stühle vor einem Haus sowie eine Bierreklame an der Wand signalisieren uns die ersehnte Kneipe – und sie hat geöffnet, wunderbar!

Es gibt auch kaltes Bier, Amstel; bei näherem Hinschauen bemerkt Flobö aber, dass es schon seit längerer Zeit abgelaufen ist. Er verzichtet daraufhin auf`s Weitertrinken; Flobe belässt es dann bei einer halbgeleerten Flasche, nur Martin trinkt seine Flasche tapfer aus. Marianne will schon mal weiter und zieht ohne Rucksack los. Und damit beginnt ein eigenartiger Wettlauf! Obwohl sie nur vielleicht 15 Minuten Vorsprung hat, treffen wir sie erst im etwa sechs Kilometer entfernten Nachbarort Asfendou wieder! Und das, obwohl wir anderen drei die Straße wirklich in schnellstem Tempo zurücklegen. Zwischenzeitlich kommt uns der Gedanke, dass Marianne vielleicht von uns überholt worden wäre, als sie sich gerade die Kirche näher angeschaut hat? Die haben wir nämlich samt Sonnenuhr „links liegen lassen“.

Als uns deutsche Autofahrer entgegenkommen, halten wir sie an und fragen, ob sie jemand vor uns gesehen hätten. Ja, so vielleicht achthundert Meter weiter vorne. Gut, das muß Marianne sein. Wir erhöhen noch einmal unser Marschtempo und erreichen sie dann auch tatsächlich beim Dorf Asfendou.

Hier haben wir allerdings einige Probleme, den richtigen Weg hinein in die Schlucht zu finden. Leider hilft uns die Routenbeschreibung an dieser Stelle nicht viel, weil man die dort aufgeführten Markierungspunkte nur von unten erkennen kann.

So suchen wir uns mal wieder einen eigenen Weg zwischen Gärten und Steinmäuerchen hindurch; ein alter Hirte will uns weiterhelfen, wieder aber scheitern wir an den unüberwindlichen Verständigungsschwierigkeiten. In Italien hätten wir es da schon einfacher. Dennoch – die Schlucht als solche ist ja nicht zu verfehlen, sie verläuft im Prinzip parallel zur soeben emporgestiegenen Kalikratiano-Schlucht. Wir schätzen die Luftlinienentfernung zwischen den beiden Schluchten so auf drei bis fünf Kilometer. Da die Zeit inzwischen fortgeschritten ist, machen wir uns zügig an den Abstieg.

„Der Weg beginnt in Agios Nektarios. Von der Kirche führt eine Straße direkt auf die Schlucht zu. Bei einem doppelten Strommast am linken Rand der auslaufenden Schlucht hoch zu einer Stallung mit blauen Fenstern. Ein breiter, zum Teil gepflasterter alter Maultierpfad zieht sich am linken Schluchtrand hoch. Nach einer guten Stunde steigt der Weg nach einer Steinhütte im mehreren Serpentinen hoch. Es geht beständig steil aufwärts, aber auf gut begehbarem Weg. Nach gut zwei Stunden Aufstieg nähern wir uns dem Schluchtende und sehen die ersten Häuser von Asfendou.“

Wir laufen natürlich wieder in umgekehrter Richtung. Die Beschreibung stimmt zwar; dennoch sind wir uns einig, dass man auf diese Schlucht auch getrost hätte verzichten können. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir inzwischen schon so viele Schluchten begangen haben. Eine besonders schöne Schlucht ist die Asfendou-Schlucht jedenfalls nicht! Aber – wie gesagt, es kann der Vergleich mit den anderen, wilderen Schluchten sein oder auch einfach daran liegen, dass wir inzwischen ziemlich müde sind.

Der Weg führt wirklich steil bergab; dazu ist er mit Geröll übersät und wir müssen bei jedem Schritt gut aufpassen. Von wegen „gut begehbar“! Na ja, der Reiseführer gibt ja auch 6 ½ Stunden reine Gehzeit an; dazu einen Aufstieg und Abstieg von jeweils 850 Metern. Das macht sich nun beim Abwärtsgehen langsam in unseren Waden bemerkbar. Dankbar setzen wir jetzt unsere Trekking-Stöcke ein.

In der Schlucht selbst wird es jetzt zunehmend dämmriger, obwohl am Schluchtausgang noch die Sonne scheint. Als wir dort ankommen, können wir gerade noch den Sonnenuntergang über den Bergen von Hora Sfakion miterleben. Und uns wird klar, dass wir der hereinbrechenden Nacht nicht entkommen können! Wir wollen aber zumindest versuchen, noch beim letzten Tageslicht die holprige Schlucht zu verlassen. Das verzögert sich leider, weil wir aus irgendeinem Grund plötzlich vom Weg abgekommen sind. Jetzt heißt es, möglichst schnell, teilweise abwärtskletternd über kleine Felsen, in gerader Linie auf das unter uns liegende Agios Nektarios zuzusteuern. Und das klappt dann auch!

Was danach aber folgt, kann man getrost als einzige Strapaze bezeichnen! Beim Eintreffen in Agios Nektarios ist es auch mit der Dämmerung vorbei und wir geraten in Dunkelheit – und die ist außerhalb der Ortschaft mangels Straßenlampen ziemlich deutlich ausgeprägt! Kurzfristig müssen wir uns noch mit zwei Straßenkötern anlegen; die Trekking-Stöcke halten sie aber auf Distanz!

So stolpern wir durch die Nacht; immer entlang der Teerstraße, so an die 5 Kilometer weit, ehe wir müde und abgekämpft den Minimarket erreichen. Hier ist erst einmal ein guter Schluck fällig!

Von unserer Deutschen erfahren wir wieder einmal Neuigkeiten: Vor kurzem waren zwei andere deutsche Frauen hier auf Schluchtentour; sie haben im Prinzip alle unsere Schluchten ebenfalls durchwandert und wollten sich dann noch „den besonderen Kick“ verschaffen: zwischen Imbros-Schlucht und Asfendou-Schlucht ist noch eine weitere nach Norden führende Schlucht, allerdings so unzugänglich, dass man dort keine Wege markiert hat.

Dort gerieten sie dann in extreme Schwierigkeiten: sie sollen ihre ganze Ration an Notfall-Tropfen aus ihrem Erste-Hilfe-Set benötigt haben, um mit zitternden Knien dann die Steilabbrüche und Felswände bewältigen zu können.

Als wir schließlich erschöpft in unserem Zimmer eintreffen, muß Martin noch mal ran und Käsespätzle aus der Tüte zubereiten. Er legt Wert darauf, dass diesmal der strenge Geruch aus den geöffneten Tüten kommt und nicht von seinen Socken stammt! Florian regt noch an, eine eigene Seite im Reisetagebuch dem Reiseführer zu widmen um dort alle irrigen Beschreibungen aufzulisten. In dieser Nacht schlafen wir alle sehr gut nach diesem Weg!

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